TE Vwgh Erkenntnis 2008/4/17 2007/15/0054

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Veröffentlicht am 17.04.2008
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §115 Abs1;
BAO §200;
BAO §208 Abs1 litd;
EStG 1972 §2 Abs3 Z5;
EStG 1972 §27;
EStG 1988 §2 Abs3 Z5;
EStG 1988 §27;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des N in L, vertreten durch Dr. Thomas Richter, Rechtsanwalt, 4020 Linz, Altstadt 17, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom 24. Jänner 2007, Zl. RV/0580-L/06, betreffend Einkommensteuer 1985, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von 1.171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war im Jahr 1985 als echter stiller Gesellschafter an der PL AG beteiligt. Aus dieser Beteiligung erklärte er negative Einkünfte aus Kapitalvermögen. Das Finanzamt erließ im Jahr 1987 gemäß § 200 Abs 1 BAO einen vorläufigen Einkommensteuerbescheid, in welchem es die Verluste aus Kapitalvermögen anerkannte und einen Ausgleich mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten vornahm.

Am 8. Mai 1998 erließ das Finanzamt gemäß § 200 Abs 2 BAO einen endgültigen Einkommensteuerbescheid, in welchem die Beteiligung als stiller Gesellschafter an der PL AG nicht als Einkunftsquelle beurteilt wurde. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion vom 13. November 2001 als unbegründet abgewiesen.

Die genannte Berufungsentscheidung hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 17. Mai 2006, 2001/14/0223 (im Folgenden: Vorerkenntnis), auf welches zur weiteren Sachverhaltsdarstellung verwiesen wird, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Im Falle einer zunächst vorläufigen Bescheiderlassung sei die Frage nach dem Wegfall der Ungewissheit und die damit im Zusammenhang stehende Frage, zu welchem Zeitpunkt gemäß § 208 Abs 1 lit d BAO die Frist der Festsetzungsverjährung zu laufen beginne, nicht danach zu beantworten, zu welchem Zeitpunkt nach Erlassung des vorläufigen Bescheides bestimmte Entscheidungen einer Behörde ergehen, wie dies der Ansicht der Finanzlandesdirektion in der Berufungsentscheidung entspreche. Aus dem Umstand, dass die "ersten richtungsweisenden Entscheidungen der Rechtsmittelbehörde" erst ab einer nach Datum und Geschäftszahl näher angeführten Entscheidung Ende März 1993 ergangen seien, habe die Finanzlandesdirektion daher nicht frei von Rechtsirrtum ableiten können, dass die Verjährungsfrist iSd § 208 Abs 1 lit d BAO erst mit Ablauf des Jahres 1993 angelaufen sei. In Verkennung der Rechtslage habe die Finanzlandesdirektion Feststellungen darüber, wann und durch welche Fakten die für die vorläufige Abgabenfestsetzung maßgebliche Ungewissheit im Beschwerdefall weggefallen sei, nicht getroffen.

Im fortgesetzten Verfahren wies die belangte Behörde die Berufung mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid ab.

Gemäß § 208 Abs 1 lit d BAO beginne die Verjährung in den Fällen des § 200 BAO mit dem Ablauf des Jahres, in dem die Ungewissheit beseitigt worden sei. Gemäß § 209 Abs 3 BAO in der bis zum Jahr 2004 geltenden Fassung verjähre das Recht auf Festsetzung einer Abgabe spätestens 15 Jahre nach Entstehen des Abgabenanspruches.

Für die Frage, wann und durch welche Fakten die für die vorläufige Abgabenfestsetzung maßgebliche Ungewissheit im Beschwerdefall weggefallen sei, werde zunächst auf das hg Erkenntnis vom 28. November 1974, 584/73, verwiesen. Aus diesem Erkenntnis ergebe sich, dass der Zeitpunkt des tatsächlichen Wegfalles der Ungewissheit maßgeblich sei, unabhängig davon, ob die Partei oder die Abgabenbehörde davon Kenntnis erlangt habe. Relevant sei also die objektive Beseitigung der Ungewissheit.

