TE Vwgh Erkenntnis 2008/9/9 2008/06/0066

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Veröffentlicht am 09.09.2008
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Index

L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Vorarlberg;
L81708 Baulärm Vorarlberg;
L82000 Bauordnung;
L82008 Bauordnung Vorarlberg;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);

Norm

ABGB §475;
BauG Vlbg 2001 §2 Abs1 litc;
BauG Vlbg 2001 §24 Abs3 lita;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der O GmbH in W, vertreten durch die Rechtsanwaltskanzlei Foglar-Deinhardstein KEG in 1015 Wien, Plankengasse 7, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft B vom 28. Februar 2008, Zl. BHBR-I- 3300.00-2008/0002, betreffend eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde H, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 25. Juli 2005 zeigte die Beschwerdeführerin der Baubehörde die beabsichtigte Errichtung einer Sende- und Richtfunkanlage für Telekommunikation ("Handymast") auf dem Dach eines Gebäudes an, welches auf dem Grundstück Nr. .374, KG X, situiert sei. Diese Liegenschaft besteht nebst dem Grundstück Nr. .374 auch aus dem unmittelbar angrenzenden Grundstück Nr. 200/2 und steht im alleinigen Eigentum einer bestimmten Genossenschaft. Das Grundstück Nr. .374 wie auch das Grundstück Nr. 200/2 grenzen auch an das Grundstück Nr. 200/4, EZ Y, die zu 648/997 Anteilen im Eigentum der Genossenschaft und zu 349/997 Anteilen im Eigentum der mitbeteiligten Gemeinde steht. Unstrittig ist, dass das Dach des Gebäudes über das Grundstück Nr. 200/4 ragt.

Mit dem unbekämpft gebliebenen Bescheid des Bürgermeisters vom 17. August 2005 wurde festgestellt, dass das Bauvorhaben baubewilligungspflichtig sei.

Daraufhin brachte die Beschwerdeführerin ein Baugesuch vom 10. Juli 2006 (eingelangt bei der Baubehörde am 13. Juli 2006) zwecks Errichtung dieser Sende- und Richtfunkanlage auf dem Dach (sowie eines Technikraumes) ein, dies mit Zustimmung der Genossenschaft. Eine Zustimmung der mitbeteiligten Gemeinde zum Vorhaben (darum geht es in der Folge) liegt nicht vor. Mit Eingabe vom 22. August 2006 (bei der Behörde eingelangt am 24. August 2006) erfolgte die Modifikation des Vorhabens. Die Baubehörde vertrat in der Folge die Auffassung, dass sich das Vorhaben auch auf das Grundstück Nr. 200/4 erstrecke, sodass auch die Zustimmung der Gemeinde erforderlich sei; diese Zustimmung werde aber nicht erteilt. Die Beschwerdeführerin vertrat demgegenüber die Ansicht, das Baugrundstück sei ausschließlich die Grundfläche des Grundstückes Nr. .374, sodass die Zustimmung auch der Gemeinde (als Miteigentümerin des angrenzenden Grundstückes) nicht erforderlich sei.

Mangels Entscheidung durch die Baubehörde brachte die Beschwerdeführerin am 5. April 2007 (Eingangsvermerk) einen Devolutionsantrag (vom 22. März 2007) ein.

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid der Gemeindevertretung vom 20. Dezember 2007 wurde dem Devolutionsantrag stattgegeben und dem Baugesuch die angestrebte Bewilligung versagt. Letzteres wurde damit begründet, dass die erforderliche Zustimmung aller betroffenen Grundstückseigentümer nicht vorliege. Das Gebäude befinde sich untrennbar ("Nutzungsverbindungen") auf zwei Grundstücken, sodass auch die Zustimmung der Gemeinde als Miteigentümerin des Grundstückes Nr. 200/4 erforderlich sei. Das Dach, auf dem der Mast errichtet werden solle, rage nämlich über die Grundgrenze des Grundstückes Nr. .374 auch über das Grundstück Nr. 200/4, wie sich aus den eingereichten Plänen eindeutig ergebe. Die erforderliche Zustimmung der Gemeinde als Miteigentümerin dieses Grundstückes sei jedoch nicht erteilt worden.

