TE Vwgh Erkenntnis 2008/5/28 2006/15/0245

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Veröffentlicht am 28.05.2008
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

B-VG Art140;
EStG 1988 §25 Abs1 Z5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der F G mbH in Graz, vertreten durch Scherbaum/Seebacher Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Einspinnergasse 3, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom 14. April 2005, GZ. RV/0228- G/04, betreffend Lohnsteuerhaftung für den Zeitraum Jänner bis Juni 2002, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Gesellschaft hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende GmbH ist Erhalterin von Fachhochschul-Studiengängen gemäß § 2 des Bundesgesetzes über Fachhochschul-Studiengänge (FHStG), BGBl. Nr. 340/1993.

Anlässlich einer Lohnsteuerprüfung für den Zeitraum Jänner bis Juni 2002 wurde festgestellt, dass von den Honoraren der bei der Beschwerdeführerin tätigen Lehrbeauftragten entgegen der ab 1. Jänner 2001 geltenden Rechtslage (§ 25 Abs. 1 Z. 5 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 142/2000) keine Lohnsteuer einbehalten und an das Finanzamt abgeführt worden war. Mit Bescheid vom 6. August 2002 zog das Finanzamt die Beschwerdeführerin aus diesem Grund zur Lohnsteuerhaftung für die vom Prüfer hinsichtlich der einzelnen Lehrbeauftragten in dem erwähnten Zeitraum festgestellten Honorarzahlungen heran.

In der dagegen erhobenen Berufung vertrat die Beschwerdeführerin die Ansicht, dass sie als Erwachsenenbildungseinrichtung im Sinne des § 25 Abs. 1 Z. 5 zweiter Satz EStG 1988 von der unwiderlegbaren gesetzlichen Fiktion des § 25 Abs. 1 Z. 5 erster Satz EStG 1988 ausgenommen und ihre Heranziehung zur Lohnsteuerhaftung daher rechtswidrig sei. Die Beschwerdeführerin sei mit Bescheid der (damals zuständigen) Finanzlandesdirektion vom 2. Juni 1997 in den begünstigten Empfängerkreis für Zuwendungen gemäß § 4 Abs. 4 Z. 5 EStG 1988 aufgenommen worden, woraus die Einstufung der Beschwerdeführerin als Erwachsenenbildungseinrichtung unstreitig ableitbar wäre.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde kam in ihrer Entscheidung zum Ergebnis, dass die Beschwerdeführerin keine Einrichtung sei, die vorwiegend Erwachsenenbildung im Sinne des § 1 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Förderung der Erwachsenenbildung und des Volksbüchereiwesens aus Bundesmittel, BGBl. Nr. 171/1973, (im Folgenden: kurz EB-Förderungsgesetz), betreibe. Das Gesetz gehe - wie dem Österreichischen Recht von Heinl-Loebenstein-Verosta, Band IV e 1, zu entnehmen sei - auf die Regierungserklärung vom 5. November 1971 zurück, in der "im Hinblick auf die raschen Veränderungen in der Gesellschaft von heute und der dadurch notwendigen ständigen Weiterbildung des Einzelnen nach dem Verlassen der Schule bzw. dem Abschluss der Berufsausbildung" die Schaffung eines Bundesgesetzes zur Förderung der Erwachsenenbildung in Aussicht gestellt worden sei.

