TE Vwgh Erkenntnis 2008/9/25 2008/07/0118

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Veröffentlicht am 25.09.2008
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwRallg;
WRG 1959 §117 Abs1;
WRG 1959 §117 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Beck, Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des A V in L, vertreten durch Dr. Anton Ullmann und Mag. Manuela Reichl, Rechtsanwälte GmbH in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 20, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 14. Mai 2008, Zl. UW.4.1.6/0328-I/5/2007, betreffend Zurückweisung eines Entschädigungsantrages nach § 111 Abs. 4 letzter Satz WRG 1959 (mitbeteiligte Partei: Gemeinde L), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1211,20 binnen zwei Wochen zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich (LH) vom 20. September 2000 wurde der mitbeteiligten Gemeinde die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb der Abwasserbeseitigungsanlage L, Erweiterung 2000, und von Kanalisationsanlagen samt Nebenanlagen mit Ableitung der Abwässer in die Anlagen des Reinhaltungsverbandes M - H erteilt. Weiters wurde festgestellt, dass gemäß § 111 Abs. 4 WRG 1959 die Dienstbarkeit der Errichtung und des Betriebes und im erforderlichen Ausmaß der Wartung und Erhaltung zu Lasten der berührten Grundstücke als eingeräumt anzusehen sei.

Mit Bescheid des LH vom 22. Dezember 2005 wurde im Spruchteil II festgestellt, dass die ausgeführten Anlagen der mitbeteiligten Gemeinde mit der erteilten Bewilligung im Wesentlichen übereinstimmten. Weiters wurde aufgetragen, bestimmte Mängel bis 30. Juni 2006 zu beseitigen. Die bei der Überprüfung festgestellten und im Gutachten des Sachverständigen für Abwassertechnik beschriebenen geringfügigen Abweichungen vom bewilligten Projekt wurden nachträglich wasserrechtlich genehmigt.

Im Spruchteil III wurde unter Bezugnahme auf die §§ 72 und 111 Abs. 4 WRG 1959 festgestellt, dass mit dem Eintritt der Rechtskraft dieses Bescheides die Dienstbarkeit der Errichtung und des Betriebes und im erforderlichen Ausmaß der Wartung der in den Spruchabschnitten I und II dieses Bescheides bewilligten bzw. nachträglich in abgeänderter Form wasserrechtlich bewilligten Wasserbenutzungsanlagen zugunsten der Inhaberin dieser Bewilligung und zu Lasten der bei bewilligungsgemäßer Ausführung berührten Grundstücke im Sinne der Bestimmung des § 63 lit. b WRG 1959 als eingeräumt anzusehen sei.

Mit Schriftsatz vom 21. Februar 2006 beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung einer Entschädigung gemäß § 117 WRG 1959. Eine solche Entschädigung stehe ihm für die Schachthäufung (auf einem bestimmten Grundstück), und für die Servitutseinräumungen für die verlegten Kanalschächte, den Nutzwasserbrunnen und die Pumpstation (ebenfalls auf näher bezeichneten Grundstücken) zu.

Mit Bescheid des LH vom 14. Juni 2007 wurde dieser Antrag als unzulässig zurückgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass es auf Grund von Erhebungen als erwiesen anzusehen sei, dass die Anlagen (auf die sich der Antrag des Beschwerdeführers beziehe) nicht nur baulich bis Ende 2003 fertig gestellt, sondern in diesem Zeitrahmen auch in Betrieb genommen worden seien, sodass von einer Fertigstellung im Sinne der Bestimmungen des § 111 Abs. 4 WRG 1959 spätestens Ende des Jahres 2003 auszugehen sei. Weiters wurde darauf hingewiesen, dass bei der Festlegung der Frist im § 111 Abs. 4 WRG 1959 nur der Begriff "Fertigstellung", nicht "projektsgemäße Fertigstellung" angeführt sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Sie stellte fest, es stehe außer Streit, dass auf Grundstücken des Beschwerdeführers im Zuge der Bauerrichtung der gegenständlichen Kanalisationsanlagen Grundflächen in einem unerheblichen Ausmaß in Anspruch genommen worden seien. Somit sei die Anwendung des § 111 Abs. 4 WRG 1959 rechtens gewesen. Nach § 111 Abs. 4 WRG 1959 könnten allfällige Entschädigungsansprüche aus diesem Grunde in Ermangelung einer Übereinkunft binnen Jahresfrist nach Fertigstellung der Anlage geltend gemacht werden.

