TE Vfgh Erkenntnis 2003/10/3 B586/02

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Veröffentlicht am 03.10.2003
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Index

63 Allgemeines Dienst- und Besoldungsrecht
63/07 Personalvertretung

Norm

B-VG Art83 Abs2
AVG §67a Abs1 Z2
Bundes-PersonalvertretungsG §3, §29

Leitsatz

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch die Zurückweisung einer Beschwerde von Organen der Personalvertretung (Zentralausschüsse) gegen die zwangsweise Räumung von Räumlichkeiten der Landesregierung; Zentralausschuss als beschwerdeberechtigte (Rechts-)Person vor dem UVS im Sinne des Gesetzes; hoheitliches Handeln des Landeshauptmannes

Spruch

Die beschwerdeführenden Parteien sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Kärnten ist schuldig, den beschwerdeführenden Parteien zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit EUR 2.338,20 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Die vor dem Verfassungsgerichtshof Beschwerde führenden Parteien sind Organe der Personalvertretung, nämlich der Zentralausschuss für allgemein bildende Pflichtschulen und der Zentralausschuss für die Berufsschulen - bei der Kärntner Landesregierung -, jeweils vertreten durch den Vorsitzenden.

1.2. Nach den Beschwerdeausführungen seien den beschwerdeführenden Parteien im Amtsgebäude der Kärntner Landesregierung zur Erfüllung ihrer Aufgaben Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt worden, die die beschwerdeführenden Zentralausschüsse Jahrzehnte hindurch benützt hätten. Am 30.7.2001 habe der Landeshauptmann von Kärnten - nach regem Schriftverkehr und mehreren Gesprächen - die Weisung erteilt, die zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten zu räumen und andere Räumlichkeiten zu beziehen, und zwar bis 16.00 Uhr des selben Tages. Die Personalvertreter, die auf der Durchführung eines Verwaltungsverfahrens über die Berechtigung und das Ausmaß ihrer Ansprüche, Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt zu bekommen, bestanden hätten, hätten sich geweigert, die ihnen bisher zur Verfügung gestandenen Räumlichkeiten zu räumen. Daraufhin sei die Räumung von Hausarbeitern der Amtsgebäudeverwaltung vollzogen worden.

1.3. Die dagegen von den genannten Zentralausschüssen, jeweils vertreten durch den Vorsitzenden, beim Unabhängigen Verwaltungssenat für Kärnten eingebrachte Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wurde von diesem als unzulässig zurückgewiesen.

1.4.1. Gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung ua. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.

1.4.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat für Kärnten legte - über Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes - die Verwaltungsakten vor, verzichtete hingegen auf die Abgabe einer Gegenschrift.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

2.1. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des §3 (idF BGBl. 1987/310), des §29 (idF BGBl. 1994/550) sowie des §42 (idF BGBl. 1987/310) des Bundes-Personalvertretungsgesetzes, BGBl. 1967/133, (PVG) lauten samt Überschrift:

"Organe der Personalvertretung

§3. (1) Organe der Personalvertretung sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen:

a)

die Dienststellenversammlung,

b)

der Dienststellenausschuß (Vertrauenspersonen),

c)

der Fachausschuß,

d)

der Zentralausschuß und

e)

der Dienststellen (Fach-, Zentral)wahlausschuß.

...

(5) Die Gesamtheit der von einem Zentralausschuß vertretenen Bediensteten besitzt Rechtspersönlichkeit. Die gesetzliche Vertretung obliegt dem Vorsitzenden des Zentralausschusses, in Dienststellen, die keinem Ressort angehören (§13 Abs2), dem Vorsitzenden des Dienststellenausschusses.

..."

"Finanzielle Bestimmungen

§29. (1) Den Organen der Personalvertretung sind erforderlichenfalls bei den Dienststellen entsprechende Räumlichkeiten samt Einrichtungen zur Verfügung zu stellen. Die Kosten der Instandhaltung dieser Räumlichkeiten und ihrer Einrichtung, die Kosten der Beheizung und Beleuchtung dieser Räumlichkeiten, die Kosten für die Kanzleierfordernisse einschließlich des Aufwandes für Telefon und Zustellung, deren die Organe der Personalvertretung zur ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben bedürfen, trägt der Bund. Den Zentralausschüssen, zu denen mehr als 1 000 Bedienstete wahlberechtigt sind, sind außerdem zur Bewältigung der anfallenden Kanzleiarbeiten ein Bediensteter und Zentralausschüssen, zu denen mehr als 20 000 Bedienstete wahlberechtigt sind, zwei Bedienstete der Verwendungsgruppen A 5, A 4 oder D (oder der Entlohnungsgruppe d) oder erforderlichenfalls der Verwendungsgruppen A 3 oder C (oder der Entlohnungsgruppe c) zur Verfügung zu stellen.

