TE Vfgh Erkenntnis 2008/6/17 G187/07

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Veröffentlicht am 17.06.2008
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG-Nov 1974 ArtVII
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art140 Abs1 / Allg
Bgld GVG 2007 §1 Abs1 Z1, §2 Abs3, Abs4
Bgld L-VG 1981 Art36

Leitsatz

Abweisung eines Drittelantrags von Abgeordneten des burgenländischenLandtags auf Aufhebung des im Burgenländischen Grundverkehrsgesetz2007 festgelegten Ziels der "ökologischen Verträglichkeit"; keineKompetenzwidrigkeit der Regelung als nähere Umschreibung einerwesentlichen Voraussetzung für die Erhaltung, Stärkung oder Schaffungeines lebensfähigen Bauernstandes; kein Verstoß gegen dasLegalitätsprinzip, das Eigentumsrecht, dieLiegenschaftsverkehrsfreiheit und den Gleichheitssatz; Aufhebung desErfordernisses der "Multifunktionalität" als kompetenzwidrig;Multifunktionalität keine unerlässliche Voraussetzung für einenlebensfähigen Bauernstand

Spruch

Die Wortfolge "und Multifunktionalität" in §1 Abs1 Z1 sowie §2 Abs4 des Burgenländischen Grundverkehrsgesetzes 2007, LGBl. für das Burgenland Nr. 25, werden als verfassungswidrig aufgehoben.

Frühere Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

Der Landeshauptmann von Burgenland ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche verpflichtet.

Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 13 der 36 Mitglieder des burgenländischen Landtages

beantragen gemäß Art36 Abs1 des Burgenländischen Landes--Verfassungsgesetzes iVm Art140 Abs1 B-VG die Aufhebung der Wortfolge "ökologischer Verträglichkeit und Multifunktionalität" in §1 Abs1 Z1 sowie der Abs3 und 4 des §2 des Burgenländischen Grundverkehrsgesetzes 2007, LGBl. 25 (kurz: Bgld. GVG 2007) - in eventu näher bezeichneter Teile der angefochtenen Bestimmungen - wegen Kompetenzwidrigkeit und Verstößen gegen das Legalitätsprinzip, die Eigentumsgarantie, die Liegenschaftsverkehrsfreiheit und den Gleichheitssatz.

Die zur Prüfung gestellten Bestimmungen stehen im folgenden Zusammenhang (Wortfolge in §1 Abs1 Z1 hervorgehoben):

"§1

Ziel und Geltungsbereich

(1) Ziel dieses Gesetzes ist es,

1. dem öffentlichen Interesse zur Sicherung der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken unter Berücksichtigung kleinbäuerlicher Strukturen, ökologischer Verträglichkeit und Multifunktionalität Rechnung zu tragen, um einen lebensfähigen Bauernstand zu erhalten, zu stärken oder zu schaffen, sowie den Grundstückserwerb zu vorwiegend spekulativen Zwecken zu unterbinden,

2. ...

§2

Begriffsbestimmungen

(1) ...

(2) ...

(3) Ökologisch verträgliche land- und forstwirtschaftliche Nutzung stellt auf die Herstellung von Nahrungsmitteln und anderen land- und forstwirtschaftlichen Erzeugnissen auf Grundlage möglichst naturnaher Produktionsmethoden und unter Einbeziehung der Erkenntnisse der Ökologie ab (möglichste Vermeidung des Einsatzes von Pestiziden, chemische Wachstumsförderer, chemisch-synthetische Düngemittel, Gentechnik etc.).

(4) Multifunktionale Land- und Forstwirtschaft besteht über die Produktion von Nahrungsmitteln und Gewährleistung der Ernährungssicherheit in qualitativer und quantitativer Hinsicht hinaus insbesondere in

1.

der Produktion von nachwachsenden Rohstoffen hinsichtlich vermehrter Erzeugung regenerativer Energien,

              2.              die Erhaltung und Pflege der Kulturlandschaft,

3.

die Gesunderhaltung unserer Lebensgrundlagen (Boden, Wasser, etc.) und deren nachhaltige Nutzung durch naturnahe Land- und Forstwirtschaft mit einer artgerechten Tierhaltung (Aufrechterhaltung der Stabilität des Ökosystems),

4.

Vorhalt von Ausgleichsregionen zu Ballungsräumen sowie

5.

Beiträge zur Gestaltung des sozialen Lebens, der Besiedelung und der Funktionsfähigkeit des ländlichen Raums (zB Direktvermarktung, Urlaub am Bauernhof).

...

§4

Genehmigungspflicht

(1) ...

(2) Eine Genehmigung für den Rechtserwerb nach Abs1 darf nur erteilt werden, wenn

1.

der Erwerb dem Ziel dieses Gesetzes gemäß §1 Abs1 Z1 nicht widerspricht und von der Rechtserwerberin oder dem Rechtserwerber glaubhaft gemacht wird, dass dadurch das zu erwerbende Grundstück der weiteren land- und forstwirtschaftlichen Nutzung nicht entzogen wird ...

..."

Zur Motivierung des Gesetzes ergibt sich Folgendes:

Der Antrag der Abgeordneten "Christian Illedits, Johann Tschürtz und Mag. Joško Vlasich, Kolleginnen und Kollegen" auf Erlassung des in Rede stehenden Grundverkehrsgesetzes enthält unter der Rubrik "Problem und Ziel" zu den angefochtenen Teilen nur den Satz:

"Auf Basis der aktuellen Entwicklungen auf dem Sektor Land- und Forstwirtschaft sollen verstärkt die Zielelemente ökologische Verträglichkeit und Multifunktionalität zum Tragen kommen.",

unter der Rubrik "Lösung" den Satz:

"Anpassung des Gesetzes an die rechtlichen Gegebenheiten.",

und zum "Inhalt":

"Anpassung der Zielsetzung des Gesetzes hinsichtlich des land- und forstwirtschaftlichen Grundverkehrs, insbesondere hinsichtlich ökologischer Vielfalt und Multifunktionalität",

führt aber in den "Erläuterungen" dazu Folgendes aus:

"§1

Insbesondere hinsichtlich der aktuellen Rechtsprechung betreffend den Erwerb land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke wird die diesbezügliche Zielsetzung des Gesetzes zur Sicherung des Nutzungszwecks land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke unter verstärkter Berücksichtigung von ökologischer Verträglichkeit und Multifunktionalität, um einen lebensfähigen Bauernstand zu erhalten, zu stärken oder zu schaffen, festgelegt.

