TE Vwgh Erkenntnis 2007/9/25 2007/18/0345

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Veröffentlicht am 25.09.2007
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Index

24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs2;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
SMG 1997 §28 Abs6;
StGB §70;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des H C in L, geboren 1980, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für des Bundesland Oberösterreich vom 2. Mai 2007, Zl. St 94/07, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 2. Mai 2007 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, § 63 Abs. 1 und Abs. 2 sowie § 86 Abs. 1 und Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 4. Juni 2003 illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe einen Asylantrag gestellt. Die Abweisung dieses Antrages unter gleichzeitiger Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in die Türkei sei mit 10. Mai 2005 rechtskräftig geworden.

Am 16. April 2005 habe der Beschwerdeführer eine Österreicherin geheiratet und im Anschluss daran die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger" gestellt. Diese Bewilligung sei dem Beschwerdeführer mit einer Gültigkeitsdauer bis 6. Dezember 2006 erteilt worden.

Mit seit 2. August 2006 rechtskräftigem Urteil vom 4. Oktober 2005 sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Raubes gemäß § 142 Abs. 1 StGB, des Vergehens der Entwendung eines unbaren Zahlungsmittels gemäß § 241e Abs. 1 leg. cit., des Vergehens des teils versuchten, teils vollendeten Diebstahls gemäß §§ 15 und 127 leg. cit., des Vergehens der Urkundenunterdrückung gemäß § 229 Abs. 1 leg. cit. und des Vergehens der dauernden Sachentziehung gemäß § 135 Abs. 1 leg. cit. unter Bedachtnahme auf ein früheres Urteil vom 3. Februar 2005 zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von 21 Monaten, davon 17 Monate unter bedingter Strafnachsicht, verurteilt worden. Diesem Urteil liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit einem Mittäter am 16. Mai 2004 in einer Unterführung einem anderen auf den Hinterkopf geschlagen habe, wodurch dieser zu Sturz gekommen sei. Dem am Boden Liegenden seien Tritte versetzt worden, wodurch dieser einer Hautabschürfung, Schmerzen im Bereich der Rippen und Hüften, eine Prellung im Bereich der rechten Hüfte und eine Prellung des Knies davon getragen habe. Dem Opfer sei eine Geldklammer mit EUR 40,-- Bargeld, ein Handy im Wert von EUR 250,-- , eine Bankomatkarte, eine Jahreskarte der Linz AG, die Schlüssel und das Ausweisetui weggenommen worden. Mit der erbeuteten Bankomatkarte habe der Beschwerdeführer am 16. Mai 2004 EUR 400,-- behoben und am folgenden Tag eine weitere Behebung versucht. Die Jahreskarte, die Schlüssel und das Ausweisetui habe der Beschwerdeführer weggeworfen.

Am 23. Oktober 2006 sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens gemäß § 28 Abs. 2 vierter Fall, Abs. 3 erster und zweiter Fall Suchtmittelgesetz (SMG), wegen des Vergehens gemäß § 27 Abs. 1 erster, zweiter und sechster Fall, Abs. 2 Z. 1 leg. cit. und wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung gemäß § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 16 Monate unter bedingter Strafnachsicht, rechtskräftig verurteilt worden. Bei dieser Verurteilung sei u. a. der rasche Rückfall nach der einschlägigen Verurteilung vom 3. Februar 2005 als erschwerend gewertet worden. Dem Urteil liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum von Mitte 2005 bis Anfang Juni 2006 Suchtgifte (Heroin, Kokain, Cannabisprodukte, "Speed" und Ecstasy) im Ausmaß von einem Mehrfachen einer "großen Menge" in zahlreichen - im angefochtenen Bescheid aufgelisteten - Fällen gewerbsmäßig in Verkehr gesetzt bzw. in Verkehr zu setzen versucht habe, wobei er zum Teil als Mitglied einer kriminellen Vereinigung agiert habe. In sieben Fällen habe er dabei als Volljähriger einem zumindest zwei Jahre jüngeren Minderjährigen den Gebrauch von Suchtgift ermöglichst. Weiters habe er am 7. April 2006 in einem "Wettcafe" einen anderen durch die Worte "Ich bringe dich um mit einem Messer" mit dem Tod bedroht, wobei er ein etwa 40 cm langes Küchenmesser in drohender Gebärde in der Hand gehalten habe.