...

(3) Über die Berechtigung und das Ausmaß von Ansprüchen gemäß Abs1 hat der Leiter der Dienststelle zu entscheiden, bei der die Personalvertretung eingerichtet ist. Er hat dabei das AVG anzuwenden.

..."

"Sonderbestimmungen für Landeslehrer

§42. Die Vorschriften der Abschnitte I und IV und des §36 finden für Dienststellen, an denen Lehrer für öffentliche Pflichtschulen und für land- und forstwirtschaftliche Berufs- und Fachschulen (§1 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 302, §1 des Land- und forstwirtschaftlichen Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 296, §1 des Landesvertragslehrergesetzes 1966, BGBl. Nr. 172, und §1 des Land- und forstwirtschaftlichen Landesvertragslehrergesetzes, BGBl. Nr. 244/1969) beschäftigt sind, mit der Abweichung sinngemäß Anwendung, daß

a) für die Landeslehrer für allgemeinbildende Pflichtschulen eines politischen Bezirkes der Dienststellenausschuß bei der Bezirksverwaltungsbehörde zu errichten ist; die Bestimmung des §4 bezüglich der Bildung mehrerer Personalvertretungen für eine Dienststelle findet hiebei sinngemäße Anwendung, wobei der Sitz der einzelnen Personalvertretungen zu bestimmen ist;

b) für die Landeslehrer für allgemeinbildende Pflichtschulen, für die Landeslehrer für Berufsschulen und für die Landeslehrer für land- und forstwirtschaftliche Berufs- und Fachschulen je ein Zentralausschuß bei der Landesregierung zu errichten ist;

c) der Tätigkeitsbereich der Personalvertretung sich auch auf die Schulbehörden des Bundes erstreckt, soweit es sich um Angelegenheiten handelt, in denen den Schulbehörden des Bundes auf Grund gesetzlicher Vorschriften die Vollziehung zukommt;

d) insoweit nach Abschnitt I und IV obersten Bundesorganen (der Personalvertretungs-Aufsichtskommission) Zuständigkeiten zukommen, an deren Stelle - soweit es sich nicht um die Erlassung von Verordnungen handelt - die Landesregierung tritt;

e) die Erlassung der Wahl- und Geschäftsordnung der Landesregierung obliegt;

f) die Leiter von Schulen in die Zentralausschüsse, die Leiter von allgemeinbildenden Pflichtschulen auch in die Dienststellenausschüsse wählbar sind;

g) Landeslehrer, die nicht an öffentlichen Schulen verwendet werden, nur für den nach ihrer dienstrechtlichen Stellung zuständigen Zentralausschuß, die Lehrer für allgemeinbildende Pflichtschulen auch für den nach ihrem Dienstort zuständigen Dienststellenausschuß wahlberechtigt sind;

h) die Kosten gemäß §29 Abs1 und 2 das Land zu tragen hat."

2.2.1. Der belangte unabhängige Verwaltungssenat vertritt im bekämpften Bescheid den Standpunkt, die beschwerdeführenden Parteien seien als Organe der Personalvertretung (§3 Abs1 litd PVG) nicht als Personen iSd §67a Abs1 Z2 AVG anzusehen, die in ihren Rechten verletzt sein könnten; gemäß §3 Abs5 PVG besitze nämlich lediglich die Gesamtheit der von einem Zentralausschuss vertretenen Bediensteten Rechtspersönlichkeit. Die an den UVS gerichtete Beschwerde sei aber nicht im Namen der von den beschwerdeführenden Parteien vertretenen Bediensteten erhoben worden. Im Übrigen handle es sich bei der - unbestrittener Maßen über Weisung des Landeshauptmannes von Kärnten als Vorstand des Amtes der Kärntner Landesregierung erfolgten - "Delogierungsmaßnahme" nicht um hoheitliches Handeln. Da es keine gesetzliche Bestimmung gebe, die den beteiligten Verwaltungsorganen zur Regelung des Rechtsverhältnisses zwischen diesen und den Organen der Personalvertretung hoheitliche Zwangsbefugnisse einräume, stellten die "Delogierungsmaßnahmen" keinen vor dem unabhängigen Verwaltungssenat bekämpfbaren Akt der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt iSd §67a Abs1 Z2 AVG dar.

