TE Vfgh Erkenntnis 2003/10/1 A4/02

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.10.2003
beobachten
merken

Index

82 Gesundheitsrecht
82/05 Lebensmittelrecht

Norm

B-VG Art22
B-VG Art137 / Klage zw Gebietsk
F-VG 1948 §2
LMG 1975 §43, §45, §49
StPO §381, §390
VfGG §41
ZPO §393

Leitsatz

Feststellung des Bestehens des Klagsanspruches zweier Bundesländer (Wien und Kärnten) gegen den Bund auf Ersatz der Kosten für im Zuge bestimmter Strafverfahren durchgeführte Lebensmitteluntersuchungen dem Grunde nach zu Recht durch Zwischenerkenntnis; keine von der Grundregel der Finanzverfassung abweichende Kostentragungsregel; Vorliegen eines konkreten Sachaufwandes

Spruch

Der Klagsanspruch besteht dem Grunde nach zu Recht.

Die Entscheidung über die Prozeßkosten bleibt dem Enderkenntnis vorbehalten.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Mit der vorliegenden, auf Art137 B-VG gestützten Klage gegen den Bund begehren als erstklagende Partei Land und Stadt Wien (als Träger und Betreiber der "Lebensmitteluntersuchungsanstalt der Stadt Wien") und als zweitklagende Partei das Land Kärnten (als Träger und Betreiber der "Lebensmitteluntersuchungsanstalt für Kärnten") folgendes Urteil:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der erstklagenden Partei den Betrag von ATS 31,365.805,- und der zweitklagenden Partei ATS 2,850.974,- jeweils samt 4 % Zinsen ab Klagstag und die Verfahrenskosten zu Handen der Klagevertreter binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen."

1.2. In den Jahren 1995 bis 1999 habe die Lebensmitteluntersuchungsanstalt der Stadt Wien über Ersuchen verschiedener Gerichte für Zwecke der Strafrechtspflege Untersuchungen und Begutachtungen im Gesamtausmaß von ATS 31,365.805,- (unter Berücksichtigung eines Abzuges iHv 30 vH für Freisprüche, Einstellungen und Fälle der Uneinbringlichkeit gemäß §391 StPO) erbracht, die bislang vom Bund nicht beglichen worden seien. Für das Land Kärnten hafteten bei identer Berechnungsmethode aus dem Zeitraum 1995 bis Oktober 2001 (zuzüglich eines Fehlbetrages iHv ATS 763.194,- aus dem Jahr 1992) insgesamt ATS 2,850.974,- aus.

In der Vergangenheit sei die Verrechnung zwischen den klagenden Parteien und dem Bund derart erfolgt, daß das für das Gesundheitswesen zuständige Ressort jeweils jährlich die angesprochenen Beträge refundiert habe, wobei seitens der klagenden Parteien von vornherein ein pauschaler Abzug iHv 30 vH für Freisprüche, Verfahrenseinstellungen und Fälle der Uneinbringlichkeit gemäß §391 StPO vorgenommen worden sei. Weder die Vorgangsweise noch die Höhe der angesprochenen Kosten sei bislang beanstandet worden.

Mit Schreiben vom Juni bzw. Juli 2000 habe die Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen jedoch überraschend jede weitere Zahlung unter Hinweis auf die "Fortführung der budgetären Restriktionen" verweigert.

Die genannten Beträge seien zuletzt am 4. Oktober 2000 mit anwaltlichem Schreiben eingemahnt, die Bezahlung mit Schreiben des "Gesundheitsressorts" vom 20. Dezember 2000 jedoch abgelehnt worden.

1.3. Zur Klagslegitimation führen die klagenden Parteien aus, daß der Bund gemäß Art137 B-VG passiv klagslegitimiert sei, weil das mit dieser Klage erhobene Begehren seine Wurzeln ausschließlich im öffentlichen Recht habe. Der Anspruch sei auch nicht auf dem ordentlichen Rechtsweg auszutragen, weil weder ein Gesetz die ordentlichen Gerichte ausdrücklich zur Entscheidung darüber berufe noch sich deren Zuständigkeit aus §1 JN herleiten ließe. Für die Durchsetzung der erhobenen Ansprüche bestehe auch keine Norm, nach der die Ansprüche durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen wären.

1.4. Zur Begründung der Ansprüche führt die Klage aus:

Gemäß §43 Abs1 des Lebensmittelgesetzes 1975 (in der Folge kurz: LMG 1975) seien die Bundesanstalten für Lebensmitteluntersuchung innerhalb ihres Wirkungsbereiches verpflichtet, u.a. auf Verlangen der Gerichte Untersuchungen im Rahmen des Lebensmittelgesetzes durchzuführen und darüber unverzüglich Befund und Gutachten zu erstatten. Nach §44 LMG 1975 habe eine Bundesanstalt, wenn sie bei ihrer Tätigkeit zur begründeten Auffassung gelange, daß der Verdacht einer Rechtsverletzung gegeben sei, dies in einem Gutachten festzustellen und habe bei der zuständigen Behörde unverzüglich Anzeige zu erstatten. Für den Betrieb der Lebensmitteluntersuchungsanstalten der Länder und Gemeinden würden die Bestimmungen für die Bundesanstalten gemäß §49 Abs4 LMG 1975 sinngemäß gelten.

Betreffend die Kosten der Untersuchung und Begutachtung bestimme §45 Abs2 LMG 1975 u.a., daß im Strafverfahren hinsichtlich der Kosten der Untersuchung die Bestimmungen des §381 Abs1 Z3 StPO bezüglich der Kosten des Strafverfahrens gelten. Gemäß §381 Abs1 Z3 StPO seien zu den "Kosten des Strafverfahrens" insbesondere die Vergütungen für Befunde und Gutachten von Behörden (Ämtern, Anstalten) zu zählen. Vorgeschrieben und eingebracht würden diese Kosten gegenüber dem einer strafbaren Handlung für schuldig erkannten Angeklagten (Beschuldigten) durch das Strafgericht gemäß den §§389 bis 391 StPO.

Wörtlich wird in der Klage weiter ausgeführt:

"Aufgrund des Erlasses des Bundesministers für Justiz vom 26.08.1952, JABl. Nr. 12, waren zunächst die Kosten der Lebensmitteluntersuchungsanstalten von der zahlungspflichtigen Partei einzubringen und nach Maßgabe des Einganges unverzüglich an die staatlichen Untersuchungsanstalten für Lebensmittel abzuführen. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung wurde dann mittels Erlaß des Bundesministers für Justiz vom 13.12.1956 angeordnet, daß ab 01.01.1957 die Kosten der Lebensmitteluntersuchungsanstalten nunmehr von der zahlungspflichtigen Partei für Rechnung der Justizverwaltung einzubringen seien. In der Folge wurden von dem für das Gesundheitswesen zuständigen Ressort des Bundes die gegenständlichen Gebühren in jährlichen Pauschalbeträgen refundiert."

