TE Vwgh Erkenntnis 2007/12/14 2007/02/0023

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Veröffentlicht am 14.12.2007
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §52;
StVO 1960 §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kinsky, über die Beschwerde des G P in S, vertreten durch Dr. Josef Faulend-Klauser und Dr. Christoph Klauser, Rechtsanwälte in 8530 Deutschlandsberg, Kirchengasse 7, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Steiermark vom 22. Dezember 2006, Zl. UVS 30.10-110/2006-17, betreffend Übertretung der StVO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 22. Dezember 2006 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe am 8. Juli 2006 um 01.15 Uhr einen dem Kennzeichen nach näher bestimmten PKW an einem näher genannten Ort in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt. Der Test am geeichten Alkomaten habe einen Alkoholgehalt der Atemluft von 0,39 mg/l zum Messzeitpunkt um 01.34 Uhr bzw. 01.36 Uhr ergeben, wonach sich unter Berücksichtigung des Alkoholabbauwertes ein Alkoholgehalt der Atemluft von 0,41 mg/l zum Lenkzeitpunkt um 01.15 Uhr errechnet habe. Er habe dadurch die Rechtsvorschriften des § 99 Abs. 1b i.V.m. § 5 Abs. 1 StVO verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe in Höhe von EUR 1.000.-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 12 Tage) verhängt wurde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ein, weil die belangte Behörde davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer im Lenkzeitpunkt jenen "AAK" bzw. "BAK" aufgewiesen habe, der sich aus der Addition zwischen dem "im Lenkzeitpunkt" (gemeint wohl: im Messzeitpunkt) gemessenen Wert und dem Abbauwert zwischen dem Lenkzeitpunkt und der Atemluftuntersuchung ergebe. Die belangte Behörde summiere einfach den gemessenen BAK von 0,78 Promille (0,39 mg/l x 2) mit dem fiktiven Abbauwert von 0,03 Promille, woraus sich ein BAK im Lenkzeitpunkt von 0,81 (Promille) ergebe. Durch diese Form der Berechnung des BAK im Lenkzeitpunkt werde aber der Beschwerdeführer unzulässigerweise gleichsam doppelt belastet, weil zu seinen Ungunsten unberücksichtigt geblieben sei, dass er den letzten halben Liter Bier unmittelbar vor Verlassen eines näher genannten Lokales bzw. unmittelbar vor Inbetriebnahme seines Fahrzeugs konsumiert habe, sodass vom Vorliegen eines Sturztrunkes auszugehen sei. Die belangte Behörde spreche selbst davon, dass sich der Beschwerdeführer offenbar noch in der Anflutungsphase befunden habe. Mit dieser Feststellung sei aber die von ihr bei der Ermittlung des BAK im Lenkzeitpunkt erfolgte Rückrechnung unvereinbar. Die belangte Behörde schieße aber weit über das Ziel hinaus, wenn sie dem im Anhaltezeitpunkt gemessenen BAK bzw. AAK noch einen fiktiven Abbauwert hinzurechne. Sie übersehe dabei, dass zwar in der Regel der Alkoholgehalt der Atemluft bzw. des Blutes wegen des zwischenzeitig erfolgten Abbaus im Zeitpunkt der Tat höher als im Zeitpunkt der Untersuchung sei, dies aber nicht für den Fall eines Sturztrunkes oder eines Nachtrunkes gelte. Indem dem im Anhaltszeitpunkt gemessenen AAK bzw. BAK des Beschwerdeführers trotz festgestelltermaßen erfolgten Sturztrunks noch ein fiktiver Abbauwert hinzugerechnet werde, gelange die belangte Behörde zu einem BAK bzw. AAK des Beschwerdeführers, der im Lenkzeitpunkt tatsächlich gar nicht gegeben gewesen sei. Bei rechtsrichtiger Beurteilung hätte die belangte Behörde davon ausgehen müssen, dass der Beschwerdeführer im Lenkzeitpunkt maximal den im Untersuchungszeitpunkt gemessenen AAK von 0,39 mg/l aufgewiesen habe. Dies hätte aber lediglich zu einer Bestrafung nach § 14 Abs. 8 FSG führen dürfen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings in ständiger Rechtsprechung § 5 Abs. 1 StVO zum Ausdruck gebracht, dass die - nachträgliche - Feststellung des Atemluftalkoholgehaltes (bzw. Blutalkoholgehaltes) auch dann zur Anwendung dieser Bestimmung zu führen hat, wenn sich der Lenker im Lenkzeitpunkt (noch) in der "Anflutungsphase" befunden hat (vgl. zu einer Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1b i.V.m. § 5 Abs. 1 StVO das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 2005, Zl. 2002/02/0291, m.w.N.).