2.2.2. Die beschwerdeführenden Parteien vertreten in ihrer Beschwerde demgegenüber die Auffassung, dass ihnen der unabhängige Verwaltungssenat zu Unrecht die Beschwerdelegitimation aberkannt habe. Sie seien nämlich sehr wohl von der Rechtsordnung mit durchsetzbaren subjektiv-öffentlichen Rechten ausgestattet: Gemäß §29 Abs1 erster Satz PVG seien nämlich den Organen der Personalvertretung - und somit auch Zentralausschüssen - entsprechende Räumlichkeiten samt Einrichtung bei den Dienststellen zur Verfügung zu stellen. Über die Berechtigung und das Ausmaß dieser Ansprüche habe §29 Abs3 PVG zu Folge der Leiter der Dienststelle, bei der die Personalvertretung eingerichtet ist, zu entscheiden und dabei das AVG anzuwenden. Dieses aus der genannten Bestimmung des §29 Abs1 erster Satz PVG erfließende Recht sei weder der Gesamtheit der von einem Zentralausschuss vertretenen Bediensteten noch einzelnen Personalvertretern eingeräumt, sondern ausdrücklich den Organen der Personalvertretung, wozu gemäß §3 Abs1 litd PVG auch der Zentralausschuss zähle. Der Landeshauptmann von Kärnten als Leiter des Amtes der Kärntner Landesregierung wäre daher verpflichtet gewesen, nach Abführung eines den Grundsätzen der Allgemeinen Verwaltungverfahrensgesetze entsprechenden Ermittlungsverfahrens mit Bescheid über die Berechtigung und das Ausmaß des Anspruches der beschwerdeführenden Parteien auf die Benützung der Räumlichkeiten, welche bis dato zur Verfügung gestanden seien, zu entscheiden. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde sei demnach der Dienststellenleiter als Verwaltungsorgan dazu berufen, in Ausübung von Hoheitsgewalt über den in Rede stehenden Anspruch zu entscheiden; eine solche Entscheidung sei daher kein Akt der Privatwirtschaftsverwaltung. Ein entgegen den einschlägigen Bestimmungen des PVG und des AVG gesetzter verfahrensfreier Verwaltungsakt stelle einen Akt unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt dar, der im Rechtsschutzsystem des B-VG nur mit Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat bekämpft werden könne.

2.2.3. Die beschwerdeführenden Parteien sind mit dieser Auffassung im Ergebnis im Recht:

2.2.3.1. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10.374/1985, 11.405/1987, 13.280/1992).

2.2.3.2. Gemäß §29 Abs1 PVG kommt dem kraft §3 Abs1 litd leg. cit. als Organ der Personalvertretung eingerichteten Zentralausschuss ein Rechtsanspruch ua. auf Zurverfügungstellung entsprechender Räumlichkeiten samt Einrichtungen zu. Der Zentralausschuss ist daher insoweit (Rechts-)Person iSd §67a Abs1 Z2 AVG. Demnach ist es rechtswidrig, wenn der Unabhängige Verwaltungssenat für Kärnten im bekämpften Bescheid den Standpunkt einnahm, dass die beschwerdeführenden Parteien keine "Personen [sind], deren subjektive Rechte durch die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt verletzt werden können".

Zu Folge §29 Abs3 PVG ist über die Berechtigung und das Ausmaß von Ansprüchen gemäß Abs1 leg. cit. (das ist ua. die Zurverfügungstellung von entsprechenden Räumlichkeiten samt Einrichtungen) durch Bescheid zu entscheiden. Demnach ist aber die Entscheidung über diese Ansprüche des Zentralausschusses der Hoheitsverwaltung zugeordnet. Vor diesem Hintergrund ist es rechtswidrig, wenn der Unabhängige Verwaltungssenat für Kärnten die bei ihm bekämpfte, derartige Ansprüche betreffende Maßnahme des Landeshauptmannes als "kein hoheitliches Handeln" qualifiziert.

Aus diesen Gründen hätte der Unabhängige Verwaltungssenat für Kärnten in der Sache entscheiden müssen.

2.2.4. Die beschwerdeführenden Parteien wurden sohin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

Der Beschwerde war daher stattzugeben und der bekämpfte Bescheid aufzuheben.

3. Der Kostenzuspruch gründet auf §88 VfGG; in den zugesprochenen Kosten sind EUR 180,00 Eingabengebühr sowie EUR 359,70 USt enthalten.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, Hoheitsverwaltung, Personalvertretung, Rechte subjektive öffentliche, Unabhängiger Verwaltungssenat, Schulen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:B586.2002

Dokumentnummer

JFT_09968997_02B00586_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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