Im gegenständlichen Fall sei entscheidend, dass der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Juli 1996, 93/13/0171, ausgesprochen habe, eine Beteiligung sei nur dann als Einkunftsquelle anzusehen, wenn nach der ausgeübten Art der Betätigung objektive Ertragsfähigkeit vorliege, dh innerhalb eines absehbaren Zeitraumes ein positives steuerliches Gesamtergebnis erzielbar sei. Mit diesem Erkenntnis sei der Verwaltungsgerichtshof davon abgegangen, dass bereits ein Zeitraum von 12 Jahren nicht mehr absehbar sei; er habe eine Zeitspanne vielmehr auch dann noch als absehbar angesehen, wenn sie nach den wirtschaftlichen Gepflogenheiten des betroffenen Verkehrskreises als übliche Rentabilitätsdauer des geleisteten Mitteleinsatzes kalkuliert worden sei. Durch das Ergehen des Erkenntnisses sei für die Abgabenbehörde ein Faktum geschaffen worden, das geeignet gewesen sei, die beschwerdegegenständliche Ungewissheit zu beseitigen: Dadurch sei es für die Abgabenbehörde klar geworden, dass die Beobachtung eines gewissen starren Zeitraumes aufzugeben sei. Mit der Veröffentlichung des Erkenntnisses vom 3. Juli 1996 sei die maßgebliche Ungewissheit im gegenständlichen Berufungsfall weggefallen. Gemäß § 208 Abs 1 lit d BAO habe die Verjährung somit mit Ablauf des Jahres 1996 zu laufen begonnen. Der Bescheid des Finanzamtes sei im Jahr 1998 ergangen, also innerhalb der fünfjährigen Verjährungsfrist des § 207 Abs 2 BAO. Im Hinblick auf die zum Zeitpunkt der Erlassung dieses Bescheides geltende Frist für die absolute Verjährung von 15 Jahren nach § 209 Abs 3 BAO sei auch die absolute Verjährung nicht eingetreten gewesen. Die absolute Verjährung habe mit Ablauf des Jahres 1985 begonnen, die Frist von 15 Jahren sei daher 1998 noch nicht abgelaufen gewesen.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 208 Abs 1 lit d BAO lautet:

"(1) Die Verjährung beginnt ...

d) in den Fällen des § 200 mit dem Ablauf des Jahres, in dem die Ungewissheit beseitigt wurde."

§ 209 Abs 3 BAO lautet:

"Das Recht auf Festsetzung einer Abgabe verjährt spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches (§ 4). In den Fällen eines Erwerbes von Todes wegen oder einer Zweckzuwendung von Todes wegen verjährt das Recht auf Festsetzung der Erbschafts- und Schenkungssteuer jedoch spätestens zehn Jahre nach dem Zeitpunkt der Anzeige."

§ 209a Abs 1 BAO lautet:

"Einer Abgabenfestsetzung, die in einer Berufungsentscheidung zu erfolgen hat, steht der Eintritt der Verjährung nicht entgegen."

Die in § 209 Abs 3 BAO geregelte Frist wurde mit dem Steuerreformgesetz 2005, BGBl I 2004/57, von fünfzehn auf zehn Jahre verkürzt. Hinsichtlich des Inkrafttretens wurde mit diesem Gesetz in § 323 Abs 16 BAO normiert:

"Die §§ 207, 209, 209a und 304 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 57/2004 treten mit 1. Jänner 2005 in Kraft. § 209 Abs. 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 57/2004 tritt für Nachforderungen auf Grund einer Außenprüfung (§ 147 Abs. 1), wenn der Beginn der Amtshandlung vor dem 1. Jänner 2005 gelegen ist, erst mit 1. Jänner 2006 in Kraft."

Die letzten beiden Sätze des mit AbgÄG 2004, BGBl I 2004/180, dem § 323 angefügten Abs 18 lauten:

"§ 209a Abs. 1 und 2 gilt für den Fall der Verkürzung von Verjährungsfristen durch die Neufassungen des § 207 Abs. 2 zweiter Satz durch BGBl. I Nr. 57/2004, des § 209 Abs. 1 durch BGBl. I Nr. 180/2004, des § 209 Abs. 3 durch BGBl. I Nr. 57/2004 sowie des § 304 durch BGBl I Nr. 57/2004 sinngemäß. Wegen der Verkürzung der Verjährungsfristen des § 209 Abs. 3 durch BGBl. I Nr. 57/2004 dürfen Bescheide nicht gemäß § 299 Abs. 1 aufgehoben werden."

