TE Vwgh Erkenntnis 2008/4/29 2007/05/0117

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Veröffentlicht am 29.04.2008
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82000 Bauordnung;
L82009 Bauordnung Wien;

Norm

BauO Wr §62a Abs1 Z5;
BauO Wr §62a Abs1;
BauO Wr §62a Abs3;
BauO Wr §82 Abs2;
BauO Wr §82;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der F Hausbetreuungs Ges.m.b.H. in Wien, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 12. Dezember 2006, Zl. BOB-457/06, betreffend baupolizeilichen Auftrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Magistratsabteilung 37 erteilte der Beschwerdeführerin als Eigentümerin der Baulichkeiten auf der Liegenschaft in Wien 23, Wittgensteinstraße 9b, mit Bescheid vom 25. Juli 2006 nachstehenden Auftrag:

"1. Das ca. 3,60 m x 3,30 m (Firsthöhe ca. 2,70 m) große Gartenhaus aus Holz im rechten Liegenschaftsteil direkt hinter der Liegenschaft Wittgensteinstraße 11 ist zu beseitigten.

2. Das ca. 2,60 m x 2,60 m (Firsthöhe ca. 2,80 m) große achteckige Gartenhaus aus Holz im mittigen Liegenschaftsbereich ist zu beseitigen.

3. Das ca. 3,90 m x 3,0 m (Firsthöhe von ca. 2,90 m) große Gartenhaus aus Holz schräg stehend nach dem Fahnenstück ist zu beseitigen.

Die Maßnahmen sind binnen drei Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides durchzuführen."

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung, in der sie darauf verwies, dass der Bebauungsplan betreffend die Liegenschaft EZ 1671 KG Mauer bestimme, dass je Bauplatz Nebengebäude nur bis zu einer bebauten Gesamtfläche von höchstens 30 m2 errichtet werden dürften. Mit dieser Flächenbegrenzung werde generell die Ausnützbarkeit des Bauplatzes dergestalt eingeschränkt, dass ein Flächenausmaß an bebauter Fläche von 30 m2 nicht überschritten werden dürfe. Dies bedeute jedoch nicht, dass bewilligungsfreie Bauvorhaben, die keine Nebengebäude im Sinne des § 82 BO seien, überhaupt nicht errichtet werden dürften. Bei den errichteten Objekten handle es sich um bewilligungsfreie Bauvorhaben nach § 62a BO. Folgerichtig sei auch die Errichtung einer Holzpergola im Ausmaß vom 4,70 m x 3,30 m, eines Bauvorhabens im Sinne des § 62a Abs. 1 Z 14 BO, von der Behörde erster Instanz nicht zum Gegenstand des Beseitigungsauftrages gemacht worden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 12. Dezember 2006 wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab. Dies wurde damit begründet, dass § 129 Abs. 10 BO für alle der BO unterliegende Bauten, also auch für solche gemäß § 62a BO, gelte. Nach Wiedergabe der Bestimmungen des § 62a Abs. 1 Z. 5 und 82 Abs. 1 BO stellte die belangte Behörde fest, es sei unstrittig, dass auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft kein Hauptgebäude bestehe und dass die drei Gartenhäuser keine Aufenthaltsräume beinhalteten und eingeschossig seien. Damit seien die gegenständlichen Baulichkeiten aber im Sinne der Definition des § 82 Abs. 1 BO Nebengebäude. Die drei Gartenhäuser seien auf Grund ihrer bebauten Fläche von jeweils weniger als 12 m2 bewilligungsfreie Bauvorhaben im Sinne des § 62a Abs. 1 Z 5 BO, stellten jedoch auf Grund der Tatsache, dass sie keine Aufenthaltsräume beinhalteten, entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin jedenfalls Nebengebäude im Sinne des § 82 Abs. 1 BO dar. Da auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft aber kein Hauptgebäude bestehe, stünden die drei Gartenhäuser eindeutig im Widerspruch zu der Bestimmung des § 82 Abs. 2 BO, wodurch von der Baubehörde erster Instanz zu Recht ein Auftrag zu deren Entfernung erlassen worden sei.