Nach § 3 Abs. 1 des Fachhochschul-Studiengesetzes dienten Fachhochschulen zur Gewährleistung einer praxisorientierten Ausbildung auf Hochschulniveau, während das angeführte Gesetz über die Erwachsenenbildung sinnvoller Weise erst nach Abschluss der Berufsaubildung (Berufsvorbildung) zum Tragen komme. Dafür spreche auch die dazu im BGBl. II Nr. 228/2001 verlautbarte Kundmachung gemäß § 7 Abs. 1 EB-Förderungsgesetz. In dieser Aufzählung gesamtösterreichischer Einrichtungen im Sinne der genannten Bestimmung fehlten Universitäten und Fachhochschulen. Ein Abschluss der Berufsausbildung sei erst nach Beendigung der praxisbezogenen Ausbildung gegeben. Das EB-Förderungsgesetz umfasse dem gegenüber die im Anschluss an die Beendigung der Berufsausbildung notwendige "ständige Fortbildung" sowohl auf dem Gebiet des Berufes als auch auf dem der Persönlichkeit. Das Finanzamt habe in seiner Berufungsvorentscheidung ausgeführt, dass vom Bildungsgrad und dem Ablauf der Lehrveranstaltung gegenständlich kein Unterschied zu dem einer Hochschule bestünde. Voraussetzung für den Besuch der Lehrveranstaltungen sei die Ablegung der Reifeprüfung bzw. einer Studienzulassungsprüfung. Die Lehrveranstaltungen würden den ganzen Tag hindurch (nicht überwiegend am Abend) stattfinden und die Lehrgänge mit der Verleihung eines akademischen Grades enden. Auch eine einschlägige Vorbildung zum Besuch der Lehrveranstaltungen sei nicht erforderlich.

Der Verweis auf die Zugehörigkeit zu den begünstigten Spendenempfängern gemäß § 4 Abs. 4 Z. 5 EStG 1988 gehe ins Leere, weil sich aus dem Bescheid der Finanzlandesdirektion ableiten lasse, dass die Beschwerdeführerin als Erhalterin von Fachhochschul-Studiengängen eindeutig dem universitären Bereich zuordenbar sei und die Bestimmung des § 4 Abs. 4 Z. 5 EStG 1988 anders als die streitgegenständliche Bestimmung des § 25 Abs. 1 Z. 5 EStG 1988 nicht auf das EB-Förderungsgesetz (BGBl. Nr. 171/1973) verweise. Die Qualifikation der Beschwerdeführerin als Erwachsenenbildungseinrichtung im Schreiben der Gebietskrankenkasse vom 10. Juli 1997 sei nur unter Vorbehalt erfolgt und insofern als überholt anzusehen, als die Ziffer 5 erst mit BGBl. I Nr. 142/2000 in § 25 Abs. 1 EStG 1988 eingefügt worden sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Darin machte sie geltend, die Bestimmung des § 25 Abs. 1 Z. 5 erster Satz EStG 1988 sei gleichheitswidrig, weil damit eine relativ kleine Berufsgruppe ohne sachliche Rechtfertigung benachteiligt werde, während die Ausnahmeregelung des zweiten Satzes leg.cit. jene Bildungseinrichtungen unsachlich benachteilige, welche keine Erwachsenenbildung betrieben.

Aus Anlass dieser Beschwerde hob der Verfassungsgerichtshof den zweiten Satz des § 25 Abs. 1 Z. 5 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 142/2000 mit Erkenntnis vom 20. Juni 2006, G 9/06, mit dem Ablauf des 31. Dezember 2006 auf. Die in jenem Satz verfügte Ausnahme für Vortragende, Lehrende und Unterrichtende an Erwachsenenbildungseinrichtungen verstoße gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz. Im Gesetzesprüfungsverfahren sei nicht hervorgekommen, dass zwischen (den Lehrenden an) Erwachsenenbildungseinrichtungen und anderen Bildungseinrichtungen (typische) Unterschiede tatsächlicher oder rechtlicher Art bestünden, die eine solche Differenzierung rechtfertigen könnten.

