TE Vwgh Erkenntnis 2008/6/4 2008/08/0086

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Veröffentlicht am 04.06.2008
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §25 Abs1;
AlVG 1977 §38;
MRK Art6;
VwGG §39 Abs2 Z6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der N G in Wien, vertreten durch Dr. Andreas Pascher, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Zedlitzgasse 1, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 28. Februar 2008, Zl. LGSW/Abt. 3-AlV/05661/2006-8895, betreffend Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der vorliegenden Beschwerde, dem vorgelegten angefochtenen Bescheid sowie aus dem Akt zu dem in der Sache im ersten Rechtsgang ergangenen hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2007, Zl. 2007/08/0022, ergibt sich Folgendes:

Mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 15. Jänner 2007 entschied die belangte Behörde über eine Berufung der Beschwerdeführerin wie folgt:

"Über Ihre Berufung vom 16.10.2006 gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Prandaugasse vom 27.9.2006 betreffend Widerruf der Zuerkennung der Notstandshilfe vom 1.2.2005 bis 30.9.2005 gemäß § 24 Abs. 2 und Rückforderung des unberechtigt Empfangenen in Höhe von insgesamt EUR 3.818,76 (richtig 5.716,04) gemäß § 25 Abs. 1 in Verbindung mit § 38 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (BGBl. Nr. 609/1977 - AlVG) in geltender Fassung hat die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien durch den gemäß § 56 Abs. 3 und 4 in Verbindung mit § 58 AlVG zuständigen Ausschuss mit Beschluss entschieden:

Der Berufung wird keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.

Im gegenständlichen Zeitraum ist kein Anspruch auf Notstandshilfe gegeben."

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe ab 21. Februar 2004 Notstandshilfe in der Höhe von EUR 23,62 täglich bezogen. Im Antrag vom 21. Februar 2004 habe sie S als Lebensgefährten angegeben. Eine Auflösung der Lebensgemeinschaft habe sie dem Arbeitsmarktservice nicht gemeldet. Auch im Leistungsantrag vom 6. März 2005 sei S als Lebensgefährte von der Beschwerdeführerin angegeben worden. Einkommens- und Umsatzerklärungen betreffend die selbstständige Erwerbstätigkeit des S seien von der Beschwerdeführerin regelmäßig erbracht worden. Auf Grund der in diesen Erklärungen angegebenen Beträge sei keine Anrechnung erfolgt. Die Notstandshilfe sei in voller Höhe ausbezahlt worden. Bezüglich des Berufungsvorbringens, dass Freigrenzen für drei Kinder zu berücksichtigen seien, werde festgehalten, dass bereits im erstinstanzlichen Bescheid Freigrenzen für drei Kinder gewährt worden seien. Der Einwand, dass bereits seit Mai 2004 keine Lebensgemeinschaft mehr vorliege, aber seitens des Arbeitsmarktservice die Auskunft erteilt worden sei, dass Erklärungen abzugeben seien, da sonst keine Notstandshilfe ausbezahlt würde, sei unglaubwürdig. Jeder Leistungsbezieher sei verpflichtet, jede Änderung seiner wirtschaftlichen und sonstigen Verhältnisse dem Arbeitsmarktservice bekannt zu geben. Die Beendigung einer Lebensgemeinschaft sei dem Arbeitsmarktservice zu melden. Hätte die Beschwerdeführerin eine Beendigung der Lebensgemeinschaft gemeldet, wären Erklärungen des S nicht notwendig gewesen und der Leistungsbezug wäre zur Auszahlung gekommen. Es erscheine äußerst unwahrscheinlich, dass trotz Beendigung einer Lebensgemeinschaft im Mai 2004 bei der nächsten Antragstellung nach fast einem Jahr im März 2005 diese Lebensgemeinschaft noch immer als bestehend angegeben worden sei. Ebenso erscheine es nicht glaubwürdig, dass die Beschwerdeführerin der Meinung gewesen sei, sie müsse trotz Beendigung der Lebensgemeinschaft monatliche Einkommenserklärungen betreffend S abgeben. Es erscheine insbesondere nicht glaubhaft, dass S, der den Beruf eines Rechtsanwaltes ausübe, monatliche Erklärungen betreffend sein Einkommen und seinen Umsatz abgebe, obwohl keine Lebensgemeinschaft mehr bestehe. Es sei kein Grund ersichtlich, weshalb die Einkommenssituation eines ehemaligen Lebensgefährten den Anspruch auf Notstandshilfe beeinflussen sollte. Da dies einem Rechtsanwalt jedenfalls klar sein müsse, sei davon auszugehen, dass die Erklärungen ausgefüllt worden seien, weil eine Lebensgemeinschaft vorgelegen sei. Das entsprechende anders lautende Vorbringen werde als Schutzbehauptung gewertet. Erst nach Erlassung des Rückforderungsbescheides sei der Einwand des Nichtvorliegens einer Lebensgemeinschaft erfolgt. S habe im Jahr 2005 laut Einkommensteuerbescheid ein Nettoeinkommen von EUR 36.340 gehabt. Es ergebe sich daher nachstehende Berechnung für das Jahr 2005:

"Einkommen EUR 2.192,29 Freigrenze für Ihren Partner EUR 447,00

Freigrenze für 1 Kind EUR 223,50

Freigrenze für 1 Kind EUR 223,50

Freigrenze für 1 Kind EUR 223,50 Mehrkindzuschlag EUR 50,00 Freigrenzenerhöhung EUR 153,22 anrechenbares Einkommen EUR 872,00 x

12 Monate/365 Tage

ergibt einen Anrechnungsbetrag von EUR 28,67 täglich."

Der tägliche Notstandshilfeanspruch ohne Anrechnung würde EUR 23,62 betragen (inklusive zweier Familienzuschläge). Da die Anrechnung den Anspruch übersteige, sei kein Anspruch auf Notstandshilfe gegeben. Als Freigrenzenerhöhung bezüglich des geleisteten Unterhaltes für das Kind Lisa könne nur die Differenz zwischen dem tatsächlich geleisteten Unterhalt (EUR 376,72) und der Freigrenze (EUR 223,50) gewährt werden. Der Leistungsbezug sei daher zu widerrufen gewesen. Gemäß § 25 Abs. 1 AlVG könne die Leistung auch dann zurückgefordert werden, wenn sich auf Grund nachträglich vorgelegter Steuerbescheide ergebe, dass die Leistung nicht gebührte. Es ergebe sich folgende Rückforderung:

"Zeitraum ausbezahlter Tagsatz berichtigter

Tagsatz Differenz Tage Summe

1.2.2005-30.9.2005 EUR 23,62 EUR 0 EUR 23,62 242 EUR 5.716,04

insgesamt EUR 5.716,04"

Dieser Bescheid wurde mit dem zitierten hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2007, soweit mit ihm die Rückforderung von Notstandshilfe gemäß § 25 Abs. 1 AlVG ausgesprochen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im Übrigen wurde die dagegen erhobene Beschwerde der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen.

Im fortgesetzten Verfahren erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid, mit welchem sie den angefochtenen erstinstanzlichen Bescheid dahingehend abänderte, dass der Leistungsbezug für den gegenständlichen Zeitraum in Höhe von EUR 5.716,04 rückgefordert wurde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtwidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Durch den angefochtenen Bescheid erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem subjektiven Recht verletzt, "dass bei Nichtvorliegen unberechtigt empfangener Bezüge bzw. der gesetzlichen Voraussetzungen einer Rückforderung nach § 25 Abs. 1 AlVG bzw. über die Beschränkung des Rückforderungsbetrages gemäß § 25 Abs. 1 AlVG, auf das erzielte Einkommen übersteigend, empfangene Bezüge nicht rückgefordert werden dürfen."

