TE Vwgh Erkenntnis 2008/1/29 2005/11/0147

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Veröffentlicht am 29.01.2008
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Index

L94059 Ärztekammer Wien;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal;

Norm

ÄrzteG 1998 §111 idF 2001/I/110;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Wr 2000 idF doktorinwien 11/2004 §10 Abs3;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Wr 2000 idF doktorinwien 11/2004 §10;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der Dr. M, vertreten durch Dr. Friedrich Knöbl, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Pilgramgasse  22/1/9, gegen den Bescheid des Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien (vor dem Verwaltungsgerichtshof vertreten durch Dr. Friedrich Spitzauer & Dr. Georg Backhausen, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Stock-im-Eisen-Platz 3) vom 1. Juni 2005, Zl. B 149/05, betreffend Nachlass der Fondsbeiträge für 1998 bis 2003, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Ärztekammer für Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 30. November 2004, eingelangt nach der unbedenklichen Aktenlage beim Verwaltungsausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien (im Folgenden kurz: Wohlfahrtsfonds) am 2. Dezember 2004, beantragte die Beschwerdeführerin, eine niedergelassene Ärztin, aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation ihre aushaftenden Beiträge zum Wohlfahrtsfonds für die Jahre 1998 bis 2003 in der Höhe von EUR 26.603,76 und auch alle künftigen Beiträge zum Wohlfahrtsfonds "als uneinbringlich auszubuchen" (als Betreff war "Beitragsbefreiung" angegeben). Zur Begründung führte sie aus, im Jahr 1992 sei ihre Mutter infolge zweier Schlaganfälle pflegebedürftig geworden. Die Kosten sowohl für deren Pflege als auch für den Krankenhausaufenthalt habe die Beschwerdeführerin aufgrund einer sie treffenden Unterhaltsverpflichtung in vollem Umfang selbst tragen müssen, sodass die Beschwerdeführerin verschuldet sei und die derzeitigen Beitragsrückstände beim Wohlfahrtsfonds bis zum 1. Oktober 2005 voraussichtlich auf rund EUR 35.000,-- ansteigen würden. Die mehr als 65 Jahre alte Beschwerdeführerin leide zudem selbst an mehreren Erkrankungen (Krebsoperation im September 2000, Wolf Parkinson Wright-Syndrom, Faktor V - Mutation mit erhöhtem Thrombo-Embolierisiko, morbus Boeck, Sarkoidose der Halslymphknoten, schwere Gonarthrose und Spondylose der Halswirbelsäule verbunden mit Verkalkung der Gelenke und Wirbelsäule), weshalb sie - es bestehe bei ihr eine Minderung der Erwerbsfähigkeit im Ausmaß von 70 % - ihren Beruf als niedergelassene Ärztin nicht im vollen Umfang ausüben könne. Das Einkommen der Beschwerdeführerin aus selbständiger Arbeit habe sich demzufolge im Jahr 2003 auf EUR 23.286,20 verringert. Beigeschlossen war dem Antrag eine Kopie eines für die Beschwerdeführerin am 8. April 2003 ausgestellten Behindertenausweises, demzufolge ein Grad der Behinderung (eine Minderung der Erwerbsfähigkeit) von 70 v.H. vorliege.

Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid des Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds vom 1. Juni 2005 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin, der als Antrag auf Erlass des Fondsbeitrages gemäß § 10 Abs. 3 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien (im Folgenden: Satzung) gedeutet wurde, als unbegründet abgewiesen. Begründend führte der Beschwerdeausschuss nach geraffter Wiedergabe des Antrags der Beschwerdeführerin aus, schon die Behörde erster Instanz habe ihren abweisenden Bescheid damit begründet, dass sich der Fondsbeitrag "in einem bestimmten Prozentsatz des Einkommens aus ärztlicher Tätigkeit" darstelle, wodurch sichergestellt sei, dass auch geringe Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit angemessen berücksichtigt würden. Allein die Tatsache eines geringen Einkommens aus ärztlicher Tätigkeit als Begründung für einen Erlass von Fondsbeiträgen heranzuziehen würde eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Fondsmitgliedern darstellen. Die in der Berufung aufgestellte Behauptung, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht vorliegen könne, sei so unsubstanziiert, dass ein Eingehen darauf nicht möglich sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragt darin die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1.1. Die im Beschwerdefall maßgebende Vorschrift des § 111 Ärztegesetz 1998 (ÄrzteG 1998) in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 110/2001 lautet:

"2. Hauptstück

Kammerordnung

...