Da der Beschwerdeführer mit einer Österreicherin verheiratet sei, sei für ihn gemäß § 87 FPG die Bestimmung des § 86 Abs. 1 leg. cit. maßgeblich, wonach die Erlassung eines Aufenthaltsverbots nur zulässig sei, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet werde. Das persönliche Verhalten müsse eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Zur Beurteilung, ob diese Voraussetzungen gegeben seien, könne auf den Katalog des § 60 FPG als Orientierungsmaßstab zurückgegriffen werden.

Das den Verurteilungen des Beschwerdeführers zu Grunde liegende Fehlverhalten zeige eindeutig und klar nachvollziehbar auf, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage oder nicht gewillt sei, sich an die in Österreich geltenden Gesetze zu halten. Durch das Verhalten des Beschwerdeführers werde die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Dieses persönliche Verhalten stelle eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre.

Der Beschwerdeführer habe in der Berufung u.a. vorgebracht, sich seit 2003 in Österreich aufzuhalten, seit 2005 verheiratet und seit Anfang 2006 Vater eines gemeinsames Kindes zu sein. Angesichts der durch die Tathandlungen, insbesondere den gewerbsmäßigen Verkauf einer Suchtgiftmenge im Ausmaß von einem Mehrfachen der "großen Menge" gemäß § 28 Abs. 6 SMG über einen längeren Tatzeitraum in zahlreichen Angriffen, hervorgetretenen charakterlichen Eigenschaften des Beschwerdeführers, insbesondere seiner geringen Hemmschwelle und seiner Gleichgültigkeit gegenüber der Rechtsordnung schlechthin, sei die Erlassung des Aufenthaltsverbots im Grund des § 66 Abs. 1 FPG dringend erforderlich. Ein rigoroses Vorgehen gegen Suchtgiftdelikte sei angesichts der immer größer werdenden Schäden durch den Konsum von Suchtgift, insbesondere bei Jugendlichen, erforderlich. Im Hinblick auf den Schutz der Gesellschaft sei die vorliegende, in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingreifende Maßnahme dringend erforderlich.

Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 2 FPG sei die auf Grund des etwa vierjährigen Aufenthalts gegebene Integration des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, die Ehe mit einer österreichischen Staatsangehörigen sowie das gemeinsame Kind zu berücksichtigen. Das Aufenthaltsverbot sei daher mit einem erheblichen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden. Allerdings werde das Ausmaß der Integration des Beschwerdeführers auf Grund der Straftaten deutlich gemindert. Unter Abwägung aller Umstände und im Hinblick auf die für das weitere Verhalten des Beschwerdeführers zu erstellende negative Prognose wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbots wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gegen den Beschwerdeführer als Ehegatten einer Österreicherin - die ihr Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen hat - ist gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 erster bis vierter Satz FPG die Erlassung eines Aufenthaltsverbots nur zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

Bei der Beurteilung, ob die Erlassung eines Aufenthaltsverbots im Grund dieser Bestimmung zulässig ist, kann auf den Katalog des § 60 Abs. 2 FPG als Orientierungsmaßstab zurückgegriffen werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. September 2006, Zl. 2006/18/0111).

2. Auf Grund der Verurteilungen des Beschwerdeführers ist der - wie dargestellt als "Orientierungsmaßstab" heranzuziehende - des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt.

