TE Vwgh Erkenntnis 2008/9/2 2007/18/0477

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Veröffentlicht am 02.09.2008
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs3 idF 1998/I/158;
AVG §13 Abs3;
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie die Hofräte Dr. Enzenhofer, Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des K M in S, geboren am 2. Februar 1961, vertreten durch Dr. Karl Wagner Rechtsanwalt GmbH in 4780 Schärding, Unterer Stadtplatz 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 26. März 2007, Zl. VwSen-720118/11/BMa/Be, betreffend Zurückweisung eines "Antrages auf Entscheidung über die vom Einschreiter eingebrachte Berufung", zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Schreiben vom 22. Februar 2006, zugestellt am 24. Februar 2006, teilte die Bundespolizeidirektion Linz dem Beschwerdeführer mit, dass beabsichtigt sei, gegen ihn ein unbefristetes Aufenthaltsverbot zu erlassen, weil er am 31. März 2005 durch das Landesgericht Linz rechtskräftig "wegen Vergewaltigung, schwerer Nötigung und Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten" verurteilt worden sei. Dem Beschwerdeführer wurde in jenem Schreiben Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme und zur Darlegung seiner "Privat- bzw. Familienverhältnisse" eingeräumt.

Mit Bescheid vom 13. März 2006, zugestellt am 17. März 2006, erließ die Bundespolizeidirektion Linz gegen den Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm §§ 63 und 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot. Begründend stützte sich die Bundespolizeidirektion Linz auf die Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Landesgericht Linz wegen §§ 201 Abs. 2, 212 Abs. 1 und §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z. 1 erster Fall StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 2 1/2 Jahren.

Der Verurteilung liege zugrunde, dass der Beschwerdeführer in Linz im Zeitraum von Juni/Juli 2002 bis 20. Jänner 2004 seine Stiefenkelin in wiederholten, zuletzt täglichen Angriffen außer dem Fall des § 201 Abs. 1 StGB mit Gewalt zur Duldung des Beischlafes genötigt habe, im Zeitraum von Juni/Juli 2002 bis 4. März 2003 unter Ausnutzung seiner Stellung gegenüber der seiner Erziehung und Aufsicht unterstehenden Stiefenkelin diese durch die angeführten Taten zur Unzucht missbraucht sowie am 29. Jänner 2004 E.C. und seine Stiefenkelin durch gefährliche Drohung mit dem Tod zur Rücknahme der Anzeige wegen der angeführten Delikte zu nötigen versucht habe.

Daraufhin übermittelte der Beschwerdeführer am 20. März 2006 an die Bundespolizeidirektion Linz ein in türkischer Sprache gehaltenes Schreiben. Dessen - vom Beschwerdeführer weder im Administrativverfahren noch im Beschwerdeverfahren beanstandete - Übersetzung in die deutsche Sprache lautet wie folgt:

"AN DIE SICHERHEITSPOLIZEI LINZ

Im Bezug auf die Ungültigerklärung meines unbefristeten Visums wollen Sie von mir eine schriftliche Verteidigung haben, aber mit einer schriftlichen Verteidigung kann ich Ihnen die gegen mich erhobenen Beschuldigungen nicht erzählen, aber wenn ich die Möglichkeit einer mündlichen Verteidigung bekomme, kann ich Ihnen die Vorfälle mit den mir zur Verfügung stehenden Beweisen als Verteidigung vorlegen. Wenn mir als Mensch diese Möglichkeit gegeben wird, würde ich mich freuen. Aber dennoch möchte ich Ihnen kurz einige Vorfälle erzählen. Zuerst ist es mein Fehler gewesen, dass ich den Wunsch von M nicht zurückgewiesen habe und mit ihr geschlafen habe. Aber das hat die Mutter von M, ihr Vater, meine Frau und die Stiefmutter von M, G, gewusst, das haben von Anfang an alle gewusst. Und E hat diesen Zustand ausgelöst. Der Grund ist, dass ich nicht mit ihr, sondern mit M geschlafen habe, deshalb mit (gemeint wohl: hat) sie M mit 10 Euro verführt und mich anzeigen lassen. Das kann ich Ihnen beweisen. Das hat M persönlich dem Ehepartner, der Mutter und dem Vater gesagt. Und derzeit sind alle mit mir in Kontakt. E kommt sogar jetzt noch mich im Gefängnis besuchen. Und sie schickt mir Geld hierher. Das können Sie auch in den Aufzeichnungen des Gefängnisses finden. M ist, bevor ich hierher kam, ständig zu mir nach Hause gekommen mit ihrem Mann, sie hat ihre Hochzeit bei mir zu Hause gefeiert. Der Grund, warum meine Frau und ich uns getrennt haben, ist, dass meine Frau zu wenig Pension bekommen hat. Aber ich lebe immer noch mit meiner Frau zusammen. Und jede Woche kommt sie mit E mich besuchen. Als der Polizist mich zu Hause abgeholt hat, sind meine Frau und ich noch gelegen. Das sind Beweise. In diesem Land habe ich 16 Jahre verbracht, bis heute ist nicht(s) vorgefallen.

Hochachtungsvoll.

Aber wenn ich die Möglichkeit der mündlichen Verteidigung bekomme, möchte ich Ihnen erzählen, dass ich niemanden gezwungen habe."

