TE Vwgh Erkenntnis 2008/6/19 2007/18/0323

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Veröffentlicht am 19.06.2008
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
72/01 Hochschulorganisation;

Norm

B-VG Art130 Abs2;
FrPolG 2005 §54 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §54 Abs1 Z2;
NAG 2005 §64 Abs3;
UniversitätsG 2002 §75 Abs6;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schmidl, über die Beschwerde des M R I, geboren am 31. Oktober 1974, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid des Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 24. April 2007, Zl. SD 1675/06, betreffend Ausweisung gemäß § 54 Abs. 1 FPG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 24. April 2007 wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, gemäß § 54 Abs. 1 Z. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer habe am 3. August 2001 den Erstantrag auf Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis für den Aufenthaltszweck "Student/Schüler" gestellt. Er habe einen Bescheid der Universität Linz vom 2. Juli 2001 vorgelegt, wonach er im Wintersemester 2001/2002 als ordentlicher Hörer zum Studium der Betriebswirtschaft zugelassen werde, wenn er die Ergänzungsprüfung für den Nachweis der Kenntnis der deutschen Sprache ablegen würde. Dem Beschwerdeführer sei ein vom 9. Juli 2002 bis zum 31. März 2003 gültiger Aufenthaltstitel gewährt worden. Seinem ersten Verlängerungsantrag habe er eine Bestätigung beigelegt, wonach er ab dem 13. März 2003 zum Besuch des Universitätslehrganges "Ergänzungsprüfung Deutsch" gemeldet sei. Er habe sich für einen Vorkurs vom 4. März bis zum 11. Juni 2003 zur Vorbereitung auf die Hochschulsprachprüfung aus Deutsch für den Vorstudienlehrgang der Wiener Universität eingeschrieben. Dem Beschwerdeführer sei ein bis 31. März 2004 gültiger Aufenthaltstitel erteilt worden. Einem weiteren Verlängerungsantrag vom 15. März 2004 sei ein Bescheid der Universität Wien vom 21. Jänner 2003 beigelegt worden, wonach der Beschwerdeführer über seinen Antrag vom 17. Dezember 2002 im Sommersemester 2003 zum Bakkalaureatsstudium der Betriebswirtschaft zugelassen werde, wenn er den Nachweis der deutschen Sprache im Umfang des § 48 Abs. 2 UniStG erbringe. Der Aufenthaltstitel sei daraufhin noch einmal bis zum 31. Oktober 2004 verlängert worden. Dem (vorletzten) Verlängerungsantrag vom 29. Oktober 2004 seien keine Studienzeugnisse beigefügt worden, jedoch eine Bestätigung, dass sich der Beschwerdeführer vom 20. Oktober 2004 bis zum 22. Jänner 2005 für einen Deutschkurs zur Vorbereitung auf die Hochschulsprachprüfung aus Deutsch für den Vorstudienlehrgang der Wiener Universität eingeschrieben habe.

Am 27. Oktober 2005 habe der Beschwerdeführer den bislang letzten Verlängerungsantrag eingebracht. Die (neue) Aufenthaltsbehörde (MA 35) habe darüber nicht mehr entschieden, weil sie ein Verfahren nach § 25 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz 2005 (NAG) eingeleitet habe. Dem Antrag sei bloß ein Prüfungsnachweis vom 11. Juni 2003 angeschlossen gewesen, wonach der Beschwerdeführer den Kurs "Deutsch für Anfänger ohne Vorkenntnisse" (20 Lektionen/Woche) mit befriedigendem Erfolg absolviert habe. Weitere Prüfungszeugnisse hätten nicht vorgelegt werden können. Der Beschwerdeführer habe angegeben, wegen der Erkrankung seiner Mutter in der Zeit vom 10. April bis zum 11. August 2005 in seiner Heimat gewesen zu sein. In einer Stellungnahme vom 13. November 2006 habe er zugegeben, den für die Zulassung zum ordentlichen Studium erforderlichen Deutschkurs noch immer nicht abgelegt zu haben. Er sei in seine Heimat gefahren, weil seine Mutter sehr krank sei und er sich um sie habe kümmern müssen. Er habe eine Bestätigung in englischer Sprache vorgelegt, wonach seine Mutter ab Mai 2005 praktisch erblindet sei. Ein zusätzlicher (über den bereits bekannten einzigen Nachweis hinausreichender) Prüfungsnachweis habe trotz Aufforderung nicht beigebracht werden können.

Der Beschwerdeführer habe die Aufenthaltsbewilligung "Studierender" beantragt. § 64 Abs. 3 NAG bestimme, dass eine Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung zum Zweck der Durchführung eines Studiums nur zulässig sei, wenn der Drittstaatsangehörige einen Studienerfolgsnachweis erbringe. Würden Gründe vorliegen, die der Einflusssphäre des Drittstaatsangehörigen entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar seien, so könne trotz Fehlens des Studienerfolges eine Aufenthaltsbewilligung verlängert werden. § 75 des Universitätsgesetzes spreche im Abs. 3 dann von einem Studienerfolg, wenn der Studierende im vorausgegangenen Studienjahr positiv beurteilte Prüfungen im Umfang von mindestens 16 ECTS-Anrechnungspunkten (acht Semesterstunden) abgelegt habe. Der Beschwerdeführer habe seit seinem Ende 2002 begonnenen Aufenthalt im Bundesgebiet, somit seit ca. viereinhalb Jahren, keine einzige fachspezifische Prüfung abgelegt und überhaupt nur einen einzigen Prüfungsnachweis, nämlich den über die Absolvierung eines Deutschkurses für Anfänger ohne Vorkenntnisse im Jahr 2003, erbracht. Die Voraussetzungen des § 64 Abs. 3 NAG lägen nicht vor. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Gründe für seinen fehlenden Studienerfolg seien nicht relevant. Die bloß viermonatige Abwesenheit von Österreich im Jahr 2005 zwecks Besuchs und allenfalls Pflege seiner schwer erkrankten Mutter könne die völlige Erfolglosigkeit des Beschwerdeführers nicht begründen, zumal von dem Zeitraum über ein Monat in die Ferien gefallen sei. Zwar sei angesichts des nunmehr ca. viereinhalbjährigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers auszugehen. Dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Schul-, Universitäts- und Unterrichtswesens - dringend geboten sei. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu. Das Ausmaß der Integration des Beschwerdeführers in Österreich auf Grund des nicht sehr langen Aufenthaltes sei noch nicht als entscheidend stark anzusehen. Den relativ geringen persönlichen Interessen des ledigen und kinderlosen Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt in Österreich stehe das maßgebliche öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremden- und Studienwesens gegenüber. Die Auswirkungen der Ausweisung auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen nicht schwerer als das in den genannten Versagungsgründen gegründete hohe öffentliche Interesse daran, dass er das Bundesgebiet verlasse. Die Ausweisung sei gemäß § 66 Abs. 2 FPG zulässig. Mangels sonstiger zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe die belangte Behörde keine Veranlassung gesehen, von der Ausweisung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 54 Abs. 1 FPG können Fremde, die sich auf Grund eines Aufenthaltstitels oder während eines Verlängerungsverfahrens im Bundesgebiet aufhalten, mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn (Z. 1) nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre, oder (Z. 2) der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht.

Mit § 54 Abs. 1 Z. 1 FPG wird dem Umstand Rechnung getragen, dass entweder die Behörde - aus welchem Grund immer - vom Bestehen eines Versagungsgrundes Kenntnis erlangt hat, der der Erteilung eines Aufenthaltstitels bereits zum Zeitpunkt der ursprünglichen Erteilung entgegengestanden wäre, oder nachträglich ein Versagungsgrund eintritt, der die Versagung des Aufenthaltstitels rechtfertigt. Ob der später bekannt gewordene Ausweisungsgrund noch vorliegt oder nicht, ist für das Vorliegen des Ausweisungstatbestandes nicht von Bedeutung, für die Ermessensübung jedoch maßgeblich. § 54 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. trägt dem Umstand Rechnung, dass ein weiterer Aufenthaltstitel nicht erteilt werden darf, wenn der Erteilung nunmehr Versagungsgründe entgegenstehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2007, Zl. 2006/18/0448).

2. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, über einen Aufenthaltstitel zum Zweck der Ausbildung zu verfügen und einen Verlängerungsantrag gestellt zu haben. Er hält sich somit während eines Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Bundesgebiet auf und kann gemäß § 54 Abs. 1 Z. 2 FPG mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht (vgl. nochmals das Erkenntnis Zl. 2006/18/0448).

3.1. § 64 Abs. 3 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, lautet:

"(3) Dient der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen der Durchführung eines ordentlichen oder außerordentlichen Studiums, ist die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung für diesen Zweck nur zulässig, wenn dieser nach den maßgeblichen studienrechtlichen Vorschriften einen Studienerfolgsnachweis der Universität, Fachhochschule oder akkreditierten Privatuniversität erbringt. Liegen Gründe vor, die der Einflusssphäre des Drittstaatsangehörigen entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar sind, kann trotz Fehlens des Studienerfolges eine Aufenthaltsbewilligung verlängert werden."

3.2. Der Beschwerdeführer hat keinerlei positiv beurteilte Prüfungen iSd § 75 Abs. 6 Universitätsgesetz 2002 aufzuweisen. Der von ihm im Jahr 2003 mit befriedigendem Erfolg absolvierte Kurs "Deutsch für Anfänger ohne Vorkenntnisse" kommt einer Leistung, die den Kriterien des § 75 Abs. 6 Universitätsgesetz 2002 entspricht, nicht gleich (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 15. Dezember 2005, Zl. 2005/18/0596, und vom 17. Februar 2006, Zl. 2005/18/0664). Die Verlängerung des Aufenthaltstitels des Beschwerdeführers ist daher gemäß § 64 Abs. 3 erster Satz NAG nicht zulässig. Der Heimataufenthalt des Beschwerdeführers in der Zeit vom 10. April bis zum 11. August 2005, um seine erkrankte Mutter zu besuchen, stellt in Anbetracht seines Aufenthalts seit Juli 2002 ohne jeglichen Studienerfolg keinen Umstand dar, der eine Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung iSd § 64 Abs. 3 zweiter Satz NAG rechtfertigen könnte. Daran kann auch das Vorbringen des Beschwerdeführers nichts ändern, er verfüge über ein Konto mit einem Kontostand von EUR 6.830,45 und werde darüber hinaus von seinem Schwager unterstützt. Die belangte Behörde hat das Vorliegen der Erteilungsvoraussetzungen für den beantragten Aufenthaltstitel gemäß § 64 Abs. 3 NAG unter Vornahme der erforderlichen Abwägung daher zutreffend verneint. Sie ist (insbesondere im Rahmen der Beurteilung nach § 66 FPG) zutreffend zur Auffassung gelangt, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremden- (und Studien)wesens gefährdet (was die Erteilung des weiteren Aufenthaltstitels hindert) und der Tatbestand des § 54 Abs. 1 Z. 2 FPG erfüllt ist.

4. Die - nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, die Ausweisung sei zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 FPG), kann aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Bescheides nicht als rechtswidrig erkannt werden.

5. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

6. Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 19. Juni 2008

Schlagworte

Ermessen besondere RechtsgebieteErmessen VwRallg8

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007180323.X00

Im RIS seit

08.08.2008

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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