Weiters ist dazu festzuhalten, dass die derzeitige Entwicklung im Bereich der Nutzung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke einerseits von Erfolgen im Produktivitätsbereich geprägt ist, denen andererseits jedoch - zunehmend - vor allem ökologische Probleme und zahlreiche Betriebsaufgaben gegenüberstehen (Rückgang der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe im Burgenland von 38.306 auf 11.753 und bei Haupterwerbsbetrieben von 13.619 auf rund 3.100 seit 1970). Das gegenwärtige System ist für die soziale Lage vieler land- oder forstwirtschaftlicher Familien, für die Volkswirtschaft und für die ökologische Situation von Boden-, Gewässer- und Tierschutz mit hohen Belastungen verbunden - welche Fehlentwicklungen auch das derzeitige System von Ausgleichszahlungen bislang nicht verhindern konnte.

Auch im Lichte zahlreicher Tierseuchen und -skandale (BSE-Rinder, Dioxin-Eier, Hormon-Kälber, salmonellenvergiftetes Fleisch, Antibiotika-Schweine, Maul- und Klauenseuchenskandal, Vogelgrippe, Gammel-Fleisch etc.) - gewiss keine Einzelphänomene, sondern ebenso teilweiser Ausdruck der Strukturprobleme in der Landwirtschaft - liegt die Fortschreibung eines noch weiteren Auseinanderdriftens ökonomischer und ökologischer Erfordernisse nicht nahe.

Vor dem Hintergrund des parallel dazu verlaufenden Prozesses eines stetigen Rücklaufs intakter, klein- und mittelbetrieblicher bei einem gleichzeitig damit einhergehenden Wachstum großbetrieblicher, industrialisierter Agrarstrukturen auch im Burgenland sind daher für eine nachhaltig positive Entwicklung der Land- und Forstwirtschaft die Zielsetzungen schwerpunktmäßig in Richtung Gewährleistung des öffentlichen Interesses zur nachhaltigen Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln und Rohstoffen von bester Qualität und einer ökologisch intakten Natur auszuweiten. Insbesondere ist der Gleichklang mit den raumplanungsrechtlichen Grundsätzen und Zielen herzustellen bzw. diesbezügliche Aushöhlungstendenzen weitestgehend hintanzuhalten - §1 Abs2 Z. 8 Bgld. Raumplanungsgesetz, LGBl. Nr. 18/1969, zuletzt geändert mit LGBl. Nr. 7/2005, sieht vor: 'Die Erhaltung einer lebensfähigen Land- und Forstwirtschaft ist sicherzustellen. Hiebei ist diese so zu entwickeln, dass sie in der Lage ist, die nachhaltige Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln und Rohstoffen von bester Qualität zu gewährleisten und eine ökologisch intakte Natur zu erhalten. Dafür sind ausreichende bewirtschaftbare Flächen für eine dauerhafte land- und forstwirtschaftliche Nutzung zu sichern und die Verbesserung der Agrarstruktur unter Berücksichtigung ökologischer Gesichtspunkte anzustreben.'

In diesem Sinne sind daher im Grundverkehrsgesetz adäquate sowie geeignete Regelungen bzw. eine dem entsprechende Zielsetzung vorzusehen, die einerseits ausreichende, bewirtschaftbare Flächen für eine dauerhaft land- und forstwirtschaftliche Nutzung und andererseits die Einbeziehung ökologischer gleichwie zukunftsorientiert multifunktionaler Gesichtspunkte zur Vebesserung und nachhaltig sinnvollen Weiterentwicklung der Agrarastrukturen im Burgenland sichern.

§2:

...

Abs3: Hinsichtlich der Zieldefinition im §1 dieses Gesetzes ist die ökologische Schwerpunktsetzung im Sinne einer verträglichen land -und forstwirtschaftlichen Nutzung insbesondere als konzentrierter Ansatz betreffend Herstellung von Nahrungsmitteln und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen auf der Grundlage möglichst naturnaher Produktionsmethoden und unter Einbeziehung der Erkenntnisse der Ökologie zu verstehen (möglichste Vermeidung des Einsatzes von Pestiziden, chemische Wachstumsförderer, chemisch-synthetische Düngemittel, Gentechnik etc.)."

Auch zu Abs4 geben die Erläuterungen im Wesentlichen nur den vorgeschlagenen Gesetzeswortlaut (ohne den Klammerzusatz zu Z5) wieder.

Der Bericht des Ausschusses folgt dem allen wörtlich.

1. Die beim Verfassungsgerichtshof antragstellenden Abgeordneten gehen davon aus, dass die Kompetenz zur Regulierung des Verkehrs mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken dem Landesgesetzgeber nach ArtVII der B-VG-Novelle 1974, BGBl. 444, und der früheren einschlägigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur zum Zweck der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines lebensfähigen Bauernstandes zukomme. Die angefochtene Wortfolge solle eine bestimmte, nämlich eine ökologisch verträgliche Betriebsform gewährleisten. Ein solches Ziel sei durch den Kompetenztatbestand ebenso wenig gedeckt wie die Berücksichtigung der Multifunktionalität. Selbst eine bloße Mitberücksichtigung komme angesichts der auf ein bestimmtes Ziel beschränkten Kompetenz nicht in Frage. Nach den Materialien würden aber die bisherigen Zielsetzungen des Grundverkehrsrechts vollends um weitere ergänzt werden.