Durch den Hinweis im § 111 Abs. 4 WRG 1959 auf die Gesetzesstelle des § 117 WRG 1959 sei klargestellt, dass ein Anspruch auf Entschädigung für die Dienstbarkeitseinräumung als Entschädigungsanspruch nach § 117 Abs. 1 WRG 1959 zu gelten habe. Im gegenständlichen Berufungsverfahren sei somit zu prüfen, ob der Entschädigungsantrag vom 15. November 2005 fristgemäß gestellt worden sei. Die Rechtzeitigkeit stelle auf die Jahresfrist ab tatsächlicher Fertigstellung des relevanten Bauabschnittes ab. Um als rechtzeitig zu gelten, müsste somit die Anlage spätestens am 15. November 2004 fertig gestellt worden sein.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 112 Abs. 6 WRG 1959 sei unter der Fertigstellung einer Anlage nicht die Errichtung oder Inbetriebnahme der Anlage insgesamt, sondern bereits die Anzeige der Bauvollendung jedes wesentlichen Anlagenteiles (z.B. Erweiterungsbauten) im Sinne des § 112 Abs. 6 WRG 1959 zu verstehen. Unter Fertigstellung einer Anlage sei nicht die bloß faktische Herstellung der technischen Anschlussmöglichkeit oder der tatsächliche Anschluss des anschlusspflichtigen Gebäudes zu verstehen, sondern es sei der Zeitpunkt maßgebend, an den § 112 Abs. 6 WRG 1959 die Berechtigung zur Betriebsaufnahme knüpfe (Bauvollendungsanzeige, positive Erledigung eines allfälligen Überprüfungsverfahrens nach § 121 WRG 1959). Im Übrigen sei die Anzeige über eine Bauvollendung nicht an eine Frist gebunden; eine spätere Anzeige würde also die Tatsache der fristgerechten Bauvollendung nicht berühren.

Aus dem Schreiben des Bauamtsleiters vom 16. Dezember 2003 an die Wasserrechtsbehörde gehe hervor, dass die Stränge und Pumpwerke im Bereich des Niedertrumersees baulich spätestens bis Ende 2003 fertig gestellt worden und auch in Betrieb gegangen seien, wobei die Kanalisationsanlage ohne Pumpwerke mit 1. Juli 2003 und die Pumpen am 9. Oktober 2003 in Betrieb genommen worden seien. Die Tatsache, dass der Kanal mit 1. Juli 2003 in Betrieb gegangen sei, sei von der mitbeteiligten Gemeinde durch einen Anschlag am Sanitärgebäude im Hüttendorf R., dessen Eigentümer der Beschwerdeführers sei, kundgemacht worden.

Das oben angeführte Schreiben vom 16. Dezember 2003 sei als Anzeige der Fertigstellung bezüglich der Kanalisationsanlagen im Seenbereich im Sinne des § 112 Abs. 6 WRG 1959 anzusehen. Nicht die Errichtung oder die Inbetriebnahme der Anlage insgesamt sei entscheidend für den Fertigstellungszeitpunkt, sondern die Anzeige der Bauvollendung von wesentlichen Anlagenteilen. Daraus folge, dass nicht der Überprüfungsbescheid im Sinne des § 121 WRG 1959 als maßgebender Zeitpunkt in Frage komme, da dieser sich im Regelfall auf das gesamte Projekt beziehe. Der diesbezügliche Einwand des Beschwerdeführers gehe somit ins Leere.

Die Wasserrechtsbehörde der I. Instanz sei daher zu Recht davon ausgegangen, dass das Begehren des Entschädigungsbetrages durch den nunmehrigen Beschwerdeführer vom 15. November 2005 nicht rechtzeitig, d.h. binnen Jahresfrist ab Fertigstellung der berufungsrelevanten Anlagenteile, gestellt worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein und ersuchte die Verfahrensparteien unter Hinweis auf die zu § 117 Abs. 4 WRG 1959 ergangene Judikatur zur Frage der Zuständigkeit der belangten Behörde Stellung zu nehmen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Die mitbeteiligte Partei hat sich am Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des WRG 1959 haben folgenden Wortlaut:

"§ 111. ...

