TE Vwgh Erkenntnis 2008/10/14 2008/22/0550

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Veröffentlicht am 14.10.2008
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §2 Abs2;
AVG §48;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z8;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2008/22/0551

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerden 1. des MM, geboren am 12. April 1971, und 2. des CP, geboren am 19. Juni 1977, beide vertreten durch Mag. Erich Rebasso, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 3, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 19. Oktober 2005, Zlen. Fr 1388/05 (ad 1.) und Fr 1387/05 (ad 2.), jeweils betreffend ein befristetes Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden erließ die belangte Behörde gegen die Beschwerdeführer, rumänische Staatsangehörige, jeweils gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z 8 des (bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot. Diese Maßnahmen begründete sie im Wesentlichen gleichlautend damit, dass die Beschwerdeführer am 1. Juni 2005 an einer näher genannten Baustelle bei Bauarbeiten angetroffen worden seien und eine Beschäftigung ausgeübt hätten, ohne im Besitz einer fremden- oder arbeitsmarktrechtlichen Bewilligung zu sein. Die Beschwerdeführer hätten die Arbeiten über Auftrag des Lebensgefährten der Hauseigentümerin, Tudorel A, durchgeführt und seien "zur Verrichtung der Arbeiten angehalten" worden. Somit seien die Beschwerdeführer in dieser Zeit vom Arbeitgeber persönlich und wirtschaftlich abhängig gewesen. Die Beschwerdeführer hätten entgeltwerte Gegenleistungen in Form einer kostenlosen Unterkunft und Verpflegung einschließlich eines Taschengeldes erhalten. Sie hätten sich ihr Einkommen durch die illegale Beschäftigung aufbessern wollen.

In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde, dass diese Tätigkeit als Verwendung in einem Arbeitsverhältnis zu qualifizieren sei (§ 2 Abs. 2 lit. a Ausländerbeschäftigungsgesetz - AuslBG) und kein bewilligungsfreier "Gefälligkeitsdienst" vorliege. Somit sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 8 FrG verwirklicht und wegen des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von "Schwarzarbeit" die in § 36 Abs. 1 FrG normierte Annahme gerechtfertigt.

Letztlich beurteilte die belangte Behörde das Aufenthaltsverbot als zulässig nach § 37 FrG und sah sich im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens außer Stande, dieses zu Gunsten der Beschwerdeführer auszuüben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und über sie nach Aktenvorlage seitens der belangten Behörde erwogen:

In der Berufung gegen die erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotsbescheide haben die Beschwerdeführer im Wesentlichen vorgebracht, dass der Erstbeschwerdeführer der Schwager des Tudorel A gewesen sei und die Beschwerdeführer von diesem zu einem Urlaub in Österreich eingeladen worden seien. Sie hätten dann freiwillig bei Bauarbeiten (Einbau einer Sauna) geholfen. Die Bereitstellung von Kost und Unterkunft hätte ihre Grundlage nicht im Tätigwerden der Beschwerdeführer, sondern in der von Tudorel A unabhängig davon ausgesprochenen Einladung gehabt. Zum Beweis dieses Vorbringens beantragten die Beschwerdeführer die Vernehmung des Tudorel A und seiner Lebensgefährtin.

In den Beschwerden wird zutreffend darauf hingewiesen, dass die belangte Behörde durch die Unterlassung der Vernehmung dieser Zeugen Verfahrensvorschriften in relevanter Weise verletzt hat. Die begründungslose Unterlassung der Vernehmung eines Zeugen stellt einen relevanten Verfahrensmangel dar, es sei denn, dass die Zeugenaussage von vornherein nicht geeignet wäre, zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. November 2006, Zl. 2003/21/0065). Es kann nicht gesagt werden, dass das beantragte Beweismittel von vornherein ungeeignet wäre, zu den von den Beschwerdeführern begehrten Feststellungen zu führen. Das angegebene Beweisthema ist relevant, wäre doch bei einem bloßen "Gefälligkeitsdienst" (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 2007, 2004/21/0203) der von der belangten Behörde herangezogene Aufenthaltsverbotstatbestand nicht verwirklicht.

Die belangte Behörde zitierte zwar die Aussage des Tudorel A aus einer gegen ihn erstatteten - im Verwaltungsakt nicht erliegenden - Anzeige des Gendarmeriepostens K wegen Übertretung nach § 3 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a AuslBG und bezog diese in ihre - für sich genommen keineswegs unschlüssige - Beweiswürdigung ein. Bei widersprechenden Beweisergebnissen darf jedoch von einer förmlichen Vernehmung nach den §§ 48 ff AVG nicht Abstand genommen werden (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 48, Rz 11 ff mit Nachweisen aus der hg. Rechtsprechung).

Wegen des aufgezeigten relevanten Verfahrensmangels waren die Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003; ein in den Beschwerden unterlaufener Additionsfehler war dabei zu berichtigen.

Wien, am 14. Oktober 2008

Schlagworte

Verfahrensbestimmungen Beweiswürdigung Antrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008220550.X00

Im RIS seit

10.11.2008

Zuletzt aktualisiert am

27.02.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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