Die angefochtene Wortfolge bestehe in gehäuftem Maß aus unbestimmten Begriffen, die allenfalls das Planungsermessen in raumordnungsrechtlichen Regelungen hinreichend determinieren könnten, als Kriterien für die Zulässigkeit von Rechtsgeschäften aber untauglich seien (Zitate ohne die zahlreichen Hervorhebungen des Originals):

"So ermöglicht die Definition der ökologisch verträglichen Landwirtschaft in §2 Abs3 Bgld. GVG 2007 dem Rechtserwerber in keinster Weise eine klare Beurteilung, wie er die vertragsgegenständlichen Grundstücke zukünftig bewirtschaften muss, damit sein Rechtserwerb genehmigungsfähig ist. Die gilt umso mehr, als der durch §2 Abs3 Bgld. GVG geforderte, möglichst naturnahe Betrieb der Landwirtschaft in einem Spannungsfeld sowohl zu anderen Zielsetzungen des Gesetzes als auch zu den realen Gegebenheiten steht: So haben Landwirte, die weder Pestizide noch chemische Wachstumsförderer noch chemisch-synthetische Düngemittel einsetzen, evidentermaßen Ertragseinbußen zu befürchten, was einen Zielkonflikt zur Zielsetzung gemäß §1 Abs1 Z1 Bgld. GVG 2007, einen lebensfähigen Bauernstand zu erhalten, zu stärken oder zu schaffen, darstellt.

Ebensowenig ist dem §2 Abs4 Bgld. GVG 2007 klar und deutlich zu entnehmen, wie ein potentieller Erwerber die zu erwerbenden Flächen bewirtschaften muss, um der Zielsetzung einer multifunktionalen Land- und Forstwirtschaft zu entsprechen. So ist unklar, ob der Rechtserwerber beispielsweise dazu gezwungen ist, im Sinne des §2 Abs4 Z1 nachwachsende Rohstoffe anzubauen, ob er im Sinne des §2 Abs4 Z2 die Kulturlandschaft bloß erhalten muss oder ob er im Sinne des §2 Abs4 Z5 die Direktvermarktung landwirtschaftlicher Produkte durchzuführen hat."

Die in der Regelung enthaltene Eigentumsbeschränkung liege nicht im öffentlichen Interesse und sei nicht verhältnismäßig:

"Die Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung an eine Betriebsführung im Sinne einer ökologisch verträglichen land- und forstwirtschaftlichen Nutzung und einer multifunktionalen Land-

und Forstwirtschaft zu binden, erscheint ... unverhältnismäßig, weil

die Erwerber land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke hierdurch zu Betriebsformen gezwungen werden, die weniger ertragsreich sind bzw einen höheren Einsatz an Produktionsfaktoren erforderlich machen. Dies gilt umso mehr, als die Zielsetzungen der ökologisch verträglichen land- und forstwirtschaftlichen Nutzung und einer multifunktionalen Land- und Forstwirtschaft im diametralen Gegensatz zu den Zielen der Gemeinsamen Agrarpolitik stehen, wozu gemäß Art33 Abs1 EG insb die Steigerung der Produktivität (lita), der landwirtschaftlichen Pro-Kopf-Einkommen (litb) sowie der Belieferung der Verbraucher zu angemessenen Preisen (lite) gehört.

Die Verhältnismäßigkeit des Eigentumseingriffes wäre höchstens dann in Erwägung zu ziehen, wenn das Bgld. GVG 2007 zugunsten des Erwerbers land- oder forstwirtschaftlicher Grundstücke für jene Ertragsausfälle, die aus der Verpflichtung zu einer ökologisch verträglichen land- und forstwirtschaftlichen Nutzung und einer multifunktionalen Land- und Forstwirtschaft resultieren, einen finanziellen Ausgleich vorsehen würde. Genau dies ist aber nicht vorgesehen, sodass jenen Personen, die land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke kaufen, ein gleichheitswidriges und damit verfassungswidriges Sonderopfer auferlegt wird."

Auch die Liegenschaftsverkehrsfreiheit nach Art6 StGG werde verletzt:

"Da eine Verpflichtung zur ökologisch verträglichen land- und forstwirtschaftlichen Nutzung und multifunktionalen Land- und Forstwirtschaft nur im Zusammenhang mit dem genehmigungspflichtigen Erwerb von Rechten an land- und forstwirtschaftlicher Grundstücken besteht, werden im Ergebnis zwei Klassen von land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzern geschaffen:

..."

Eben deshalb verstoße die angefochtene Regelung auch gegen den Gleichheitssatz.

2. Die Burgenländische Landesregierung verteidigt die angefochtenen Normen.

Es handle sich keineswegs um eine Erweiterung der historischen Zielsetzung des Grundverkehrsrechts (ohne Hervorhebungen des Originals):

"Der Gesetzgeber ordnet lediglich an, dass die beiden Elemente 'ökologische Verträglichkeit' und 'Multifunktionalität' in Erwägung zu ziehen, also mitzuberücksichtigen sind.

Diese Berücksichtigung soll - ebenso wie der Aspekt 'kleinbäuerlicher Strukturen' - dem öffentlichen Interesse dienen, um einen lebensfähigen Bauernstand zu erhalten, zu stärken und zu schaffen.

Die Zielsetzung des §1 Abs1 Z1 Bgld. GVG 2007 stellt somit - wie bereits erwähnt - keine Festlegung oder Bevorzugung einer bestimmten Betriebsform dar. Die Intention dieser Zielsetzung, welche die Sicherung der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken beinhaltet, ist vor allem die Abwehr von Gefahren, die aus der Freiheit des Verkehrs mit Grund und Boden dem existenzfähigen Bauernstand und wirtschaftlich gesunden mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Betrieben drohen. Diese Zielsetzung ist bei der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Rechtserwerbs gemäß §4 Abs2 Z1 Bgld. GVG 2007 ausschlaggebend. Ein Rechtserwerb ist nicht zu untersagen, weil die beiden Punkte 'ökologische Verträglichkeit' und 'Multifunktionalität' nicht vorliegen.

Auch ist aus §4 Abs3 Z3 Bgld. GVG 2007 kein Untersagungsgrund abzuleiten, weil die Elemente 'ökologische Verträglichkeit' und 'Multifunktionalität' beim Rechtserwerb nicht gegeben sind, sondern die Abwägung der Behörde dahingehend zu geschehen hat, ob das Interesse an der Erhaltung, Stärkung und Schaffung eines lebensfähigen Bauernstandes, sofern eine Rechtserwerberin oder ein Rechtserwerber bereit oder imstande ist, den ortsüblichen Verkehrswert (Kaufpreis, Pachtzins) zu bezahlen das Interesse zur Bildung oder Erweiterung eines Großbetriebs oder einer Eigenjagd überwiegt.