3. Abschnitt

Wohlfahrtsfonds

...

Ermäßigung der Fondsbeiträge

§ 111. Die Satzung kann bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände auf Antrag des Kammerangehörigen oder des Pensionsleistungsempfängers (§ 109 Abs. 8) nach Billigkeit eine Ermäßigung oder in Härtefällen den Nachlass der Wohlfahrtsfonds- oder Pensionssicherungsbeiträge vorsehen."

1.2. § 10 der Satzung in der Fassung der von der Vollversammlung der Ärztekammer für Wien in ihrer Sitzung vom 15. Juni 2004 beschlossenen und mit Wirkung vom 1. Juli 2004 in Kraft getretenen Satzungsänderung (kundgemacht in doktorinwien 11/2004) lautet (auszugsweise):

"3. ABSCHNITT

...

Ermäßigung und Nachlass des Fondsbeitrages

§ 10. ...

(2) Der Verwaltungsausschuss kann auf Antrag für die Dauer

a)

des Präsenzdienstes,

b)

des Zivildienstes,

c)

des Karenzurlaubes nach den Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes oder des Väter-Karenzgesetzes,

d)

des Karenzurlaubes nach dienstrechtlichen Vorschriften,

e)

im Falle einer über 30 Tage währenden Berufsunfähigkeit,

den Fondsbeitrag ermäßigen oder zur Gänze erlassen.

Erlässe im Sinne dieses Absatzes werden mit jenem Monat wirksam, in dem der jeweilige Ereignisfall eingetreten ist, sofern sich aus dem Antrag nichts anderes ergibt. ...

...

(3) Der Verwaltungsausschuss kann ferner bei Vorliegen sonstiger berücksichtigungswürdiger Umstände über Antrag des Fondsmitgliedes den Fondsbeitrag ermäßigen oder zur Gänze erlassen.

..."

2. Vorab ist festzuhalten, dass der erstbehördliche Bescheid über den Antrag der Beschwerdeführerin nur insoweit abgesprochen hat, als damit der Erlass der Fondsbeiträge für die Jahre 1998 bis 2003 begehrt wurde. Nach dem Spruch des angefochtenen Bescheides wurde auch nur die Berufung als unbegründet abgewiesen und der erstbehördliche Bescheid bestätigt. Konsequenter Weise bekämpft auch die Beschwerde nur die Abweisung für die Jahre 1998 bis 2003. 2.1. Die Beschwerde ist begründet.

Die Beschwerdeführerin erblickt sowohl in ihrem beim Verwaltungsausschuss am 2. Dezember 2004 eingelangten Antrag als auch in der Beschwerde das Vorliegen sonstiger berücksichtigungswürdiger Umstände im Sinne des § 10 Abs. 3 der Satzung in der Pflegebedürftigkeit ihrer Mutter seit 1992 einerseits und ihren eigenen körperlichen Beeinträchtigungen (insbesondere Krebserkrankung seit September 2000 mit spätestens seit April 2003 vorliegender Minderung der Erwerbsfähigkeit im Ausmaß von 70 v.H.) andererseits.

Die belangte Behörde ist auf dieses auch bereits im Verwaltungsverfahren erstattete Vorbringen in keiner Weise eingegangen und hat mit keinem Wort begründet, weshalb sie der Auffassung ist, dass die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten erwähnten Umstände keine besonders berücksichtigungswürdigen Gründe im Sinne des § 10 Abs. 3 der Satzung darstellen. Aus der Überlegung, dass die Vorschreibung der Fondsbeiträge ohnehin die allenfalls gegebene Geringfügigkeit des Einkommens aus ärztlicher Tätigkeit berücksichtige, folgt das Nichtvorliegen von besonders berücksichtigungswürdigen Gründe im Sinne des § 10 Abs. 3 der Satzung jedenfalls nicht, weil ansonsten diese Satzungsbestimmung keinen Anwendungsfall hätte.

2.2. Schon aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 29. Jänner 2008

Schlagworte

Begründung Begründungsmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2005110147.X00

Im RIS seit

17.03.2008

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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