TE Vfgh Erkenntnis 2006/6/20 G9/06

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Veröffentlicht am 20.06.2006
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Index

32 Steuerrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
EStG 1988 §25 Abs1 Z5

Leitsatz

Gleichheitswidrigkeit der Ausnahme der Bezüge von in der Erwachsenenbildung tätigen Personen von der generellen Einstufung der Bezüge von Lehrbeauftragten als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit

Spruch

Der zweite Satz des §25 Abs1 Z5 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988), BGBl. Nr. 400 idF BGBl. I Nr. 142/2000, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit dem Ablauf des 31. Dezember 2006 in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B585/05 eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates (im Folgenden: UFS), Außenstelle Graz, anhängig, mit dem die beschwerdeführende Gesellschaft, die Erhalterin von Fachhochschul-Studiengängen ist, gem. §25 Abs1 Z5 iVm §47 EStG 1988 zur Haftung für die Abfuhr von Lohnsteuer für die an der Fachhochschule tätigen Lehrbeauftragten für den Zeitraum Jänner bis Juni 2002 herangezogen wurde.

2. Bei der Behandlung dieser Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des zweiten Satzes des §25 Abs1 Z5 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988), BGBl. 400 idF BGBl. I 142/2000, entstanden.

3. Zur Rechtslage:

§25 Abs1 EStG 1988 lautet in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I 142/2000 auszugsweise wie folgt (die in Prüfung gezogene Bestimmung ist hervorgehoben):

"§25. (1) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn) sind:

1. a) Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis. ...

5. Bezüge, Auslagenersätze und Ruhe-(Versorgungs-)Bezüge von Vortragenden, Lehrenden und Unterrichtenden, die diese Tätigkeit im Rahmen eines von der Bildungseinrichtung vorgegebenen Studien-, Lehr- oder Stundenplanes ausüben, und zwar auch dann, wenn mehrere Wochen- oder Monatsstunden zu Blockveranstaltungen zusammengefasst werden. Nicht darunter fallen Bezüge, Auslagenersätze und Ruhe-(Versorgungs-)Bezüge von Vortragenden, Lehrenden und Unterrichtenden, die an Einrichtungen tätig sind, die vorwiegend Erwachsenenbildung im Sinne des §1 Abs2 des Bundesgesetzes über die Förderung der Erwachsenenbildung und des Volksbüchereiwesens aus Bundesmitteln, BGBl. Nr. 171/1973, betreiben, ausgenommen Abs1 Z1 lita ist anzuwenden."

§47 Abs1 und 2 EStG 1988, BGBl. 400 idF BGBl. I 47/2001, bestimmt Folgendes:

"§47. (1) Bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§25) wird die Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben (Lohnsteuer), wenn im Inland eine Betriebsstätte (§81) des Arbeitgebers besteht. Arbeitnehmer ist eine natürliche Person, die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezieht. Arbeitgeber ist, wer Arbeitslohn im Sinne des §25 auszahlt.

(2) Ein Dienstverhältnis liegt vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist. Ein Dienstverhältnis ist weiters dann anzunehmen, wenn bei einer Person, die an einer Kapitalgesellschaft nicht wesentlich im Sinne des §22 Z2 beteiligt ist, die Voraussetzungen des §25 Abs1 Z1 litb vorliegen. Ein Dienstverhältnis ist weiters bei Personen anzunehmen, die Bezüge gemäß §25 Abs1 Z4 und 5 beziehen."

4. Im Prüfungsbeschluss legte der Verfassungsgerichtshof seine Bedenken gegen die in Prüfung gezogene Bestimmung folgendermaßen dar:

"2.1. Der Regelung des §25 Abs1 Z5 EStG 1988, die durch das Budgetbegleitgesetz 2001 eingefügt wurde, ging eine Verordnung des Bundesministers für Finanzen (BGBl. II 287/1997) voraus, nach der die Bezüge von Lehrbeauftragten an Universitäten, Hochschulen, Fachhochschulen, Pädagogischen Akademien und ähnlichen Bildungseinrichtungen generell als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit eingestuft wurden. Mit Erk. vom 15. Juni 2000, V102/99 (Slg. 15.811/2000), hat der Verfassungsgerichtshof diese Verordnung im Wesentlichen mit der Begründung aufgehoben, dass es an einer gesetzlichen Ermächtigung der Vollziehung fehle, die Grenze zwischen Einkünften aus selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit aus Gründen der Zweckmäßigkeit in Teilbereichen zu verschieben. Der Gerichtshof hat in diesem Erkenntnis aber andererseits festgehalten, dass es dem Gesetzgeber in den Schranken des Gleichheitssatzes und des darin enthaltenen Sachlichkeitsgebotes freistehe, seine Regelungen auf typische Sachverhalte abzustellen und durch Pauschalierungen leichter handhabbar zu machen.

Vor diesem Hintergrund hat der Gerichtshof keine Bedenken gegen die Regelung des ersten Satzes des §25 Abs1 Z5 EStG 1988: Es liegt im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, die Bezüge von Personen, die bei einer Bildungseinrichtung eine unterrichtende Tätigkeit im Rahmen eines von der jeweiligen Bildungseinrichtung vorgegebenen Lehr-, Studien- oder Stundenplanes ausüben, generell als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit einzuordnen, auch wenn ohne eine solche Regelung im Einzelfall nach den von Rechtsprechung und Lehre entwickelten Kriterien die Merkmale einer selbständigen Tätigkeit überwiegen sollten. Wenn der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang der Lehrplanbindung die entscheidende Bedeutung für die Einkünftezuordnung zukommen lässt, kann dem von Verfassungs wegen nicht entgegengetreten werden: Bei einem Personenkreis, bei dessen Mitgliedern die Merkmale einer selbständigen und einer unselbständigen Arbeit in den verschiedensten Kombinationen zusammentreffen (können) und die exakte Zuordnung in vielen Fällen nicht eindeutig oder nur mit erheblichem Ermittlungsaufwand möglich ist, darf der Gesetzgeber eine unwiderlegbare Typisierung an Hand des Merkmales der organisatorischen Eingliederung in den Betrieb einer Bildungseinrichtung vornehmen und auf diesem Weg die sonst erforderliche aufwendige Einzelfallprüfung vermeiden.

Der Gerichtshof hegt daher auch keine Bedenken dagegen, dass die fraglichen Bildungseinrichtungen (einschließlich der beschwerdeführenden Gesellschaft) durch die Regelung des §25 Abs1 Z5 EStG 1988 gleichsam automatisch die Funktion eines Arbeitgebers erhalten und für das betroffene Lehrpersonal die Einkommensteuer im Abzugsweg einzubehalten und - unter Haftungsandrohung - abzuführen haben (§47 Abs1 EStG 1988).

2.2. Entscheidet sich der Gesetzgeber für eine solche - an sich unbedenkliche - Typisierung, dann hat er sie freilich sachlich auszugestalten. Dem Gerichtshof ist in diesem Zusammenhang nun vorderhand nicht einsichtig, welche - sachlichen - Überlegungen es rechtfertigen können, die Vortragenden bei Einrichtungen der Erwachsenenbildung von der Typisierung auszunehmen und damit diese Einrichtungen und ihr Lehrpersonal von den aus §25 Abs1 Z5 EStG 1988 direkt oder indirekt erfließenden Konsequenzen freizustellen. Mit einer Typisierung der im ersten Satz des §25 Abs1 Z5 EStG 1988 genannten Art wird nicht nur eine Vereinfachung der Sachverhaltsermittlung erreicht, sondern auch eine Vereinheitlichung der Rechtsfolgen für die Bildungseinrichtung und das von ihr beschäftigte Lehrpersonal (zur Betroffenheit durch die Regelung des §25 Abs1 Z5 EStG 1988 s. VfSlg. 16.491/2002). Der Umstand, dass es sich bei der fraglichen Bildungseinrichtung um eine solche der Erwachsenenbildung handelt, scheint - so nimmt der Gerichtshof vorderhand an - die Differenzierung nicht zu rechtfertigen. Der Gerichtshof kann auch (vorderhand) nicht erkennen, dass in der Art der organisatorischen oder persönlichen Eingliederung der Vortragenden in den Betrieb von Einrichtungen der Erwachsenenbildung und anderen Bildungseinrichtungen typische Unterschiede bestünden, die eine unterschiedliche einkommensteuerrechtliche Behandlung des Lehrpersonals und die daraus resultierenden (unterschiedlichen) Reflexwirkungen für die Bildungseinrichtung rechtfertigen könnten.