Soweit die Beschwerdeführerin damit geltend zu machen sucht, dass es für die Rückforderung am Tatbestandsmerkmal "unberechtigt empfangene Bezüge" fehle, ist sie darauf zu verweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde gegen jenen Teil des im ersten Rechtsgang ergangenen Bescheides der belangten Behörde abgewiesen hat, in welchem festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführerin für einen bestimmten Zeitraum die Notstandshilfe nicht zugestanden ist. Es steht daher rechtskräftig fest, dass insoweit unberechtigt empfangene Bezüge vorliegen, sodaß nur mehr zu prüfen war, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Rückforderung dieser Bezüge gemäß § 25 Abs. 1 AlVG vorliegen, was die belangte Behörde schon im ersten Rechtsgang zutreffend bejaht hat.

Die Aufhebung des Ausspruches über die Rückforderung mit dem genannten Erkenntnis vom 19. Dezember 2007 erfolgte ausschließlich deshalb, weil aus dem Spruch des damals angefochtenen Bescheides nicht klar hervorging, ob EUR 3.818,76 (so wie im Bescheid erster Instanz) oder EUR 5.716,04 zurückgefordert wurden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu ausgeführt:

"Wenn die Behörde erster Instanz wie im vorliegenden Fall hinsichtlich eines bestimmten Zeitraumes eine zahlenmäßig bestimmte Rückforderung ausspricht, so steht es der Berufungsbehörde zwar im Rahmen der von ihr gemäß § 66 Abs. 4 AVG zu entscheidenden Sache zu, die diesbezügliche Berechnung zu ändern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 2004, Zl. 2003/08/0237). Dies entbindet sie aber nicht davon, einen eindeutig bestimmbaren Bescheid hinsichtlich der Höhe des Rückforderungsbetrages zu erlassen.

Im vorliegenden Fall wurde zwar die Rückforderung in der Begründung des in Beschwerde gezogenen Bescheides genau berechnet. Dem Spruch des in Beschwerde gezogenen Bescheides kann aber nicht entnommen werden, dass die belangte Behörde tatsächlich eine diesbezügliche Änderung hat vornehmen wollen. Die Entscheidung lautet lediglich dahin, dass der Berufung keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt wird. Es lässt sich aus dem Spruch nicht entnehmen, ob damit die erstinstanzliche Festsetzung von EUR 3.818,76 oder die im Vorspruch im Zusammenhang mit der deklarativen Darstellung des Gegenstandes des erstinstanzlichen Bescheides (daher nicht normativ) als 'richtig' bezeichnete Summe von EUR 5.716,04 in Rechtskraft erwachsen sollte, zumal der angefochtene Bescheid (dessen ungeachtet) keine Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides ausspricht."

Aus dem Spruch des nunmehr angefochtenen Bescheid geht hingegen klar hervor, dass der erstinstanzliche Bescheid abgeändert und unrechtmäßig bezogene Leistungen in Höhe von EUR 5.716,04 rückgefordert wurden. Sein Inhalt ist somit im Sinne der wiedergegebenen Ausführungen eindeutig bestimmbar.

Im Übrigen kann gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Begründung des Vorerkenntnisses vom 19. Dezember 2007 verwiesen werden. Gegen die hier gegenständliche, jetzt eindeutig feststehende Höhe des Rückforderungsbetrages wird in der Beschwerde nichts vorgebracht.

Da somit bereits die vorliegende Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines - hier vorliegenden - Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn Art. 6 Abs. 1 EMRK dem nicht entgegensteht.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigen. Der EuGH hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren nur rechtliche oder "hoch-technische" Fragen betrifft. Der Gerichtshof verwies aber auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtigte.

Zur Lösung der Rechtsfragen ist im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof, im vorliegenden Fall dem einzigen Tribunal im Sinne des Art. 6 EMRK, nicht geboten. Der vorliegende Fall wirft aber auch sonst keine Fragen auf, die im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung erfordern. Art. 6 EMRK steht somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Die Entscheidung konnte daher im Sinne des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG in nicht öffentlicher Sitzung getroffen werden.

Wien, am 4. Juni 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008080086.X00

Im RIS seit

02.07.2008

Zuletzt aktualisiert am

11.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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