Eigene Regelungen über den Ersatz der bei den Lebensmitteluntersuchungsanstalten aufgelaufenen Kosten würden allerdings fehlen. Insbesondere biete das LMG 1975 keine Rechtsgrundlage für den Träger der Lebensmitteluntersuchungsanstalt, von einer strafgerichtlich verurteilten Person Kostenersatz zu erlangen.

Gemäß Art10 Abs1 Z6 B-VG obliege die Gesetzgebung und Vollziehung im Bereich des Strafrechtswesens (wozu auch das Strafverfahren gehöre) dem Bund. Gesetzgebung und Vollziehung im Bereich des Gesundheitswesens, des Ernährungswesens sowie der Nahrungsmittelkontrolle obliege gemäß Art10 Abs1 Z12 B-VG ebenfalls dem Bund. Das Lebensmittelrecht sei daher Bundessache.

Nach §9 Abs2 des vom Gemeinderat der Stadt Wien am 23. Jänner 1970 erlassenen Statuts der Lebensmitteluntersuchungsanstalt der Stadt Wien bzw. gemäß §9 Abs2 des von der Kärntner Landesregierung am 12. September 1950 beschlossenen Statuts der Lebensmitteluntersuchungsanstalt für Kärnten seien (u.a.) jene Untersuchungen von den Untersuchungsanstalten kostenfrei durchzuführen, die von den mit der Handhabung der Lebensmittelpolizei betrauten Behörden und Organen in Ausübung derselben oder seitens der Gerichte verlangt würden, sofern die Untersuchungsgebühren nicht nach den Bestimmungen der StPO oder anderen Rechtsvorschriften hereingebracht werden könnten.

Aus der geschilderten Rechtslage folge - so die klagenden Parteien weiter - jedenfalls, daß jene Untersuchungen und Gutachten, deren Kosten nach den Bestimmungen der StPO von den Gerichten gegenüber den strafgerichtlich Verurteilten vorzuschreiben und hereinzubringen seien, für den Bund als Träger der Strafgerichtsbarkeit auch gegenüber den Lebensmitteluntersuchungsanstalten der Länder/Gemeinden nicht kostenfrei, sondern vom Bund dem jeweiligen Träger der Lebensmitteluntersuchungsanstalt entsprechend abzugelten seien.

2. Der Bund (vertreten durch den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen [nunmehr: Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz]) erstattete eine Gegenschrift, in der das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach bestritten und der Antrag gestellt wird, der Verfassungsgerichtshof möge die Klage als unbegründet abweisen.

2.1. Vorweg wird von der beklagten Partei der Sachverhalt dargelegt und die vormalige Verrechnungspraxis erläutert:

Die gemäß §24 des Lebensmittelgesetzes 1951 für die Untersuchung von Lebensmitteln und der in den Rahmen dieses Gesetzes fallenden Gebrauchsgegenstände bestellten Untersuchungsanstalten des Bundes sowie die gemäß §25 leg.cit. staatlich autorisierten Untersuchungsanstalten der Länder hätten gemäß §29 leg.cit. für die von ihnen durchgeführten Untersuchungen Gebühren verrechnet und diese zugleich mit der Anzeige den Staatsanwaltschaften und Gerichten bekannt gegeben.

Gemäß Erlaß des Bundesministeriums für Justiz vom 26. August 1952, JABl. Nr. 12, seien die Gebühren der Untersuchungsanstalten, sofern die Kosten des Strafverfahrens nicht für uneinbringlich erklärt worden seien, zunächst sofort nach rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens zu berechnen und vom Zahlungspflichtigen einzubringen gewesen. Ging der Betrag vom Zahlungspflichtigen ein, so sei er unverzüglich an die staatliche Untersuchungsanstalt abzuführen gewesen.

Nach dem Erlaß des Bundesministeriums für Justiz vom 4. Dezember 1956, JABl. Nr. 24, seien aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung die Gebühren von der zahlungspflichtigen Partei für Rechnung der Justizverwaltung von den Gerichten eingebracht und nicht mehr an die staatlichen Untersuchungsanstalten abgeführt worden. Dafür habe sich das Bundesministerium für Justiz verpflichtet, als Kostenersatz für die von den Lebensmitteluntersuchungsanstalten des Bundes und der Länder bei den Gerichten im Wege des Strafverfahrens beanspruchten Gebühren eine jährliche Pauschalabfindung an das zuständige Ministerium zu leisten, die ab dem Inkrafttreten des LMG 1975 eingestellt worden sei. Die von den Untersuchungsanstalten der Länder angesprochenen Gebühren seien unter Abzug von 30 vH für nicht einbringliche Beträge refundiert worden; die Bundesanstalten für Lebensmitteluntersuchung hätten Taxanteile erhalten.

In weiterer Folge seien nach dem Erlaß des Bundesministeriums für Justiz vom 30. Mai 1963, JABl. Nr. 23, all diese Auskünfte, Befunde und Gutachten im Sinne der Verpflichtung der staatlichen Stellen zu gegenseitiger Rechtshilfe den Gerichten unentgeltlich zur Verfügung zu stellen gewesen. Der im Strafverfahren Kostenersatzpflichtige (§§389, 390 StPO) sei aber ungeachtet der Unentgeltlichkeit im Verhältnis des Gerichtes zu der Rechtshilfe leistenden Stelle zum Kostenersatz verpflichtet gewesen. Hereingebrachte Vergütungen hätten Einnahmen der Gerichte dargestellt und seien den in Anspruch genommenen Behörden, Ämtern und Anstalten nicht zu refundieren gewesen.

In dem zuletzt erwähnten Erlaß sei auch bemerkt worden, daß die staatlichen Untersuchungsanstalten gemäß §30 des Lebensmittelgesetzes 1951 als Sachverständige anzusehen seien. Die Vergütung für die Leistungen dieser Anstalten in gerichtlichen Strafverfahren richte sich daher nach den Bestimmungen des §381 Abs1 Z2 StPO und der übrigen hiezu ergangenen besonderen Vorschriften, die durch den vorliegenden Erlaß nicht berührt würden.

