TE Vwgh Erkenntnis 2008/2/20 2008/08/0016

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Veröffentlicht am 20.02.2008
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §10 Abs1 Z1 idF 2004/I/077;
AlVG 1977 §38;
ZustG §17;
ZustG §22;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des YN in B, vertreten durch Dr. Gerda Mahler-Hutter, Rechtsanwältin in 2560 Berndorf, Hernsteiner Straße 2/1/3, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom 11. Dezember 2007, Zl. LGS NÖ/RAG/05661/2007, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und des mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Mit Schreiben vom 28. September 2007 wurde dem Beschwerdeführer von der regionalen Geschäftsstelle Baden eine Vollzeitbeschäftigung als Hilfsarbeiter bei der Marktgemeinde Kottingbrunn in 2542 Kottingbrunn nachweislich (mittels RSb-Brief) zugewiesen. Aus dem Vermittlungsvorschlag ging eindeutig hervor, dass die Vorstellungsgespräche ausschließlich am 8. Oktober 2007 um 8.00 Uhr in der Marktgemeinde Kottingbrunn, Schloss 4, 2542 Kottingbrunn, stattfanden. Der Beschwerdeführer ist zu diesem Bewerbungsgespräch nicht erschienen. Hiezu am 9. Oktober 2007 befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass der "gelbe Schein" von der Post erst am 8. Oktober 2007 in seinem Postkasten gelegt worden sei; er habe diesen Schein daher erst am 8. Oktober 2007 im Postkasten vorgefunden und den Brief am gleichen Tag gegen

16.45 Uhr von der zuständigen Poststelle abgeholt, weshalb er nicht mehr rechtzeitig zum Vorstellungsgespräch kommen hätte können. Seine Frau oder er würden jeden Tag im Postkasten nachschauen. Laut der vorgelegten Verständigung über die Hinterlegung eines Schriftstückes wurde vom zuständigen Postbeamten das genannte Schreiben der regionalen Geschäftsstelle am 4. Oktober 2007 postamtlich hinterlegt.

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 15. Oktober 2007 wurde die Verhängung einer Ausschlussfrist gemäß § 10 iVm § 38 AlVG für die Zeit vom 8. Oktober 2007 bis 2. Dezember 2007 (acht Wochen) mit der Begründung ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer die mögliche Arbeitsaufnahme der zugewiesenen Beschäftigung als Hilfsarbeiter bei der Marktgemeinde Kottingbrunn vereitelt habe und keine berücksichtigungswürdigen Gründe für eine Nachsicht gemäß § 10 Abs. 3 AlVG vorliegen würden.

In der dagegen eingebrachten Berufung wendete der Beschwerdeführer im Wesentlichen ein, dass er den Hinterlegungsschein am Montag, den 8. Oktober 2007, vorgefunden und noch am selben Tag das Schreiben des Arbeitsmarktservice behoben habe, weshalb es ihm nicht möglich gewesen sei, entsprechend der Zuweisung zeitgerecht bei der Jobbörse zu erscheinen.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers nicht stattgegeben, der Tatbestand des § 10 Abs. 1 iVm § 38 AlVG als erfüllt angesehen und das Vorliegen von Nachtsichtsgründen gemäß § 10 Abs. 3 iVm § 38 AlVG verneint. Begründend wurde ausgeführt, dass das Schreiben der regionalen Geschäftsstelle Baden vom 28. September 2007 nach den Verfahrensunterlagen (Hinterlegungsanzeige) nach einem Zustellversuch seitens des zuständigen Postbeamten am 4. Oktober 2007 an diesem Tag bei der Post hinterlegt wurde und damit mit an diesem Tag als zugestellt gilt, weshalb es nicht sein könne, dass der Beschwerdeführer erst am 8. Oktober 2007 die Verständigung über die Hinterlegung eines Schriftstückes in seinem Postkasten vorgefunden habe. Er hätte daher sowohl am Donnerstag, den 4. Oktober 2007, als auch am Freitag, den 5. Oktober 2007, und somit ausreichend Zeit gehabt, dieses Schreiben vom zuständigen Postamt abzuholen, wohingegen er dieses jedoch erst am 8. Oktober 2007 am späten Nachmittag behoben habe und dem Vermittlungsvorschlag nicht nachgekommen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die §§ 9 und 10 AlVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I

Nr. 77/2004 haben auszugsweise folgenden Wortlaut:

"Arbeitswilligkeit

§ 9. (1) Arbeitswillig ist, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.

