TE Vwgh Erkenntnis 2008/10/9 2005/11/0149

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Veröffentlicht am 09.10.2008
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Index

L94059 Ärztekammer Wien;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal;

Norm

ÄrzteG 1998 §109;
ÄrzteG 1998 §111;
ÄrzteG 1998 §112;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Wr 2000 idF doktorinwien 11/2004 §10 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der Dr. S in W, vertreten durch KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in 1220 Wien, Wagramer Straße 19, gegen den Bescheid des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch Dr. Friedrich Spitzauer und Dr. Georg Backhausen, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Stock-im-Eisen-Platz 3, vertretenen Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 1. Juni 2005, Zl. B 150/05, betreffend Nachlass von Fondsbeiträgen, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Ärztekammer für Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. In dem am 12. Jänner 2005 beim Verwaltungsausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien (Wohlfahrtsfonds) eingelangten Schreiben beantragte die Beschwerdeführerin, eine angestellte Ärztin, Folgendes:

"Ich berufe mich auf § 10 Abs. 3 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien und ersuche, meinen Fall dem Verwaltungsausschuss vorzulegen und mich von der Beitragspflicht zum Wohlfahrtsfonds zu befreien.

Als Alleinerzieherin und Mutter von vier Kindern ist es mir bei der geringen Höhe meines Einkommens unmöglich, der Beitragspflicht nachzukommen.

Als Beweis lege ich meine Gehaltsbestätigung bei."

2. Mit Bescheid des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 12. April 2005 wurde daraufhin "das Ansuchen um Erlass der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien" abgewiesen.

Begründend führte die erstinstanzliche Behörde im Wesentlichen aus, dass die Beschwerdeführerin seit 1. Oktober 2004 ordentliches Fondsmitglied des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien sei, zuvor ein Jahr freiwilliges Fondsmitglied gewesen sei und ihr für diesen Zeitraum die Fondsbeiträge erlassen worden seien. Beitragsrückstände bestünden nicht. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin rechtfertige nach Auffassung der erstinstanzlichen Behörde keinen Erlass künftiger Fondsbeiträge, weil die Festsetzung der Bemessungsgrundlage ohnehin das tatsächliche Einkommen berücksichtige, ausschließlich von dessen Höhe abhänge und somit alle Fondsmitglieder in gleicher Weise belaste. Die Gewährung "eines Erlasses" künftiger Fondsbeiträge allein auf Grund eines niedrigeren ärztlichen Einkommens würde dem Gleichbehandlungsgrundsatz klar widersprechen.

3. In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung (Beschwerde) rügt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen, dass die von ihr geltend gemachten besonderen Umstände nicht berücksichtigt worden seien. Das tatsächliche Einkommen der Beschwerdeführerin, die gegenüber vier Kindern unterhaltspflichtig sei, liege weit unterhalb der Pfändungsfreigrenze. Sie erwirtschafte also lediglich ein Einkommen unterhalb des Existenzminimums, was einen besonderen Umstand darstelle, der eine Abweichung von der allgemeinen Beitragspflicht erfordere, was durch § 10 Abs. 3 der Satzung ermöglicht werde.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab und bestätigte den Bescheid des Verwaltungsausschusses vom 12. April 2005. Nach einer gerafften Wiedergabe des Verfahrensganges führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe unter ausdrücklicher Berufung auf § 10 Abs. 3 der Satzung eine Befreiung von der Beitragspflicht beantragt. Die berufene Bestimmung könne jedoch nicht Grundlage für eine (tatsächlich in § 7 der Satzung geregelte) Befreiung von der Beitragspflicht sein, regle sie doch vielmehr die Ermäßigung bzw. Erlassung des Fondsbeitrags. Im Übrigen ergebe sich aus dem Wortlaut des § 10 Abs. 3 der Satzung, dass die Anwendbarkeit dieser Bestimmung das Vorliegen einer (rechtskräftigen) Beitragsvorschreibung voraussetze, denn ein nicht existierender Fondsbeitrag könne weder ermäßigt noch zur Gänze erlassen werden. Da aber gar keine Beitragsrückstände bestünden, sei der Antrag abzuweisen gewesen.

5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragt darin die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Die Beschwerdeführerin hat eine Stellungnahme zur Gegenschrift erstattet.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1.1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Ärztegesetzes 1998, BGBl. I Nr. 169/1998 in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 179/2004 (ÄrzteG 1998), lauten:

"Ermäßigung der Fondsbeiträge

§ 111. Die Satzung kann bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände auf Antrag des Kammerangehörigen oder des Pensionsleistungsempfängers (§ 109 Abs. 8) nach Billigkeit eine Ermäßigung oder in Härtefällen den Nachlass der Wohlfahrtsfonds- oder Pensionssicherungsbeiträge vorsehen.