Ab dem Jahr 1979 (rückwirkend für die Jahre 1975 - 1979) seien den Untersuchungsanstalten der Länder aus dem ordentlichen Budget des für die "Nahrungsmittelkontrolle" jeweils zuständigen Ressorts auf freiwilliger Basis 70 vH für die durch gerichtliche Anzeigen nach dem LMG 1975 aufgelaufenen Untersuchungskosten ersetzt worden.

Mit dem Jahr 1996 seien diese Zahlungen eingestellt worden.

2.2. Der Antrag der klagenden Parteien wird vom Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen schon dem Grunde nach bestritten. Hiezu wird folgendes ausgeführt:

Dem Klagebegehren sei zunächst entgegenzuhalten, daß weder das Lebensmittelgesetz 1951 noch das LMG 1975 die Länder oder Gemeinden verpflichte, eigene Untersuchungsanstalten einzurichten bzw. zu betreiben: Gemäß §42 Abs1 LMG 1975 seien für die Besorgung der in dieser Bestimmung umschriebenen Aufgaben nach Bedarf Bundesanstalten für Lebensmitteluntersuchung und in Wien eine Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung zu errichten und mit dem erforderlichen Personal bzw. Einrichtungen auszustatten. Untersuchungsanstalten anderer Gebietskörperschaften als des Bundes, die Aufgaben wie die Bundesanstalten erfüllen sollten, bedürften nach §49 Abs1 LMG 1975 sowohl zu ihrer Errichtung wie auch zu ihrem Betrieb einer Bewilligung des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz (nunmehr: Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz). Die Errichtung von Landes-Lebensmitteluntersuchungsanstalten in Wien und Kärnten beruhe daher auf keiner bundesgesetzlich vorgegebenen Verpflichtung.

Wörtlich wird weiter folgendes ausgeführt:

"Gemäß §43 Abs1 LMG 1975 sind die Bundesanstalten für Lebensmitteluntersuchung innerhalb ihres Wirkungsbereiches verpflichtet, auf Verlangen der mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes betrauten Behörden, der Gerichte sowie von Privatpersonen Untersuchungen im Rahmen dieses Bundesgesetzes durchzuführen und hierüber unverzüglich Befund und Gutachten zu erstatten.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Untersuchungen (Befund und Gutachten) von den staatlichen Untersuchungsanstalten in der Regel nicht über Ersuchen der Gerichte durchgeführt werden, sondern gemäß Übermittlung der Proben durch die Organe der Lebensmittelaufsicht (vgl. §39 Abs4 LMG 1975).

Gemäß §45 Abs2 LMG 1975 gelten im Strafverfahren im Übrigen hinsichtlich der Kosten der Untersuchung die Bestimmungen des §381 Abs1 Z3 der Strafprozessordnung 1960 bezüglich der Kosten des Strafverfahrens.

Das Bundesministerium für Justiz weist darauf hin, dass Auskünfte, Befunde und Gutachten von Behörden, Ämtern und Anstalten (§381 Abs1 Z3 StPO) den Gerichten im Sinne der Verpflichtung der staatlichen Stellen zu gegenseitiger Rechtshilfe unentgeltlich zur Verfügung zu stellen sind. Eine im Strafverfahren kostenersatzpflichtige Person (§§389, 390 StPO) ist aber dessen ungeachtet verpflichtet, für diese Auskünfte eine Vergütung zu leisten, wie sie in Privatangelegenheiten zu entrichten wäre. Werden von einer Partei Ersätze im Sinne des §381 Abs1 Z3 StPO hereingebracht, so bilden diese Beträge gemäß §249 Abs1 Z2 Geo Einnahmen der Gerichte und sind den in Anspruch genommenen Behörden, Ämtern und Anstalten nicht zu refundieren (vgl. JABl. Nr. 32/1991 und JABl. Nr. 23/1963; ebenso Foregger/Fabrizy, StPO8 RZ 5 zu §381). Die Behauptung in der Klage, dass die erwähnten Erlässe aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung erlassen wurden, entbehrt somit der Grundlage; maßgebend war vielmehr die Rechtsansicht, dass auf Art22 B-VG gestützte Hilfeleistungsverpflichtungen staatlicher Organe keine gegenseitigen Zahlungsverpflichtungen auslösen.

Diese Ansicht kann sich - wie das Bundesministerium für Justiz weiters ausführt - auch auf den eindeutigen Wortlaut der §§43 Abs1 und 45 Abs2 LMG 1975 stützen, wonach die Untersuchungsanstalten verpflichtet sind, auf Verlangen (u.a.) der Gerichte Untersuchungen im Rahmen dieses Bundesgesetzes durchzuführen und hierüber unverzüglich Befund und Gutachten zu erstatten, und im Strafverfahren hinsichtlich der Kosten der Untersuchung die Bestimmung des §381 Abs1 Z3 StPO gilt.

Festzuhalten ist, dass gemäß §49 Abs4 LMG 1975 für den Betrieb von Untersuchungsanstalten anderer Gebietskörperschaften als des Bundes die Bestimmungen für die Bundesanstalten sinngemäß gelten."

Weiter wird in der Gegenschrift vorgebracht, daß - soweit nicht besondere Kostentragungsregeln durch den zuständigen Gesetzgeber bestünden - für die nach §43 Abs1 LMG 1975 zu besorgenden Aufgaben der allgemeine Kostentragungsgrundsatz des §2 F-VG 1948 gelte. Danach trage jede Gebietskörperschaft den Aufwand, der sich aus der Besorgung ihrer Aufgaben ergebe. Für den Fall, daß Gerichte Untersuchungen durch Untersuchungsanstalten der Länder verlangten, würden diese zwar für den Bund durchgeführt, allerdings handle es sich dessen ungeachtet gemäß §43 iVm §49 Abs4 LMG 1975 um einen Fall der mittelbaren Vollziehung und daher um eine Aufgabe der Länder. Die Kosten derartiger Untersuchungen seien vor dem Hintergrund, daß sie im Rahmen der allgemeinen Aufgaben des Landes mit eigenen Ressourcen erbracht werden könnten, als Amtssachaufwand zu qualifizieren.

