TE Vwgh Erkenntnis 2008/1/24 2004/09/0094

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Veröffentlicht am 24.01.2008
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
77 Kunst Kultur;

Norm

AVG §52;
DMSG 1923 §1 Abs1 idF 1999/I/170;
DMSG 1923 §1 Abs2 idF 1999/I/170;
DMSG 1923 §1 Abs5 idF 1999/I/170;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde der S Gesellschaft m.b.H. in G, vertreten durch Stenitzer & Stenitzer Rechtsanwälte OEG in 8430 Leibnitz, Hauptplatz 32-34, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur vom 19. April 2004, Zl. 16.002/32-IV/3/2003, betreffend Unterschutzstellung nach dem Denkmalschutzgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 12. November 2001 stellte das Bundesdenkmalamt gemäß §§ 1 und 3 des Denkmalschutzgesetzes (DMSG) fest, dass die Erhaltung des Wohnhauses in Graz, K-Gasse, im öffentlichen Interesse gelegen sei. In der Begründung des Bescheides wurde unter Bezug auf ein Amtsachverständigengutachten des Bundesdenkmalamtes vom 30. Jänner 1997 das öffentliche Interesse an der Erhaltung bejaht, weil es sich um ein im Kern aus dem 17. Jahrhundert stammendes, im 18. Jahrhundert umgebautes und im Jahr 1832 um drei Fensterachsen nach Norden erweitertes Gebäude handle. Neben anderen die Unterschutzstellung rechtfertigenden Merkmalen enthalte das Gebäude im südlichsten Raum des Obergeschoßes eine qualitativ hervorragende Stuckdecke aus der Zeit um 1680.

Gegen diesen Bescheid erhoben die damaligen Eigentümer Berufung, in welcher sie unter anderem die Datierung der Stuckdecke durch den Amtssachverständigen als nicht nachvollziehbar hielten.

Die belangte Behörde führte in der Folge einen Ortsaugenschein durch, anlässlich dessen der Amtssachverständige die im südlichsten Raum des Obergeschoßes angebrachte Stuckdecke mit dem Ende des 17. Jahrhunderts datierte und ausführte, das Gebäude gehe in seiner wesentlichen Substanz auf die Barockzeit zurück, wenn auch - vor allem im 19. Jahrhundert (Anbau des Stiegenhauses und Anbau der nördlichen drei Fensterachsen) - Veränderungen vorgenommen worden seien. Dem traten die Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin und der von ihnen beigezogene allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige Univ.-Doz. Dipl.-Ing. Dr. G entgegen, der die Datierung der Stuckdecke in Zweifel zog und in der Folge auch in einem ausführlichen Gutachten vom 30. Jänner 2002 darlegte, es könne sich dabei auch um eine historistische Decke aus dem 19. Jahrhundert handeln. Auf Grund der planlichen Unterlagen sei nicht nachweisbar, dass das Gebäude im 17./18. Jahrhundert überhaupt über einen ersten Stock verfügt habe. Eine Aufstockung des Hauses sei zu diesem frühen Zeitpunkt nicht wahrscheinlich und auch nicht nachzuweisen. Das Vorhandensein des Deckenbalkens und die Notwendigkeit, ihn in die Stuckatierung mit einzubeziehen, deute auf alle Fälle auf eine spätere Ausstattung hin, eine, die bei der Errichtung der Decke nicht geplant gewesen sei. Das Stiegenhaus des Wohnhauses, welches auf Grund des eingebauten Fäkalienentsorgungssystems ("Fasslkammersystem") in der Zeit zur Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert zu datieren sei, sei erstmals urkundlich als Bestand zum Zeitpunkt 1832 wiedergegeben. Auch die im Keller feststellbare Zäsur in der Stärke des aufeinander treffenden Mauerwerkes sei im ersten Stock nicht feststellbar. Daraus sei auf eine einheitliche und daher spätere Errichtung des ersten Stockwerkes zu schließen. Näheren Aufschluss über das Alter der Holzdeckenkonstruktion, auf welcher die Stuckdecke angebracht sei, könne eine dendrochronologische Untersuchung und eine wissenschaftliche Prüfung der verwendeten Farben bringen. Die im Amtsgutachten erfolgte stilistische Zuschreibung an Domenico Boscho (1680) sei jedoch angesichts der nicht wahrscheinlichen Aufstockung des Gebäudes bereits zu dieser Zeit nicht haltbar.

Die belangte Behörde holte daraufhin zur Stuckdecke ein Sachverständigengutachten von Ass.-Prof. Dr. S-S ein. Diese führte nach einer "Autopsie" des Hauses insbesondere aus, dass die Stuckdecke in einem guten Erhaltungszustand sei, allerdings sei sie stark überstrichen. Eine Restaurierung würde die differenzierte Gestaltung der Oberfläche zum Vorschein bringen. Bei dieser Gelegenheit könnte auch festgestellt werden, ob Reste von Bemalung zu finden seien. Schlussendlich würde eine chemische Analyse einer Materialprobe jeden Zweifel ausräumen, ob es sich um eine barocke Stucktechnik handle. Obwohl bereits die formale Analyse auf die ursprüngliche Verankerung der Stuckdecke im Ambiente des Hauses hinweise, bestätige die kunsthistorische Einordnung die Datierung und Lokalisierung in das künstlerische Grazer Milieu des späten 17. Jahrhunderts. Ein Vergleich mit der Stuckdecke der ehemaligen Kapelle des Grazer Jesuitenkollegs, Bürgergasse 2, könne die Gemeinsamkeiten verdeutlichen: es finde sich hier die gleiche Art der Flächengliederung durch Putzfelder, die mit hochplastischen Blattgirlanden besetzt seien, die gleiche Art der flächenfüllenden Kartuschenbildungen aus weichgeschwungenen Akanthusblättern, auch die Rosetten und gerippten Muscheln seien im Formenrepertoire zu finden. Die Decke werde in der Fachliteratur dem Umkreis des italienischen Stukkateurs Domenico Boscho zugeschrieben, der seit den Achtzigerjahren in Graz und verschiedenen Orten in der Steiermark tätig gewesen sei. Die Glaubwürdigkeit dieser Zuschreibung könne ein Vergleich mit der signierten Stuckdecke in einer Seitenkapelle der Stiftskirche Vorau bestätigen. Es lasse sich als Ergebnis der Analyse mit gutem Grund behaupten, dass die in Frage stehende Stuckdecke schon Ende des 17. Jahrhunderts entstanden sei. Eine historistische Nachschöpfung im barocken Stil sei schon auf Grund der freiplastischen Modellierung der Oberfläche - im

19. Jahrhundert habe man eher gegossene Teile versetzt - auszuschließen. Auch die großförmige stark plastische Ornamentik des späten 17. Jahrhunderts entspreche keineswegs den Vorstellungen des 19. Jahrhunderts von Barock und stehe in keiner stilistischen Übereinstimmung mit dem im 19. Jahrhundert eingebauten Stiegenhaus. Eine Übertragung aus einem abgebrochenen Gebäude sei äußerst unwahrscheinlich, da es fraglich sei, ob eine solche Transaktion damals überhaupt technisch durchführbar bzw. ob sie ohne gröbere Verluste möglich gewesen wäre. Die Besichtigung des Hauses habe gezeigt, dass die Stuckdecke das kostbarste Stück des ganzen Hauses sei, das im Laufe der Geschichte zahllose Eingriffe über sich ergehen habe lassen müssen.