(4) Hat sich im Verfahren ergeben, dass die bewilligte Anlage fremden Grund in einem für den Betroffenen unerheblichen Ausmaß in Anspruch nimmt, und ist weder vom Grundeigentümer eine Einwendung erhoben noch von diesem oder vom Bewilligungswerber ein Antrag auf ausdrückliche Einräumung einer Dienstbarkeit nach § 63 lit. b gestellt noch eine ausdrückliche Vereinbarung über die Einräumung einer solchen getroffen worden, so ist mit der Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung die erforderliche Dienstbarkeit im Sinne des § 63 lit. b als eingeräumt anzusehen. Allfällige Entschädigungsansprüche aus diesem Grunde können in Ermangelung einer Übereinkunft binnen Jahresfrist nach Fertigstellung der Anlage geltend gemacht werden (§ 117).

§ 117. (1) Über die Pflicht zur Leistung von Entschädigungen, Ersätzen, Beiträgen und Kosten, die entweder in diesem Bundesgesetz oder in den für die Pflege und Abwehr bestimmter Gewässer geltenden Sondervorschriften vorgesehen sind, entscheidet, sofern dieses Bundesgesetz (§ 26) oder die betreffende Sondervorschrift nichts anderes bestimmt, die Wasserrechtsbehörde. In der Entscheidung ist auszusprechen, ob, in welcher Form (Sach- oder Geldleistung), auf welche Art, in welcher Höhe und innerhalb welcher Frist die Leistung zu erbringen ist. Gebotenenfalls können auch wiederkehrende Leistungen und die Sicherstellung künftiger Leistungen vorgesehen sowie die Nachprüfung und anderweitige Festlegung nach bestimmten Zeiträumen vorbehalten werden.

...

(4) Gegen Entscheidungen der Wasserrechtsbehörde nach Abs. 1 ist eine Berufung nicht zulässig. Die Entscheidung tritt außer Kraft, soweit vor Ablauf von zwei Monaten nach Zustellung des Bescheides die gerichtliche Entscheidung beantragt wird. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung kann ohne Zustimmung des Antragsgegners nicht zurückgenommen werden. Bei Zurücknahme des Antrages gilt mangels anderweitiger Vereinbarungen die wasserrechtsbehördlich festgelegte Leistung als vereinbart. Hat nur der durch die Einräumung eines Zwangsrechtes Begünstigte das Gericht angerufen, so darf das Gericht die Entschädigung nicht höher festsetzen, als sie im Bescheid der Verwaltungsbehörde festgesetzt war; hat nur der Enteignete das Gericht angerufen, so darf es die Entschädigung nicht niedriger festsetzen. Dies gilt sinngemäß für die Festsetzung von Ersätzen, Beiträgen und Kosten."

Unstrittig handelt es sich beim Begehren des Beschwerdeführers um die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruches für die Einräumung der sogenannten "kleinen Dienstbarkeit" nach § 111 Abs. 4 WRG 1959. Der letzte Satz dieses Absatzes verweist in Bezug auf die Entschädigungsansprüche auf § 117 WRG 1959.

Mit dem Bescheid erster Instanz vom 14. Juli 2007 wurde dieser Entschädigungsantrag nach § 111 Abs. 4 WRG 1959 in Verbindung mit § 117 Abs. 4 leg. cit. als unzulässig zurückgewiesen; dies deshalb, weil der Antrag nicht innerhalb der Frist des § 111 Abs. 4 WRG 1959 gestellt worden sei.

In der Zurückweisung des Entschädigungsantrages durch die Behörde erster Instanz liegt eine Entscheidung nach § 117 Abs. 1 WRG 1959. Auch Bescheide, mit denen Entschädigungsansprüche aus formellen Gründen zurückgewiesen werden, stellen Entscheidungen über Entschädigungsansprüche dar (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 1997, 97/07/0082, und den hg. Beschluss vom 16. Februar 1994, 93/03/0308; vgl dazu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Oktober 2002, VfSlg 16.648).

Gegen den Bescheid des LH vom 14. Juni 2007, der eine (formelle) Entscheidung über die Pflicht zur Leistung einer Entschädigung enthielt, war daher nach § 117 Abs. 4 erster Satz WRG 1959 eine Berufung unzulässig. Die Berufung des Beschwerdeführers wäre daher zurückzuweisen gewesen.

Dadurch, dass die belangte Behörde inhaltlich über diese Berufung entschieden hat, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. April 1993, 92/07/0217, u.a.). Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. I Nr. 333/2003.

Wien, am 25. September 2008

Schlagworte

Voraussetzungen des Berufungsrechtes DiversesInhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)Besondere RechtsgebieteOrganisationsrecht Justiz - Verwaltung Verweisung auf den Zivilrechtsweg VwRallg5/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008070118.X00

Im RIS seit

20.10.2008

Zuletzt aktualisiert am

01.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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