Von dem dargestellten allgemeinen Kostentragungsgrundsatz abweichende gesetzliche Regelungen bestünden nicht. Aus den Statuten der Untersuchungsanstalten von Wien und Kärnten ergebe sich, daß jene Untersuchungen, die von den mit der Vollziehung der Lebensmittelpolizei betrauten Behörden und Organen in Ausübung derselben oder von den Gerichten verlangt würden, kostenfrei seien, sofern die Untersuchungsgebühren nicht nach den Bestimmungen der StPO oder anderen Rechtsvorschriften hereingebracht würden. Damit werde nach Auffassung des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen zum Ausdruck gebracht, daß die Untersuchungen, sofern die Kosten dafür nicht hereingebracht werden könnten, kostenfrei seien.

Die erwähnten Statuten der Untersuchungsanstalten von Wien und Kärnten könnten im übrigen mangels gesetzlicher Ermächtigung keine Grundlage für eine von §2 F-VG 1948 abweichende Kostentragungsregelung bilden. Insbesondere könne §49 Abs3 LMG 1975 nicht als Ermächtigung dafür angesehen werden, in den Statuten von §2 F-VG 1948 abweichende Kostentragungsbestimmungen zu normieren. Diese Bestimmung sehe lediglich vor, daß Personal, Ausstattung und Statuten der Anstalten der Länder für die Beurteilung heranzuziehen seien, ob die vorgesehenen Aufgaben von den Anstalten der Länder so erfüllt werden wie von einer Bundesanstalt. Unter Berufung auf die Judikatur des Obersten Gerichtshofes wird weiter wörtlich ausgeführt: "Die Deutung einer allfälligen Billigung der Statuten durch den Bund als privatrechtlicher Vertrag scheidet im Hinblick darauf, dass vom §2 F-VG abweichende Kostentragungsbestimmungen dem zuständigen Gesetzgeber vorbehalten sind, ebenso aus (...)."

Mangels gesetzlicher Grundlage bestehe daher kein Anspruch der klagenden Parteien auf Ersatz der eingeklagten Untersuchungskosten.

2.3. Die Klage wird vom Bundesminister für soziale

Sicherheit und Generationen auch der Höhe nach bestritten:

Dazu heißt es in der Gegenschrift im Wortlaut:

"Blickt man auf die Kriminalstatistik der Jahre 1995 - 1999 und den Tätigkeitsbericht der Länder (Grundlage Proben- und Revisionsplan - §36 LMG 1975) so gab es

Jahr      Anzeigen (Gericht)       Verurteilungen

1995      5.713                    1180

1996      5.397                    996

1997      5.046                    763

1998      4.714                    711

1999      4.825                    611.

Damit lässt sich eindeutig belegen, dass die Annahme, 70 % der den Gerichten zugehenden Anzeigegutachten würden zu Verurteilungen führen, jedenfalls viel zu hoch gegriffen ist. Aufgrund der seit dem 1.1.2000 im Strafverfahren bestehenden Möglichkeiten diversioneller Erledigungen (Strafprozessnovelle 1999, BGBl. I Nr. 55) sind überdies die Verurteilungen nach dem Lebensmittelgesetz (Gerichtliche Kriminalstatistik für das Jahr 2000) von 611 Personen im Jahr 1999 auf insgesamt 288 Personen im Jahr 2000 zurückgegangen.

Abschließend wird angemerkt, dass die geltend gemachten Forderungen von den klagenden Parteien im einzelnen noch zu beweisen sind (insbesondere der Fehlbetrag der LUA Kärnten aus dem Jahr 1992)."

3. Die erstklagende Partei (Land und Stadt Wien) erstattete eine Replik auf die Gegenschrift, in der den Argumenten des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen entgegengetreten wird. Alle darin aufgestellten, mit der Klage in Widerspruch stehenden Tatsachenbehauptungen werden - sofern sie nicht ausdrücklich als richtig zugestanden werden - in der Replik wie folgt bestritten:

Es habe über viele Jahre hindurch die Übung bestanden, zunächst die von den im Strafverfahren Zahlungspflichtigen eingegangenen Beträge den Trägern der Untersuchungsanstalten zu refundieren bzw. seien in weiterer Folge Pauschalbeträge (abzüglich eines Prozentsatzes für die nicht einbringlichen Beträge) bezahlt worden. Diese langjährige Übung habe jedenfalls bei der klagenden Partei das berechtigte Vertrauen in die Rechtmäßigkeit ihrer jeweiligen Zahlungsbegehren begründet. Auf dieser Basis sei mangels entgegenstehender anderer Erklärungen der Gegenseite jedenfalls konkludent eine öffentlich-rechtliche Übung über die in der vorliegenden Klage begehrte entsprechende Kostenrefundierung zustande gekommen. Durch das Verhalten der beklagten Partei sei ein Vertrauenstatbestand gesetzt worden, der schutzwürdige Interessen der klagenden Partei begründet habe. Die klagende Partei habe nach Treu und Glauben davon ausgehen dürfen, daß die Bezahlung der Leistungen ihrer Untersuchungsanstalt fortgeführt werde und die beklagte Partei aus diesem - wie die klagende Partei meint - "fundamentalen Rechtsgrundsatz" zur Fortführung der Leistungen verpflichtet sei. Die nunmehrige Darstellung der praktizierten Übung als "freiwillig" sei unzutreffend; die Zahlungen dürften nicht einseitig zufolge budgetärer Restriktionen mangels Rechtsgrundlage eingestellt werden.

Auch seien alle Ausführungen der Gegenschrift, insoweit sie sich auf die darin näher zitierten Erlässe beziehen, rechtlich vollkommen irrelevant. Mangels gehöriger Kundmachung nach außen hin und damit insbesondere gegenüber der klagenden Partei komme diesen keinerlei Rechtswirksamkeit zu.

Des weiteren sei die Rechtsmeinung der beklagten Partei, die Befunde und Gutachten der Untersuchungsanstalten der erstklagenden Partei seien kostenlos auszuführen, unrichtig. Dazu heißt es in der Replik wörtlich:

"• Zum einen vertritt die Gegenschrift selbst die Meinung, die in Rede stehenden Untersuchungsanstalten seien gemäß §381 Abs1 Z2 StPO als Sachverständige anzusehen. Deren Tätigkeit ist aber stets entgeltlich, was insbesondere schon aus der zitierten Gesetzesstelle klar hervorgeht, weil dort ausdrücklich von 'Gebühren der Sachverständigen' die Rede ist!

• Zum anderen spricht §381 Abs1 Z3 StPO von 'Vergütung für Befund und Gutachten von Behörden (Ämtern, Anstalten)', womit klar ersichtlich ist, dass das Gesetz selbst von einer entgeltlichen Tätigkeit der entsprechenden Behörden, Ämtern und Anstalten ausgeht.