Es erweisen sich die mitzuberücksichtigenden Gesichtspunkte 'ökologische Verträglichkeit' und 'Multifunktionalität' keinesfalls als zentrale oder ausschließliche Untersagungskriterien gemäß §4 Abs2 Z1 und §4 Abs3 Z3 Bgld. GVG 2007. Eine diesbezügliche Untersagung wird daher keineswegs ausschließlich von den beiden in Frage stehenden Aspekten bestimmt.

In den Materialien zum Bgld. GVG 2007 werden die Aspekte 'Anpassung der Zielsetzung des Gesetzes hinsichtlich des land- und forstwirtschaftlichen Grundverkehrs, insbesondere hinsichtlich ökologischer Vielfalt und Multifunktionalität' und von 'verstärkter Berücksichtigung von ökologischer Verträglichkeit und Multifunktionalität' genannt. Doch sind - wie oben angeführt - diese Gesichtspunkte keine ausschlaggebenden zentralen Elemente.

Durch die in Rede stehenden Regelungen werden die Rechtserwerberinnen und Rechtserwerber zu keiner Betriebsführung im Sinne einer ökologisch verträglichen land- und forstwirtschaftlichen Nutzung oder einer multifunktionalen Land- und Forstwirtschaft verpflichtet.

Der Landesgesetzgeber hat durch die obgenannten Formulierungen nicht primär die Ziele der 'ökologischen Verträglichkeit' und 'Multifunktionalität' angestrebt. Das Burgenländische Grundverkehrsgesetz stellt vielmehr unter Berücksichtigung öffentlicher Interessen auf die historischen Zielsetzungen, nämlich die Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines lebensfähigen Bauernstandes, ab."

In §2 Abs3 und 4 Bgld. GVG 2007 seien die in Rede stehenden Begriffe hinreichend deutlich umschrieben und eine bloße Mitberücksichtigung verstoße auch nicht gegen die anderen ins Treffen geführten Grundrechte.

3. Im Zuge des Vorverfahrens hat der Verfassungsgerichtshof das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst und die Ämter der Landesregierungen (außer Wien) eingeladen, zu folgenden Fragen Stellung zu nehmen:

"Ausgehend von seiner bisherigen Rechtsprechung (zB VfSlg. 8011/1977) könnte der Verfassungsgerichtshof zum Ergebnis gelangen, dass die Kompetenz der Länder zur Regelung des Grundverkehrs derart auf das Ziel beschränkt ist, Rechtsgeschäfte zu verhindern, die 'dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung eines leistungsfähigen

Bauernstandes und ... an der Erhaltung und Schaffung eines

wirtschaftlich gesunden mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes' widersprechen, dass die Verfolgung anderer Ziele auch im Wege der bloßen Berücksichtigung nicht möglich ist (während freilich umgekehrt die Berücksichtigung öffentlicher und privater Interessen zwecks Zulassung des Rechtsgeschäfts insofern unbeschränkt wäre, weil es am Landesgesetzgeber liegt, wieweit er von seiner Kompetenz Gebrauch macht).

Dann erhebt sich aber im vorliegenden Verfahren die Frage, ob und inwieweit die angefochtenen Kriterien der ökologischen Verträglichkeit und der Multifunktionalität der Land- und Forstwirtschaft - anders als die Gewährleistung einer aus irgendwelchen Gründen erwünschten Betriebsform - Teilaspekte des Interesses 'an der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes' bilden können.

Die Frage stellt sich insbesondere angesichts der jüngeren Entwicklungen in der Land- und Forstwirtschaft. Allenfalls ist auch ein hinter dem Kompetenztatbestand stehendes Interesse (etwa an der land- und forstwirtschaftlichen Struktur der Umwelt) in Betracht zu ziehen."

Stellungnahmen sind vom Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst und aus Oberösterreich, Steiermark, Tirol und Vorarlberg eingelangt.

Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst kommt zum Ergebnis, dass kein Anhaltspunkt für eine intrasystematische Fortentwicklung des Kompetenztatbestandes im Sinne einer Ausdehnung der maßgeblichen Interessen bestehe, verfügt aber über keine Informationen, welche die Beantwortung der Fragen ermöglichen würden.

Oberösterreich legt dar, dass nach seinem Grundverkehrsrecht

"Rechtserwerbe ... zu genehmigen (sind),

'wenn den öffentlichen Interessen an der Erhaltung land- oder forstwirtschaftlicher Nutzflächen und

1.

an der Schaffung, Erhaltung und Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes oder

2.

an der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden mittleren oder kleinen land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes

entsprochen wird ...'

Die Berücksichtigung (Bedachtnahme) der oben genannten Interessen in Genehmigungsverfahren betreffend land- und forstwirtschaftliche Immobilien kann aber dann zum Tragen kommen, wenn Rechtserwerbe gerade nicht die Voraussetzungen nach §4 Abs2 Oö. GVG 1994 erfüllen, jedoch die Behörde im Rahmen einer Interessenabwägung nach der 'Ausnahmebestimmung' des §4 Abs5 Oö. GVG 1994 zu dem Ergebnis gelangt, dass das im §4 Abs2 leg.cit. normierte öffentliche Interesse an der Schaffung, Erhaltung und Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes oder an der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden mittleren oder kleinen land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes durch sonstige (öffentliche) Interessen - wie etwa jene an einem umfassenden Umwelt-, Natur- und Landschaftsschutz - überwogen wird."

Dass ökonomische Verträglichkeit bzw. Funktionalität der Land- und Forstwirtschaft Teilaspekte des kompetenzbegründenden Interesses sind, hält die Äußerung für denkbar, nennt als Beispiel aber nur den Fall, dass die beabsichtigte Betriebsform wegen ökologischer Unverträglichkeit verboten ist oder Betriebskonzepte nicht lebensfähig sind.

