TE Vwgh Beschluss 2007/12/17 2007/03/0209

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Veröffentlicht am 17.12.2007
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Index

E3L E13206000;
E6J;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
91/01 Fernmeldewesen;

Norm

32002L0021 Rahmen-RL Kommunikationsnetze Art4;
62005CJ0426 Tele2 VORAB;
AVG §8;
TKG 2003 §37 Abs2;
VwGG §26 Abs2;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Berger, Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, in der Beschwerdesache der ONE GmbH in Wien, vertreten durch Juconomy Rechtsanwälte GbR in 1010 Wien, Parkring 10/1/10, gegen den Bescheid der Telekom Control-Kommission vom 15. Oktober 2007, Zl. M 15b/03 - 111, M 15d/03 - 113, M 13b, d/06 - 105, betreffend Feststellung beträchtlicher Marktmacht und Auferlegung spezifischer Verpflichtungen nach dem Telekommunikationsgesetz 2003 (mitbeteiligte Partei: T-Mobile Austria GmbH in 1030 Wien, Rennweg 97-99), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde von der belangten Behörde gemäß § 37 Abs 2 TKG 2003 festgestellt, dass die mitbeteiligte Partei auf dem Vorleistungsmarkt der Terminierung von Sprachrufen in ihr öffentliches Mobiltelefonnetz im Sinne des § 1 Z 15 Telekommunikationsmärkteverordnung 2003 seit 20. Dezember 2006 über beträchtliche Marktmacht verfüge. Der mitbeteiligten Partei wurden für den Zeitraum ab 20. Dezember 2006 mit diesem Bescheid weiters gemäß § 37 Abs 2 TKG 2003 im Bescheid näher dargelegte spezifische Verpflichtungen auferlegt, darunter u.a. eine spezifische Verpflichtung zur Entgeltkontrolle gemäß § 42 TKG 2003, wobei - zeitlich gestaffelt - Obergrenzen für die Entgelte für die Zusammenschaltungsleistung der Terminierung in das öffentliche Mobiltelefonnetz der mitbeteiligten Partei vom 20. Dezember 2006 bis zum 30. Juni 2009 festgelegt wurden. In ähnlicher Weise wurde im angefochtenen Bescheid das Vorliegen beträchtlicher Marktmacht der mitbeteiligten Partei sowie der - mittlerweile mit der mitbeteiligten Partei zusammengeführten - tele.ring Telekom Service GmbH im Zeitraum vom 29. Oktober 2004 bis 19. Dezember 2006 festgestellt und spezifische Verpflichtungen für diesen Zeitraum auferlegt.

2. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde führt die beschwerdeführende Partei aus, dass ihr der angefochtene Bescheid nicht zugestellt worden sei, jedoch - frühestens am 15. Oktober 2007 - "auf der Homepage der RTR-GmbH" veröffentlicht worden sei. Zu diesem Zeitpunkt sei der beschwerdeführenden Partei der angefochtene Bescheid bekannt geworden.

Die beschwerdeführende Partei rügt in ihrem Vorbringen die Verletzung von Verfahrensvorschriften. Im Verfahren sei ihr die Parteistellung und Akteneinsicht verweigert worden, wodurch ihr die Wahrnehmung ihrer Parteienrechte und ihres Rechts auf effektiven Rechtsschutz gegen den angefochtenen Bescheid entzogen worden seien. Die beschwerdeführende Partei sei Betreiberin eines öffentlichen Mobilkommunikationsnetzes und Inhaberin einer Allgemeingenehmigung zur Erbringung von Kommunikationsdiensten einschließlich Mobilfunkdienstleistungen. Die Zusammenschaltungsentgelte der beschwerdeführenden Partei würden im Marktanalyseverfahren gemäß § 37 TKG 2003 bezogen auf den in § 1 Z 15 TKMVO 2003 definierten Markt "Terminierung von Sprachverkehr in das individuelle öffentliche Mobiltelefonnetz der ONE GmbH" amtswegig reguliert. Die beschwerdeführende Partei wickle seit Jahren umfangreichen Zusammenschaltungsverkehr mit der mitbeteiligten Partei und (bis zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Zusammenführung der mitbeteiligten Partei mit der tele.ring Telekom Service GmbH) mit der tele.ring Telekom Service GmbH ab und terminiere umfangreichen Telekommunikationsverkehr in das Mobilfunknetz der mitbeteiligten Partei. Hiefür habe sie die mit der mitbeteiligten Partei vereinbarten bzw die für diese angeordneten Entgelte zu bezahlen. Da nach der Rechtsansicht der belangten Behörde die Zusammenschaltungsentgelte jedes Mobilfunknetzbetreibers konkret und endgültig im jeweiligen Marktanalyseverfahren festgelegt würden und in allfälligen bilateralen Zusammenschaltungsverfahren hinsichtlich der Zusammenschaltungsentgelte lediglich die Ergebnisse des Marktanalyseverfahrens wiederholt und festgestellt würden, seien für die beschwerdeführende Partei die im Marktanalyseverfahren der mitbeteiligten Partei angeordneten Entgelte in der Weise verbindlich, dass sie verpflichtet sei, diese zu bezahlen.