• Schließlich aber ergibt sich aus §45 Abs2 LMG (der gemäß §49 Abs4 leg.cit. auch für die Anstalten der klagenden Partei gilt), dass betreffend die 'Kosten der Untersuchung' im Strafverfahren die einschlägigen Bestimmungen der Strafprozessordnung gelten. Daraus folgt mit aller Klarheit, dass die Tätigkeit der Untersuchungsanstalten im Dienste der Strafrechtspflege keineswegs kostenlos sind.

Der Behauptung der Gegenseite, die Tätigkeit der Untersuchungsanstalten hätte kostenfrei zu erfolgen, steht somit die dargestellte Gesetzeslage eindeutig entgegen.

Wollte man dem Standpunkt der Gegenschrift folgen, so ergäbe sich folgendes, mit der Rechtsordnung unvereinbares Ergebnis:

Sowohl die oben wiedergegebenen Bestimmungen der Strafprozessordnung als auch des Lebensmittelgesetzes gehen eindeutig davon aus, dass die Tätigkeiten der Untersuchungsanstalten der klagenden Partei entgeltlich erbracht werden.

Der Bund als Träger der Strafrechtspflege kassiert nach den einschlägigen Bestimmungen der Strafprozessordnung von den zum Kostenersatz verpflichteten Parteien u.a. die Gebühren der Sachverständigen (§381 Abs1 Z2 StPO) und eine Vergütung für Befund und Gutachten von Behörden, Ämtern und Anstalten (§381 Abs1 Z3 StPO).

Er gibt diese kassierten Beträge aber entgegen jahrelanger anderer Übung seit dem in der Klage näher bezeichneten Zeitpunkt einseitig und in krassem Verstoß gegen das Prinzip von Treu und Glauben nicht mehr an die Träger der von der Strafjustiz in Anspruch genommenen Anstalten weiter und ist solcherart um die von den zum Kostenersatz verpflichteten Parteien kassierten Beträge ungerechtfertigt bereichert! Die Bereicherung ist ein auch im öffentlichen Recht zu beachtender Aspekt (Adamovich/Funk aaO [Allgemeines Verwaltungsrecht3] 298, 299 u.a.).

Die Klage wird hiermit abgesehen von allen sonst erdenklichen Rechtsgründen auch auf den Rechtsgrund der Bereicherung gestützt, und zwar auf die sog. condictio causa data causa non secuta (...), weil die Untersuchungsanstalten im Vertrauen auf die jahrelang gepflogene Übung ihre Leistungen erkennbar zur Erzielung der bisher gezahlten finanziellen Abgeltung erbracht haben."

Schließlich gingen die Ausführungen der Gegenschrift zum Sach- und Zweckaufwand der erstklagenden Partei an der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 14.168/1995) vorbei.

4. Die im Zusammenhang mit dieser Klage wesentlichen Gesetzesbestimmungen lauten auszugsweise:

4.1. LMG 1975, BGBl. 86/1975 (§42 idF BGBl. 78/1987; §43 idF BGBl. 31/1979):

"Untersuchungsanstalten des Bundes

§42. (1) Für die Untersuchung der diesem Bundesgesetz unterliegenden Waren und für die Aufgaben der Toxikologie und der Messung und Kontrolle ionisierender Strahlen sind nach Bedarf Bundesanstalten für Lebensmitteluntersuchung und in Wien eine Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung zu errichten und mit dem erforderlichen Personal und den erforderlichen Einrichtungen auszustatten.

(2) (...)

(5) Der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz [Anm.:

nunmehr Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz] hat durch Verordnung die Gebühren für die von diesen Anstalten vorzunehmenden Untersuchungen und Begutachtungen entsprechend den erfahrungsgemäß im Durchschnitt hiebei auflaufenden Kosten in einem Tarif festzulegen.

Rechte und Pflichten der staatlichen Untersuchungsanstalten

§43. (1) Die Bundesanstalten für Lebensmitteluntersuchung sind innerhalb ihres Wirkungsbereiches verpflichtet, auf Verlangen der mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes betrauten Behörden, der Gerichte sowie von Privatpersonen Untersuchungen im Rahmen dieses Bundesgesetzes durchzuführen und hierüber unverzüglich Befund und Gutachten zu erstatten.

(2) (...)

Anzeigepflicht

§44. Wenn eine Bundesanstalt bei ihrer Tätigkeit zur begründeten Auffassung gelangt, daß der Verdacht der Verletzung von Rechtsvorschriften gegeben ist, so hat sie das in ihrem Gutachten festzustellen und bei der jeweils zuständigen Behörde unverzüglich Anzeige zu erstatten.

Kosten der Untersuchung und Begutachtung

§45. (1) Wenn eine Privatperson bei einer Bundesanstalt um eine Untersuchung ansucht, hat sie die Kosten der Untersuchung zu erlegen. Die Bundesanstalt hat jedoch den erlegten Betrag zurückzuerstatten, wenn die Untersuchung Anlaß zu einer Anzeige gegeben hat.

(2) Im übrigen gelten im Strafverfahren hinsichtlich der Kosten der Untersuchung die Bestimmungen des §381 Abs1 Z3 der Strafprozeßordnung 1960 [Anm.: wiederverlautbart als Strafprozeßordnung 1975] bezüglich der Kosten des Strafverfahrens. Im Verwaltungsstrafverfahren ist im Straferkenntnis dem Beschuldigten der Ersatz der Kosten der Untersuchung an die jeweilige Untersuchungsanstalt vorzuschreiben.

(3) Die Kosten der Untersuchung sind von der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung nach dem Gebührentarif (§42 Abs5) zu berechnen.

(4) Die von einer Partei zu ersetzenden Kosten der Untersuchung können im Verwaltungsweg eingebracht werden.

Untersuchungsanstalten der Länder und Gemeinden

§49. (1) Untersuchungsanstalten anderer Gebietskörperschaften als des Bundes, die Aufgaben wie die Bundesanstalten erfüllen sollen, bedürfen sowohl zu ihrer Errichtung wie auch zu ihrem Betriebe einer Bewilligung des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz [Anm.: nunmehr Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz].

(2) (...)

(4) Für den Betrieb der Anstalten gelten die Bestimmungen für die Bundesanstalten sinngemäß.

(5) (...)"

4.2. §381 Abs1 der als StPO 1975, BGBl. 631, wiederverlautbarten Strafprozeßordnung 1960 lautet idF BGBl. I 130/2001 - auszugsweise - folgendermaßen:

"(1) Die Kosten des Strafverfahrens, die von der zum Kostenersatze verpflichteten Partei zu ersetzen sind, umfassen:

1. (...)