Die Steiermark hält eine Bindung der grundverkehrsrechtlichen Genehmigungen an andere Zwecke, etwa die Interessen des Naturschutzes oder das Interesse an der sparsamen Verwendung der Bodenreserve für unzulässig; auch ökologische Verträglichkeit und Multifunktionalität dürften daher nicht als Genehmigungsvoraussetzungen konzipiert werden, wie dies die zur Prüfung stehende Regelung zu tun scheine. Andererseits könnten die Begriffe "leistungs- bzw. lebensfähiger Bauernstand" und "wirtschaftlich gesunder, mittlerer und kleiner landwirtschaftlicher Grundbesitz" intrasystematisch fortentwickelt werden:

"Grüner Grundverkehr knüpft kompetenzrechtlich an die Erhaltung der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung und damit im Wesentlichen daran an, die Erhaltung solcherart genutzten Bodens zu sichern und unerwünschte Veränderungen der agrarischen Besitzstruktur zu verhindern. In der Literatur wird dazu ausgeführt, dass eines der Ziele des Grundverkehrsrechts die Erhaltung der die österreichische Agrarstruktur prägenden Vielfalt der bäuerlichen Familienbetriebe ist (Holzer, Land- und forstwirtschaftlicher Grundverkehr, S 503, Schneider, Handbuch Österreichisches Grundverkehrsrecht, S 179). Darauf aufbauend erachtet der VfGH auch den Konkurrenzschutz kleinlandwirtschaftlicher Betriebe als eine Angelegenheit des Grundverkehrs (VfSlg. 13386). Geht man davon aus, dass die Stärke kleiner und mittlerer Betriebe unter anderem auch darin liegt, ein besonderes Augenmerk auf die Qualität der Produkte und Rohstoffe zulegen, möglichst naturnah zu produzieren und sich durch alternative Einnahmequellen wie z.B. Direktvermarktungen im Wettbewerb mit Großunternehmen zu behaupten, würde es vor allem der Begriff 'wirtschaftlich gesunder mittlerer und kleinerer landwirtschaftlicher Grundbesitz' erlauben, auch ökologische und multifunktionale Aspekte bei der Genehmigung eines Rechtsgeschäftes zu berücksichtigen.

Werden also bei der Genehmigung eines Rechtsgeschäftes auch ökologische Aspekte berücksichtigt, indem z.B. die Leistungsfähigkeit eines Betriebes nicht schon allein deshalb verneint wird, weil der Rechtserwerber aufgrund alternativer Anbaumethoden einen geringeren Ertrag erwirtschaftet als Landwirte mit traditionellen Anbauformen kann darin nicht die Verfolgung kompetenzfremder Zwecke erblickt werden.

Nach Auffassung der Steiermärkischen Landesregierung ist es also zulässig, bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Land- und Forstwirtschaft ökologische und multifunktionale Aspekte zu würdigen. Kompetenzwidrig wären aber Regelungen, die eine Berücksichtigung dieser Kriterien erzwingen. Solche Regelungen würden darauf hinaus laufen, eine bestimmte Art der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung oder eine bestimmte Betriebsform zwingend zu verlangen."

Die Tiroler Stellungnahme lautet:

"Die Berücksichtigung der Multifunktionalität der Landwirtschaft sowie der ökologischen Verträglichkeit der in Aussicht genommenen Form der Bewirtschaftung bei der Beurteilung der grundverkehrsrechtlichen Zulässigkeit des Liegenschaftserwerbes scheint nach ha. Ansicht nicht generell ausgeschlossen, sondern kommt, wie der Verfassungsgerichtshof bereits angedeutet hat, wohl als Teilaspekt des Interesses an der Schaffung bzw. Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden kleinen und mittleren land- und forstwirtschaftlichen Besitzstandes in Betracht. Eine derartige Berücksichtigung dürfte somit dann angebracht sein, wenn landwirtschaftliche Betriebe (auch in der heutzutage besonders häufigen Form von Zu- und Nebenerwerbsbetrieben) insbesondere dann wirtschaftlich geführt werden können, wenn dabei auf die angeführten Kriterien Bedacht genommen wird.

In diesem Zusammenhang wird die zunehmende Bedeutung der Umweltverträglichkeit und der Ökologie in der modernen Land- und Forstwirtschaft, die sich auch in Rechtsvorschriften des nationalen Rechts sowie des Gemeinschaftsrechts widerspiegelt, in Betracht zu ziehen sein (vgl. dazu etwa die Bedachtnahme auf die Gesichtspunkte der Umweltverträglichkeit und der Ökologie im §1 Abs1 des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951, BGBl. Nr. 103, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl. I Nr. 87/2005, und im §1 Abs1 des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1996, LGBl. Nr. 74, zuletzt geändert durch das Gesetz LGBl. Nr. 53/2007 sowie die Berücksichtigung des guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustandes im Bereich der Agrarförderung nach §5 der insbesondere auf der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 beruhenden INVEKOS-Umsetzungs-Verordnung, BGBl. II Nr. 474/2004).

Auch in der Literatur wurde auf eine graduelle Verlagerung der grundverkehrsrechtlichen Zielsetzungen durch die zunehmende Bedeutung des Schutzes vor Naturgefahren, der Bereitstellung einer intakten Umwelt und der allgemeinen Landschaftspflege seit den Achtzigerjahren des 20. Jahrhunderts hingewiesen und für die Zulässigkeit der (bloßen) Berücksichtigung dieser Aspekte in den Grundverkehrsgesetzen der Länder eingetreten (siehe dazu Pietsch, Grundverkehrsrecht, Wien 1992, S. 77 f).

Insgesamt kann jedoch nicht beurteilt werden, inwieweit sich die Orientierung an einer ökologischen Bewirtschaftungsform bzw. einer multifunktionalen Betriebsführung im Burgenland unter Berücksichtigung der dortigen Agrar- und Marktstruktur sowie sonstiger landeskultureller Einflussfaktoren positiv auf kleine und mittlere land- und forstwirtschaftliche Betriebe auswirkt, sodass deren wirtschaftlich gesunder Bestand durch die in Frage stehenden Bestimmungen des burgenländischen Grundverkehrsgesetzes allenfalls gestärkt werden kann."