(2) Eine Beschäftigung ist zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten der arbeitslosen Person angemessen ist, ihre Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist, in einem nicht von Streik oder Aussperrung betroffenen Betrieb erfolgen soll, in angemessener Zeit erreichbar ist oder eine entsprechende Unterkunft am Arbeitsort zur Verfügung steht sowie gesetzliche Betreuungsverpflichtungen eingehalten werden können. Als angemessene Entlohnung gilt grundsätzlich eine zumindest den jeweils anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung entsprechende Entlohnung. Die zumutbare Wegzeit für Hin- und Rückweg soll tunlich nicht mehr als ein Viertel der durchschnittlichen täglichen Normalarbeitszeit betragen. Wesentlich darüber liegende Wegzeiten sind nur unter besonderen Umständen, wie zB wenn am Wohnort lebende Personen üblicher Weise eine längere Wegzeit zum Arbeitsplatz zurückzulegen haben oder besonders günstige Arbeitsbedingungen geboten werden, zumutbar. Bei einer Vollzeitbeschäftigung ist aber jedenfalls eine tägliche Wegzeit von zwei Stunden und bei einer Teilzeitbeschäftigung mit einer Wochenarbeitszeit von mindestens 20 Stunden eine tägliche Wegzeit von eineinhalb Stunden zumutbar.

(3) In den ersten 100 Tagen des Bezuges von Arbeitslosengeld auf Grund einer neu erworbenen Anwartschaft ist eine Vermittlung in eine nicht dem bisherigen Tätigkeitsbereich entsprechende Tätigkeit nicht zumutbar, wenn dadurch eine künftige Beschäftigung im bisherigen Beruf wesentlich erschwert wird. In den ersten 120 Tagen des Bezuges von Arbeitslosengeld auf Grund einer neu erworbenen Anwartschaft ist eine Beschäftigung in einem anderen Beruf oder eine Teilzeitbeschäftigung nur zumutbar, wenn das sozialversicherungspflichtige Entgelt mindestens 80 vH des der letzten Bemessungsgrundlage für das Arbeitslosengeld entsprechenden Entgelts beträgt. In der restlichen Zeit des Bezuges von Arbeitslosengeld ist eine Beschäftigung in einem anderen Beruf oder eine Teilzeitbeschäftigung nur zumutbar, wenn das sozialversicherungspflichtige Entgelt mindestens 75 vH des der letzten Bemessungsgrundlage für das Arbeitslosengeld entsprechenden Entgelts beträgt. Entfällt im maßgeblichen Bemessungszeitraum mindestens die Hälfte der Beschäftigungszeiten auf Teilzeitbeschäftigungen mit weniger als 75 vH der Normalarbeitszeit, so ist während des Bezuges von Arbeitslosengeld eine Beschäftigung in einem anderen Beruf oder eine Teilzeitbeschäftigung nur zumutbar, wenn das sozialversicherungspflichtige Entgelt mindestens die Höhe des der letzten Bemessungsgrundlage für das Arbeitslosengeld entsprechenden Entgelts erreicht. Der besondere Entgeltschutz nach Teilzeitbeschäftigungen gilt jedoch nur, wenn die arbeitslose Person dem Arbeitsmarktservice Umfang und Ausmaß der Teilzeitbeschäftigungen durch Vorlage von Bestätigungen ehemaliger Arbeitgeber nachgewiesen hat. Ist die Erbringung eines solchen Nachweises mit zumutbaren Bemühungen nicht möglich, so genügt die Glaubhaftmachung.

...

§ 10. (1) Wenn die arbeitslose Person

1. sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, oder

2. sich ohne wichtigen Grund weigert, einem Auftrag zur Nach(Um)schulung zu entsprechen oder durch ihr Verschulden den Erfolg der Nach(Um)schulung vereitelt, oder

3. ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt, oder

4. auf Aufforderung durch die regionale Geschäftsstelle nicht bereit oder in der Lage ist, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung nachzuweisen,

so verliert sie für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen. Die Erhöhung der Mindestdauer des Anspruchsverlustes gilt jeweils bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft. Die Zeiten des Anspruchsverlustes verlängern sich um die in ihnen liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde.

