TE Vwgh Erkenntnis 2008/2/20 2006/08/0178

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Veröffentlicht am 20.02.2008
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §355;
ASVG §409;
ASVG §410 Abs1 Z7;
ASVG §410 Abs1;
AVG §56;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der W GmbH in Wien, vertreten durch Dr. Harry Neubauer, Dr. Christa Springer, Rechtsanwälte in 1010 Wien, An der Hülben 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 20. März 2006, Zl. MA 15-II-2- 1974/2006, betreffend Beitragsnachverrechnung nach dem ASVG (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Aus dem im Verwaltungsakt einliegenden Firmenbuchauszug ist abzulesen, dass mit Beschluss des Handelgerichtes Wien vom 22. Jänner 2002 über das Vermögen der beschwerdeführenden Gesellschaft der Konkurs eröffnet wurde und nach rechtskräftiger Bestätigung des am 24. Juli 2003 angenommenen Zwangsausgleichs mit Beschluss vom 10. Oktober 2003 der Konkurs aufgehoben worden ist.

Nach Durchführung einer Beitragsprüfung vom 1. Dezember 2003 bis zum 19. Februar 2004 hat die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse am 26. März 2004 einen Rückstandsausweis gegen die beschwerdeführende Gesellschaft erlassen, in dem in den Spalten "Beitragszeitraum" und "EUR" Folgendes angeführt ist: "ABRECHNUNG

0202 0,01

1. NACHTRAG 0202 3.480,23

3.N.BEITR.PR. 0204 13.832,98", gesamt somit

EUR 17.313,22.

Am 25. August 2004 hat die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse einen weiteren Rückstandsausweis gegen die beschwerdeführende Gesellschaft erlassen, nach dem diese EUR 36.206,78 an rückständigen Beiträgen und Verzugszinsen sowie Nebengebühren schulde. Dort heißt es nach der Abrechnung der Beitragszeiträume März bis November 2001:

     "ABRECHNUNG 02/02     0,01

     1.NACHTRAG     02/02   1.800,27

     3.N.BEITR.PR      02/04   7.178,10"

     Mit Schriftsatz vom 13. April 2005 stellte die

beschwerdeführende Gesellschaft einen Antrag auf "Erteilung eines

Bescheides (gemäß § 410 Abs. 1 Z. 7 ASVG) zur Feststellung der

sich für uns aus dem ASVG ergebenden Rechte und Pflichten

betreffend den ... - ausdrücklich bestrittenen - Rückstandsausweis

von 25.8.2004".

Mit Bescheid vom 14. Juni 2005 hat die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse die beschwerdeführende Gesellschaft verpflichtet "für den Zeitraum 12/01 bis 07/02 Beiträge, Sonderbeiträge und Umlagen in Gesamthöhe von EUR 13.546,34 (Fettdruck im Original)... zu entrichten." Nach der Begründung sei die Nachverrechnung der beschwerdeführenden Gesellschaft "mit 3. Nachtrag 02/04 zur Kenntnis gebracht" worden.

Auf Grund des dagegen erhobenen Einspruchs der beschwerdeführenden Gesellschaft hat die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse mit "Einspruchsvorentscheidung" vom 5. Oktober 2005 in Abänderung des Bescheides vom 14. Juni 2005 festgestellt, dass der beschwerdeführenden Gesellschaft "aufgrund der Ergebnisse der vom 01.12.2003 bis 19.02.2004 mit Unterbrechung durchgeführten Beitragsprüfung zu Recht Beiträge, Sonderbeiträge und Umlagen in Gesamthöhe von EUR 13.546,34 mit 3. Nachtrag 02/04 vorgeschrieben worden sind".

Auf Grund eines Antrages auf Vorlage des Einspruchs hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 29. November 2005 den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 14. Juni 2005 aufgehoben und begründend ausgeführt, dass die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse anstelle eines Leistungsbescheides einen Feststellungsbescheid hinsichtlich des Rückstandsausweises vom 25. August 2004 zu erlassen gehabt hätte.