Im Zuge von mit Einverständnis des Bundesdenkmalamtes durchgeführten Adaptierungsmaßnahmen wurde ein Bestandsgutachten durch Dipl.-Ing. Z, allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Bauforschung und Denkmalanalyse, vom 10. April 2003 erstellt. Darin führte dieser aus, dass im südlichsten Raum des Obergeschoßes zwei Sondierungen am südlichen Hohlkehlenübergang der Südwand zur gegenständlichen Decke und im Einbindungsbereich des Deckenmittelbalkens in die Westwand vorgenommen worden seien. Diese hätten gezeigt, dass unter der rezenten weißen Färbelung der Decke sich eine grünlichgelbe Fassung an der Wandfläche wie auch am Hohlkehlenbereich der Decke und an der Stuckdekoration wiederfinde. Darunter, als primäre Färbelungsschichte, sei ein Grau zu befunden, dass unter dem Hohlkehlenansatz und hinter die Stuckebene des Mittelbalkens bis an die Holzoberfläche verlaufe. Diese Graufassung der Wände sei noch in einer Zeit vorgenommen worden, in der die Holzdecke sichtbar präsentiert worden sei. Auf Grund des vorhandenen einlagigen Putzes handle es sich dabei aber nicht mehr um die ursprüngliche/bauzeitliche Wandfassung, sondern auf Grund der ähnlichen Putzstruktur im Vergleich mit den übrigen Räumen um eine Fassung des 19. Jahrhunderts. Im Zuge einer weiteren Umgestaltung sei die gegenwärtige sichtbare Stuckoberfläche hergestellt worden. Im Bereich des Obergeschoßes des Wohnhauses könne keine Putzstruktur am aufgehenden Mauerwerk festgestellt werden, welche vor das 19. bzw. späte 18. Jahrhundert zu datieren sei. Eine Verifizierung der durch Ass.-Prof. Dr. S-S vorgenommenen Datierung wäre durch Holzalterbestimmung bzw. durch chemische Stuck- und Farbschichtanalysen möglich. Die im Erdgeschoß und Obergeschoß vorhandenen Riemlingsdecken seien grundsätzlich typische Ausstattungsformen des 17./18. Jahrhunderts und würden eine bemerkenswerte baukulturelle Identität des Objekts bezeugen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 19. April 2004 stellte die belangte Behörde - in teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides - fest, dass "die Erhaltung der Stuckdecke (in situ) des Wohnhauses" an der gegenständlichen Adresse im öffentlichen Interesse gelegen sei ("Teilunterschutzstellung gemäß § 1 Abs. 8 DMSG").

Nach Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtslage führte die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides im Wesentlichen aus, dass das gegenständliche Gebäude in seinem heutigen Zustand das Ergebnis zahlreicher Umbauten und Veränderungen sei. Im Inneren bestünden verschiedene Baudetails aus verschiedenen Bauepochen, eine besondere Charakteristik liege nicht vor.

Das gegenständliche Gebäude zeichne sich jedoch durch die Stuckdecke im ersten Obergeschoß aus. Die belangte Behörde nehme als erwiesen an, dass diese in das ausgehende 17. Jahrhundert zu datieren sei. Die von Ass.-Prof. Dr. S-S auf Grund von stilistischen Befundungen vorgenommene Zuschreibung sei schlüssig und nachvollziehbar und könne durch die Ausführungen der Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin im Verfahren und die von ihnen vorgelegten Sachverständigengutachten nicht entkräftet werden. Auch Univ.-Doz. Dipl.-Ing. Dr. G führe in seinem Gutachten nicht aus, wann der südliche Anbau errichtet worden sei. Die Tatsache, dass es sich um einen Anbau an ein aus dem 16./17. Jahrhundert stammendes Gebäude handle, schließe jedenfalls nicht aus, dass dieser Anbau zu Ende des 17. Jahrhunderts (also zur Zeit der von Ass.-Prof. Dr. S-S angenommenen Datierung der Stuckdecke) bereits bestanden habe bzw. errichtet worden sei. Aus dem Umstand, dass das Stiegenhaus und ein so genanntes "Fasslkammersystem" erst im 19. Jahrhundert errichtet worden seien, sei keineswegs schlüssig abzuleiten, dass auch das Obergeschoß erst aus dieser Zeit stamme. Univ.-Doz. Dipl.- Ing. Dr. G ziehe mit seiner Auffassung, dass ein archivarischer Beweis für die Errichtung des Obergeschoßes nicht erbracht werden könne, die Grundlagen für sein Gutachten selbst in Zweifel. Aus den Verputzschichten des 19. Jahrhunderts könne auch nicht abgeleitet werden, dass der maßgebliche Bauteil nicht aus dem 17. Jahrhundert stamme. Daher sei die belangte Behörde der Überzeugung, dass die Stuckdecke in das ausgehende 17. Jahrhundert zu datieren und von besonderer, vor allem durch Ass.-Prof. Dr. S-S dargelegter künstlerischer Bedeutung sei.

Es handle sich hier um den außergewöhnlichen Fall, dass in einem geschichtlich, künstlerisch und kulturell nicht oder nur wenig bedeutenden Gebäude sich eine hochbedeutende Stuckdecke befinde, deren Erhaltung gemäß § 1 Abs. 2 DMSG im öffentlichen Interesse liege, weil es sich um ein bedeutendes Werk handle, das im Zusammenhang mit der regionalen künstlerischen Entwicklung seiner Zeit stehe. Bereits der Wortlaut des § 1 Abs. 2 DMSG (Vielzahl, Vielfalt und Vertiefung) mache deutlich, dass das öffentliche Interesse keineswegs nur auf die jeweils herausragenden Werke einer bestimmten künstlerischen Epoche zu beschränken sei. Hinzuweisen sei darauf, dass sich die Unterschutzstellung angesichts des § 1 Abs. 8 DMSG auf alle Teile des gegenständlichen Gebäudes erstrecke, die für die denkmalgerechte Erhaltung der gegenständlichen Stuckdecke erforderlich seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Denkmalschutzgesetzes, BGBl. 533/1923 i.d.F. BGBl. I Nr. 170/1999 (DMSG), lauten:

"§ 1. (1) Die in diesem Bundesgesetz enthaltenen Bestimmungen finden auf von Menschen geschaffene unbewegliche und bewegliche Gegenstände (einschließlich Überresten und Spuren gestaltender menschlicher Bearbeitung sowie künstlich errichteter oder gestalteter Bodenformationen) von geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung ('Denkmale') Anwendung, wenn ihre Erhaltung dieser Bedeutung wegen im öffentlichen Interesse gelegen ist. Diese Bedeutung kann den Gegenständen für sich allein zukommen, aber auch aus der Beziehung oder Lage zu anderen Gegenständen entstehen. 'Erhaltung' bedeutet Bewahrung vor Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland.

(2) Die Erhaltung liegt dann im öffentlichen Interesse, wenn es sich bei dem Denkmal aus überregionaler oder vorerst auch nur regionaler (lokaler) Sicht um Kulturgut handelt, dessen Verlust eine Beeinträchtigung des österreichischen Kulturgutbestandes in seiner Gesamtsicht hinsichtlich Qualität sowie ausreichender Vielzahl, Vielfalt und Verteilung bedeuten würde. Wesentlich ist auch, ob und in welchem Umfang durch die Erhaltung des Denkmals eine geschichtliche Dokumentation erreicht werden kann.

...

(4) Das öffentliche Interesse an der Erhaltung im Sinne des Abs. 1 (Unterschutzstellung) wird wirksam kraft gesetzlicher Vermutung (§ 2) oder durch Verordnung des Bundesdenkmalamtes (§ 2a) oder durch Bescheid des Bundesdenkmalamtes (§ 3) oder durch Verordnung des Österreichischen Staatsarchivs (§ 25a). ...

(5) Ob ein öffentliches Interesse an der Erhaltung eines Einzeldenkmals, eines Ensembles oder einer Sammlung besteht sowie ob oder wie weit es sich (auch) um eine Einheit handelt, die als einheitliches Ganzes zu erhalten ist, ist vom Bundesdenkmalamt unter Bedachtnahme auf diesbezügliche wissenschaftliche Forschungsergebnisse zu entscheiden. Bei der Auswahl der Objekte, die unter Denkmalschutz gestellt werden, ist die Bewertung in den vom Bundesdenkmalamt geführten bzw. verfassten Denkmalverzeichnissen zu berücksichtigen. Allgemein anerkannte internationale Bewertungskriterien können in die Beurteilungen mit einbezogen werden. Wenn eine ausreichende Erforschung von Denkmalen - wie insbesondere bei nicht ausgegrabenen Bodendenkmalen - noch nicht abgeschlossen ist, ist die Feststellung des öffentlichen Interesses an der Erhaltung der Denkmale nur dann zulässig, wenn die für die Unterschutzstellung erforderlichen Fakten auf Grund des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes wenigstens wahrscheinlich sind und die unversehrte Erhaltung der Denkmale andernfalls gefährdet wäre; eine solche Unterschutzstellung kann auch zeitmäßig begrenzt erfolgen.

(6) Die Feststellung des öffentlichen Interesses an der Erhaltung eines Denkmals erfolgt stets in jenem Zustand, in dem es sich im Zeitpunkt des Rechtswirksamwerdens der Unterschutzstellung befindet.

...

(8) Werden nur Teile eines Denkmals geschützt (Teilunterschutzstellung), so umfasst dieser Schutz auch die übrigen Teile in jenem Umfang, als dies für die denkmalgerechte Erhaltung der eigentlich geschützten Teile notwendig ist.

...

§ 3. (1) Bei Denkmalen, die nicht bloß kraft gesetzlicher Vermutung oder durch Verordnung unter Denkmalschutz stehen, gilt ein öffentliches Interesse an ihrer Erhaltung erst dann als gegeben, wenn sein Vorhandensein vom Bundesdenkmalamt durch Bescheid festgestellt worden ist (Unterschutzstellung durch Bescheid)."

Die belangte Behörde legt dem nunmehr bekämpften Bescheid die Auffassung zu Grunde, dass es sich bei der Stuckdecke im gegenständlichen Wohnhaus um ein bedeutendes Werk handle, das im Zusammenhang mit der regionalen künstlerischen Entwicklung seiner Zeit stehe.

Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass die belangte Behörde eine ausreichende Tatsachenfeststellung unterlassen habe, da im bekämpften Bescheid notwendige Feststellungen fehlen würden, worin eine geschichtliche, künstlerische oder kulturelle Bedeutung der Stuckdecke gelegen wäre.

Für die Lösung der Frage, ob einem Objekt eine geschichtliche, künstlerische oder sonstige kulturelle Bedeutung zukommt, ist die in der Fachwelt vorherrschende Meinung ausschlaggebend. Dabei ist insbesondere auf den Wissens- und Erkenntnisstand sachverständiger Kreise Bedacht zu nehmen. Grundlage der Feststellung kann nur ein Fachgutachten sein, aus dem sich jene geschichtliche, künstlerische oder sonstige kulturelle Bedeutung ableiten lässt, aus der der rechtliche Schluss gezogen werden kann, dass die Erhaltung des Denkmals im öffentlichen Interesse gelegen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. September 2004, Zl. 2003/09/0010).

Die belangte Behörde hat sich in ihrer Begründung auf die von der Sachverständigen Ass.-Prof. Dr. S-S in ihrem Gutachten ausgesprochene künstlerische Bedeutung berufen. Auf Grund dessen sieht die belangte Behörde es als erwiesen an, dass die Stuckdecke in das ausgehende 17. Jahrhundert zu datieren sei. Die von der Sachverständigen auf Grund stilistischer Befundungen vorgenommene Zuschreibung sei schlüssig und nachvollziehbar. Weiters sieht die belangte Behörde durch die von der Beschwerdeführerin bzw. der Voreigentümer vorgelegten Privatsachverständigengutachten keine Entkräftung dieses kunstgeschichtlichen Beweises.