Befreiung von der Beitragspflicht

§ 112. (1) Erbringt ein ordentlicher Kammerangehöriger den Nachweis darüber, dass ihm und seinen Hinterbliebenen ein gleichwertiger Anspruch auf Ruhe(Versorgungs)genuss auf Grund eines unkündbaren Dienstverhältnisses zu einer Gebietskörperschaft oder einer sonstigen öffentlich-rechtlichen Körperschaft nach einem Gesetz oder den Pensionsvorschriften einer Dienstordnung gegenüber einer solchen Körperschaft zusteht, wie dieser gegenüber dem Wohlfahrtsfonds besteht, ist er auf Antrag nach Maßgabe des Antragsbegehrens und der folgenden Bestimmungen von der Verpflichtung nach § 109 zu befreien. Übt der Antragsteller keine ärztliche Tätigkeit im Sinne des § 45 Abs. 2 aus, kann die Satzung vorsehen, dass die Beitragspflicht zur Todesfallbeihilfe und zu den Unterstützungsleistungen bestehen bleibt. Übt der Antragsteller eine ärztliche Tätigkeit im Sinne des § 45 Abs. 2 aus, bleibt jedenfalls die Beitragspflicht zur Grundleistung bestehen. Die Satzung kann vorsehen, dass die Beitragspflicht darüber hinaus auch für die Ergänzungsleistungen, die Todesfallbeihilfe und die Unterstützungsleistungen bestehen bleibt.

..."

1.2. § 10 der Satzung in der Fassung der von der Vollversammlung der Ärztekammer für Wien in ihrer Sitzung vom 15. Juni 2004 beschlossenen und mit Wirkung vom 1. Juli 2004 in Kraft getretenen Satzungsänderung (kundgemacht in doktorinwien 11/2004) lautet (auszugsweise):

"3. ABSCHNITT

...

Ermäßigung und Nachlass des Fondsbeitrages

§ 10. ...

(2) Der Verwaltungsausschuss kann auf Antrag für die Dauer

a)

des Präsenzdienstes,

b)

des Zivildienstes,

c)

des Karenzurlaubes nach den Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes oder des Väter-Karenzgesetzes,

d)

des Karenzurlaubes nach dienstrechtlichen Vorschriften,

e)

im Falle einer über 30 Tage währenden Berufsunfähigkeit,

den Fondsbeitrag ermäßigen oder zur Gänze erlassen.

Erlässe im Sinne dieses Absatzes werden mit jenem Monat wirksam, in dem der jeweilige Ereignisfall eingetreten ist, sofern sich aus dem Antrag nichts anderes ergibt. ...

...

(3) Der Verwaltungsausschuss kann ferner bei Vorliegen sonstiger berücksichtigungswürdiger Umstände über Antrag des Fondsmitgliedes den Fondsbeitrag ermäßigen oder zur Gänze erlassen.

..."

2.1. Zunächst ist festzuhalten, dass im Beschwerdeverfahren nicht mehr strittig ist, dass die Beschwerdeführerin ungeachtet der Wendung "Befreiung" in ihrem Antrag vom 12. Jänner 2005 nicht einen Befreiungsantrag nach § 7 der Satzung, sondern einen Antrag im Sinne des § 10 der Satzung ("Ermäßigung und Nachlass der Fondsbeiträge") gestellt hat.

2.2. Voranzustellen ist, dass die Auffassung nicht tragfähig ist, bei der Vorschreibung der Fondsbeiträge würde - schon wegen der Anknüpfung an das Einkommen - ohnehin eine allenfalls gegebene Geringfügigkeit des Einkommens aus ärztlicher Tätigkeit berücksichtigt. Dass damit noch nicht das Nichtvorliegen von besonders berücksichtigungswürdigen Gründen im Sinne des § 10 Abs. 3 der Satzung dargetan ist, weil ansonsten diese Satzungsbestimmung keinen Anwendungsfall hätte, hat der Verwaltungsgerichtshof schon im Erkenntnis vom 29. Jänner 2008, Zl. 2005/11/0147, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, dargelegt.

2.3. Für die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, eine Ermäßigung oder ein Nachlass der Fondsbeiträge im Sinne des § 10 Abs. 3 der Satzung setze eine rechtkräftige Beitragsvorschreibung voraus, bieten weder das Gesetz noch die Satzung eine Grundlage. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde kann weder aus dem Wortlaut des § 111 ÄrzteG 1998 noch aus dem des § 10 Abs. 3 der Satzung abgeleitet werden, dass die Ermäßigung bzw. die Erlassung des Fondsbeitrags die vorangegangene (rechtskräftige) Festsetzung des Fondsbeitrags voraussetzen würde. Eine solche Auslegung verbietet sich vielmehr schon deshalb, weil es zu einer der Verfahrensökonomie abträglichen Zweigleisigkeit des Verfahrens zur Festsetzung der Fondsbeiträge führen würde, wenn über einen bereits gestellten Antrag auf Ermäßigung bzw. Erlassung erst nach einer - ohne Berücksichtigung dieses Antrages erfolgten - Beitragsfestsetzung entschieden werden könnte.

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde setzt also die Entscheidung über einen Ermäßigungs- bzw. Nachlassantrag im Sinne des § 10 der Satzung nicht voraus, dass der Fondsbeitrag schon rechtskräftig festgesetzt wurde und Beitragsrückstände bestehen; vielmehr kann schon vor Festsetzung des Fondsbeitrags, wird ein Antrag im Sinne des § 10 Abs. 3 der Satzung gestellt, darüber entschieden und ein sich - ausgehend von Bemessungsgrundlage und Beitragssatz - ergebener Fondsbeitrag ermäßigt oder erlassen werden.

3. Indem die belangte Behörde, ausgehend von ihrer gegenteiligen Auffassung, auf die von der Beschwerdeführerin für ihren Antrag geltend gemachten Gründe nicht eingegangen ist, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.

Er war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung einer von der Beschwerdeführerin beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 9. Oktober 2008

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2005110149.X00

Im RIS seit

31.10.2008

Zuletzt aktualisiert am

26.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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