TE Vwgh Beschluss 2007/12/20 2006/21/0224

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Veröffentlicht am 20.12.2007
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Index

E1E;
E3L E02100000;
E3L E05100000;
E3L E19100000;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
59/04 EU - EWR;

Norm

11997E234 EG Art234;
32004L0038 Unionsbürger-RL;
AVG §38;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z11;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §85 Abs1;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z1;
NAG 2005 §52;
VwGG §38b;
VwGG §62 Abs1;

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:* Vorabentscheidungsantrag des VwGH oder eines anderen Tribunals:2007/21/0271 B 22. November 2007 Vorabentscheidungsverfahren:* Ausgesetztes Verfahren: 2007/21/0271 B 22. November 2007 * EuGH-Entscheidung: EuGH 62007CO0551 19. Dezember 2008

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, in der Beschwerdesache des M, vertreten durch Dr. Silvia Franek, Rechtsanwältin in 2500 Baden, Am Fischertor 5/4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 5. Juli 2006, Zl. Fr-926/03, betreffend Ausweisung, den Beschluss gefasst:

Spruch

Das Beschwerdeverfahren wird bis zur Vorabentscheidung des in der hg. Beschwerdesache Zl. 2007/21/0271 angerufenen Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ausgesetzt.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der am 16. Mai 1982 geborene Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von "Serbien und Montenegro" und Adoptivsohn eines deutschen Staatsangehörigen, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen.

Mit hg. Beschluss vom 22. November 2007, Zl. 2007/21/0271, wurden dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften u.a. folgende Fragen zur Vorabentscheidung gemäß Art. 234 EG vorgelegt:

"1. a) Sind die Art. 3 Abs. 1, Art 6 Abs. 2 sowie Art. 7 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG - im Folgenden RL - so auszulegen, dass sie auch jene Familienangehörigen im Sinn von Art. 2 Nr. 2 der RL erfassen, die unabhängig vom Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat (Art. 2 Nr. 3 der RL) gelangt sind und erst dort die Angehörigeneigenschaft oder das Familienleben mit dem Unionsbürger begründet haben?

b) Wenn dies der Fall ist, kommt es ergänzend

darauf an, dass sich der Familienangehörige im Zeitpunkt der Begründung der Angehörigeneigenschaft oder des Familienlebens rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält? Wenn ja, genügt es für einen rechtmäßigen Aufenthalt, dass der Familienangehörige lediglich kraft seiner Stellung als Asylwerber zum Aufenthalt berechtigt ist?"

Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG, auf den die in Beschwerde gezogene Ausweisung gestützt wurde, an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Nach § 85 Abs. 1 FPG haben begünstigte Drittstaatsangehörige (§ 2 Abs. 4 Z 11 FPG) das Recht auf Aufenthalt für einen Zeitraum von drei Monaten, unterliegen aber der Sichtvermerkspflicht, darüber hinaus besteht ein Aufenthaltsrecht nach Maßgabe des 4. Hauptstückes des 2. Teiles des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG). Gemäß der angesprochenen Begriffsbestimmung in § 2 FPG erfasst der Personenkreis der begünstigten Drittstaatsangehörigen unter anderem eigene Verwandte eines EWR-Bürgers, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen haben, in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird. Weitere Voraussetzung ist, dass dieser Drittstaatsangehörige den freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürger, von dem sich seine gemeinschaftsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht. Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass die Wortfolge "begleitet oder ihm nachzieht", an die § 2 Abs. 4 Z 11 FPG (u.a.) die Eigenschaft als begünstigter Drittstaatsangehöriger knüpft, ebenso wie dieselbe, den Anlass für das erwähnte Vorabentscheidungsersuchen bildende Wendung in § 52 letzter Satz NAG gemäß der RL 2004/38/EG (RL) auszulegen ist.

Der bei Bescheiderlassung 24-jährige Beschwerdeführer ist (wie erwähnt) auf Grund eines - während des illegalen Aufenthaltes des Beschwerdeführers geschlossenen - mit Beschluss vom 8. Oktober 2004 gerichtlich bewilligten Adoptionsvertrages Adoptivsohn eines deutschen Staatsangehörigen. Mit der Frage einer tatsächlichen Unterhaltsgewährung hat sich die belangte Behörde - sofern sie letztlich nicht überhaupt von einer Unterhaltsgewährung durch den Wahlvater ausging - nicht ausreichend beschäftigt. Im Hinblick darauf ist - abhängig von der Beantwortung der dargestellten Fragen durch den EuGH - nicht auszuschließen, dass der Beschwerdeführer als begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG angesehen werden müsste.

Bejahendenfalls käme dem Beschwerdeführer nach Maßgabe des § 85 Abs. 1 FPG ein Aufenthaltsrecht zu, was seine Ausweisung nach § 53 Abs. 1 FPG - abgesehen davon, dass die belangte Behörde gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 FPG zur Entscheidung über die gegen die erstinstanzliche Ausweisung erhobene Berufung dann nicht zuständig gewesen wäre - rechtswidrig machen würde. Mithin bilden die dargestellten Fragen auch im gegenständlichen Beschwerdefall eine Vorfrage, die zufolge des Auslegungsmonopols des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften in Angelegenheiten des (primären oder sekundären) Gemeinschaftsrechts von diesem Gerichtshof zu entscheiden sind.

Da das entsprechende Verfahren zur Einholung einer Vorabentscheidung bereits anhängig gemacht wurde, liegen die Voraussetzungen des gemäß § 62 Abs. 1 VwGG auch vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendenden § 38 AVG vor,

sodass mit einer Aussetzung des gegenständlichen Verfahrens vorgegangen werden konnte (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 29. Jänner 2003, Zl. 99/03/0365).

Wien, am 20. Dezember 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006210224.X00

Im RIS seit

21.04.2008

Zuletzt aktualisiert am

03.05.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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