Dagegen (inhaltlich aber nur gegen die Abweisung) erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Vorstellung keine Folge gegeben. Dies wird zusammengefasst damit begründet, dass die Grenze zwischen dem Grundstück Nr. 200/4 einerseits und den Grundstücken Nr. 200/2 und .374 andererseits "durch den Dachbereich des Gebäudes" verlaufe. Es bestehe demnach "klar eine Nutzungsverbindung" der beiden Liegenschaften (des Grundstückes Nr. 200/4 einerseits und der beiden anderen Grundstücke andererseits), auch wenn der Handymast selbst auf dem auf der Liegenschaft der Genossenschaft situierten Dachbereich zu liegen komme. Der Mast müsse statisch mit dem Dachstuhl des Objektes, welches "beide Grundstücke berührt", durch ausreichende Verankerung an den Pfetten und Sparren verbunden werden. Weiters sei sicherzustellen, dass im Bereich der Dachführung absolut dichte Anschlüsse, etwa gegen Wassereintritt, erstellt werden müssten. Demnach betreffe das Bauvorhaben auch nach Auffassung der belangten Behörde unmittelbar beide Liegenschaften. Es wäre daher erforderlich gewesen, auch die Zustimmung der Gemeinde (als Miteigentümerin des Grundstückes Nr. 200/4) beizubringen, was aber nicht erfolgt sei (vielmehr habe die Gemeinde das Vorhaben abgelehnt).

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 24 Abs. 3 lit. a des Vorarlberger Baugesetzes (BauG), LGBl. Nr. 52/2001 (das Gesetz in der hier maßgeblichen Fassung gemäß LGBl. Nr. 44/2007) sind einem Bauantrag (unter anderem) anzuschließen: Der Nachweis des Eigentums oder Baurechtes am Baugrundstück oder, wenn der Antragsteller nicht selbst Eigentümer oder bauberechtigt ist, die Zustimmung des Eigentümers bzw. Bauberechtigten.

§ 2 BauG enthält Definitionen; gemäß Abs. 1 lit. c dieses Paragraphen ist ein Baugrundstück die Grundfläche, auf der das Bauvorhaben ausgeführt werden soll und die im Grenzkataster oder im Grundsteuerkataster mit einer eigenen Nummer bezeichnet ist (Grundparzelle); soll das Bauvorhaben auf mehreren Grundparzellen ausgeführt werden, bilden diese in ihrer Gesamtheit das Baugrundstück.

Die Behörden des Verwaltungsverfahrens vertreten die Auffassung, dass auch die Zustimmung der Gemeinde als Miteigentümerin des Grundstückes Nr. 200/4 erforderlich sei, weil das Dach des Gebäudes über dieses Grundstück rage. Dieser Auffassung ist nicht beizutreten. Die Beschwerdeführerin verweist zutreffend darauf, dass das Dach nicht sonderrechtsfähig ist. Der Umstand, dass es über die Grundgrenze ragt, bedeutet nicht, dass es - sei es in seiner Gesamtheit oder sei es auch nur hinsichtlich des überragenden Teiles - im Eigentum/Miteigentum der Eigentümer jenes Grundstückes stünde, über welches es ragt. Eigentümer des Daches ist der Eigentümer des Gebäudes, und der Umstand, dass das Dach auch auf ein Nachbargrundstück ragt, vermag daran nichts zu ändern (vgl. dazu auch § 475 ABGB, wonach als Arten der Haus-Servituten unter anderem - Z. 4 - die Berechtigung genannt wird, ein Dach oder einen Erker über des Nachbars Luftraum zu bauen; vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 25. November 1994, Zl. 93/17/0050, und vom 30. September 1986, Zl. 83/05/0193, BauSlg 764). Mag auch das Vorhaben die Statik des Daches betreffen, wird das Grundstück Nr. 200/4 im Beschwerdefall dadurch, dass es von einem Vorsprung dieses Daches überragt wird, nicht zum "Baugrundstück" im Sinne des § 24 Abs. 3 lit. a BauG.

Es war daher rechtswidrig, die Versagung der Baubewilligung darauf zu stützen, dass im Hinblick auf das Vorspringen des Daches die Gemeinde als Miteigentümerin des Grundstückes Nr. 200/4 dem Vorhaben keine Zustimmung erteilt habe.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 9. September 2008

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Allgemein Anwendbarkeit zivilrechtlicher Bestimmungen Verträge und Vereinbarungen im öffentlichen Recht VwRallg6/1 Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Baubewilligung BauRallg6

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008060066.X00

Im RIS seit

06.10.2008

Zuletzt aktualisiert am

26.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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