...

(3) Der Verlust des Anspruches gemäß Abs. 1 ist in berücksichtigungswürdigen Fällen wie zB bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen."

Auf Grund des § 38 AlVG gelten die genannten Bestimmungen für

die Notstandshilfe sinngemäß.

§ 17 Zustellgesetz hat folgenden Wortlaut:

"Hinterlegung

"§ 17. (1) Kann die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Schriftstück im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Die hinterlegte Sendung ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte.

(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 oder die im § 21 Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde."

Der Beschwerdeführer bestreitet ausdrücklich nicht, zum Zeitpunkt des Zustellversuches am 4. Oktober 2007 ortsanwesend gewesen zu sein. Seiner Behauptung der täglichen Nachschau im Postkasten wurde im erstinstanzlichen Verfahren offenkundig in Abwägung mit dem vorliegenden Hinterlegungsschein nicht gefolgt, wogegen er in der Berufung lediglich vorbrachte, dass er den Hinterlegungsschein erst am Montag, den 8. Oktober 2007 in seinem Postkasten vorgefunden habe und deshalb nicht rechtzeitig zum Vorstellungstermin habe kommen können. Ein konkretes Vorbringen, dass die Angaben auf dem Rückschein unzutreffend sind, wurde nicht erstattet.

Der Rückschein ist eine öffentliche Urkunde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2006, Zl. 2005/07/0026). Ausgehend davon, dass keine begründeten Behauptungen des Beschwerdeführers über seine Unrichtigkeit vorliegen, die einen tauglichen Gegenbeweis gegen die gesetzliche Vermutung der Richtigkeit der Urkunde darstellen würden, bestand für die belangte Behörde keine Notwendigkeit von weiteren Erhebungen zum Zustellvorgang.

Soweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde wiederholte generelle Zustellprobleme im Wohnhaus des Beschwerdeführers mit mehr als 40 Parteien behauptet sowie ein Fehlverhalten der zuständigen Zustellerin im konkreten Fall mutmaßt, handelt es sich - wie er selbst einräumt - um ein erstmals im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstattetes Vorbringen, auf das wegen des Neuerungsverbotes nicht einzugehen ist. Auch der alleinige weitere Einwand, wonach der Zeitraum zwischen der Hinterlegung am 4. Oktober 2007 und dem für 8. Oktober 2007 angesetzten Bewerbungsgespräch zu kurz wäre, vermag nicht zu überzeugen, zumal die Abholung sowohl am 4. als auch am 5. Oktober 2007 möglich und zumutbar gewesen wäre.

Im Ergebnis bestehen daher keine Bedenken dagegen, dass die belangte Behörde von einer ordnungsgemäßen Zustellung des Stellenangebotes mit Wirkung vom 4. Oktober 2007 ausgegangen ist, woraus folgt, dass es der Beschwerdeführer trotz (möglicher) Kenntnis unterlassen haben muss, die Briefsendung des AMS unverzüglich, d.h. vor dem 8. Oktober 2007 zu beheben und folglich in Kauf genommen hat, dass ihn damit auch eine konkrete Stellenzuweisung nicht erreicht. Also hat der Beschwerdeführer mit bedingten Vorsatz (vgl. zu dessen Erforderlichkeit z.B. das hg. Erkenntnis vom 16. November 2005, Zl. 2003/08/0116) seine mögliche Arbeitsaufnahme dadurch vereitelt, dass er die Erlangung einer Kenntnis über einen potentiellen Arbeitgeber verhindert hat. (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2006, Zl. 2005/08/0173). Der belangten Behörde kann angesichts dessen nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie den Vereitelungstatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 1 AlVG als erfüllt angesehen hat.

Bereits der Inhalt der Beschwerde lässt somit erkennen, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war.

Wien, am 20. Februar 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008080016.X00

Im RIS seit

08.04.2008

Zuletzt aktualisiert am

06.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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