TE Vwgh Erkenntnis 2008/1/25 2007/17/0156

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Veröffentlicht am 25.01.2008
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde des C M in L, vertreten durch Dr. Josef Hofer und Mag. Dr. Thomas Humer, Rechtsanwälte in 4600 Wels, Ringstraße 4, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 18. Juni 2007, Zl. BMLFUW-LE.4.1.10/0731- I/7/2007, betreffend Haftung für Agrarmarketingbeiträge, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid des Vorstandes für den Geschäftsbereich I der Agrarmarkt Austria (AMA) vom (offensichtlich) 6. September 2006 wurde der Beschwerdeführer als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer näher bezeichneten GmbH zur Haftung für die offene Schuld der GmbH auf Grund nicht beglichener, mit näher bezeichneten Bescheiden für Beitragszeiträume von September 2001 bis Jänner 2005 vorgeschriebener Agrarmarketingbeiträge für die Schlachtung von Rindern, Kälbern, Schweinen, Lämmern und Schafen in der (näher aufgeschlüsselten) Höhe von (insgesamt) EUR 193.120,74 verhalten.

Der Beschwerdeführer sei ab 25. Jänner 2000 selbständig vertretungsbefugter handelsrechtlicher geschäftsführender Gesellschafter der GmbH gewesen. Mit den Bescheiden des Vorstands für den Geschäftsbereich I der AMA seien der GmbH Agrarmarketingbeiträge vorgeschrieben worden, weil diese die Verpflichtung zur fristgerechten Entrichtung nach § 21 f Abs. 2 AMA-Gesetz nicht erfüllt habe. Der mit dem ersten Bescheid vom 11. November 2003 festgesetzte Agrarmarketingbeitrag sei teilweise, die mit den folgenden fünf Bescheiden festgesetzten Agrarmarketingbeiträge und die damit verbundenen Erhöhungsbeträge seien zur Gänze nicht entrichtet worden. Mit Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg vom 7. März 2005 sei über das Vermögen der GmbH der Konkurs eröffnet worden. Nach den Erhebungen der AMA seien (andere) Abgaben-, Beitrags- oder Steuerschulden bis zur Konkurseröffnung immer beglichen worden, ein offener Rückstand auf dem Abgabenkonto (des Finanzamtes) sei zu diesem Zeitpunkt nicht ausgewiesen gewesen. Desgleichen seien auch die Beiträge zur Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse im Wesentlichen bis Jänner 2005 beglichen gewesen. Nach der Schlussverteilung sei die rechtskräftige Aufhebung des Konkurses am 11. August 2006 beschlossen worden. Die im Konkurs erlangte Zahlung sei von der offenen Beitragsschuld abgezogen worden.

In rechtlicher Hinsicht ging die Behörde davon aus, dass der Agrarmarketingbeitrag der GmbH sechs Mal mit Bescheid habe vorgeschrieben werden müssen; es könne daher davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer als Geschäftsführer die Verpflichtung zur Beitragsentrichtung bekannt gewesen sei. Die relevante Beitragsentrichtung an die AMA umfasse eine Zeitspanne von August 2001 bis Jänner 2005 und sei (bis auf den Beitragsmonat Juli 2004) somit durch vier Jahre lang unterblieben. Auf Grund der rechtskräftigen Konkursaufhebung nach Schlussverteilung sei die Uneinbringlichkeit der offenen Beitragsforderung bei der GmbH als Beitragschuldnerin unstrittig. Der Beschwerdeführer habe seine Geschäftsführerpflichten verletzt, weil er nicht dafür Sorge getragen habe, die Abgabenschulden betreffend die offenen AMA-Beiträge zu begleichen. Dass über den Zeitraum von beinahe vier Jahren hinweg keine Zahlung geleistet worden sei, sei als schuldhaftes Verhalten und als Verletzung des abgabenrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes zu werten.

