TE Vwgh Erkenntnis 2008/6/19 2007/18/0246

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Veröffentlicht am 19.06.2008
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
MRK Art8 Abs2;
NAG 2005 §21;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Enzenhofer, Dr. Strohmayer und die Hofrätin Mag. Merl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schmidl, über die Beschwerde der M Ü in W, geboren am 15. Juli 1972, vertreten durch Dr. Wolfgang Reinhold, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Köstlergasse 11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 16. März 2007, Zl. SD 258/05, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 16. März 2007 wurde die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Die Beschwerdeführerin sei im Oktober 2002 mit einem Visum nach Österreich eingereist und habe am 26. September 2003 einen Asylantrag gestellt. Das Asylverfahren sei am 25. Februar 2004 eingestellt worden. Über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz habe die Beschwerdeführerin nie verfügt. Der am 17. Oktober 2002 gestellte Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung als selbständige Schlüsselkraft sei am 3. August 2004 rechtskräftig abgewiesen worden. Der Beschwerdeführerin sei nie ein Aufenthaltstitel erteilt worden. Somit halte sie sich seit Ablauf des Visums unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei erfüllt.

Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung im Grund des § 66 Abs. 1 FPG sei zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin über familiäre Bindungen im Bundesgebiet zu ihrem Lebensgefährten, zwei Söhnen, ihrer Mutter, vier Brüdern sowie einer Schwester verfüge. Der mit der Ausweisung verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin erweise sich als dringend geboten. Der Befolgung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch die Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Diese Regelungen habe die Beschwerdeführerin durch den seit Ablauf des Visums unrechtmäßigen Aufenthalt in gravierender Weise missachtet. Der Versuch, den Aufenthalt durch einen vom Inland aus gestellten Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zu legalisieren, könne nicht positiv gewertet werden, weil Aufenthaltstitel gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, nur vom Ausland aus erwirkt werden könnten. Das Hinwegsetzen über die maßgeblichen fremdenrechtlichen Normen bewirke eine Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens und sei von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten und familiären Interessen nicht höher zu bewerten seien. Den genannten öffentlichen Interessen würde es grob zuwider laufen, wenn ein Fremder bloß auf Grund von Tatsachen, die von ihm geschaffen worden seien (nicht Ausreise trotz Ablauf des Visums) den tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer erzwingen könnte.

Vor diesem Hintergrund könne der Aufenthalt der Beschwerdeführerin auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens in Kauf genommen werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Auf Grund des unstrittig feststehenden Sachverhalts begegnet die Ansicht der belangten Behörde, der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei erfüllt, keinen Bedenken.

2. Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung im Grund des § 66 Abs. 1 FPG hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Lebensgefährten, der beiden Kinder, der Geschwister und der Mutter der Beschwerdeführerin berücksichtigt. Das Gewicht dieser familiären Bindungen wird dadurch deutlich relativiert, dass sich die Beschwerdeführerin seit Ablauf des Visums illegal im Bundesgebiet aufhält. Sie durfte somit zu keinem Zeitpunkt damit rechnen, auf Dauer ein Familienleben in Österreich zu führen. Der vorgebrachte Umstand, dass der Lebensgefährte und einige Geschwister österreichische Staatsbürger seien, führt zu keiner hier den Ausschlag gebenden Verstärkung der persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin am Verbleib im Bundesgebiet. Beim Beschwerdevorbringen, der ältere Sohn spreche nur gebrochen Türkisch, handelt es sich um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung. Ein unübersteigliches Hindernis, das der gemeinsamen Ausreise der Beschwerdeführerin mit ihren beiden Kindern im Wege stünde, ist nicht ersichtlich. Der - nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren bis sechs Jahre nach der Geburt des ersten Kindes mit einer anderen Frau verheiratete - Lebensgefährte der Beschwerdeführerin kann die Unterhaltszahlungen auch bei einem Auslandsaufenthalt der Beschwerdeführerin und der beiden Kinder erbringen.

Aus all diesen Gründen lassen der bisherige Aufenthalt der Beschwerdeführerin und ihre familiären Bindungen nicht erkennen, dass es zur Abwendung eines unzulässigen Eingriffs in ein durch Art. 8 EMRK geschütztes Privat- und Familienleben erforderlich wäre, der Beschwerdeführerin rasch bzw. sofort eine (humanitäre) Niederlassungsbewilligung zu erteilen. Der Beschwerdeführerin ist daher zuzumuten, einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels entsprechend der Bestimmung des § 21 NAG vom Ausland aus zu stellen und das Verfahren hierüber im Ausland abzuwarten.

Auf Grund der von der belangten Behörde zutreffend dargestellten erheblichen Gefährdung des großen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens durch den seit Ablauf des Visums unrechtmäßigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten und daher im Grund des § 66 Abs. 1 FPG gerechtfertigt sei, keinen Bedenken.

3. Besondere Umstände, aus denen die belangte Behörde gehalten gewesen wäre, von der Ausweisung im Rahmen des von § 53 Abs. 1 FPG eingeräumten Ermessens Abstand zu nehmen, sind aus der Aktenlage nicht ersichtlich. Entgegen der Beschwerdemeinung kann darin, dass die Eheschließung mit dem Lebensgefährten bisher nur an der Ausstellung eines Dokuments durch die türkischen Behörden scheiterte, kein solcher Umstand erblickt werden.

4. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 19. Juni 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007180246.X00

Im RIS seit

03.08.2008

Zuletzt aktualisiert am

19.10.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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