Die unterschiedliche Betrachtung der auf der gegenständlichen Liegenschaft bestehenden und vom bekämpften Bauauftrag nicht erfassten Pergola zu den Gartenhäusern ergebe sich aus dem Umstand, dass eine Pergola keine Wand- und Deckfläche aufweise und somit keinen Raum beinhalte. Pergolen stellten somit im Gegensatz zu Hütten oder Gartenhäusern keine Nebengebäude im Sinne des § 82 BO dar, weshalb ihre Errichtung auch bei Nichtbestehen eines Hauptgebäudes zulässig sei. Im gegenständlichen Verfahren sei nicht von Relevanz, dass die für die Bewilligungsfreiheit gesetzlich festgesetzte Gebäudehöhe durch die bezughabenden Baulichkeiten eingehalten werde, da die Entfernung der Gartenhäuser allein schon auf Grund ihres Widerspruches zu § 82 BO aufzutragen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluss vom 26. Februar 2007, B 102/07-4, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und mit Beschluss vom 14. Mai 2007, B 102/07-6, die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof abtrat. Im Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 26. Februar 2007 wird ausgeführt, dass der gewählten Interpretation des § 82 Abs. 1 BO keine verfassungsrechtlichen Hindernisse entgegenstünden.

In ihrer im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend. Sie meint, nach der Auslegung des § 82 BO durch die belangte Behörde könne sie zwar bewilligungspflichtige Bauten errichten, nicht jedoch Gartenhäuschen, Gerätehütten, Werkzeughütten und dergleichen im Sinne des § 62a Abs. 1 Z 5 BO, wenn das Grundstück nicht auch mit einem Gebäude weiter verbaut sei. Nur dann, wenn ein Gebäude errichtet sei, dem die Gerätehütte, Werkzeughütte etc. zugeordnet sei, wäre eine Verbauung möglich. Nicht möglich wäre daher - so die Konsequenz -, diese Gerätehütte, Werkzeughütte etc. auf dem ansonst unverbauten Bauplatz zu errichten. Eine derart eingeschränkte Nutzungsmöglichkeit des Bauplatzes sei aber unsachlich. Die Begründung für die Freigabe kleiner Bauwerke im Sinne des § 62a Abs. 1 Z 5 BO entspreche einem Bedürfnis der Bevölkerung. Sie bringe zwar die Gefahr einer gewissen Verhüttelung der Bauplätze mit sich, die aber im Hinblick auf die Interessen der Bevölkerung in Kauf genommen werde. Ein etwaiges Argument der Eindämmung einer zu befürchtenden Verhüttelung würde daher obsolet, weil der Gesetzgeber diese Gefahr bewusst in Kauf genommen habe. Es sei jedoch sachlich nicht zu begründen, warum kleine Bauwerke, die der Gesetzgeber im öffentlichen Interesse privilegiere, mit einem Bauverbot belegt, hingegen umfangreichere Bauwerke, die der Bewilligungspflicht nach der BO unterlägen, baurechtlich zugelassen würden. Damit werde der Grundsatz der Baufreiheit verletzt, weil es einem Liegenschaftseigentümer möglich sein müsse, eine Liegenschaft nur durch das Aufstellen von Werkzeug-, Geräteschuppen und dergleichen zu nutzen, um sich auf dieser Liegenschaft aufzuhalten und für die gärtnerische Pflege einen kleinen Schuppen zu verwenden. Bei Verfolgung dieser Auslegung des § 82 BO wäre die Konsequenz für die Beschwerdeführerin, ein Hauptgebäude für das gegenständliche Gartenhäuschen errichten zu müssen, um in der Lage zu sein, Geräte und Werkzeuge und dergleichen verwahren zu können.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Die Beschwerdeführerin erstattete eine Gegenäußerung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 129 Abs. 10 BO ist jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften zu beheben. Ein vorschriftswidriger Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung oder Kenntnisnahme einer Bauanzeige nicht erwirkt worden ist, ist zu beseitigen. Gegebenenfalls kann die Behörde Aufträge erteilen; solche Aufträge müssen erteilt werden, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht. Aufträge sind an den Eigentümer (jeden Miteigentümer) des Gebäudes oder der baulichen Anlage zu richten; im Falle des Wohnungseigentums sind sie gegebenenfalls an den Wohnungseigentümer der betroffenen Nutzungseinheit zu richten.

