TE Vwgh Erkenntnis 2007/10/23 2003/06/0076

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Veröffentlicht am 23.10.2007
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Index

L82007 Bauordnung Tirol;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

BauO Tir 2001 §37 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Chlup, über die Beschwerde des P Z (Rechtsnachfolger der I Z) in I, vertreten durch DDr. Christian C. Schwaighofer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Sillgasse 21, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 21. Juli 1999, Zl. I-44/1999, betreffend einen baupolizeilichen Beseitigungsauftrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Innsbruck hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Schreiben des Magistrates der Landeshauptstadt Innsbruck (Bau- und Feuerpolizei) vom 12. August 1997 wurde I.Z.

(Rechtsvorgängerin des nunmehrigen Beschwerdeführers) mitgeteilt, es sei baupolizeilich festgestellt worden, dass auf ihrer Gp 1799 KG H. eine Einfriedung ohne Baubewilligung errichtet worden sei. Sie werde daher aufgefordert, ein entsprechendes Bauansuchen innerhalb einer Frist von vier Wochen einzureichen, widrigenfalls ein Abbruchverfahren eingeleitet werden müsse. Ein weiteres Schreiben mit demselben Inhalt wurde an I.Z. mit Datum vom 6. November 1997 gerichtet. Mit Schreiben vom 12. November 1997 stellte I.Z. aus ihrer Sicht die Baugeschichte dar und wies darauf hin, dass bereits Jahre vor dem Krieg der Zaun errichtet worden sei. 1986 habe ein Grenzstreit um den alten Zaun begonnen, der 1989 mit einem Vergleich geendet habe. Aus Anlass von Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück sei der Großteil ihres Zaunes zerstört worden. 1989 sei begonnen worden, einen betonierten Sockel mit U-Eisen zu errichten, um einen Maschendrahtzaun daran zu befestigen.

Es folgt eine Reihe von behördeninternen Verfahrensschritten, offensichtlich hat auch ein Lokalaugenschein in Anwesenheit der I.Z. stattgefunden. Auf diesen Umstand kann man lediglich aus einem Schreiben der I.Z. an das Bauamt vom 2. September 1998 schließen. In diesem Schreiben führt I.Z. aus, die Annahme der Behörde, dass 1986 nur ein Bretterzaun bestanden habe, müsse auf einer Fehlinformation beruhen, als Beweis werde eine Ablichtung eines Schreibens vom Mai 1989 des Siedlerbundes und Fotos vom (durch Bauarbeiten auf der Nachbarliegenschaft) beschädigten Zaun vorgelegt. Von dem Umstand, dass der Zaun vor einer Straßenfluchtlinie zu liegen komme, ist in diesem Schreiben nicht die Rede.

Mit Bescheid des Magistrates vom 9. Dezember 1998 wurde I.Z. aufgetragen, die Einfriedung im Anwesen Gp. 1799 KG H., die teilweise aus Betonfundamenten mit Stahlstehern und Maschendrahtzaun und teilweise aus einer Betonmauer bestehe und sich zur Gänze vor der "rechtskräftigen" Straßenfluchtlinie befinde, binnen einer Frist von einem Monat zu entfernen.

Gegen diesen Bescheid erhob I.Z. Berufung, in der sie einerseits die Bewilligungspflicht der Anlage bekämpfte und darauf hinwies, dass im Zuge einer Bauführung auf der Nachbarliegenschaft im Jahre 1988 Teile der Einfriedung abgerissen worden seien und die insgesamt sanierungsbedürftige Einfriedung in der Folge renoviert worden sei, woraus sich aus ihrer Ansicht die Bewilligungsfreiheit ergebe, und andererseits der Bebauungsplan, mit dem die Straßenfluchtlinie festgesetzt worden sei, nicht anzuwenden sei. Es fehlten Feststellungen über das Ausmaß der Einfriedung bzw. inwiefern ein Konsens einer bereits vor Erlassung des Bebauungsplanes bestandenen Einfriedung untergegangen sein könnte sowie jedwede Ermittlungsergebnisse zur Frage, was es denn mit der im Bebauungsplan ausgewiesenen Straßenfluchtlinie auf sich habe.

Die Berufungsbehörde führte in der Folge am 1. April 1999 einen Augenschein entlang der Westgrenze der Gp. 1799 KG H. durch, zu dem I.Z. nicht beigezogen wurde. Anlässlich dieser Verhandlung machte ein Amtssachverständiger auch Aussagen über das vermutliche Alter der neu hergestellten Einfriedung. Weiters liegt ein Aktenvermerk vom 29. März 1999 im Akt, wonach im Bauakt keine Baubewilligung für eine Einfriedung auf der Gp. 1799 KG H. einliege.

Ohne I.Z. vom Ergebnis des ergänzenden Ermittlungsverfahrens zu verständigen, erließ die belangte Behörde den Bescheid vom 21. Juli 1999, mit dem der Berufung der I.Z. hinsichtlich eines Teilbereiches der Einfriedung stattgegeben wurde; im Übrigen wurde die Berufung abgewiesen, der eingeschränkte Bauauftrag jedoch konkretisiert und u.a. ausgeführt, dass im Bereich zwischen Punkt 105 bis 113 (laut Vermessungsplan vom 26. Februar 1998) eine Entfernung der Einfriedungsmauer bzw. des Zaungerüstes vorzunehmen sei.