In diese Richtung geht auch die Stellungnahme Vorarlbergs:

"In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, dass sich das Begriffsverständnis von 'Land- und Forstwirtschaft' in den letzten 30 Jahren geändert hat. War die Land- und Forstwirtschaft ursprünglich überwiegend auf Produktionssteigerung und die Gewährleistung einer gewissen Ernährungssicherheit ausgerichtet (vgl. Pietsch, Grundverkehrsrecht, Rz 132), so erfüllt sie heute daneben eine Reihe von anderen wichtigen Aufgaben (sog. Multifunktionalität).

Der Begriff 'Multifunktionalität' umschreibt grundsätzlich die Tatsache, dass ein wirtschaftliches Handeln vielfältige Güter und Dienstleistungen hervorbringen und aufgrund dieser Eigenschaft zu verschiedenen gesellschaftlichen Zielen gleichzeitig beitragen kann. Neben der Produktion von landwirtschaftlichen Nahrungsmitteln und der damit einhergehenden Ernährungssicherungsfunktion sowie der Erzeugung von sonstigen land- und forstwirtschaftlichen Produkten erfüllt die Land- und Forstwirtschaft heute zahlreiche weitere, im allgemeinen Interesse liegende Aufgaben, wie beispielsweise die Erhaltung und Pflege der Kulturlandschaft einschließlich deren Offenhaltung, die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen (z.B. Boden, Wasserhaushalt), die Schaffung der Voraussetzungen für die Besiedlung und Funktionsfähigkeit des ländlichen Raums, Schutz vor Elementarereignissen, die Bereitstellung einer intakten Umwelt usw. (vgl. auch Pietsch, Grundverkehrsrecht, Rz 133). Daneben ist - infolge der steigenden Nachfrage nach ökologisch verträglich erzeugten land- und forstwirtschaftlichen Produkten - auch der Anteil der sogen. Biolandwirtschaft gestiegen.

Dass die erwähnten Aspekte bereits jetzt zum Begriffsverständnis der Land- und Forstwirtschaft gehören, wird auch im Vorarlberger Land- und Forstwirtschaftsförderungsgesetz - LFFG, LGBl. Nr. 44/2004, zum Ausdruck gebracht. Nach §2 Abs1 litb LFFG gelten als Land- und Forstwirtschaft auch die Pflege der Kulturlandschaft, sofern diese in gutem ökologischen und landwirtschaftlichen Zustand erhalten wird. Im §3 Abs2 LFFG werden unter anderem folgende Förderziele genannt:

-

die Erzeugung gesunder, pflanzlicher und tierischer Lebensmittel (lita),

-

die marktorientierte Verarbeitung und Vermarktung (litb)

-

die Pflege der Kulturlandschaft zur Erhaltung der biologischen und landschaftlichen Vielfalt sowie zur nachhaltigen Sicherung von produktiven landwirtschaftlichen Flächen, vor allem die Pflege von Wiesen, Weiden und Äckern (litc),

-

die Erhaltung der Besiedlung im Berggebiet (litd),

-

die Erhaltung und Pflege der Alpen (lite),

-

die tiergerechte Haltung landwirtschaftlicher Nutztiere zur Sicherung der Stoffkreisläufe (litf),

-

der Schutz vor Elementarereignissen und schädigenden Umwelteinflüssen (litg) und

-

die Leistung eines Beitrages zur Stärkung des ländlichen Raumes (lith).

Die erwähnten Bestimmungen im Vlbg. LFFG zeigen, dass auch in Vorarlberg der Multifunktionalität der Land- und Forstwirtschaft eine besondere Bedeutung zukommt. Auch Aspekte der ökologischen Verträglichkeit sind enthalten (vgl. §3 Abs2 litc LFFG). Die im Vlbg. LFFG enthaltenen Kriterien der ökologischen Verträglichkeit und der Multifunktionalität der Land- und Forstwirtschaft decken sich inhaltlich im Wesentlichen mit jenen im Bgld. GVG 2007 (ausgenommen jener nach §2 Abs4 Z. 1 und 4 Bgld. GVG 2007).

Dem geänderten Verständnis des Begriffs der Land- und Forstwirtschaft wird weiters beispielsweise auch im §5 Abs1 letzter Satz des Landarbeitsgesetz 1984 Ausdruck verliehen, wonach der land- oder forstwirtschaftlichen Produktion die der Erhaltung der Kulturlandschaft dienende Landschaftspflege gleichzuhalten ist.

Die Multifunktionalität der Land- und Forstwirtschaft und die ökologisch verträgliche Produktion spiegeln sich schließlich auch in der Gemeinsamen Agrarmarktpolitik der EG und in entsprechenden Förderprogrammen (z.B. ÖPUL) wider und werden auch dort als Bestandteil der Land- und Forstwirtschaft angesehen. Dies zeigt sich auch daran, dass die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe als Ausgleich für die Erbringung dieser im Allgemeininteresse liegenden (multifunktionalen) Leistungen entsprechende Transferzahlungen erhalten. Diese 'Förderungen' stellen - neben den Einnahmen aus der Produktion von Nahrungsmitteln - eine wichtige Einnahmequelle insbesondere für die kleinen und mittleren land- und forstwirtschaftlichen Betriebe dar. Daher tragen die erwähnten Aspekte der ökologischen Verträglichkeit und der Multifunktionalität der Land- und Forstwirtschaft im Ergebnis wesentlich zur Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes bei.

Im Hinblick auf die Multifunktionalität der Land- und Forstwirtschaft, insbesondere bezüglich der Erhaltung und Pflege der Kulturlandschaft, der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen, der Schaffung der Voraussetzungen für die Besiedlung und Funktionsfähigkeit des ländlichen Raums, des Schutzes vor Elementarereignissen, der Erhaltung einer intakten Umwelt usw., ist weiters zu bemerken, dass aufgrund der topografischen Gegebenheiten und der Siedlungsstruktur in Vorarlberg (viele Bergdörfer, zahlreiche, eher gebirgige Talschaften) die erwähnten multifunktionellen Aufgaben beinahe ausschließlich von den dort liegenden kleinen und mittleren Betrieben wahrgenommen werden. Die Aufrechterhaltung von gesunden, klein- und mittelbetrieblichen Agrarstrukturen ist daher unbedingt notwendig, dass die oben erwähnte multifunktionale Rolle der Land- und Forstwirtschaft auch künftig aufrecht erhalten bzw. erforderlichenfalls noch verstärkt werden kann. Auch aufgrund dieser Wechselwirkung zwischen den klein- und mittelbetrieblichen Agrarstrukturen und der Multifunktionalität der Land- und Forstwirtschaft stellt letztere jedenfalls Gesichtspunkte dar, die im Grundverkehrsrecht (mit)zuberücksichtigen sind.