Daraufhin hat die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse mit Bescheid vom 13. Jänner 2006 festgestellt, dass der beschwerdeführenden Gesellschaft "auf Grund der Ergebnisse der vom 01.12.2003 bis 19.02.2004 mit Unterbrechung durchgeführten Beitragsprüfung zu Recht Beiträge, Sonderbeiträge und Umlagen in Gesamthöhe von EUR 13.546,34 mit 3. Nachtrag 02/04 vorgeschrieben worden sind."

In dem dagegen erhobenen Einspruch hat die beschwerdeführende Gesellschaft unter anderem vorgebracht, die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse habe nach durchgeführter Beitragsprüfung eine Nachverrechnung mit Nachtrag 02/04 in der Höhe von EUR 13.832,89 zur Kenntnis gebracht. Diese Nachtragsforderung sei durch Bezahlung der 20 %-igen Zwangsausgleichsquote zur Gänze abgedeckt worden. Es sei nicht nachvollziehbar, dass im Rückstandsausweis der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 26. März 2004 der erste Nachtrag 02/02 mit einem Betrag von EUR 3.480,23 und der dritte Nachtrag 02/04 mit einem Betrag von EUR 13.832,98 aufscheine, während im Rückstandsausweis vom 25.8.2004 der erste Nachtrag 02/02 mit EUR 1.800,27 und der dritte Nachtrag 02/04 mit einem Betrag von EUR 7.178,10 aufscheine.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Einspruch der beschwerdeführenden Gesellschaft abgewiesen.

In der Begründung gab sie das Verwaltungsgeschehen wieder und hat folgende Erwägungen angestellt (Unterstreichungen im Original):

"Mit dem angefochtenen Bescheid hat die Wiener Gebietskrankenkasse festgestellt, dass der (beschwerdeführenden Gesellschaft) - auf Grund der Ergebnisse der vom 1. Dezember 2003 bis 19. Februar 2004 mit Unterbrechung durchgeführten Beitragsprüfung - mit dem 3. Nachtrag 2/04 zu Recht Beiträge, Sonderbeiträge und Umlagen in Gesamthöhe von EUR 13.546,34 vorgeschrieben worden sind.

Die Ermittlungen der angerufenen Behörde ergaben, dass der

3. Nachtrag 2/04 deswegen nachverrechnet worden ist, da einerseits die Beitragsnachweisung für Dezember 2001 vom Dienstgeber nicht erstattet worden ist, andererseits die Beitragsnachweisungen für den Zeitraum von Jänner 2002 bis Juli 2002 nicht richtig erstellt worden sind, sodass eine Nachverrechnung hinsichtlich der Dienstnehmer H, J, Ing. W, J und G anhand der Lohnunterlagen durchgeführt werden musste.

Für Dezember 2001 ergab sich daher eine Nachverrechnung von Beiträgen in Höhe von EUR 3.342,14 (inklusive Wohnbauförderungsbeitrag). Für die Zeit von Jänner bis Juli 2002 mussten Beiträge in Höhe von EUR 10.490,85 (inklusive Wohnbauförderungsbeitrag) nachverrechnet werden.

Zu den Einwänden der (beschwerdeführenden Gesellschaft), dass die offenen Forderungen der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse auf Grund des Zwangsausgleiches erledigt gewesen seien, die Nachtragsforderung durch die Bezahlung der Zwangsausgleichsquote zur Gänze abgedeckt worden sei und auch die unterschiedlichen Vorschreibungen in den verschiedenen Rückstandsausweisen nicht nachvollziehbar seien, ist zu bemerken, dass Gegenstand dieses Verfahrens nicht die Vorschreibung von Beiträgen gegenüber der (beschwerdeführenden Gesellschaft) bzw. das Erlöschen der Forderung gegenüber der Beitragsschuldnerin auf Grund des Zwangsausgleiches ist. Gegenstand dieses Verfahrens ist vielmehr ausschließlich die Frage, ob der 3. Nachtrages 2/04 ursprünglich dem Grunde und der Höhe nach richtig berechnet worden ist.