Die Bestimmungen der §§ 62a und 82 BO haben folgenden (auszugsweisen) Wortlaut:

"§ 62a. (1) Bei Bauführungen, die folgende Anlagen betreffen, ist weder eine Baubewilligung noch eine Bauanzeige erforderlich:

1.

..

5.

Gartenhäuschen, Lauben, Saletteln, Geräte- und Werkzeughütten und dergleichen mit einer Grundfläche von höchstens 12 m2 und einer Gebäudehöhe beziehungsweise lotrecht zur bebauten Fläche gemessenen Höhe von höchstens 2,50 m im Bauland, auf Grundflächen für Badehütten und im Erholungsgebiet - Sport- und Spielplätze;

...

(3) Anlagen nach Abs. 1 müssen den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften entsprechen und sind andernfalls zu beseitigen; gegebenenfalls kann die Behörde Aufträge gemäß § 129 Abs. 10 erteilen. Solche Aufträge müssen erteilt werden, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht.

...

§ 82. (1) Nebengebäude sind Gebäude oder gesondert in Erscheinung tretende Teile eines Gebäudes, wenn sie nicht mehr als ein über dem anschließenden Gelände liegendes Geschoß aufweisen, keine Aufenthaltsräume enthalten und eine bebaute Grundfläche von nicht mehr als 100 m2, in Gartensiedlungsgebieten von nicht mehr als 5 m2 haben.

(2) Die Errichtung eines Nebengebäudes setzt das Vorhandensein oder das gleichzeitige Errichten eines Hauptgebäudes voraus. Die Fläche aller Nebengebäude auf demselben Bauplatz darf nicht mehr als ein Zehntel seiner Fläche betragen.

..."

Im vorliegenden Fall setzt das Plandokument 7121 betreffend den Bebauungsplan des gegenständlichen Bauplatzes in dessen Punkt 3.1.8 fest, dass "je Bauplatz Nebengebäude mit Ausnahme der mit BB VII bezeichneten Bereiche nur bis zu einer bebauten Grundfläche von höchstens 30 m2 errichtet werden dürfen."

Es ist unstrittig, dass die genannte Ausnahme (BB VII bezeichneter Bereich) im Gegenstand nicht vorliegt, und dass sich auf dem Bauplatz kein Hauptgebäude befindet.

Wie aus § 62a Abs. 3 BO hervorgeht, müssen die Anlagen nach Abs. 1 den Bauvorschriften einschließlich den Bebauungsvorschriften entsprechen. Das bedeutet, dass die BO in ihrer Gesamtheit auch auf die im § 62a Abs. 1 BO genannten Bauwerke uneingeschränkt anzuwenden ist (vgl. dazu auch Moritz, Wr BauO3, S. 164).

Daraus folgt, dass auf die hier in Rede stehenden Bauwerke - ungeachtet ihrer Qualifikation als bewilligungsfrei nach § 62a Abs. 1 Z 5 BO - auch die Bestimmung des § 82 BO zur Anwendung gelangt. Dass die Gartenhäuser den Kriterien des § 82 Abs. 1 BO entsprechen, wird nicht bestritten. Nach § 82 Abs. 2 BO ist die Errichtung von Nebengebäuden ohne die Errichtung oder den Bestand von Hauptgebäuden aber nicht zulässig.