2. die Gebühren der Sachverständigen, sofern diese Gebühren insgesamt den Betrag von 73 Euro übersteigen;

3. eine Vergütung für Auskünfte, Befunde und Gutachten von Behörden (Ämtern, Anstalten) in der Höhe, wie sie für solche Auskünfte, Befunde und Gutachten in Privatangelegenheiten zu entrichten wäre;

4. (...)"

§390 Abs1 StPO 1975, BGBl. 631, idF BGBl. I 55/1999, bestimmt folgendes:

"(1) Wird das Strafverfahren auf andere Weise als durch ein verurteilendes Erkenntnis beendigt, so sind die Kosten in der Regel vom Bunde zu tragen. Soweit aber das Strafverfahren auf Begehren eines Privatanklägers oder gemäß §48 lediglich auf Antrag des Privatbeteiligten stattgefunden hat, ist diesen der Ersatz aller infolge ihres Einschreitens aufgelaufenen Kosten in der das Verfahren für die Instanz erledigenden Entscheidung aufzutragen. Den Privatbeteiligten trifft jedoch kein Kostenersatz, wenn das Strafverfahren nach dem IXa. Hauptstück beendet wird."

4.3. §9 des vom Gemeinderat der Stadt Wien am 23. Jänner 1970 erlassenen Statuts der Lebensmitteluntersuchungsanstalt der Stadt Wien sieht vor:

"(1) Die Berechnung der Untersuchungsgebühren erfolgt nach dem jeweils kundgemachten Gebührentarif der Lebensmitteluntersuchungsanstalten des Bundes.

(2) Kostenfrei werden innerhalb des Wirkungskreises der Anstalt durchgeführt:

a) Untersuchungen, die vom Bundesministerium für soziale Verwaltung und von Dienststellen der Stadt Wien amtlich gefordert werden.

b) Untersuchungen, die von den mit der Handhabung der Lebensmittelpolizei betrauten Behörden und Organen in Ausübung derselben oder seitens der Gerichte verlangt werden, soferne die Untersuchungsgebühren nicht nach den Bestimmungen der Strafprozeßordnung oder anderen Rechtsvorschriften hereingebracht werden können.

(3) Für regelmäßig wiederkehrende Untersuchungen kann hinsichtlich der Gebühren ein besonderes Übereinkommen Platz greifen, dessen Genehmigung dem Wiener Gemeinderat vorbehalten bleibt."

4.4. §9 des von der Kärntner Landesregierung am 12. September 1950 beschlossenen Statuts der Landwirtschaftlich-chemischen Versuchs- und Lebensmittel-Untersuchungsanstalt für Kärnten, LGBl. 28/1950, idF LGBl. 85/1992, lautet:

"(1) Die Berechnung der Untersuchungsgebühren erfolgt nach den jeweils kundgemachten Gebührentarifen für die landwirtschaftlich-chemische Bundesversuchsanstalt, die Bundesanstalt für Pflanzenbau und die Bundesanstalten für Lebensmitteluntersuchung.

(2) Kostenfrei werden ausgeführt:

1. Untersuchungen, welche von dem nach Bundesrecht für das LMG zuständige Bundesministerium oder dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft oder der Kärntner Landesregierung amtlich gefordert werden;

2. Untersuchungen, welche von den mit der Handhabung der Lebensmittelpolizei betrauten Behörden und Organen in Ausübung derselben oder seitens der Gerichte verlangt werden, sofern die Untersuchungsgebühren nicht nach den Bestimmungen der Strafprozeßordnung hereingebracht werden können.

(3) Für regelmäßig wiederkehrende Untersuchungen kann hinsichtlich der Gebühren ein besonderes Übereinkommen Platz greifen, dessen Genehmigung der Kärntner Landesregierung vorbehalten bleibt."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Klage erwogen:

1. Nach Art137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, die Länder, die Bezirke, die Gemeinden und Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

Die klagenden Parteien machen einen vermögensrechtlichen Anspruch gegen den Bund geltend, dessen Wurzel im öffentlichen Recht, nämlich im F-VG 1948, liegt. Der Anspruch ist nicht im ordentlichen Rechtsweg auszutragen, weil weder ein Gesetz die ordentlichen Gerichte ausdrücklich zur Entscheidung darüber beruft noch sich deren Zuständigkeit aus §1 JN herleiten läßt. Der Anspruch ist aber auch nicht durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen, weil keine gesetzliche Bestimmung besteht, die in solchen Fällen eine Verwaltungsbehörde zur Entscheidung beruft. Der Anspruch kann daher gemäß Art137 B-VG beim Verfassungsgerichtshof geltend gemacht werden (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 29. November 2002, A9/01, mwN).

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Klage zulässig.

2.1. U.a. zur Untersuchung der dem LMG 1975 unterliegenden Waren werden als "amtliche Begutachtungsstellen" (Walter/Mayer, Grundriß des Besonderen Verwaltungsrechts², 564) nach Bedarf Bundesanstalten für Lebensmitteluntersuchung (§42 Abs1 LMG 1975) eingerichtet bzw. können gemäß §49 LMG 1975 (mit Bewilligung [nunmehr:] des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) von den Ländern und Gemeinden Untersuchungsanstalten errichtet und betrieben werden. Für den Betrieb dieser von den Ländern und Gemeinden eingerichteten Anstalten gelten nach §49 Abs4 LMG 1975 die Bestimmungen für Bundesanstalten sinngemäß.

Der beklagten Partei ist darin zuzustimmen, daß das LMG 1975 die Länder und Gemeinden nicht zur Errichtung und zum Betrieb von eigenen Untersuchungsanstalten verpflichtet. Dessen ungeachtet sind diese Untersuchungsanstalten, sind sie einmal (mit Bewilligung des zuständigen Bundesministers) errichtet, im Hinblick auf §49 Abs4 iVm §43 Abs1 LMG 1975 aber verhalten, innerhalb ihres Wirkungsbereiches auf Verlangen (u.a.) der mit der Vollziehung des LMG 1975 betrauten Behörden und Gerichte Untersuchungen durchzuführen und darüber Befund und Gutachten zu erstatten. Soweit solche Untersuchungen in (gerichtlichen) Strafverfahren durchgeführt werden (und nur um solche geht es im vorliegenden Fall), gelten hinsichtlich der Kosten gemäß §45 Abs2 iVm §49 Abs4 LMG 1975 die Bestimmungen des §381 Abs1 Z3 StPO. Im Verwaltungsstrafverfahren ist im Straferkenntnis dem Beschuldigten der Ersatz der Kosten der Untersuchung an die jeweilige Untersuchungsanstalt vorzuschreiben (§45 Abs2 letzter Satz LMG 1975). Nach §381 Abs1 Z3 StPO umfassen die Kosten des Strafverfahrens, die von der zum Kostenersatz verpflichteten Partei zu ersetzen sind, Vergütungen für Auskünfte, Befunde und Gutachten von Behörden (Ämtern, Anstalten) in der Höhe, wie sie für derartige Auskünfte, Befunde und Gutachten in Privatangelegenheiten zu entrichten wären.