Da im Ermittlungsverfahren keine Anhaltspunkte hiefür gefunden werden konnten, dass die Nachverrechnung der Wiener Gebietskrankenkasse unrichtig gewesen ist, musste davon ausgegangen werden, dass diese zu Recht erfolgt ist."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse - eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 410 Abs. 1 Satz ASVG hat der Versicherungsträger in Verwaltungssachen, zu deren Behandlung er nach § 409 ASVG berufen ist, einen Bescheid zu erlassen, wenn er die sich aus diesem Bundesgesetz in solchen Angelegenheiten ergebenden Rechte und Pflichten von Versicherten und von deren Dienstgebern oder die gesetzliche Haftung Dritter für Sozialversicherungsbeiträge feststellt und nicht das Bescheidrecht der Versicherungsträger in diesem Bundesgesetz ausgeschlossen ist. Nach Z. 7 leg. cit. hat der Versicherungsträger in Verwaltungssachen insbesondere Bescheide zu erlassen, wenn der Versicherte oder der Dienstgeber die Bescheiderteilung zur Feststellung der sich für ihn aus diesem Gesetz ergebenden Rechte und Pflichten verlangt.

Der zur ausschließlichen Geltendmachung der Beitragsforderung berufene Krankenversicherungsträger ist gemäß den §§ 355, 409, 410 Abs. 1 ASVG immer (also unabhängig von der Ausfertigung eines Rückstandsausweises, der kein Bescheid ist (vgl. das Erkenntnis vom 26. April 1994, Zl. 93/08/0194)) berechtigt, unter anderem in Beitragsangelegenheiten die sich aus dem Gesetz in solchen Angelegenheiten ergebenden Rechte und Pflichten mit Bescheid festzustellen. Verpflichtet ist er zur Bescheiderlassung in diesen Angelegenheiten dann, wenn der Versicherte oder der Dienstgeber gemäß § 410 Abs. 1 Z. 7 ASVG die Bescheiderteilung verlangt (vgl. das Erkenntnis vom 5. März 1991, Zl. 89/08/0147).

Im vorliegenden Fall hat die beschwerdeführende Gesellschaft gemäß § 410 Abs. 1 Z. 7 ASVG beantragt, ihre Rechte und Pflichten hinsichtlich des Rückstandsausweis von 25. August 2004 festzustellen. Aus dem Wortlaut dieses Antrages ergibt sich, dass er auf die Feststellung allenfalls noch bestehender aktueller Beitragsrückstände abzielte.

Die belangte Behörde hat durch die Übernahme des Spruches des Bescheides der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 13. Jänner 2006 ausgesprochen, dass die Beiträge in der Gesamthöhe von EUR 13.546,34 mit 3. Nachtrag 02/04 zu Recht vorgeschrieben worden sind.

Damit hat die belangte Behörde aber dem Antrag der beschwerdeführenden Gesellschaft auf Feststellung von - aktuellen -

Beitragsrückständen aus dem Rückstandsausweis vom 25. August 2004 nicht Rechnung getragen, weil sich die Feststellung nicht auf den Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides, sondern auf den Zeitpunkt der Erlassung des Rückstandsausweises bezogen hat. Auf die Einwendungen der beschwerdeführenden Gesellschaft in den Einsprüchen wurde inhaltlich nicht eingegangen; die belangte Behörde hat dies rechtsirrtümlich für nicht erforderlich erachtet.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzforderung 2003 BGBl. II Nr. 333. Die auf den Ersatz der Eingabegebühr gerichtete Antrag war abzuweisen, weil im verwaltungsgerichtlichen Verfahren sachliche Abgabenfreiheit (§ 110 ASVG) gegeben ist.

Wien, am 20. Februar 2008

Schlagworte

Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Besondere Rechtsgebiete Sozialversicherung Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2006080178.X00

Im RIS seit

25.03.2008

Zuletzt aktualisiert am

06.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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