TE Vwgh Erkenntnis 2005/11/22 2005/01/0603

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Veröffentlicht am 22.11.2005
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §63 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des A in H, geboren 1986, vertreten durch Mag. Alfred Schneider, Rechtsanwalt in 3180 Lilienfeld, Klosterrotte 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 1. Juli 2005, Zl. 244.408/0- VII/43/03, betreffend die Zurückweisung einer Berufung in einer Asylangelegenheit mangels Parteistellung (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Moldau, reiste nach eigenen Angaben am 5. August 2002 (in Begleitung seines Bruders A) in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag (wie auch sein Bruder) einen Asylantrag.

Mit Bescheid vom 6. November 2003, Zl. 02 21.246-BAT, wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab und erklärte seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Moldawien gemäß § 8 AsylG für zulässig. Am selben Tag traf es zu Zl. 02 21.297-BAT über den Asylantrag des Bruders des Beschwerdeführers eine gleichlautende Entscheidung.

Mit Schriftsatz vom 18. November 2003, beim Bundesasylamt eingelangt am 19. November 2003, erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch seine Mutter, Berufung "gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 6.11.2003 ... zur o.g. Aktenzahl." Im Kopf dieser Eingabe führte er die Zahl "02 21.297-BAT" an. Zur Begründung seines Rechtsmittels verwies er - zusammengefasst - darauf, als "Flüchtling in das Bundesgebiet eingereist" zu sein und auf seine Fluchtgründe im erstinstanzlichen Verfahren bereits hingewiesen zu haben. Als Mitglied der adventistischen Kirche habe er in seinem Heimatstaat entgegen der Ansicht des Bundesasylamtes asylrelevante Verfolgung erfahren. Er beantrage deshalb, ihm (allenfalls nach weiteren Ermittlungsschritten) die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und festzustellen, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Moldawien gemäß § 8 AsylG unzulässig sei.

Das Bundesasylamt legte dieses Rechtsmittel (gemeinsam mit einer vom Bruder des Beschwerdeführers erhobenen Berufung gegen den in dessen Angelegenheit ergangenen erstinstanzlichen Bescheid) samt den beide Asylwerber betreffenden Verwaltungsakten mit Schreiben vom 26. November 2003 der belangte Behörde zur Entscheidung vor.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers "gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 6.11.2003, Zl.: 02 21.297-BAT" als unzulässig zurück. Der Beschwerdeführer habe - so die belangte Behörde - in seiner Berufung einen nach der Aktenzahl und dem Bescheiddatum eindeutig identifizierbaren Bescheid bezeichnet, dessen Adressat jedoch nicht der Beschwerdeführer, sondern dessen Bruder gewesen sei. Aus der Berufung sei auch nicht zu ersehen, dass der Beschwerdeführer als Vertreter seines Bruders einschreite. Die belangte Behörde vertrete (unter Bezugnahme auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes) die Ansicht, an den eindeutig bezeichneten bekämpften Bescheid gebunden zu sein, auch wenn der Beschwerdeführer einen anderen Bescheid bekämpfen habe wollen. Da ihm bezüglich des angefochtenen Bescheids (betreffend seinen Bruder) keine Parteistellung zukomme, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof - nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde - erwogen hat:

Die Beschwerde macht im Wesentlichen geltend, es sei für die belangte Behörde nach dem Inhalt der Berufung sowie der Person des Beschwerdeführers erkennbar gewesen, welcher Bescheid angefochten werden sollte und in welchen Punkten sich der Beschwerdeführer beschwert erachtet habe. Die Nennung einer falschen Aktenzahl (der erstinstanzlichen Entscheidung) sei daher "keinesfalls schädlich" gewesen.

Schon dieses Vorbringen führt der Beschwerde zum Erfolg.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat gemäß § 63 Abs. 3 AVG die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und zwar in einer Weise, dass unverwechselbar der mit der Berufung angefochtene Bescheid feststeht (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 3. September 1999, Zl. 96/19/0860, mwN). An ein auf solche Art bestimmtes Parteienbegehren ist die Berufungsbehörde gebunden, auch wenn der Rechtsmittelwerber eigentlich einen anderen Bescheid bekämpfen wollte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 1994, Zl. 94/11/0173 mwN). Die belangte Behörde irrt jedoch, wenn sie davon ausgeht, dass die ihr vorliegende Berufung des Beschwerdeführers eindeutig gegen den erstinstanzlichen Asylbescheid des Bruders gerichtet war. Es trifft zwar zu, dass die Berufung (irrtümlich) eine falsche Aktenzahl, nämlich jene des den Bruder des Beschwerdeführers betreffenden Asylbescheides, anführte und das im Rechtsmittel bezeichnete Bescheiddatum sowohl das Asylverfahren des Bruders, als auch jenes des Beschwerdeführers betreffen konnte. Die detaillierten Berufungsausführungen und insbesondere die Berufungsanträge im Rechtsmittel bezogen sich jedoch auf den Beschwerdeführer selbst und nicht auf die Person seines Bruders. Anders als in der von der belangten Behörde zur Stützung ihrer Rechtsansicht zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes lag ihr somit keine Berufung vor, die sich gegen einen - wenn auch nicht mehr existenten oder von der Partei nicht gemeinten - eindeutig bezeichneten Bescheid im Sinne des § 63 Abs. 3 AVG richtete. Vielmehr stand die vom Beschwerdeführer angegebene Aktenzahl der angefochtenen Entscheidung im Widerspruch zum sonstigen Inhalt seines Rechtsmittels. Dieser Widerspruch ließ sich für die belangte Behörde auch ohne weitere Nachfrage beim Beschwerdeführer ohne Schwierigkeiten aufklären. Dass die Angabe der Aktenzahl des den Bruder betreffenden Asylbescheides auf einem offensichtlichen Versehen beruhte, konnte die belangte Behörde (auch unter Einbeziehung der ihr vorliegenden Verwaltungsakten betreffend die Asylverfahren des Beschwerdeführers und seines Bruders) schon daran erkennen, dass sich sämtliche weiteren Ausführungen der Berufung ausdrücklich auf die Person des Beschwerdeführers bezogen.

Davon abgesehen entspricht aber auch die in der angefochtenen Entscheidung zum Ausdruck gebrachte - und auf Judikatur aus den Jahren 1993 und 1994 gestützte - Ansicht, Inhaltsmängel eines Rechtsmittels seien nicht verbesserbar, seit der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 nicht mehr dem geltenden Recht (vgl. etwa schon das hg. Erkenntnis vom 21. April 2005, Zl. 2002/20/0360).

Aus den dargestellten Gründen war der angefochtene Bescheid daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 22. November 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2005010603.X00

Im RIS seit

19.12.2005

Zuletzt aktualisiert am

18.11.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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