Über den Ersatz der bei den Untersuchungsanstalten aufgelaufenen Kosten bestehen keine expliziten gesetzlichen Bestimmungen. Nach dem "Erlaß vom 30. Mai 1963, betreffend Vergütungen für Auskünfte, Befunde und Gutachten von Behörden (Ämtern und Anstalten) nach §381 Abs1 Z3 StPO und die Refundierung dieser Vergütungen an die in Anspruch genommenen Stellen", JABl. Nr. 23, bzw. dem "Erlaß vom 27. Juni 1991 über Vergütungen für Auskünfte, Befunde und Gutachten von Behörden (Ämtern und Anstalten) nach §381 Abs1 Z3 StPO und die (Nicht-)Refundierung dieser Vergütungen an die in Anspruch genommenen Stellen", JABl. Nr. 32, und der Judikatur des OGH (EvBl. 1962/364) sind die Gerichte ihrerseits nicht verpflichtet, den Behörden, Ämtern und Anstalten für ihre Auskünfte, Befunde und Gutachten eine Vergütung zu leisten; vielmehr sind diese im Sinne der Verpflichtung der staatlichen Stellen zur gegenseitigen Rechtshilfe den Gerichten unentgeltlich zur Verfügung zu stellen (vgl. auch Foregger/Fabrizy, Die Österreichische Strafprozeßordnung8, §381, Rz 5). Dies offenbar deshalb, da die "Erstattung von Auskünften, Befunden und Gutachten durch Ämter, Anstalten und ähnliche Einrichtungen (...) eher den Charakter einer Amtshilfeleistung als den Charakter einer Sachverständigentätigkeit im üblichen Sinne [hat]. Die Beschränkung eines Gebührenanspruches auf die Fälle, in denen eine Person, die außerhalb des staatlichen Organapparates steht, zur Mitwirkung an der Vollziehung (im weitesten Sinn) berufen wird, scheint geradezu geboten: 'Vergütungen' für die Tätigkeit anderer Organe desselben Rechtsträgers (...) betreffen lediglich dessen 'Innenverhältnis' und haben daher eher haushaltsrechtlichen Charakter; die Einräumung von 'Ansprüchen' wäre in diesen Fällen geradezu systemwidrig" (Mayer, Zur Problematik der Gebührenansprüche von Sachverständigen, ÖZW 1982, 65 [68]).

Der Verfassungsgerichtshof kann es dahingestellt sein lassen, ob diese Rechtsauffassung im Verhältnis der Gerichte zu den Untersuchungsanstalten des Bundes zutrifft (wogegen spricht, daß gemäß §45 Abs2 LMG 1975 im Verwaltungsstrafverfahren die Untersuchungskosten direkt vom Beschuldigten der Untersuchungsanstalt zu ersetzen sind). Im vorliegenden Zusammenhang geht es nämlich nicht um dieses (haushaltsrechtliche) Problem, sondern um die an Hand der Vorschriften der Finanzverfassung zu lösende Frage, ob die Kosten für Untersuchungen, welche die Untersuchungsanstalten der Länder oder Gemeinden über Verlangen des Bundes (der Gerichte) durchführen, von den Ländern (Gemeinden) endgültig zu tragen oder vom Bund zu ersetzen sind.

2.2. Gemäß §2 F-VG 1948 tragen der Bund und die übrigen Gebietskörperschaften, sofern die zuständige Gesetzgebung nichts anderes bestimmt, den Aufwand, der sich aus der Besorgung ihrer Aufgaben ergibt. Daraus folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auch, daß eine Gebietskörperschaft Anspruch auf Kostenersatz gegen eine andere Gebietskörperschaft hat, wenn sie einen Aufwand trägt, den nach der Grundregel des §2 F-VG 1948 diese andere Gebietskörperschaft zu tragen hat, und eine abweichende Kostentragungsregel nicht besteht (vgl. z.B. VfSlg. 9507/1982, 11.939/1988, 14.168/1995; zuletzt Verfassungsgerichtshof vom 29. November 2002, A9/01).

Für die Fälle der sogenannten mittelbaren Bundesverwaltung - ein solcher Fall liegt hier unbestritten vor - hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 9507/1982 ausgesprochen, daß zu besorgende Staatsaufgaben der Gebietskörperschaften iSd §2 F-VG 1948 auch dann gegeben sind, wenn die Gebietskörperschaft von Rechts wegen gehalten ist, Angelegenheiten einer anderen Gebietskörperschaft für diese, nach deren Weisungen und unter deren Verantwortung zu führen. Der Gerichtshof hat daraus freilich nicht eine unbeschränkte Kostentragungspflicht der besorgenden Gebietskörperschaft abgeleitet. Eine Kostentragungspflicht der besorgenden Gebietskörperschaft ist in Fällen mittelbarer Verwaltung nach dieser Entscheidung zwar für den Personalaufwand und den Amtssachaufwand anzunehmen (somit praktisch für die Behördenorganisation und die notwendigen Hilfsmittel), hingegen nicht für jenen Sachaufwand, der mit der konkreten Tätigkeit der Behörde erst entsteht (konkreter Sachaufwand), und ebensowenig für den sogenannten Zweckaufwand, das sind jene Aufwendungen, die von vornherein unmittelbar für einen bestimmten Zweck gemacht werden. Für diese Aufwandskategorien ist somit auch nach der zitierten Entscheidung im Bereich mittelbarer Verwaltung keine Kostentragungspflicht der besorgenden Gebietskörperschaft anzunehmen, sondern eine Ersatzpflicht jener Gebietskörperschaft, der die aufwandsverursachende Aufgabe zuzuordnen ist (vgl. ausführlich wiederum Verfassungsgerichtshof vom 29. November 2002, A9/01).