Die beschwerdeführende Partei habe daher am 4. September 2007 u. a. im Marktanalyseverfahren der mitbeteiligten Partei einen Antrag auf bescheidmäßige Feststellung ihrer Parteistellung und auf Einräumung des Rechts auf Akteneinsicht eingebracht. Diese Anträge seien, obwohl sie in den Marktanalyseverfahren "zu M 15a - b/03, M 15d - e/03, M 13a - b/06, M 13d - f/06" gestellt worden seien, im Verfahren "M 15c/03 - 100, M 13c/06 - 99" unter Spruchpunkt C ab- bzw zurückgewiesen worden. Die Anfechtung der Ab- und Zurückweisung erfolge aus Gründen anwaltlicher Vorsicht "im Verfahren M 15c/03, M 13c/06 und in diesem Verfahren M 15b/03,

M 15d/03, M 13b, d/06."

3. Die beschwerdeführende Partei macht geltend, dass ihr "nach österreichischem Verfassungsrecht und den Vorgaben der EU-Richtlinien" die Möglichkeit eröffnet sein müsse, gegen Entscheidungen einer nationalen Regulierungsbehörde gegenüber einem Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht im Rahmen des Marktanalyseverfahrens den Rechtsweg zu beschreiten, da sie durch die Entscheidungen in ihren Rechten berührt werde. Es sei daher entweder § 37 Abs 5 TKG 2003 dahingehend europarechtskonform auszulegen, dass im hier gegenständlichen Verwaltungsverfahren auch der beschwerdeführenden Partei Parteistellung und Akteneinsicht hätte gewährt werden müssen oder es hätte § 37 Abs 5 TKG 2003 wegen Verstoßes gegen höherrangiges EU-Recht unangewendet bleiben müssen, sodass der beschwerdeführenden Partei nach allgemeinen Verfahrensvorschriften (§ 8 AVG) Parteistellung und Akteneinsicht hätte gewährt werden müssen. Ansonsten sei es der beschwerdeführenden Partei unmöglich, den Rechtsbehelf, der ihr nach Art 4 der Rahmenrichtlinie zustehe, auszuüben.

Die beschwerdeführende Partei verweist auf das vom Verwaltungsgerichtshof am 22. November 2005 gestellte Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof (Rechtssache C-426/05 - Tele2 UTA Telecommunication GmbH gegen Telekom-Control-Kommission) und auf die in diesem Verfahren erstatteten Schlussanträge des Generalanwalts vom 15. Februar 2007. Unter Bezugnahme auf die Schlussanträge des Generalanwalts legt die beschwerdeführende Partei dar, dass sie ihrer Ansicht nach durch den angefochtenen Bescheid in eigenen Rechten berührt werde. Die beschwerdeführende Partei sei sowohl Wettbewerberin als auch Vertragspartnerin der mitbeteiligten Partei und es seien mit dem angefochtenen Bescheid auch die konkreten Terminierungsentgelte endgültig festgelegt worden, welche sie der mitbeteiligten Partei für Terminierungsleistungen bezahlen müsse.

Unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Generalanwalts in der Rechtssache C-426/05 führt die beschwerdeführende Partei aus, dass ihr, würde man ihr lediglich die Möglichkeit einräumen, Beschwerde gegen den Bescheid zu erheben, nach den nationalen Regelungen die Wahrnehmung ihrer Rechte im Verfahren verunmöglicht würde. Nur bei vollständiger Kenntnis vom Stand des Verwaltungsverfahrens sei es möglich, das Rechtsmittel rechtswirksam auszuüben. Dies sei aber nur dann möglich, wenn die beschwerdeführende Partei sich als Partei am Verfahren beteiligen könne. Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes gebiete zumindest eine Tatsacheninstanz, in der der rechtlich unmittelbar Betroffene zur Tatsachengrundlage Stellung nehmen könne. Im Hinblick auf das Neuerungsverbot im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof sei neues Vorbringen ausgeschlossen. Die Rechtsweggarantie gewährleiste dem möglicherweise Verletzten grundsätzlich einen Anspruch auf vollständige, auch die Beurteilungsgrundlagen umfassende, Nachprüfung der angefochtenen Maßnahmen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht. In tatsächlicher Hinsicht seien daher Bindungen des Gerichts an Feststellungen des vorangegangenen Verwaltungsverfahrens grundsätzlich ausgeschlossen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasse auch das Recht auf Einsicht in die Prozessakten. Die Akteneinsicht müsse gewährt werden, weil den Berechtigten sonst die Gelegenheit genommen werde, zu entscheidungserheblichen Tatsachen und Beweisergebnissen Stellung zu nehmen. Somit setze das Gebot des rechtlichen Gehörs voraus, dass der Betroffene vollständig über den Verfahrensstoff informiert werde und erkennen könne, worauf es dem Gericht für seine Entscheidung ankomme.