Demnach ist auch die Errichtung von Gartenhäuschen ohne die gleichzeitige Errichtung oder den Bestand eines Hauptgebäudes unzulässig; eine solche Errichtung widerspricht der Bestimmung des § 62a Abs. 3 BO, wonach die Anlagen nach Abs. 1 den Bauvorschriften einschließlich den Bebauungsvorschriften entsprechen müssen.

Der Beschwerdeführerin ist zuzustimmen, dass die Folge dieser Auslegung der genannten Bestimmungen darin besteht, dass die in § 62a Abs. 1 Z 5 BO genannten Baulichkeiten zwar bewilligungsfrei bleiben, ihre Errichtung aber nur dann zulässig ist, wenn ein Hauptgebäude entweder besteht oder gleichzeitig errichtet wird.

Diesem Verständnis stehen die Erläuterungen zur Novelle LGBl. Nr. 42/1996, mit welcher der Begriff der bewilligungsfreien Bauvorhaben in die BO eingeführt wurde (abgedruckt in Hauer/Geuder, Wiener Bauvorschriften5, S. 444) nicht entgegen. Dort heißt es:

"Bewilligungsfreie Bauvorhaben, die in dieser Bestimmung taxativ aufgezählt werden, sind typischerweise solche, bei denen die von der Behörde wahrzunehmenden öffentlichen Interessen - wenn überhaupt - nur in äußerst geringfügigem und daher vernachlässigbarem Ausmaß berührt werden können. Zu beachten ist aber, dass gemäß Abs 3 auch bewilligungsfreie Bauvorhaben den Bauvorschriften und den Bebauungsvorschriften entsprechen müssen.

...

Die Freigabe kleiner Bauwerke in Abs. 1 Z 5 entspricht einem Bedürfnis der Bevölkerung. Sie bringt zwar die Gefahr einer gewissen Verhüttelung der Bauplätze mit sich, die aber im Hinblick auf die damit verbundene Verfahrensvereinfachung im Interesse der Bevölkerung in Kauf genommen werden muss. Hütten auf Gebäuden zB auf Dachterrassen) sind durch diese Regelung nicht erfasst. Anzumerken ist, dass die Errichtung von Gerätehütten u dgl nicht mehr möglich ist, wenn die bauliche Ausnützbarkeit eines Bauplatzes bereits durch andere Nebengebäude ausgeschöpft ist (vgl auch Abs 3)."

Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Gefahr einer "gewissen Verhüttelung," von der in den Erläuterungen die Rede ist und die vom Gesetzgeber in Kauf genommen wurde, darin erblickt wurde, dass - wie im vorliegenden Fall - ein Bauplatz einzig und allein mit mehreren Gartenhütten (oder ähnlichen Gebäuden) bebaut werde. Damit wäre aber eine gänzliche und nicht nur eine "gewisse" Verhüttelung eingetreten. Ein Verhüttelungseffekt tritt aber auch dann ein, wenn Bauplätze durch zusätzlich zu einem Hauptgebäude errichtete Gartenhäuser etc. verbaut und damit "verhüttelt" werden; lediglich diesen Effekt wollte der Gesetzgeber damals in Kauf nehmen. Dass der Gesetzgeber im Übrigen davon ausging, Gerätehütten fielen unter den Begriff eines Nebengebäudes und die diesbezüglichen Bestimmungen der BO seien anzuwenden, zeigt sowohl die Formulierung des letzten Satzes der Erläuterungen (arg.: ..."bereits durch andere Nebengebäude ausgeschöpft") als auch der Verweis auf den dritten Absatz des § 62a BO.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 29. April 2008

Schlagworte

Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Allgemein BauRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007050117.X00

Im RIS seit

12.06.2008

Zuletzt aktualisiert am

08.01.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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