Wenn die Materialien (Ausschussbericht, 369 BlgNR, 21. GP) für die Differenzierung ins Treffen führen, dass Lehrbeauftragte an Erwachsenenbildungseinrichtungen in die Mitteilungspflicht nach §109a EStG 1988 einbezogen werden könnten, womit die Besteuerung der Einkünfte sichergestellt wäre, so dürfte dies die Ausnahme nicht rechtfertigen, da vorderhand kein Grund zu sehen ist, warum die Mitteilungspflicht nach §109a EStG 1988 nicht auch auf das Lehrpersonal bei anderen Bildungseinrichtungen erstreckt werden könnte.

Der Gerichtshof hegt somit - zusammenfassend - vorderhand das Bedenken, dass der zweite Satz des §25 Abs1 Z5 EStG 1988 gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz verstößt."

5. Die Bundesregierung regte an, der Verfassungsgerichtshof möge für den Fall der Aufhebung aussprechen, dass die Aufhebung mit Ablauf des Kalenderjahres in Kraft trete, und nahm im Übrigen von der Erstattung einer Äußerung förmlich Abstand.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Das Gesetzesprüfungsverfahren ist zulässig. Es wurde nichts vorgebracht und ist auch nichts hervorgekommen, was gegen die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes über die Zulässigkeit der Beschwerde und die Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmung spräche.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat es in seinem Prüfungsbeschluss für verfassungsrechtlich unbedenklich gehalten, dass der Gesetzgeber die Bezüge der Lehrenden an Bildungseinrichtungen, die ihre Tätigkeit im Rahmen eines vorgegebenen Studien-, Lehr- oder Stundenplanes ausüben, zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit rechnet. Er hegte aber das Bedenken, dass die im zweiten Satz des §25 Abs1 Z5 EStG 1988 verfügte Ausnahme für die Vortragenden, Lehrenden und Unterrichtenden an Erwachsenenbildungseinrichtungen gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz verstößt.

Im Gesetzesprüfungsverfahren wurde nichts vorgebracht und ist auch sonst nichts hervorgekommen, was diese Bedenken des Verfassungsgerichtshofes zerstreut hätte. Insbesondere ist nicht hervorgekommen, dass zwischen (den Lehrenden an) Erwachsenenbildungseinrichtungen und anderen Bildungseinrichtungen (typische) Unterschiede tatsächlicher oder rechtlicher Art bestünden, die eine solche Differenzierung rechtfertigen könnten.

III.     Die Bestimmung einer Frist für das Außer-Kraft-Treten der

aufgehobenen Gesetzesstelle gründet sich auf Art140 Abs5 dritter und vierter Satz B-VG.

IV.      Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht

wieder in Kraft treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz B-VG.

V.       Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen

Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B-VG und §64 Abs2 VfGG iVm §3 Z3 BGBlG.

VI. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Einkommensteuer, Einkunftsarten Arbeit nichtselbständige

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2006:G9.2006

Dokumentnummer

JFT_09939380_06G00009_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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