Der Beschwerdeführer hat am 16. Mai 2004 gemeinsam mit einem Mittäter einen Raubüberfall begangen. Dabei wurde insofern besonders brutal vorgegangen, als einem anderen in einer Unterführung auf den Hinterkopf geschlagen wurde, wodurch das Opfer zu Sturz gekommen ist. Dem bereits am Boden liegenden Opfer wurden dann auch noch Tritte versetzt. Deswegen wurde der Beschwerdeführer am 4. Oktober 2005 - unter Bedachtnahme auf eine bereits am 3. Februar 2005 erfolgte rechtskräftige Verurteilung - zu einer zum Teil bedingt nachgesehenen Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 21 Monaten rechtskräftig verurteilt. Trotz der unstrittig einschlägigen Verurteilung vom 3. Februar 2005 hat der Beschwerdeführer bereits ab Mitte 2005 gewerbsmäßig und zum Teil als Mitglied einer kriminellen Vereinigung mit Suchtgift gehandelt. Seine zahlreichen Suchtgiftverkäufe hat er ungeachtet der Anhängigkeit des zur Verurteilung vom Oktober 2005 führenden Strafverfahrens bis Anfang Juni 2006 fortgesetzt. Insgesamt hat er ein Mehrfaches der gemäß § 28 Abs. 6 SMG unter Bedachtnahme auf die Eignung, Gewöhnung hervorzurufen und in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen, festzusetzenden "großen Menge" in überaus zahlreichen Angriffen in Verkehr gesetzt. In mehreren Fällen hat er dabei Minderjährigen den Gebrauch von Suchtgift ermöglicht. Bei diesen Straftaten ging er gewerbsmäßig, also in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB), vor. Am 7. April 2006 hat er darüber hinaus einen anderen unter Vorhalt eines Messers mit dem Tod bedroht.

Dieses in seiner Gesamtheit krasse Fehlverhalten bietet einen klaren Grund für die Annahme, dass vom Beschwerdeführer eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr ausgeht, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, er habe durch die Ehe und das gemeinsame Kind eine neue Aufgabe und eine neue Perspektive in seinem Leben erhalten, weshalb eine positive Verhaltensprognose zu erstellen gewesen wäre, ist ihm zu entgegnen, dass er trotz der im April 2005 erfolgten Heirat und der Geburt des Kindes Anfang 2006 sein strafbares Verhalten bis Anfang Juni 2006 fortgesetzt hat. Der nach dem Beschwerdevorbringen während der Haft eingetretene Gesinnungswandel müsste sich angesichts des gravierenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers erst über einen langen Zeitraum außerhalb der Strafhaft bewähren, um zu einer positiven Verhaltensprognose führen zu können.

3. Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und Abs. 2 FPG hat die belangte Behörde den etwa vierjährigen Inlandsaufenthalt des Beschwerdeführers seit Juni 2003, die seit April 2005 bestehende Ehe mit einer österreichischen Staatsangehörigen und das Anfang 2006 geborene Kind berücksichtigt. Die aus der ohnehin erst kurzen Aufenthaltsdauer ableitbare Integration wird - was die belangte Behörde richtig erkannt hat - in ihrer sozialen Komponente durch das gravierende Fehlverhalten des Beschwerdeführers erheblich gemindert. Der Beschwerdeführer bringt zwar vor, "sehr gut integriert" zu sein, macht dazu aber an konkreten Umständen lediglich seine guten Deutschkenntnisse geltend. Weitere für die Integration wesentliche Umstände macht er nicht geltend, insbesondere behauptet er nicht, in Österreich jemals berufstätig gewesen zu sein. Da die vorgebrachten guten Deutschkenntnisse für sich allein zu keiner relevanten Verstärkung der persönlichen Interessen führen, tut der Beschwerdeführer somit die Rechtserheblichkeit des geltend gemachten Verfahrensmangels, die belangte Behörde habe sich nicht ausreichend mit seinem Privat- und Familienleben auseinandergesetzt, nicht dar.

Den auf Grund der durch das Aufenthaltsverbot bewirkten Beeinträchtigung des gemeinsamen Familienlebens mit der österreichischen Gattin und dem Kind dennoch gewichtigen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet steht die - oben 2. dargestellte - große Gefährdung öffentlicher Interessen durch den Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich gegenüber. Von daher kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbots zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit) dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 leg. cit.), nicht als rechtswidrig erkannt werden.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 25. September 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007180345.X00

Im RIS seit

29.10.2007

Zuletzt aktualisiert am

23.06.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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