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 29. August 1990, Zl. 90/02/0085, näher ausgeführt hat, steht die These, solange noch immer Alkohol "aufgestockt" werde, sei der Mechanismus des Alkoholabbaues "weitgehend blockiert", nicht im Einklang mit den Erfahrungen der medizinischen Wissenschaften, sodass die belangte Behörde unter Berücksichtigung eines - noch dazu für den Beschwerdeführer günstigen - durchschnittlichen stündlichen Abbauwertes von 0,10 Promille (vgl. zum durchschnittlichen stündlichen Verbrennungswert des Alkohols im Blut von 0,10 bis 0,12 Promille das vorzitierte hg. Erkenntnis vom 29. August 1990) davon ausgehen konnte, dass der Abbau des Blutalkoholgehaltes ein kontinuierlicher Vorgang sei.

Dass die Hinzurechnung eines fiktiven Abbauwertes zu einem gemessenen Blut- oder Atemluftalkoholwert im Falle eines Sturztrunkes oder Nachtrunkes unzulässig sei, kann der hg. Judikatur - entgegen den Beschwerdebehauptungen - nicht entnommen werden. Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher bei der von der belangten Behörde vorgenommenen Rückrechnung des Blutalkoholwertes keine Rechtswidrigkeit zu erkennen.

Der Beschwerdeführer rügt ferner, das im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens erstellte medizinische Gutachten stelle eine Einheit dar, weshalb es unzulässig sei, dieses Gutachten hinsichtlich der Umrechnung von AAK in BAK zu verwerfen, hinsichtlich der Rückrechnung aber völlig unkritisch zu übernehmen. Zumindest wäre der Sachverständige zu befragen gewesen, ob sich bei Anwendung des nicht wissenschaftlichen, sondern starren Umrechnungsfaktors von 2 : 1 nicht eine abweichende Rückrechnung des Abbauwertes ergebe.

Der Beschwerdeführer übersieht zunächst, dass die belangte Behörde von dem mit einem Alkomaten gemessenen Atemalkoholgehalt von 0,39 mg/l auszugehen hatte und sich der Umrechnungsfaktor für den Blutalkoholgehalt schon aus dem Gesetz ergibt, weshalb die vom Sachverständigen davon abweichende Umrechnung rechtlich nicht gedeckt war. Darüber hinaus wird mit dem Vorbringen betreffend den für die Rückrechnung herangezogenen Abbauwert keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt, zumal die belangte Behörde - wie bereits dargelegt - bei der Rückrechnung auf der Grundlage der bisherigen Judikatur (vgl. das vorzitierte hg. Erkenntnis vom 29. August 1990) von dem noch dazu für den Beschwerdeführer günstigeren Abbauwert von 0,10 Promille pro Stunde ausgegangen ist, sodass es dem gerügten Verfahrensmangel an der Wesentlichkeit fehlt. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers bedurfte es auch hinsichtlich der Höhe des Abbauwertes nicht der Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens.

Auch mit dem Hinweis auf die Höhe der festgesetzten Geldstrafe, die sich im unteren Bereich des vom Gesetz vorgesehenen Strafrahmens (von EUR 872.-- bis EUR 4.360.--) bewegt, wird angesichts einer von der belangten Behörde zu berücksichtigenden einschlägigen Vorstrafe keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt. Davon, dass die belangte Behörde das ihr nach § 19 VStG zustehende Ermessen rechtswidrig ausgeübt habe, kann daher keine Rede sein.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 14. Dezember 2007

Schlagworte

Alkoholbeeinträchtigung Resorption AbbaugeschwindigkeitBeweismittel Sachverständigenbeweis Medizinischer SachverständigerGutachten Beweiswürdigung der BehördeAlkoholbeeinträchtigung SturztrunkFeststellung der Alkoholbeeinträchtigung Nachtrunk

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007020023.X00

Im RIS seit

16.01.2008

Zuletzt aktualisiert am

08.01.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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