Im Ergebnis bleibt somit festzuhalten, die angefochtenen Kriterien der ökologischen Verträglichkeit und der Multifunktionalität der Land- und Forstwirtschaft einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung eines leistungsfähigen, kleinen und mittleren Bauernstandes leisten, sodass diese jedenfalls als Teilaspekte des Interesses an der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesundes mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes bilden und im Rahmen des Grundverkehrsrechts berücksichtigt werden können.

Da sich diese Aspekte der ökologischen Verträglichkeit und Multifunktionalität der Land- und Forstwirtschaft erst in der jüngeren Vergangenheit entwickelt haben, konnten diese - in der diesbezüglich eher älteren Judikatur des Verfassungsgerichtshofes - bislang keine Berücksichtigung finden. Aus verfassungsrechtlicher Sicht finden diese Gesichtspunkte im Wege der intrasystematischen Fortentwicklung Eingang in die Grundverkehrsmaterie."

Diese Stellungnahmen haben die Burgenländische Landesregierung zu folgender Äußerung bestimmt (ohne die Hervorhebungen des Originals):

"Eine ökologisch verträgliche Nutzung in der Land- und Forstwirtschaft, die gleichzeitig immer auch aufgrund des Verzichtes auf umweltgefährdende Inputs auch eine nachhaltige Land- und Forstwirtschaft ist, steht immer im Gegensatz zur industriellen, d.h. auch arbeitsteiligen großbetrieblichen, Land- und Forstwirtschaft.

Letztere ist durch den Einsatz industrieller Maßnahmen - primär durch Spezialisierung und Intensivierung - gekennzeichnet und zielt auf die einseitige kurzfristige ökonomische Rationalisierung ab.

Gleichzeitig werden damit einzelbetriebliche, aber auch nicht wünschbare regionale Konzentrationen befördert, die klein- und mittelgroßen Betriebe unter wirtschaftlichen Konkurrenzdruck gesetzt und diese in der großen Tendenz letztlich zunehmend zur Aufgabe ihrer Produktion bewegt. Ausdruck dieses Industrialisierungs-Prozesses ist der land- und forstwirtschaftliche Strukturwandel - d.h. das massenhafte Ausscheiden von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, welches fast ausschließlich klein- und mittelbäuerliche Betriebe betrifft. Dieser Strukturwandel ist direkt mit dem systematischen Einsatz industrieller Inputs, vor allem auch vieler nicht ökologisch verträglicher Maßnahmen verbunden.

Die hier skizzierten Umstände und Zusammenhänge fanden auch Eingang in die nationalen und europäischen Politiken für die Land- und Forstwirtschaft, wobei es bei der Förderung ökologisch verträglicher Techniken in der Land- und Forstwirtschaft neben dem allgemeinen Schutz der Umwelt auch darum geht, einen stabilisierenden Einfluss auf die land- und forstwirtschaftliche Struktur auszuüben. Die Förderung umweltgerechter Techniken und Produktionsweisen wird deshalb innerhalb der EU-Agrarpolitik auch unter dem Überbegriff der 'Agrarstrukturpolitik' subsumiert.

Anzuerkennen gilt es auch, dass innerhalb der letzen 20 bis 25 Jahre der gleichzeitige Schutz und die Erhaltung der Umwelt durch land- und forstwirtschaftliche Tätigkeiten zu einem wesentlichen Element sämtlicher Politiken in diesen Bereichen wurden. War bis in die siebziger Jahre die Gewährleistung der Nahrungsmittelsicherheit das zentrale Element der Agrarpolitik und aller damit zusammenhängenden Politiken, so rücken ab den achtziger Jahren mit der zunehmenden Internationalisierung neben der Forderung nach Wettbewerbsfähigkeit auch Umweltschutz und Ökologisierung, Nachhaltigkeit, Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Biodiversität und neuerdings vor allem auch klimarelevante Zusammenhänge in das Zentrum des Diskurses.

So ist es heute auch wünschenswert, eine vielfältige Agrarstruktur zu schaffen, weil die sozioökonomische Vielfalt auch vielfältige Strukturen und Lebensräume für die Ökosysteme bereitstellt, und damit gleichzeitig Umweltanforderungen gerecht wird. Ein 'lebensfähiger Bauernstand' erscheint gesellschaftlich nur gegeben, wenn er im Kontext von 'ökologischer Verträglichkeit' und 'Multifunktionalität' und diese wiederum im Zusammenhang mit der nachhaltigen Entwicklung ländlicher Räume gesehen werden.

Die aktuellste Maßnahme im Rahmen der EU-Agrarpolitik (GAP) und im Zusammenhang mit der bedingten Gewährung von Förderungen an die Landwirtinnen oder Landwirte ist, die notwendige Berücksichtigung des 'Guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustandes' (GLÖZ) im Rahmen des so genannten 'Cross Compliance'."

Bereits 1998 habe der OECD-Agrarministerrat die Multifunktionalität als Politikziel festgesetzt.

Die Landesregierung kommt daher zu folgendem Ergebnis:

"Der hinter dem Burgenländischen Grundverkehrsgesetz 2007 stehende Grundgedanke dient der Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes.

Ein solcher ist in heutiger Zeit schon aufgrund der Bedürfnisse der Konsumentinnen oder Konsumenten nur dann überlebensfähig, wenn die erwähnten Kriterien der ökologischen Verträglichkeit und der Multifunktionalität einen entsprechenden Eingang finden. Es ist eine verstärkte Entwicklung in die Richtung zu bemerken, dass Konsumentinnen oder Konsumenten landwirtschaftlicher Produkte verstärkt auf ökologische Verträglichkeit achten und die Nachhaltigkeit landwirtschaftlicher Produktion Teil der Kaufentscheidung des Konsumenten geworden ist.

