TE Vwgh Erkenntnis 2008/5/20 2007/11/0220

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.05.2008
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Führerscheingesetz;

Norm

AVG §14;
AVG §56;
FSG 1997 §24 Abs3;
FSG 1997 §32 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des W, vertreten durch Haßlinger Haßlinger Planinc & Partner, Rechtsanwälte in 8530 Deutschlandsberg, Obere Schmiedgasse 7, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 12. September 2007, Zl. UVS 42.20-12/2007-6, betreffend Ausfolgung des Mopedausweises, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im vorgelegten Verwaltungsakt erliegt die Kopie einer bei der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg am 24. August 2006 aufgenommenen Niederschrift mit folgendem Wortlaut (anonymisiert):

"Niederschrift

Ort der Amtshandlung

Beginn

Deutschlandsberg

11:14

Leiter der Amtshandlung

Dr. H(...). P(...)

Weitere amtliche Organe und sonst Anwesende (Name, Funktion)

K(...) F(...)

Beschwerdeführer, geb. 21.12.1989, 8544 Oberhart 9, im Beisein seiner Großmutter Frau K(...) J(...), geb. 21.05.1944

Gegenstand der Amtshandlung Ermittlungsverfahren

Mir wird dargelegt, dass aufgrund der Bestimmung des '§ 7 Abs. 6 lit. b FSG' mein Mopedausweis im Sinne des § 31 leg cit aufgrund der Bestimmung des § 32 Abs. 1 Zif. 3 FSG für die Dauer von 3 Monaten deshalb zu entziehen ist, da ich

1.) am 30.06.2005 das Motorfahrrad mit dem behördlichen Kennzeichen DL-66CK auf der Bahnhofstraße unmittelbar vor der PI Deutschlandsberg im Gemeinde- und OG DL gelenkt habe, obwohl ich nicht im Besitze von der Behörde hiezu erteilten LB war. Im Zuge der Überprüfung des Motorfahrrades konnte festgestellt werden, dass der geeichte Rolltester eine Geschwindigkeit von 93 km/h anzeigte.

2.) Herr Beschwerdeführer lenkte am 06.08.2006 um 15:20 Uhr auf der B 76 auf Höhe Strkm. 36,200 das Motorfahrrad mit dem behördlichen Kennzeichen DL-43DD, missachtete ein Anhaltezeichen im Sinne des § 97 Abs. 5 StVO, überschritt von Strkm. 26,2 bis 37,0 die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 30 km/h, im Gemeindegebiet von Steyeregg auf der L 651 bis zur Einmündung in die L 605 die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 70 km/h, im Gemeindegebiet von Steyeregg auf der L 651 bis Strkm. 4,8, Einmündung in die

L 605 die im Ortsgebiet höchstzulässige Geschwindigkeit von 50 km/h um 50 km/h. Weiters lenkte der Beschuldigte das Motorfahrrad, welches am geeichten Rolltester eine Geschwindigkeit von 102 km/h erreichen konnte, ohne im Besitz einer LB zu sein.

Im Hinblick auf die Bestimmung des § 7 Abs. 6 lit b FSG ist Herr Beschwerdeführer derzeit nicht verkehrszuverlässig und ist im Sinne des § 32 FSG der Mopedausweis der Fahrschule H(...), ausgestellt vom 23.04.2005, Serie A Nr. 626152, zumindestens auf die Dauer von 3 Monaten zu entziehen und auszusprechen, dass während dieses Zeitraumes Herr Beschwerdeführer keine einspurigen Motorfahrräder, keine Leichtkraftfahrzeuge sowie Invalidenfahrzeuge auf Straßen mit öffentlichen Verkehr lenken darf.

Im Hinblick auf die zeitliche Staffelung der Übertretungen im Sinne des § 1 Abs. 3 des FSG, Fahren ohne gültige LB, wird Herrn Beschwerdeführer aufgetragen, im Sinne des § 30b Abs. 1 Zif. 2 i.V.m. § 30b Abs. 3 Zif. 1 eine Nachschulung gemäß FSG-NV zu absolvieren. Herrn Beschwerdeführer wird mitgeteilt, dass vor Zeitablauf, gerechnet von Tag der Abgabe des Mopedausweises, und absolvierter Nachschulung eine Wiederausfolgung des Mopedausweises nicht erfolgen kann.

Der Mopedausweis wird zum Akt genommen, eine Durchschrift der Niederschrift Herrn Beschwerdeführer ausgehändigt, dieser verzichtet auf Bescheidausfertigung und Rechtsmittel.

Ende der Amtshandlung um 24.08.06 11:44 Uhr.