Mangels anderer gesetzlicher Anordnung hat die Abgabenbehörde die bei Erlassung ihres Bescheides geltenden Regelungen über die Verjährung zur Anwendung zu bringen. Bei Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides vom 24. Jänner 2007 ist § 209 Abs 3 BAO bereits in der durch das Steuerreformgesetz 2005 geänderten Fassung in Geltung gestanden (vgl § 323 Abs 16 BAO). Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde im Ergebnis dennoch zu Recht angenommen, dass der Eintritt der Bemessungsverjährung der Abgabenfestsetzung nicht entgegensteht, ordnet doch die Regelung des § 323 Abs 18 vorletzter Satz BAO die sinngemäße Anwendung des § 209a Abs 1 BAO an. Diese sinngemäße Anwendung des § 209a Abs 1 BAO erfasst jene Fälle, in denen bei Erlassung des erstinstanzlichen Abgabenbescheides die Frist des § 209 Abs 3 BAO in der Fassung vor dem Steuerreformgesetz 2005 noch nicht abgelaufen gewesen ist, während des Berufungsverfahrens aber die mit dem Steuerreformgesetz 2005 vorgenommene Verkürzung der Frist in Kraft getreten ist.

Der Beschwerdeführer bringt vor, die belangte Behörde hätte auf Grund des aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes wegen der Bindungswirkung gemäß § 63 Abs 1 VwGG der Berufung Folge geben müssen, ohne weitere Feststellungen nachzuholen.

Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides dargetan. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Vorerkenntnis ausgesprochen hat, hat es die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage unterlassen, Feststellungen zu treffen, wann und durch welche Fakten die für die vorläufige Abgabenfestsetzung maßgebliche Ungewissheit im Beschwerdefall weggefallen sei. Solcherart war die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren gehalten, solche Feststellungen zu treffen.

Der Beschwerdeführer rügt weiters, die belangte Behörde habe im fortgesetzten Verfahren Feststellungen darüber, wann und durch welche Fakten im Tatsachenbereich die für die ursprüngliche vorläufige Veranlagung maßgebliche Ungewissheit über den Charakter der gegenständlichen Beteiligung als Einkunftsquelle oder Liebhaberei weggefallen sei, gar nicht getroffen. Sie habe lediglich das hg Erkenntnis des verstärkten Senates vom 3. Juli 1996, 93/13/0171, als dieses Faktum bezeichnet.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Vorerkenntnis ausgesprochen hat, bedarf die Beurteilung des Beginnes des Fristenlaufes nach § 208 Abs 1 lit d BAO Feststellungen darüber, wann und "durch welche Fakten" die Ungewissheit weggefallen ist.

Ungewissheit iSd § 200 BAO ist eine solche im Tatsachenbereich (vgl Ritz, BAO3, § 200 Tz 1). § 208 Abs 1 lit d BAO stellt auf den tatsächlichen Wegfall der Ungewissheit ab (vgl Stoll, BAO-Kommentar, 2178).

Beschwerdefallbezogen liegt in rechtlicher Hinsicht eine Einkunftsquelle vor, wenn die Beteiligung objektiv geeignet ist, innerhalb eines absehbaren Zeitraumes einen Einnahmenüberschuss zu erwirtschaften. Ob die Beteiligung tatsächlich geeignet gewesen ist, im angesprochenen Zeitrahmen ein positives Ergebnis zu erzielen, ist eine auf der Ebene der Sachverhaltsermittlung und Beweiswürdigung zu lösende Tatfrage. Solcherart hat beschwerdefallbezogen der Fristenlauf iSd § 208 Abs 1 lit d BAO mit Ablauf des Jahres eingesetzt, in welchem die Unsicherheit über die objektive Ertragsfähigkeit der Beteiligung weggefallen ist.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde vermag aus der Lösung von Rechtsfragen in Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes kein Schluss auf die objektive Ertragsfähigkeit einer konkreten Betätigung gezogen zu werden.

Die belangte Behörde hat sohin die Rechtslage verkannt und es als Folge dessen - wie die seinerzeit belangte Behörde - unterlassen, Feststellungen darüber zu treffen, wann und durch welche Fakten die Ungewissheit über die objektive Ertragsfähigkeit der Beteiligung im Beschwerdefall weggefallen ist. Insoweit nur haftet dem angefochtenen Bescheid auch ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 63 Abs. 1 VwGG an.

Der angefochtene Bescheid ist sohin mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 17. April 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007150054.X00

Im RIS seit

16.05.2008

Zuletzt aktualisiert am

21.05.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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