Dies kommt auch darin zum Ausdruck, dass die Europäische Union diesen Aspekten - wie bereits oben erwähnt - in ihrer Förderpolitik Rechnung trägt. In diesem Zusammenhang ist beispielsweise auf den europäischen Aktionsplan für ökologisch erzeugte Lebensmittel und den ökologischen Landbau zu verweisen. Darin schlägt die Kommission neue Maßnahmen zur Konkretisierung der Gemeinschaftspolitik für den ökologischen Landbau vor.

Eine vernetzte Sichtweise und die Berücksichtigung von Konsumenteninteressen bestimmen das Wesen einer qualitätvollen Planung in der Landwirtschaft.

Die in den Absätzen 3 und 4 des §2 Bgld. GVG 2007 aufgezählten Kriterien einer ökologisch verträglichen land- und forstwirtschaftlichen Nutzung sind jedenfalls im allgemeinen Interesse an der Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes gelegen. Gerade diese Kriterien ermöglichen den Weiterbestand des durch das Burgenländische Grundverkehrsgesetz 2007 geschützten mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes und helfen dessen Fortbestand langfristig zu sichern. ..."

und begehrt die Abweisung des Antrages.

Die antragstellenden Abgeordneten sehen ihre Auffassung durch die Ausführungen des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst und von Oberösterreich und Steiermark im Ergebnis bestätigt, halten die Auffassung jener von Tirol für eine unzulässige Methode der Verfassungsinterpretation und den Inhalt des Vorarlberger Land- und Forstwirtschaftsförderungsgesetzes für die Kompetenzfrage irrelevant. Sie bleiben daher bei ihrem Antrag.

II. Der Antrag ist zulässig.

Art 36 Abs1 Bgld. Landes-Verfassungsgesetz ermächtigt mindestens ein Drittel der Mitglieder des Landtages zur Anfechtung eines Landesgesetzes im Sinne des Art140 Abs1 B-VG. Die Prozessvoraussetzungen sind gegeben.

III. Der Antrag ist aber nur teilweise berechtigt.

A. Zur Kompetenz:

1. Zunächst ist der Ausgangsthese des Antrages beizupflichten. Das Instrument der Verhinderung eines Rechtserwerbs steht dem Landesgesetzgeber nur "im Interesse der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines lebensfähigen Bauernstandes" offen (ArtVII B-VG Novelle 1974, BGBl. 444). Soweit dies nicht in Frage kommt, reicht das allgemeine Interesse an der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes aus (VfSlg. 7838/1976, 8011/1977 und die weitere Rechtsprechung). Daraus ergibt sich in der Tat, dass der Landesgesetzgeber andere Zwecke nicht im Wege von Grundverkehrsbeschränkungen, sondern nur durch andere in seine Kompetenz fallende Maßnahmen verfolgen kann. So hat der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 8011/1977 klargestellt, dass er im Grundverkehrsrecht nicht die Gewährleistung einer Betriebsform anstreben kann, die die optimale Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln sichert und keine negativen Auswirkungen auf Nachbargrundstücke hat, in VfSlg. 8257/1978 im Grundverkehrsrecht kein Mittel gesehen, eine bestimmte frühere land- und forstwirtschaftliche Verwendung wiederherzustellen, in VfSlg. 8985/1980 Interessen der Raumplanung (auch in landeskultureller Hinsicht) für ungeeignet befunden, die Genehmigung zu versagen, ebenso in VfSlg. 9709/1983 die Verhinderung eines Konkurrenzverhaltens unter Eigentümern landwirtschaftlich genutzter Grundstücke oder in VfSlg. 10.815/1986 die Auswahl eines besseren Bewerbers unter mehreren tauglichen oder einer bestimmten Betriebsform (weil etwa die Bienenzucht zwar einen Betriebszweig der Landwirtschaft darstelle, aber Grund und Boden dafür nicht erforderlich seien). Nur Maßnahmen gegen die Vergrößerung von Großbesitz gehören seit jeher zum Ziel des Grundverkehrsrechts (vgl. VfSlg. 13.386/1993).

Für eine intrasystematische Fortentwicklung des so begrenzten Inhaltes des Kompetenztatbestandes ist schon deshalb kein Raum, weil an der Land- und Forstwirtschaft seit jeher viele weitere öffentliche Interessen bestehen, solche also in der Zielrichtung der Kompetenz sich nicht neu entwickelt, sondern nur größere Bedeutung erlangt haben. Das reicht für eine Veränderung der Kompetenz aber nicht hin.

2. Aus der Beschränkung auf die Verfolgung bestimmter Zwecke folgt freilich nicht, dass es dem Landesgesetzgeber verwehrt wäre, diese Zwecke näher zu umschreiben oder einzugrenzen. Die ökologische Verträglichkeit der beabsichtigten Verwendung von Grund und Boden für Zwecke der Land- und Forstwirtschaft kommt als solche nähere Umschreibung einer wesentlichen Voraussetzung für die Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines lebensfähigen Bauernstandes in Betracht. Es ist nämlich offenkundig, dass ökologische Unverträglichkeit einer Nutzung die Grundlage einer lebensfähigen Land- oder Forstwirtschaft selbst gefährden und auf längere Sicht vernichten kann. Freilich muss der Begriff der ökologischen Verträglichkeit im strengen Sinn des Wortes als Voraussetzung der nachhaltigen land- und forstwirtschaftlichen Nutzbarkeit von Grund und Boden verstanden werden und darf nicht für allgemeine Interessen des Naturschutzes oder das Interesse von Konsumenten herangezogen werden. Soweit §2 Abs3 ein weiteres Verständnis ermöglichen würde, ist diese Beschränkung ein Gebot kompetenzkonformer Auslegung, die der Wortlaut auch ohne weiteres zulässt. So verstanden überschreitet die Beachtung der ökologischen Verträglichkeit im Grundverkehrsrecht die Kompetenz des L

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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