Vor mir:"

Unter der Zeile "Vor mir" scheinen eine unleserliche Unterschrift (bei der es sich, wie sich aus dem Verwaltungsakt ergibt, um diejenige des oben erwähnten Dr. P. handelt), rechts eine Unterschrift der Großmutter des Beschwerdeführers sowie des Beschwerdeführers auf. Im Übrigen findet sich auf der Niederschrift rechts unterhalb des oben wiedergegebenen Textes auch der Vermerk: "Bescheid pers. übern." (letzteres fehlt auf einer weiteren im Verwaltungsakt erliegenden Kopie derselben Niederschrift).

Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom 12. September 2007 wies der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark (UVS) den Antrag des Beschwerdeführers vom 16. April 2007 auf Ausfolgung seines Mopedausweises ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1.1. Die im Beschwerdefall einschlägigen Bestimmungen des FSG lauten (auszugsweise):

"Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung Allgemeines

§ 24. ...

(3) Bei der Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung kann die Behörde begleitende Maßnahmen (Nachschulung und dgl.) oder die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung anordnen. ... Wurde eine dieser Anordnungen innerhalb der festgesetzten Frist nicht befolgt oder wurden die zur Erstellung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde nicht beigebracht oder wurde die Mitarbeit bei Absolvierung der begleitenden Maßnahme unterlassen, so endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung. ...

...

Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen oder Invalidenkraftfahrzeugen

§ 32. (1) Personen, die nicht im Sinne des § 7 verkehrszuverlässig oder nicht gesundheitlich geeignet sind, ein Motorfahrrad, ein vierrädriges Leichtkraftfahrzeug oder ein Invalidenkraftfahrzeug zu lenken, hat die Behörde unter Anwendung der §§ 24 Abs. 3 und 4, 25, 26, 29 sowie 30a und 30b entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit das Lenken eines derartigen Kraftfahrzeuges

1. ausdrücklich zu verbieten,

...

(2) Besitzer eines Mopedausweises haben diesen für die Dauer der Maßnahmen gemäß Abs. 1 Z 1 oder für Eintragungen gemäß Abs. 1 Z 2 und 3 bei der Behörde abzuliefern."

1.2. Die im Beschwerdefall einschlägigen Bestimmungen des AVG lauten (auszugsweise):

"Erledigungen

§ 18. ...

(4) Externe Erledigungen haben schriftlich zu ergehen, wenn dies in den Verwaltungsvorschriften ausdrücklich angeordnet ist oder von einer Partei verlangt wird oder wenn ihre Zustellung erforderlich ist. Die Ausfertigung der Erledigung hat die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Sie kann ferner entweder vom Genehmigenden eigenhändig unterzeichnet oder als von der Kanzlei beglaubigte Ausfertigung ergehen. Die Verwendung einer Amtssignatur (§ 19 E-GovG) entfaltet jedenfalls die Wirkung einer Beglaubigung durch die Kanzlei.

(5) Für Bescheide gilt der III. Teil, für Ladungsbescheide überdies § 19.

...

§ 62. (1) Wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können Bescheide sowohl schriftlich als auch mündlich erlassen werden.

(2) Der Inhalt und die Verkündung eines mündlichen Bescheides ist, wenn die Verkündung bei einer mündlichen Verhandlung erfolgt, am Schluss der Verhandlungsschrift, in anderen Fällen in einer besonderen Niederschrift zu beurkunden.

(3) Eine schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Bescheides ist den bei der Verkündung nicht anwesenden und jenen Parteien zuzustellen, die spätestens drei Tage nach der Verkündung eine Ausfertigung verlangen; über dieses Recht ist die Partei bei Verkündung des mündlichen Bescheides zu belehren.

..."

2. Die Beschwerde ist begründet.

2.1. Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen zutreffend davon aus, dass die Rechtmäßigkeit einer auf § 24 Abs. 3 FSG gestützten Verweigerung der Wiederausfolgung des Mopedführerscheines wegen Nichtbefolgung einer Nachschulungsanordnung voraussetzt, dass ein rechtskräftiger Bescheid vorliegt, mit dem ein Lenkverbot gemäß § 32 Abs. 1 FSG ausgesprochen und gemäß § 24 Abs. 3 FSG die Anordnung einer Nachschulung erfolgt ist.

