TE Vwgh Erkenntnis 2007/11/22 2006/21/0331

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Veröffentlicht am 22.11.2007
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 2005 §10;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z4;
VwGG §42 Abs2 Z3 lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des C, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 2. Oktober 2006, Zl. Senat-FR-06-0100, betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, hatte am 20. April 2004 in der Bundesrepublik Deutschland einen Asylantrag gestellt, nach dessen rechtskräftiger Abweisung er in die Türkei zurückgereist war.

Am 8. September 2006 reiste er aus der Türkei (durch einen Schlepper unterstützt sowie unter Verwendung eines gefälschten Reisepasses) in das österreichische Bundesgebiet ein, wo er sich am 13. September 2006 aus eigenem bei der Behörde meldete und die Gewährung von Asyl beantragte. Dabei gab er an, noch in keinem anderen Land um Asyl angesucht zu haben. In Österreich lebten - in Feldkirch - seine Ehefrau, eine türkische Staatsbürgerin, und deren Eltern. (Mit Bescheid vom 13. Oktober 2006 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers vom 13. September 2006 gemäß § 5 AsylG 2005 zurückgewiesen und seine Ausweisung verfügt; über eine dagegen am 23. Oktober 2006 erhobene Berufung wurde nach der Aktenlage bislang nicht entschieden.)

Mit - am selben Tag in Vollzug gesetztem - Bescheid vom 13. September 2006 ordnete die Bezirkshauptmannschaft Baden über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z. 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG die Schubhaft an, um das Verfahren zur Erlassung seiner Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 und um seine Abschiebung zu sichern.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 2. Oktober 2006 wies die belangte Behörde eine dagegen erhobene Schubhaftbeschwerde gemäß § 83 FPG ab und stellte gemäß § 83 Abs. 4 erster Satz FPG fest, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen.

In der Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei illegal, durch einen Schlepper unterstützt und unter Verwendung eines gefälschten Reisepasses, ohne im Besitz gültiger Einreise- oder Personaldokumente zu sein, in das Bundesgebiet eingereist. Erschwerend komme hinzu, dass er sich "einem in Deutschland anhängigen und dort bereits negativ abgeschlossenen asylrechtlichen Verfahren nicht nur entzogen, sondern dort trotz Vorliegens einer negativen asylrechtlichen Entscheidung der Abschiebung widersetzt und in der Folge sich illegal in diesem Staat aufgehalten (habe), somit bereits während eines asylrechtlichen Verfahrens in einem anderen EU-Mitgliedstaat 'untergetaucht' (gewesen sei)". Der Beschwerdeführer verfüge weder über Sprachkenntnisse noch über eine ausreichende Ausbildung für die Aufnahme einer Berufstätigkeit in Österreich. Soweit er auf die Möglichkeit der Unterkunftnahme bei seiner Ehefrau türkischer Abstammung (mit einer Niederlassungsbewilligung in Österreich) verweise, sei festzustellen, dass er zu keinem Zeitpunkt initiativ dargelegt habe, "wie die Besicherung durch die Ehegattin erfolgen sollte". Insbesondere habe er keine Angaben über ihre aktuelle finanzielle Situation (insbesondere im Hinblick auf Kosten einer möglicherweise notwendigen medizinischen Versorgung des Beschwerdeführers) machen können. Im Übrigen könnten auch allfällig Verpflichtete keineswegs sicherstellen, dass sich der Fremde dem behördlichen Zugriff nicht entziehe. Da er auch nach seiner illegalen Einreise in das Bundesgebiet am 8. September 2006 bis zum 13. September 2006 in Österreich "untergetaucht" gewesen sei, sei davon auszugehen, dass die Wohnmöglichkeit bei seiner Ehefrau nicht gewährleisten könnte, dass er sich "rechtmäßig innerhalb österreichischen Staatsgebietes verhalten werde". Unter Berücksichtigung des "negativen Vorverhaltens" erweise sich die Schubhaft daher als einzig mögliches Mittel, um die Sicherung des Ausweisungsverfahrens bzw. der Abschiebung zu ermöglichen und um ein erneutes Untertauchen des Beschwerdeführers in die Anonymität bzw. Illegalität vermeiden zu können.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Festzuhalten ist, dass sich für ein in der Bundesrepublik Deutschland geführtes Abschiebungsverfahren, dem sich der Beschwerdeführer widersetzt hätte oder in dessen Rahmen er - etwa innerhalb Deutschlands - untergetaucht wäre, in den vorgelegten Verwaltungsakten kein Anhaltspunkt findet. Vielmehr ist hieraus lediglich erkennbar, dass der Beschwerdeführer nach Abweisung seines in der Bundesrepublik Deutschland gestellten Asylantrages in die Türkei ausgereist ist. So sagte der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme durch die Bezirkshauptmannschaft Baden am 13. September 2006 nur aus, er habe sich in Deutschland, nachdem dort "alles negativ entschieden" worden war, zwar illegal aufgehalten, sei aber nicht abgeschoben worden.

Soweit die Feststellungen im angefochtenen Bescheid darüber hinausgehen, erweisen sie sich - worauf die Beschwerde zutreffend hinweist - als aktenwidrig. Die Aktenwidrigkeit ist auch relevant, weil das festgestellte frühere "Untertauchen" des Beschwerdeführers das tragende Element zur Begründung eines Sicherungsbedarfes darstellt.

Der angefochtene Bescheid ist daher mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a VwGG aufzuheben war.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG unterbleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 22. November 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006210331.X00

Im RIS seit

04.02.2008

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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