Wenn die belangte Behörde der beschwerdeführenden Partei Parteistellung und Akteneinsicht gewährt hätte, wäre sie zu einem anderen Ergebnis gekommen. Die beschwerdeführende Partei wende sich in materieller Hinsicht gegen die Höhe der bescheidmäßig festgelegten Terminierungsentgelte. Hätte sie als Partei an dem Verfahren teilnehmen können, so hätten ihre Argumente dazu führen können, dass die Entgelte auf Grund näher angeführter Argumente in anderer Höhe angeordnet worden wären.

4. Die beschwerdeführende Partei leitet der Sache nach ihre Beschwerdelegitimation aus § 26 Abs 2 VwGG ab, wonach die Beschwerde auch erhoben werden kann, bevor der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt oder verkündet worden ist. Für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gilt in diesem Falle der Bescheid als an dem Tag zugestellt, an dem der Beschwerdeführer von seinem Inhalt Kenntnis erlangt hat. Dass der hier angefochtene Bescheid der beschwerdeführenden Partei noch zugestellt werde oder dass die Parteistellung der beschwerdeführenden Partei im Verfahren unstrittig gewesen wäre, behauptet die Beschwerdeführerin selbst nicht, vielmehr weist sie ausdrücklich darauf hin, dass sie in diesem Verfahren einen Antrag auf Feststellung der Parteistellung und Gewährung von Akteneinsicht gestellt habe, der jedoch nicht mit dem angefochtenen Bescheid, sondern mit einem anderen - zur Zl 2007/03/0210 ebenfalls angefochtenen - Bescheid abgewiesen wurde.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl den hg Beschluss vom 9. Februar 1990, Zl 89/17/0243, mwN) ist eine unmittelbare Beschwerdeführung durch übergangene Parteien - also Personen, die in einem Verfahren aus welchem Grunde immer in der Rechtsstellung einer Partei nicht beigezogen wurden oder gegenüber welchen der das Verfahren abschließende Bescheid nicht erlassen wurde - nicht zulässig, denn die Frage des Mitspracherechtes muss zunächst durch die in Betracht kommende Behörde entschieden werden, sei es durch Abweisung eines Antrages auf Bescheidzustellung, sei es durch Anerkennung der Parteistellung in Form der Bescheidzustellung.

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde die beschwerdeführende Partei nicht als Partei des Verwaltungsverfahrens angesehen und dies zudem in einer ausdrücklichen bescheidmäßigen Erledigung - welche von der beschwerdeführenden Partei auch gesondert angefochten wurde - ausgesprochen.

Im Hinblick darauf mangelt der beschwerdeführenden Partei die Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde.

5. Daran vermag auch der Hinweis auf das beim Europäischen Gerichtshof anhängige Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtssache C-426/05 und die in diesem Verfahren bereits erstatteten Schlussanträge des Generalanwalts nichts zu ändern. Auch wenn nach Vorliegen der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes im Vorabentscheidungsverfahren die beschwerdeführende Partei als von dem hier angefochtenen Bescheid "betroffen" im Sinne des Art 4 der Rahmenrichtlinie 2002/21/EG anzusehen sein sollte und ihr nach dem österreichischen Verfahrensrecht in diesem Fall jene Rechte einzuräumen sein sollten, deren Verletzung sie im vorliegenden Fall geltend macht, so würde dies nicht zur Folge haben, dass sie - jedenfalls aus den in der vorliegenden Beschwerde geltend gemachten Gründen - zur Beschwerde gegen den ihr nicht zugestellten Bescheid berechtigt wäre.

Da die Verletzung des Parteiengehörs und die Verweigerung der Akteneinsicht nur gegenüber jenen Personen rechtswidrig ist, denen diese Rechte im Verwaltungsverfahren tatsächlich zustehen, läge in der bloßen Einräumung der Berechtigung zur Beschwerdeerhebung ohne vorhergehende Bescheidzustellung und ohne Einräumung der genannten Rechte im Verwaltungsverfahren keine wirksame Einspruchsmöglichkeit im Sinne des Art 4 der Rahmenrichtlinie 2002/21/EG.

6. Über das von der beschwerdeführenden Partei geltend gemachte Recht auf Parteistellung und das daraus folgende Recht auf Akteneinsicht hat die belangte Behörde nicht mit dem hier angefochtenen, nach der Zustellverfügung ausschließlich gegenüber der mitbeteiligten Partei erlassenen Bescheid abgesprochen, sondern in einem anderen, gegenüber der beschwerdeführenden Partei erlassenen Bescheid, den diese auch mit einer gleichzeitig erhobenen Beschwerde, welche zu Zl 2007/03/0210 protokolliert ist, bekämpft.

Die hier vorliegende Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs 1 VwGG in einem gemäß § 12 Abs 3 VwGG gebildeten Senat ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Auf die von der beschwerdeführenden Partei angeregte Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-426/05 muss bei dieser Sachlage nicht mehr eingegangen werden.

Wien, am 17. Dezember 2007

Gerichtsentscheidung

EuGH 62005J0426 Tele2 VORAB

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATION

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007030209.X00

Im RIS seit

30.04.2008

Zuletzt aktualisiert am

24.10.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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