Mit Schreiben des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 17. Mai 2006 wurden dem Beschwerdeführer Kopien dieser Eingabe und der Übersetzung mit der Aufforderung zugestellt, binnen zwei Wochen unter anderem zu erklären, ob der Inhalt der Übersetzung mit seiner Eingabe übereinstimme, und anzugeben, "gegen welchen Rechtsakt" sich das Begehren des Beschwerdeführers richte und was genau sein Begehren sei.

Mit Bezug auf dieses Schreiben antwortete der Beschwerdeführer mit Brief vom 22. Mai 2006, dass der Inhalt der Übersetzung seiner Eingabe entspreche und sich diese "auf das Schreiben BPD Linz vom 22.2.06-AZ 86415/FRB, zur beabsichtigten Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes" beziehe.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde einen Antrag des Beschwerdeführers vom 6. Februar 2007 "auf Entscheidung über die vom Einschreiter eingebrachte Berufung" gemäß § 66 Abs. 4 iVm § 63 Abs. 3 AVG zurück.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung den eingangs wiedergegebenen, aus dem Akt ersichtlichen und im Beschwerdeverfahren nicht bestrittenen Sachverhalt zugrunde und führte in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen aus, die Eingabe des Beschwerdeführers vom 20. März 2006 entspreche nicht den Erfordernissen des § 63 Abs. 3 AVG, weil daraus nicht hervorgehe, gegen welchen Rechtsakt sich das Schreiben richte und was konkret damit begehrt werde. In dem nach Aufforderung durch die belangte Behörde gemäß § 13 Abs. 3 AVG übermittelten Schreiben des Beschwerdeführers vom 22. Mai 2006 werde ausdrücklich erklärt, dass sich die Eingabe auf das Schreiben der Bundespolizeidirektion Linz vom 22. Februar 2006 - AZ 68415/FRB beziehe.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, den Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Gemäß § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten.

Die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sich die Berufung richtet, gehört als Teil der Berufungserklärung zum wesentlichen Inhalt der Berufung. Die Berufung hat nach § 63 Abs. 3 AVG den Bescheid, gegen den sie sich richtet, in einer Weise zu bezeichnen, dass unverwechselbar der mit der Berufung angefochtene Bescheid feststeht (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 § 63 AVG E 110 und 112 angeführte hg. Rechtsprechung).

Aus der angeführten Bestimmung leitet sich das Erfordernis für den Berufungswerber ab, den Bescheid in einer Weise zu bezeichnen, dass er unverwechselbar feststeht (vgl. etwa das auch in der Beschwerde zitierte hg. Erkenntnis vom 11. September 1994, Zl. 94/03/0269, mwN).

1.2. Angesichts des in dieser Hinsicht völlig unbestimmten Schreibens des Beschwerdeführers vom 20. März 2006 hat die belangte Behörde das Vorliegen des Erfordernisses der Bezeichnung des bekämpften Bescheides im Sinn dieser Rechtsprechung zutreffend verneint.

2.1. Seit der AVG-Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 ist allerdings die Behörde nicht mehr berechtigt, eine wegen Fehlens der Bezeichnung des bekämpften Bescheides materiell fehlerhafte Berufung zurückzuweisen, sondern hat dem Einschreiter gemäß § 13 Abs. 3 AVG von Amts wegen aufzutragen, innerhalb einer gleichzeitig zu bestimmenden Frist die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides nachzubringen (Hengstschläger/Leeb, AVG § 63 Rz 79 mwN).

2.2. In diesem Sinn hat die belangte Behörde in ihrem Schreiben vom 17. Mai 2006 den Beschwerdeführer unmissverständlich aufgefordert, unter anderem anzugeben, "gegen welchen Rechtsakt" sich sein Begehren richte.

Da sich der Beschwerdeführer in seinem Antwortschreiben vom 22. Mai 2006 eindeutig auf das oben wiedergegebene Schreiben der Bundespolizeidirektion Linz vom 22. Februar 2006 festlegte (und nicht den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 13. März 2006 anführte), hat die belangte Behörde zutreffend das Vorliegen des ersten in § 63 Abs. 3 AVG angeführten Erfordernisses verneint. An ein solcherart bestimmtes Parteienbegehren ist nämlich die Berufungsbehörde gebunden, auch wenn der Rechtsmittelwerber eigentlich einen anderen Bescheid bekämpfen wollte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. November 2005, Zl. 2005/01/0603, mwN).

Angemerkt sei, dass die vom Beschwerdeführer in seinem Schreiben vom 22. Mai 2006 vorgenommene Präzisierung durchaus auch mit dem Inhalt seiner Eingabe vom 20. März 2006 in Einklang steht, bezieht sich diese doch auf eine von der "Sicherheitspolizei Linz" vom Beschwerdeführer gewünschte "schriftliche Verteidigung"; schließlich hatte die Bundespolizeidirektion Linz mit Schreiben vom 22. Februar 2006 den Beschwerdeführer gerade aufgefordert, binnen zwei Wochen zu der beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes schriftlich Stellung zu nehmen.

3. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 2. September 2008

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)Verbesserungsauftrag Bejahung BerufungsverfahrenVerbesserungsauftrag Ausschluß Berufungsverfahren Fehlen des begründeten Rechtsmittelantrages

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007180477.X00

Im RIS seit

09.10.2008

Zuletzt aktualisiert am

18.11.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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