2.3. Für die Abgrenzung des konkreten Sachaufwandes vom Amtssachaufwand hat der Gerichtshof für maßgebend erachtet, ob der Aufwand unmittelbar durch ein konkretes Verwaltungsverfahren ausgelöst wird oder unabhängig davon anfällt (vgl. VfSlg. 15.111/1998, wonach der in einem Wasserrechtsverfahren erst mit der konkreten Ermittlungstätigkeit der Behörde entstehende Ermittlungsaufwand als "konkreter Sachaufwand" anzusehen ist; vgl. ferner Verfassungsgerichtshof vom 29. November 2002, A9/01, wonach Zeugen-, Sachverständigen- und Dolmetschergebühren in Verfahren vor den UVS als "konkreter Sachaufwand" zu qualifizieren sind).

Kosten der Untersuchungen, die von Lebensmitteluntersuchungsanstalten (der Länder oder Gemeinden) in bestimmten Strafverfahren durchgeführt werden, sind vor dem Hintergrund dieser Judikatur - entgegen der Auffassung der beklagten Partei - als konkreter Sachaufwand und nicht als Amtssachaufwand anzusehen: Der Aufwand erwächst nicht durch die Behördenorganisation an sich, sondern durch die Erfüllung konkreter Untersuchungsaufträge, zu deren Übernahme die Anstalten nach §43 Abs1 iVm §49 LMG 1975 gesetzlich verpflichtet sind. Zur Tragung bzw. zum Ersatz der Untersuchungskosten ist daher nach §2 F-VG 1948 - sollten abweichende Regelungen nicht bestehen - in vollem Umfang der Bund als Träger der Strafrechtspflege verpflichtet.

2.4. Solche abweichenden Regelungen sind nicht ersichtlich:

2.4.1. Für den Betrieb der Untersuchungsanstalten der Länder und Gemeinden gelten zwar gemäß §49 Abs4 LMG 1975 die Bestimmungen für die Bundesanstalten sinngemäß. Dazu gehören auch die Bestimmungen des §45 LMG 1975 über die Kosten der Untersuchung (vgl. auch Brustbauer/Jesionek/Petuely/Wrabetz, Das Lebensmittelgesetz 1975, Wien 1976, S. 241). Dort wird jedoch hinsichtlich der Untersuchungen in (gerichtlichen) Strafverfahren auf die Bestimmungen des §381 Abs1 Z3 StPO bezüglich der Kosten des Strafverfahrens verwiesen. Aus diesen Vorschriften ergibt sich, daß die Kosten des Strafverfahrens, soweit sie nicht nach den Vorschriften der StPO den Verurteilten, Privatanklägern, Anzeigern oder sonstigen Personen auferlegt werden können, vom Bund zu tragen sind (§390 Abs1 StPO; vgl. auch Oberster Gerichtshof vom 6. Februar 1962, 9 Os 71/62). Der Verfassungsgerichtshof interpretiert dies so, daß die Vorschrift des §381 Abs1 Z3 StPO (Ersatzpflicht) auch hinsichtlich der Untersuchungstätigkeit der Landes- und Gemeindeanstalten zur Anwendung kommt, im übrigen aber der Bund zur Kostentragung verpflichtet ist. Aus diesen Regelungen folgt im übrigen, daß der Bund mit den an die Länder (Gemeinden) zu ersetzenden Untersuchungskosten wirtschaftlich ohnehin nur dann (und insoweit) belastet ist, wenn er mehr ersetzt als den von den Ersatzpflichtigen hereingebrachten Betrag.

Da auch in den Statuten der hier betroffenen Untersuchungsanstalten hinsichtlich der Kostentragung nichts anderes vorgesehen ist, erübrigt sich das Eingehen auf die Frage, ob derartige Statuten überhaupt als abweichende Kostentragungsregelungen iSd §2 F-VG 1948 in Betracht kämen.

2.4.2. Soweit die beklagte Partei hingegen - gestützt auf die oben zitierten Erlässe - die Auffassung vertritt, die von den Gerichten verlangten Untersuchungen seien im Sinne der Verpflichtung der staatlichen Stellen zur gegenseitigen Rechtshilfe unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, ist ihr zu entgegnen, daß dem Art22 B-VG nicht entnommen werden kann, daß im Bereich der dort vorgesehenen wechselseitigen Hilfeleistung der ebenfalls im Verfassungsrang stehende Kostentragungsgrundsatz des §2 F-VG 1948 außer Kraft gesetzt werden soll oder daß Art22 B-VG als abweichende Kostentragungsregel iSd §2 F-VG 1948 zu deuten sei (in diesem Sinne auch Wiederin, Art22 B-VG, in: Korinek/Holoubek [Hrsg], Bundesverfassungsrecht [1999], Rz 65). Daß die erwähnten Erlässe nicht geeignet sind, eine von §2 F-VG 1948 abweichende Kostentragung zu normieren, bedarf keiner weiteren Begründung. Eine abschließende Klärung der Frage, ob die gesetzlich angeordnete Verpflichtung, Untersuchungen durchzuführen und darüber Befund und Gutachten zu erstatten, überhaupt den Charakter einer Amtshilfe im Sinne einer "ergänzenden Unterstützung im Ausnahmefall" (zum Begriff der Amtshilfe ausführlich Wiederin, a. a.O., Rz 12 ff.) hat, kann daher dahinstehen.

2.5. Damit steht fest, daß die von den klagenden Parteien erhobenen Ansprüche dem Grunde nach zu Recht bestehen. Der Bund hat die Ansprüche jedoch auch der Höhe nach bestritten. Der Stand des Verfahrens läßt eine Entscheidung darüber derzeit nicht zu. Mit Zwischenerkenntnis konnte jedoch die vorhin genannte Feststellung getroffen werden (§393 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG).

Die Parteien werden zur Frage der Höhe des Anspruches Schriftsätze, allenfalls mit den zur Beurteilung nötigen weiteren Unterlagen, einzubringen haben.

3. Die Entscheidung über den Kostenersatzanspruch gemäß §41 VfGG bleibt dem Enderkenntnis vorbehalten (§§52 Abs2, 393 Abs4 ZPO).

III. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Amtshilfe, Bundesverwaltung mittelbare, Finanzverfassung, Finanzausgleich, Kostentragung, Lebensmittelrecht, Strafprozeßrecht, Kosten, Verwaltungsstrafrecht, Verfahrenskostenbeitrag, VfGH / Klagen, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:A4.2002

Dokumentnummer

JFT_09968999_02A00004_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten