TE Vwgh Erkenntnis 2008/6/18 2007/11/0196

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Veröffentlicht am 18.06.2008
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
60/04 Arbeitsrecht allgemein;

Norm

ABGB §1151 Abs1;
AZG §1 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2007/11/0197

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 14. August 2007, 1. Zl. VwSen- 280909/4/Wim/Be (hg. Zl. 2007/11/0196) und 2. Zl. VwSen- 280910/4/Wim/Be (hg. Zl. 2007/11/0197), betreffend Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes (mitbeteiligte Partei: S in A), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit den zwei Straferkenntnissen der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 7. April 2006 wurde der Mitbeteiligte als handelsrechtlicher Geschäftsführer und verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Transporte F GesmbH mit dem Sitz in A (persönlich haftende Gesellschafterin der Transporte F GesmbH & Co OHG) bestraft, weil er zu verantworten habe, dass der im Betrieb in A beschäftigte Lenker, Herr J. R., als Lenker eines näher bezeichneten Kraftfahrzeuges, das der Güterbeförderung diene und dessen höchstzulässiges Gesamtgewicht 3,5 t übersteige, im internationalen Straßenverkehr die Gesamtlenkzeit in näher genanntem zeitlichem Ausmaß überschritten bzw. die Ruhezeit nicht eingehalten habe. Der Mitbeteiligte habe hierdurch die Bestimmungen des Art. 6 Abs. 1 und des Art. 8 Abs. 1 der "EG-VO 3820/85" iVm § 28 Abs. 1a Z.4 bzw. iVm mit § 28 Abs. 1a Z. 2 des Arbeitszeitgesetzes iVm dem Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsgewerbe Österreichs übertreten.

Mit den beiden angefochtenen Bescheiden der belangten Behörde vom 14. August 2007 wurde den gegen die erstinstanzlichen Bescheide vom Mitbeteiligten erhobenen Berufungen Folge gegeben und die erstinstanzlichen Straferkenntnisse behoben sowie die Verwaltungsstrafverfahren eingestellt. In der Begründung der angefochtenen Bescheide führte die belangte Behörde - gleichlautend - aus, der Mitbeteiligte habe vorgebracht, dass der Lenker J. R. kein Arbeitnehmer, sondern selbständiger Gesellschafter der Transporte F GesmbH & Co OHG sei und daher die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes auf ihn nicht anwendbar seien. Die belangte Behörde habe "Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt einschließlich der darin vorhandenen Gesellschaftsverträge und Auszüge aus dem Firmenbuch und dem Gewerberegister". Darüber hinaus sei ein Sozialversicherungsdatenauszug für den Lenker eingeholt worden, aus dem sich ergebe, dass "Herr J. R. seit 1.7.2004 als gewerblich selbstständiger Erwerbstätiger bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft durchgehend versichert war und dies seine einzige Sozialversicherung darstellt". Daraus schloss die belangte Behörde, so führte sie weiters aus, dass die Arbeitnehmereigenschaft des Lenkers nicht gegeben sei, sodass auch das Arbeitszeitgesetz keine Anwendung finde und daher "der vorgeworfene Verstoß nicht unter die Strafbarkeit des AZG" falle.

Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Amtbeschwerde des Bundesministers, mit welcher er die Aufhebung der angefochtenen Bescheide beantragt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden.

Der Mitbeteiligte hat keine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz gelten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes für die Beschäftigung von "Arbeitnehmern (Lehrlingen)", die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgeführt hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 2001, Zl. 2000/11/0243, mit weiteren Nachweisen), enthält das Arbeitszeitgesetz keine eigenständige Definition des Begriffes "Arbeitnehmer". Wer Arbeitnehmer ist, richtet sich daher nach den Regeln des Arbeitsvertragsrechtes. Der zentrale Begriff des Arbeitsvertrages für das gesamte Arbeitsrecht findet sich in den Bestimmungen der §§ 1151 ff ABGB über den Dienstvertrag. Nach Lehre und Rechtsprechung ist dabei insbesondere für den Dienstvertrag kennzeichnend, dass die Arbeit vom Dienstnehmer in persönlicher Abhängigkeit vom Dienstgeber verrichtet wird. Dies wird vor allem dadurch charakterisiert, dass der Dienstnehmer in Bezug auf Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten dem Weisungs- und Kontrollrecht des Dienstgebers unterworfen ist oder - sofern das Verhalten im Arbeitsvertrag bereits vorausbestimmt oder unter Heranziehung anderer Regeln bestimmbar ist - dessen laufender Kontrolle unterliegt.

Zu den nach dieser Lehre und Rechtsprechung für die Beurteilung, ob der in Rede stehende Lenker Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitszeitgesetzes war, maßgebenden Kriterien hat die belangte Behörde in den angefochtenen Bescheiden überhaupt keine Feststellungen getroffen. Die belangte Behörde hat zwar erwähnt, welche Beweise sie aufgenommen habe, welche für die Beurteilung des Falles wesentlichen Feststellungen sie aus diesen Beweisen entnommen hat, legt sie nicht dar. Die einzige konkrete Feststellung, aus der sie offensichtlich den Schluß zog, der betreffende Lenker sei nicht Arbeitnehmer, erschöpft sich darin, dass die belangte Behörde annahm, für den Lenker bestehe eine Versicherung bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft. Dabei hat die belangte Behörde jedoch verkannt, dass dieser Umstand für die Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft des Betreffenden nicht relevant ist (vgl. das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 2001).

Da die belangte Behörde in den angefochtenen Bescheiden infolge offensichtlicher Verkennung der Rechtslage die maßgebenden Feststellungen nicht getroffen hat waren die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 18. Juni 2008

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007110196.X00

Im RIS seit

21.07.2008

Zuletzt aktualisiert am

20.11.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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