2.2.1. Nach Auffassung der belangten Behörde enthält die oben wiedergegebene Niederschrift vom 24. August 2006 die Bezeichnung der Behörde, die Unterschrift des Genehmigenden sowie einen normativen Abspruch über konkrete Rechtsverhältnisse des Beschwerdeführers, wobei klar hervorgehe, dass dem Beschwerdeführer der Mopedausweis für drei Monate entzogen und die Absolvierung einer Nachschulung angeordnet wird. Dass im vorliegenden Fall die Niederschrift nicht ausdrücklich als Bescheid bezeichnet sei, bedeute nicht, dass kein rechtsverbindlicher Abspruch mit Bescheidcharakter vorliege. Für die Annahme des Bescheidcharakters sei es (nur) erforderlich, dass einer solchen Erledigung nach ihrem Inhalt der normative Charakter und die Absicht der Behörde, in der Sache verbindlich abzusprechen, eindeutig und für jedermann erkennbar sei. Für die belangte Behörde ergebe sich zusammenfassend, dass die Niederschrift vom 24. August 2006 "den rechtlichen Charakter eines Bescheides" aufweise, weil klar sei, welche Behörde den Bescheid erlassen habe, die Unterschrift des Genehmigenden enthalten sei und sich aus der Erledigung unzweideutig ergebe, dass dem Beschwerdeführer für drei Monate der Mopedausweis entzogen werde und angeordnet werde, dass er eine Nachschulung zu absolvieren habe. Dass die Niederschrift nicht ausdrücklich als Bescheid bezeichnet worden sei und die Rechtsmittelbelehrung fehle sowie eine Gliederung nach Spruch und Begründung nicht vorgenommen worden sei, sei angesichts der einschlägigen Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts für die Charakterisierung "dieser Erledigung als Bescheid" nicht ausschlaggebend. Es sei auch nicht ersichtlich, dass, wie vom Beschwerdeführer behauptet, den Formvorschriften einer mündlichen Verkündung nicht Genüge getan worden wäre. Gegen den Bescheid sei auch kein Rechtsmittel ergriffen worden. Da unstrittig eine Nachschulung nicht absolviert worden sei, habe die Entziehungszeit iSd. § 24 Abs. 3 FSG nicht geendet, weshalb eine Wiederausfolgung des Mopedausweises nicht in Betracht komme.

2.2.2. Die Rechtsansicht der belangten Behörde ist verfehlt:

Zunächst ist festzuhalten, dass die oben wiedergegebene Niederschrift an keiner Stelle eine Beurkundung dahingehend enthält, dass gegenüber dem Beschwerdeführer ein Bescheid verkündet worden wäre. Im Lichte der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zB. die hg. Erkenntnisse vom 9. Oktober 1990, Zl. 89/11/0124, vom 30. April 1992, Zl. 92/02/0003, vom 11. Februar 1993, Zl. 92/06/0244, vom 23. Februar 1993, Zl. 90/05/0192, und vom 26. Jänner 2004, Zl. 2003/17/0293) scheidet schon deswegen die Annahme aus, gegenüber dem Beschwerdeführer sei ein Entziehungsbescheid, verbunden mit der Anordnung einer Nachschulung, mündlich verkündet worden.

Soweit aber die belangte Behörde offenbar die Auffassung vertritt, die Niederschrift stelle selbst eine Erledigung dar, der Bescheidcharakter zukomme, ist ihr Folgendes zu erwidern:

Das oben wiedergegebene Textdokument stellt seiner Selbstbezeichnung und seiner Gestaltung nach eine typische Niederschrift iSd. § 14 AVG über einen Vorgang vor der Behörde dar, nicht aber unter einem auch eine schriftliche Erledigung iSd.

§ 18 Abs. 4 AVG. Es weist seiner Form nach keinen Adressaten auf. Es erwähnt als Betreff der Amtshandlung "Ermittlungsverfahren", von "Entziehung des Mopedausweises" oder "Lenkverbot" sowie "Anordnung einer Nachschulung" ist im Betreff nicht die Rede. Die Unterschrift unter dem Zusatz "Vor mir" spricht klar für eine Niederschrift, nicht aber dafür, dass der Unterschreibende eine gegenüber dem Beschwerdeführer ergehende Erledigung für die Bezirkshauptmannschaft genehmigt hätte. Die Deutung der Niederschrift als eine einen Bescheid zum Ausdruck bringende Erledigung ist somit schon deshalb verfehlt. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Beschwerdeführer der Niederschrift zufolge auf eine "Bescheidausfertigung" verzichtet hätte, weil die Beurkundung eines solchen Verzichts nicht die Bescheidqualität der Niederschrift bewirkt.

Mangels Vorliegens eines Bescheides, der die Wirkungen des § 24 Abs. 3 FSG auszulösen in der Lage wäre, fehlte es an einer Grundlage für die Verweigerung der Wiederausfolgung des abgenommenen Mopedausweises.

3. Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 20. Mai 2008

Schlagworte

Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Beurkundungen und Bescheinigungen Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007110220.X00

Im RIS seit

07.07.2008

Zuletzt aktualisiert am

26.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten