TE Vwgh Erkenntnis 2008/8/8 2008/09/0163

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Veröffentlicht am 08.08.2008
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E1E;
E6J;
59/04 EU - EWR;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

11997E039 EG Art39;
11997E043 EG Art43;
61994CJ0107 Asscher VORAB;
61999CJ0268 Aldona Malgorzata Jany VORAB;
62004CJ0151 Nadin VORAB;
62004CJ0255 Kommission / Frankreich;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1;
EURallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerde des TG in W, vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 13, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 5. März 2008, Zl. UVS- 07/A/58/10146/2007-23, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Parteien: Bundesminister für Finanzen, Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und des mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheides steht folgender Sachverhalt fest:

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 5. März 2008 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als Arbeitgeber mit Sitz in W zu verantworten, dass er im Zeitraum vom 3. August 2006 bis 25. Juli 2007, bei Ausübung seines näher beschriebenen Transportgewerbes den polnischen Staatsangehörigen St als Lastkraftwagenfahrer beschäftigt habe, wobei er am 25. Juli 2007 in I beim Transport mit einem Kfz des Beschwerdeführers betreten worden sei, obwohl für diesen Ausländer keiner der näher angeführten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen bzw. Bestätigungen vorgelegen habe.

Er habe eine Übertretung gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 AuslBG begangen. Es wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 3.000,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Woche) verhängt.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe in der öffentlichen mündlichen Verhandlung Folgendes angegeben:

"Ich betreibe eine Transportfirma. Auf meine Geschäftsbeziehung mit Herrn St angesprochen, gebe ich an, dass dieser einen Gewerbeschein hatte. Ich habe einen Fahrer benötigt und hat Herr St bei der polnischen Kirche inseriert, dass er Arbeit als Fahrer sucht. Ich habe ihn dann gefragt, ob er für mich arbeiten will, ob er eine Genehmigung braucht und ob er mir Rechnungen legen kann. Er hat zu mir gesagt, dass er einen Gewerbeschein hat und habe ich mir gedacht, dass daher alles in Ordnung ist. Es war eine Bezahlung in Abhängigkeit zu den gefahrenen Kilometern vereinbart, bei längeren Strecken, z.B. nach Spanien, hat er 25 Cent pro km bekommen, bei kürzeren Strecken, z. B. nach München, hat er 35 Cent pro km bekommen. Wenn ich Arbeit für Herrn St hatte, habe ich ihn angerufen. Herr St hatte einen Kleinbus, der auf irgendjemanden in seiner Familie zugelassen war, und einen PKW, der auf seine Frau zugelassen war. Wenn größere Gegenstände zu transportieren waren, ist er mit meinen LKWs gefahren. In diesem Fall hat er pro Kilometer weniger Geld bekommen und war das wie eine Fahrzeugmiete."

Über Vorhalt, dass nach Auskunft des Verkehrsamtes W auf St kein Fahrzeug zugelassen sei, habe der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers angegeben, dass die Fahrzeuge auf Personen im familiären Umfeld zugelassen gewesen seien. Der Beschwerdeführer habe ausgeführt, dass zum Zeitpunkt der Kontrolle eines seiner Fahrzeuge gelenkt worden sei. Der Beschwerdeführer habe des Weiteren angegeben:

"Im Tatzeitraum hatte ich zwei angemeldete Fahrer, Herrn St und ich selbst bin auch gefahren. Ich habe insgesamt vier Fahrzeuge.

Der Unterschied zwischen den beiden angemeldeten Fahrern und Herrn St war der, dass Herr St ein ausgebildeter Berufskraftfahrer war, der bis nach Spanien fahren konnte. Die anderen beiden konnten das nicht.

Ich habe Herrn St ein bis zwei Mal pro Woche Aufträge ins Ausland gegeben. Ich arbeite hauptsächlich für die Firma S, wobei die Aufträge über einen Botendienst zu mir kommen. Ich mache Fahrten hauptsächlich ins Ausland, nach Italien, Deutschland, Rumänien, Spanien und Polen.

...

Wenn Herr St einen größeren Auftrag von mir übernommen hat, hat er das Benzin selbst gezahlt, weil er dann von mir mehr Geld bekommen hat. Ich habe ihn monatlich bezahlt. Er hat aber mehr erhalten, als die 800,-- Euro, die er im Personenblatt angegeben hat. So habe ich ihm etwa im Dezember 2006 3.000,-- Euro überwiesen, im darauffolgenden Jahr war es in den Monaten etwas weniger, zwischen 1.200,-- und 1.300,-- Euro monatlich.

Die 40 Stunden-Angabe von Herrn St kann nicht stimmen, wenn er nach München gefahren ist, hat er etwa 9 Stunden gearbeitet, wenn er nach Spanien gefahren ist ungefähr 50 Stunden. Auch durchschnittlich auf eine Woche umgelegt, kann man nicht sagen, dass er diese Stundenanzahl gearbeitet hat. Manchmal ist er auch nur in die Druckerei nach Tulln gefahren.

Bei den Personen C, M und B handelt es sich um meine Auftraggeber bzw. Auftragnehmer des Direktbotendienstes. Wenn diese keine Zeit hatten und mich kontaktiert haben und ich auch keine Zeit hatte, dann habe ich ihnen Herrn St empfohlen.

Herr St hat nicht mit dem Botendienst direkt verhandelt, weil er überhaupt kein Deutsch kann.

Herr St hat für mich gearbeitet sowie für die drei genannten Personen. Jetzt arbeitet er gar nicht mehr, weil er wieder in Polen ist.

...

Ich habe Herrn St durchschnittlich ein bis zwei Mal wöchentlich einen Auftrag gegeben. Heuer habe ich z.B. überhaupt keinen Auftrag gehabt, sondern nur solche Sachen, die ich auch alleine erledigen kann.

Herr St ist sicherlich überwiegend mit seinen eigenen Fahrzeugen gefahren. Ich habe ihm genau gesagt, wo er hinfahren soll, weitere Weisungen habe ich nicht erteilt.

...

Es kann sein, dass Herr St begonnen hat am 3.8.2006 für mich

zu fahren."

Die belangte Behörde erachtete diese Aussagen nicht als unglaubwürdig und leitete im Wesentlichen darauf beruhend, aber auch unter Heranziehung der Angaben des St im anlässlich der Kontrolle ausgefüllten Personenblattes ab, dass die für ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis sprechenden Argumente überwögen. Der Umstand, dass St ein freies Gewerbe angemeldet habe, ändere daran nichts.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer argumentiert mit Auszügen aus der Rechtsprechung des EuGH im Wesentlichen damit, dass es sich bei St um einen Selbstständigen gehandelt habe.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ist als Arbeitnehmer im Sinne des Artikels 39 EG jede Person anzusehen, die tatsächliche und effektive Tätigkeiten ausübt, wobei solche Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht nach dieser Rechtsprechung darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Eine Tätigkeit, die jemand nicht im Rahmen eines Unterordnungsverhältnisses ausübt, ist als selbständige Erwerbstätigkeit im Sinne von Artikel 43 EG anzusehen (vgl. z.B. die Urteile des EuGH vom 15. Dezember 2005 in der Rechtssache C- 151/04 und C-152/04, Nadin u.a., Slg. 2005, I-11203, Randnr. 31, vom 20. November 2001 in der Rechtssache C-268/99, Jany u.a., Slg. 2001, I-08615, Randnr. 34 und vom 27. Juni 1996 in der Rechtssache C-107/94, Asscher, Slg. 1996, I-03089). Der Beschwerdeführer beruft sich auf die Aussagen des EuGH in der Randnr. 70 des bereits zitierten Urteils vom 20. November 2001 in der Rechtssache C-268/99, Jany ua, Slg. 2001, I-08615. Darin führt der EuGH aus, dass das nationale Gericht in jedem Einzelfall anhand der ihm vorgelegten Beweiselemente zu prüfen hat, ob die Voraussetzungen für die Annahme erfüllt sind, dass die Prostitution von dem Dienstleistenden selbstständig ausgeübt wird, nämlich

-

nicht im Rahmen eines Unterordnungsverhältnisses in Bezug auf die Wahl dieser Tätigkeit, die Arbeitsbedingungen und das Entgelt,

-

in eigener Verantwortung und

-

gegen ein Entgelt, das ihm vollständig und unmittelbar gezahlt wird.

Als weiteres Abgrenzungsmerkmal zwischen selbstständiger und unselbstständiger Tätigkeit hat der EuGH im Urteil vom 15. Juni 2005 in der Rechtssache C-255/04, Kommission gegen Französische Republik, Slg. 2006, I-05251, Randnr. 51, darauf hingewiesen, dass der Anspruch auf vom Arbeitgeber bezahlten Urlaub eines der wichtigsten und markantesten Kennzeichen abhängiger Arbeit ist. Dagegen ist die Tätigkeit als Selbständiger gerade durch das Fehlen eines derartigen Anspruchs auf bezahlten Urlaub gekennzeichnet. Der Beschwerdeführer zieht aus dieser Aussage den Schluss, dass "im Zweifel " von einer selbständigen Tätigkeit auszugehen sei. Der EuGH hat jedoch in diesem Urteil keine Zweifelsregel aufgestellt, sondern bloß eines der Merkmale, die für oder gegen ein Unterordnungsverhältnis sprechen, hervorgehoben, weil er auf einen spezifischen Einwand der französischen Regierung einzugehen hatte.

Diese Merkmale entsprechen auch der hg. Rechtsprechung zur Abgrenzung zwischen selbständiger und unselbständiger Tätigkeit im Sinne des AuslBG.

Ausgehend von diesen Rechtssätzen erscheint es im vorliegenden Fall gleichgültig, ob ein Arbeitsvertrag, eine Beschäftigung oder Arbeitnehmerähnlichkeit im Sinne der inländischen Bestimmungen des AuslBG vorliegt. Vielmehr kommt es allein auf das Unterordnungsverhältnis an, wobei diesbezüglich zwischen Gemeinschaftsrecht und innerstaatlichem Recht kein Unterschied besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2006, Zl. 2004/09/0093). Ein Unterordnungsverhältnis liegt aber nach den Feststellungen der belangten Behörde jedenfalls vor.

So hat der Beschwerdeführer angegeben, dass er einen Fahrer benötigt habe und St bei der polnischen Kirche inseriert habe, dass er Arbeit suche. Auch sonst ist nicht einmal andeutungsweise hervorgekommen, dass St als selbständiger Gewerbetreibender aufgetreten sei oder als Unternehmer Aufträge akquiriert hätte. Diesbezüglich ist anzumerken, dass St nach den Angaben des Beschwerdeführers kein Deutsch konnte und er für die Akquirierung von Aufträgen österreichischer Geschäftspartner in der Regel wohl auf einen Dolmetsch angewiesen gewesen wäre; der Einsatz eines solchen ist nie angeklungen.

Auch die vom Beschwerdeführer geschilderte Art und Weise des Einsatzes des St spricht gegen eine eigenständige unternehmerische Gestaltung des St. St verfügte über keine Betriebsmittel, sondern lenkte als Fahrer ein Kfz des Beschwerdeführers. Dass St angeblich über (lediglich ihrer Art nach näher umschriebene) Fahrzeuge hätte verfügen können, die "im familiären Umfeld" (siehe Angaben im Verwaltungsstrafverfahren) bzw. "auf Familienmitglieder in Polen zugelassen" worden seien, ist derart unbestimmt, dass daraus nichts für die Position des Beschwerdeführers zu gewinnen ist. St wurde vom Beschwerdeführer monatlich entlohnt, wobei die Entlohnung von den zu fahrenden Kilometern (somit von der erbrachten Arbeitsleistung) abhängig war und Treibstoffkosten abgegolten wurden. Es wurde nicht behauptet, dass jeweils im Vorhinein ein Entgelt für jede einzelne Fahrt vereinbart worden wäre. Ein unternehmerisches Risiko ist demnach nicht zu erkennen. St hatte seine persönliche Arbeitskraft einzusetzen, es gibt kein Indiz, dass er sich eines Vertreters hätte bedienen können. Letztendlich hat der Beschwerdeführer aber auch klar ausgesprochen, dass er "einen Fahrer benötigt" habe und nicht einen "Mit- oder Subunternehmer".

Dass das Ziel der Fahrten vom Beschwerdeführer aufgetragen wurde, hat er entgegen der in der Beschwerde angedeuteten Bestreitung selbst klar ausgesagt ("Ich habe ihm genau gesagt, wo er hinfahren soll"). Dass der Beschwerdeführer für die Erledigung einer Transportfahrt, deren Ziel bekannt gegeben ist, keine näheren Weisungen erteilt habe, ist im gegenständlichen Zusammenhang kein Indiz, das gewichtig für eine Selbstständigkeit des St sprechen kann.

Zu Recht hat die belangte Behörde auch darauf hingewiesen, dass es sich nach den Angaben des Beschwerdeführers um innerhalb des Zeitraumes von mehr als einem Jahr regelmäßig wiederkehrende Leistungen an ihn gehandelt habe, durch deren Erbringung St in seiner Entscheidungsfreiheit auf ein Minimum eingeschränkt gewesen sei. Auch eine unbegrenzte Anzahl ständig wechselnder Unternehmer, für die St tätig gewesen wäre, wurde nicht behauptet. Die belangte Behörde bezog den Umstand, dass St fallweise für drei weitere Personen gefahren sei, in ihre Beurteilung ein, wobei sie diesem Umstand angesichts der übrigen Merkmale nur unwesentliches Gewicht beimaß, was nicht als rechtswidrig zu erkennen ist.

Lediglich zur Abrundung sei noch darauf hingewiesen, dass die belangte Behörde auch zu Recht darauf hingewiesen hat, dass St bei der Ausfüllung des unter anderem in seiner Heimatsprache verfassten Personenblattes den Beschwerdeführer als Vorgesetzten, eine nach Stunden bezeichnete Arbeitszeit, das Datum, seit wann er bei der "Fa. Galas" als Fahrer tätig sei, seinen Verdienst und als Beruf Chauffeur angegeben hat; auch darin findet sich kein Hinweis auf eine eigenverantwortliche selbstständige Tätigkeit.

Bereits der Inhalt der Beschwerde lässt erkennen, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war. Wien, am 8. August 2008

Gerichtsentscheidung

EuGH 61994J0107 Asscher VORAB
EuGH 61999J0268 Aldona Malgorzata Jany VORAB
EuGH 62004J0151 Nadin VORAB

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Terminologie Definition von Begriffen EURallg8Gemeinschaftsrecht Auslegung Allgemein EURallg3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008090163.X00

Im RIS seit

23.09.2008

Zuletzt aktualisiert am

19.02.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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