1.2. In der dagegen erhobenen Berufung bekämpfte der Beschwerdeführer den Haftungsbescheid im Wesentlichen mit der Begründung, die Agrarmarketingbeiträge seien gemeinschaftsrechtswidrig. Soferne Erhöhungsbeträge gemäß § 21g Abs. 3 AMA-Gesetz betroffen seien, handle es sich "materiell um eine strafrechtliche Norm", wobei die "Verfahrensgarantien und die Bestimmtheit dieser Norm" ungenügend seien. Auch die Vorschreibung dieser Erhöhungsbeträge sei unzulässig. Überdies treffe den Beschwerdeführer kein, wie immer geartetes Verschulden am wirtschaftlichen Zusammenbruch der GmbH. Dass über deren Vermögen ein Konkursverfahren hätte eröffnet werden müssen und einzelne Beiträge nicht einbringlich seien, könne dem Beschwerdeführer nicht angelastet werden.

1.3. Mit ihrem Bescheid vom 18. Juni 2007 wies die belangte Behörde (unter Spruchpunkt 1) die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Haftungsbescheid vom 6. September 2006 ab. Unter Spruchpunkt 2) wies sie die Berufung des Beschwerdeführers betreffend die Bescheide, mit denen der GmbH Agrarmarketingbeiträge für die Schlachtung von Rindern, Kälbern, Schweinen, Lämmern und Schafen vorgeschrieben worden waren, als unbegründet ab.

Begründend führte die belangte Behörde unter anderem aus, es sei nicht zu prüfen gewesen, ob den Beschwerdeführer ein Verschulden am Zusammenbruch der GmbH treffe, sondern ob eine Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten vorliege. Es sei somit nur von Bedeutung, ob der Beschwerdeführer als Vertreter der GmbH bei oder nach Fälligkeit einer Abgabenverbindlichkeit Mittel zur Bezahlung - gegebenenfalls nach gleichmäßiger Aufteilung der Zahlungsmittel auf alle Verbindlichkeiten - zur Verfügung gehabt habe und ob er für die anteilige Abgabenentrichtung Sorge getragen habe oder nicht. Dies sei vom Beschwerdeführer darzutun gewesen. In diesem Zusammenhang verweist die belangte Behörde darauf, dass der Beschwerdeführer nach den unbestrittenen Feststellungen der Behörde erster Instanz bis Jahresende 2004 keine (nennenswerten) Rückstände "bei Finanzamt und Sozialversicherungsanstalt aufgewiesen" habe.

Hinsichtlich der Vorschreibung der Agrarmarketingbeiträge verwies die belangte Behörde im Wesentlichen auf das hg. Erkenntnis vom 20. März 2006, Zl. 2005/17/0230.

1.4. Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er erachtet sich insbesondere in seinem Recht auf Berücksichtigung der Verschuldensfrage im Zusammenhang mit der Beurteilung abgabenrechtlicher Verpflichtungen verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff leg. cit. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der dem Vertreter auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben unter anderem die zur Vertretung juristischer Personen berufene Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Zu den in § 80 Abs. 1 BAO genannten "zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen" gehören auch die Geschäftsführer von Gesellschaften mit beschränkter Haftung (vgl. nur das hg. Erkenntnis vom 30. März 2006, Zl. 2003/15/0080).

2.2. Der Beschwerdeführer macht vor dem Verwaltungsgerichtshof allein geltend, die belangte Behörde hätte nicht berücksichtigt, dass er sich in einem (entschuldigenden) Rechtsirrtum befunden habe. Dadurch werde jedoch seine Haftung für die (im Übrigen unbestrittenen) Rückstände an Agrarmarketingbeiträgen ausgeschlossen.

Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 20. März 2003, Zl. 2000/17/0084, die Vorschreibung von Agrarmarketingbeiträgen mit der Begründung aufgehoben, die belangte Behörde hätte das Vorliegen einer anmeldungspflichtigen Maßnahme nach Gemeinschaftsrecht prüfen müssen und für die Beurteilung des Durchführungsverbotes (hinsichtlich einer unerlaubten Beihilfe) die Verwendung der Mittel feststellen müssen. Selbst wenn der Einwand, es liege eine Beihilfe vor, unzutreffend sei, wäre für die Zulässigkeit der Beitragsvorschreibung wesentlich, ob ein Verstoß gegen Art. 28 EG vorliege.