Dennoch zeigt die Beschwerdeführerin mit Verweis auf das Bestandsgutachten von Dipl.-Ing. Z einen wesentlichen Verfahrenfehler auf. In diesem wird ausgeführt, dass die Graufassung der Wände noch in einer Zeit vorgenommen worden sei, in der die Holzdecke sichtbar präsentiert worden sei. Es handle sich aber nicht mehr um die ursprüngliche/bauzeitliche Wandfassung, sondern auf Grund der ähnlichen Putzstruktur im Vergleich mit den übrigen Räumen um eine Fassung des 19. Jahrhunderts. Diese Graufassung reiche nach der von ihm durchgeführten Befundaufnahme hinter die Stuckebene hinein und ende am Holzbalken.

Die belangte Behörde hat in der Bescheidbegründung der Frage Bedeutung beigemessen, ob jene Holzdecke, an welcher die gegenständliche Stuckdecke angebracht ist, im 17. Jahrhundert oder aber erst im 19. Jahrhundert errichtet wurde. In dieser Hinsicht hat sie aber lediglich festgestellt, dass aus den festgestellten Verputzschichten des 19. Jahrhunderts nicht schlüssig abgeleitet werden könne, dass dieser Bauteil nicht aus dem späten

17. Jahrhundert stammen könne. Gerade die zahlreichen Umbauten des 19. Jahrhunderts ließen es plausibel erscheinen, dass sie auch eine Erneuerung der Putzoberfläche in den bestehenden Räumen einschlossen. Wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift vom 3. August 2004 ausführt, ging sie dabei davon aus, dass die graue Farbfassung vor das 19. Jahrhundert zu datieren sei. Damit hat sie jedoch die Aussage des Gutachtens des Dipl.-Ing. Z außer Acht gelassen, der diese ebenfalls auf das 19. Jahrhundert datiert hat (siehe Seite 6 des Gutachtens). Die belangte Behörde hat keine Begründung dafür gegeben, weshalb dem Gutachten des Dipl.-Ing. Z in dieser Hinsicht nicht gefolgt werden könne oder diese Aussage für sie nicht von Bedeutung sei. War aber - wie dieser ausführt - im 19. Jahrhundert die angesprochene graue Farbfassung (auch unterhalb der nunmehrigen Stuckdecke) gegeben und die Holzdecke sichtbar, so bestünde in dieser Hinsicht ein Widerspruch mit dem kunsthistorischen Gutachten Dris. S-S. Mit diesem Widerspruch hätte sich aber die belangte Behörde näher auseinander setzen müssen und ihn nachvollziehbar zu lösen gehabt. Auch hätte durch die Einholung einer chemischen Analyse der Stuck- und Farbschichten, oder einer dendrochronologischen Untersuchung der Holzdecke die - von der belangten Behörde selbst als maßgeblich befundene - Frage der tatsächlichen Entstehungszeit der Decke, auf welcher die Stuckdecke angebracht ist, näher geklärt werden können. Da die belangte Behörde solches jedoch unterlassen hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet.

Der angefochtene Bescheid lässt aber auch eine ausreichende Begründung dahingehend vermissen, weshalb eine Unterschutzstellung der gegenständlichen Stuckdecke im Sinne der Abs. 1 und 2 des § 1 DMSG wegen deren künstlerischen Werts tatsächlich geboten sei. In den Gutachten wird noch die Frage angesprochen, dass der Stuck stilistisch jenem des Domenico Boscho entspreche, im angefochtenen Bescheid jedoch wird die geschichtliche, künstlerische oder sonstige kulturelle Bedeutung des Objekts und die Notwendigkeit ihrer Erhaltung in situ nicht auf eine ausreichend nachprüfbare Weise dargetan. Insbesondere enthält der angefochtene Bescheid auch keine Begründung dafür, inwiefern die Stuckdecke allenfalls als typischer Repräsentant einer bestimmten Stilrichtung mit einer - näher darzulegenden Bedeutung - anzusehen ist und welcher Grad von Seltenheit ihr beizumessen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. September 2004, Zl. 2001/09/0126).

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 43 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 24. Jänner 2008

Schlagworte

Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes Fachgebiet Anforderung an ein Gutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2004090094.X00

Im RIS seit

25.02.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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