Auf Grund der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof hat dieser ein Normprüfungsverfahren betreffend den Bebauungsplan Nr. 51/br durchgeführt. Mit Erkenntnis vom 27. Februar 2003, V 74/02, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Innsbruck, "Bebauungsplan Nr. 51/br, Höttinger Au, soweit sie im Osten die Grenze der gelb gefärbelten Verkehrsfläche durch Straßenfluchtlinien festlegt, nicht als gesetzwidrig aufgehoben wird, im Übrigen wurde das Verordnungsprüfungsverfahren eingestellt.

Mit Beschluss vom 27. Februar 2003, B 1430/99-11, hat der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde gegen den Bescheid vom 21. Juli 1999 abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Vor dem Hintergrund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Februar 2003, V 74/02, lasse das Vorbringen in der Beschwerde die behaupteten Rechtsverletzungen als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine ausreichende Aussicht auf Erfolg habe.

In der bereits in der ursprünglichen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ausgeführten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

I.Z. erstattete eine Replik.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist entscheidend, wann die verfahrensgegenständliche Einfriedung errichtet wurde, weil davon abhängt, welche Fassung der Tiroler Bauordnung hinsichtlich der Frage ihrer Bewilligungspflicht anzuwenden ist und weiters ob der Bebauungsplan Nr. 51/br anzuwenden ist.

Hinsichtlich der Frage des Alters der Einfriedung hat die belangte Behörde ein Ermittlungsverfahren durchgeführt, dessen Ergebnis der I.Z. nicht zur Kenntnis gebracht worden ist. Allerdings hat I.Z. während des Verfahrens selbst mehrere Fotos vorgelegt und Zeitangaben gemacht, die die zeitliche Zuordnung zumindest teilweise ermöglichten. Die belangte Behörde hat aber nicht nur Angaben der I.Z. für die Beurteilung des Alters der baulichen Anlage herangezogen, sondern auch Äußerungen des Sachverständigen, der auf Grund der baulichen Ausgestaltung der Anlage seine Aussage traf. Zu diesem Beweisergebnis wurde I.Z. nicht die Möglichkeit eröffnet, Stellung zu nehmen.

Entgegen der Annahme des Beschwerdeführers ist der Bebauungsplan Nr. 51/br, wie sich aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Februar 2003, V 74/02 ergibt, auf das gegenständliche Beschwerdeverfahren sehr wohl anzuwenden, dieser Bebauungsplan trat aber erst im August 1987 in Kraft. Davor bestand, weil vorher keine Straßenfluchtlinie festgelegt war, für eine einfache Einfriedung keine Baubewilligungspflicht. Zur Frage der Situierung der Einfriedung vor der durch den Bebauungsplan 51/br festgelegten Straßenfluchtlinie wurden laut Aktenlage mit der Rechtsvorgängerin des Beschwerdeführers nicht nachweislich Erörterungen durchgeführt: In ihrem Schreiben vom 2. September 1998 führt I.Z. nichts zur Lage des Zaunes vor einer Straßenfluchtlinie aus. Erstmals im erstinstanzlichen Bescheid vom 9. Dezember 1998 findet sich die Feststellung, dass sich die gesamte Einfriedung vor der rechtskräftigen Straßenfluchtlinie befinde. Auf Grund der diesbezüglichen Rüge der I.Z. in ihrer Berufung wurde im Verfahren vor der Berufungsbehörde ein Augenschein auch betreffend die Lage der Einfriedung durchgeführt. Auch dieses Beweisergebnis wurde der I.Z. nicht zur Kenntnis gebracht. Im angefochtenen Bescheid findet sich weiters im Spruch der Hinweis auf einen Vermessungsplan vom 26. Februar 1998, der weder Aktenbestandteil ist noch der Rechtsvorgängerin des Beschwerdeführers nachweislich zur Kenntnis gebracht wurde. Sowohl die Verweigerung des rechtlichen Gehörs hinsichtlich des Ermittlungsverfahrens zum Alter der baulichen Anlage als auch zur Lage sind wesentliche Verfahrensmängel, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei ihrer Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, was in der Beschwerde auch entsprechend ausgeführt wurde.

Es wird darauf hingewiesen, dass für einen rechtmäßigen Beseitigungsauftrag gemäß § 37 Abs. 3 TBO 2001 weiters maßgeblich ist, ob die in Frage stehende bauliche Maßnahme auch im Zeitpunkt der Erteilung des Auftrages bewilligungs- oder anzeigepflichtig war. Wenn, wie der Beschwerdeführer meint, nunmehr keine Bewilligungs- bzw. Anzeigepflicht der in Frage stehenden baulichen Anlage mehr bestünde, wäre ein Beseitigungsauftrag nicht zulässig.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das über den pauschalierten Schriftsatzaufwand hinausgehende Mehrbegehren war abzuweisen.

Wien, am 23. Oktober 2007

Schlagworte

"zu einem anderen Bescheid" Parteiengehör

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2003060076.X00

Im RIS seit

20.11.2007

Zuletzt aktualisiert am

28.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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