Der Beschwerdeführer habe gewusst, dass es sich um keine bei Beitritt Österreichs bestehende Beihilfe gehandelt habe und dass keine Anmeldung erfolgt sei. Die Verstöße gegen Art. 28 EG seien "evident" gewesen. Er habe daher davon ausgehen können, die weiteren Verfahren würden sich an diesem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes orientieren.

In der Folge habe sich erstmals mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Juli 2005, Zlen. 2005/17/0070 bis 0073, eine "Judikaturwende" vollzogen. Zu diesem Zeitpunkt sei jedoch das Konkursverfahren über das Vermögen der Abgabenschuldnerin bereits seit vier Monaten eröffnet gewesen. Der Beschwerdeführer habe gar keine Möglichkeit mehr gehabt, die Abgabenschuld zu bezahlen. Auf Grund von regelmäßigen Zusammenkünften und Informationsschreiben hätten alle Schlachtbetriebe jeweils den gleichen Informationsstand gehabt. Nach der zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung am 7. März 2005 bestehenden "Sach- und Rechtslage und dem damals allgemein vorhandenen Kenntnisstand" hätte die Abgabenschuldnerin keine Zahlungsverpflichtung gegenüber der AMA gehabt.

2.3. Im Beschwerdefall ist das Bestehen der Forderung an Agrarmarketingbeiträgen, die Stellung des Beschwerdeführers als Geschäftsführer der GmbH und die Uneinbringlichkeit der (restlichen) Forderung unbestritten. Strittig ist, ob dem Beschwerdeführer eine schuldhafte Pflichtverletzung vorgeworfen werden durfte oder nicht.

Steht die Uneinbringlichkeit bestimmter Abgabenbeträge bei der Primärschuldnerin fest, ist es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Sache des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat. Es hat nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel. Reichten die liquiden Mittel zur Begleichung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht aus, so hat der Vertreter nachzuweisen, dass die vorhandenen Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet wurden. Unterbleibt der Nachweis, kann die Behörde von einer schuldhaften Pflichtverletzung ausgehen und die uneinbringlichen Abgaben dem Vertreter (zur Gänze) vorschreiben (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2004, Zl. 99/14/0278, mwN; vgl. weiters das hg. Erkenntnis vom 17. August 1998, Zl. 97/17/0096).

Der Beschwerdeführer beruft sich auf die Information durch den Beschwerdevertreter und die - in anderen vergleichbaren Fällen ergangene - Rechtsprechung (unter anderem des Verwaltungsgerichtshofes). Dem Beschwerdeführer war aber bewusst, dass die Behörde erster Instanz bereits Bescheide erlassen hatte, die von einer anderen Rechtsauffassung ausgingen als der, die der Beschwerdeführer vertrat. Ihm musste auf Grund der Information durch den Rechtsanwalt auch bewusst sein, dass der Verwaltungsgerichtshof in den möglicherweise vergleichbaren Fällen zwar die gemeinschaftsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf eine dadurch notwendige Verbreiterung der Tatsachengrundlage für beachtenswert hielt, eine (abschließende) Rechtsmeinung jedoch noch nicht geäußert hatte. Bei dieser Sach- und Rechtslage wäre es - auch unter Berücksichtigung eines gemeinschaftsrechtlichen Durchführungsverbotes - am Beschwerdeführer im Sinne der oben wiedergegebenen Judikatur gewesen, darzulegen, welche Maßnahmen er für den Fall, dass sich die von ihm vertretene Rechtsansicht nicht als zutreffend erweisen sollte, getroffen hatte, um eine entsprechende Berichtigung der ausstehenden AMA-Beiträge zu gewährleisten. Dass er diesbezügliche Vorsorgemaßnahmen ergriffen hätte, hat der Beschwerdeführer jedoch nicht behauptet. Dem Beschwerdeführer ist es daher nicht gelungen, darzutun, dass ihn an der objektiv vorliegenden Pflichtverletzung kein Verschulden trifft.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2.4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. Nr. 333.

Wien, am 25. Jänner 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007170156.X00

Im RIS seit

26.02.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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