Hingegen hatte der Verfassungsgerichtshof aus folgenden Gründen keine Bedenken gegen § 25 Abs. 1 Z. 5 erster Satz EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 142/2000:

"Es liegt im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, die Bezüge von Personen, die bei einer Bildungseinrichtung eine unterrichtende Tätigkeit im Rahmen eines von der jeweiligen Bildungseinrichtung vorgegebenen Lehr-, Studien- oder Stundenplanes ausüben, generell als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit einzuordnen, auch wenn ohne eine solche Regelung im Einzelfall nach den von Rechtsprechung und Lehre entwickelten Kriterien die Merkmale einer selbständigen Tätigkeit überwiegen sollten. Wenn der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang der Lehrplanbindung die entscheidende Bedeutung für die Einkünftezuordnung zukommen lässt, kann dem von Verfassungs wegen nicht entgegengetreten werden: Bei einem Personenkreis, bei dessen Mitgliedern die Merkmale einer selbständigen und einer unselbständigen Arbeit in den verschiedensten Kombinationen zusammentreffen (können) und die exakte Zuordnung in vielen Fällen nicht eindeutig oder nur mit erheblichem Ermittlungsaufwand möglich ist, darf der Gesetzgeber eine unwiderlegbare Typisierung an Hand des Merkmales der organisatorischen Eingliederung in den Betrieb einer Bildungseinrichtung vornehmen und auf diesem Weg die sonst erforderliche aufwendige Einzelfallprüfung vermeiden.

Der Gerichtshof hegt daher auch keine Bedenken dagegen, dass die fraglichen Bildungseinrichtungen (einschließlich der beschwerdeführenden Gesellschaft) durch die Regelung des § 25 Abs. 1 Z. 5 EStG 1988 gleichsam automatisch die Funktion eines Arbeitgebers erhalten und für das betroffene Lehrpersonal die Einkommensteuer im Abzugsweg einzubehalten und - unter Haftungsandrohung - abzuführen haben (§ 47 Abs. 1 EStG 1988)."

Da auch nach dem bereinigten Wortlaut des § 25 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 die Bezüge von an Bildungseinrichtungen tätigen Personen, die im Rahmen des von der jeweiligen Bildungseinrichtung vorgegebenen Studien- oder Stundenplanes unterrichten, als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu beurteilen sind, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegenständlichen Beschwerde mit Beschluss vom 21. Juni 2006, B 585/05, ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Die vorliegende Beschwerdesache war nach dem angeführten Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 21. Juni 2006 Anlassfall im Sinne des Art. 140 Abs. 7 B-VG, weshalb gegenständlich - ungeachtet der Fristsetzung gemäß Art. 140 Abs. 5 dritter Satz B-VG - § 25 Abs. 1 Z. 5 EStG 1988 bereits in der durch das aufhebende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes bereinigten Fassung anzuwenden ist.

Diese lautet:

"§ 25. (1) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn) sind:

5. Bezüge, Auslagenersätze und Ruhe-(Versorgungs-)Bezüge von Vortragenden, Lehrenden und Unterrichtenden, die diese Tätigkeit im Rahmen eines von der Bildungseinrichtung vorgegebenen Studien-, Lehr- oder Stundenplanes ausüben, und zwar auch dann, wenn mehrere Wochen- oder Monatsstunden zu Blockveranstaltungen zusammengefasst werden."

Die für Einrichtungen der Erwachsenenbildung im zweiten Satz des § 25 Abs. 1 Z. 5 EStG 1988 vorgesehene Ausnahme von der Beurteilung der Einkünfte von Vortragenden als solche aus nichtselbständiger Arbeit ist im Beschwerdefall daher nicht mehr anzuwenden. Diese so genannte Anlassfallwirkung begünstigt zwar zumeist die Partei des "Anlassverfahrens", kann ihr jedoch, falls sie wie im Beschwerdefall durch die aufgehobene Norm "begünstigt" wäre, auch zum Nachteil gereichen (vgl. Mayer, B-VG4, Anm. V.6. zu Art. 140, sowie Walter/Mayer, Bundesverfassungsrecht9, Rz. 1170, mit weiteren Nachweisen).

Die Beschwerdeausführungen, die das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen zweiten Satzes leg. cit. aufzeigen sollen, gehen daher von vornherein ins Leere.

Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 28. Mai 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2006150245.X00

Im RIS seit

19.06.2008

Zuletzt aktualisiert am

21.05.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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