TE Vwgh Erkenntnis 2008/10/16 2007/09/0137

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Veröffentlicht am 16.10.2008
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
24/01 Strafgesetzbuch;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
BDG 1979 §125a Abs2;
BDG 1979 §125a Abs3;
BDG 1979 §43 Abs2;
BDG 1979 §92 Abs1 Z4;
BDG 1979 §93 Abs1;
BDG 1979 §95 Abs1;
BDG 1979 §95 Abs2;
BDG 1979 §95 Abs3;
B-VG Art130 Abs2;
StGB §207a;
StGB §32;
StGB §33;
StGB §34;
StGB §35;
VStG §3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde des G T in Z, vertreten durch Dr. Andreas Löw, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Neubaugasse 71, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 19. Jänner 2007, Zl. 102, 103/11-DOK/06, betreffend Disziplinarstrafe der Entlassung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er den Schuldspruch betreffend die im Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen vom 4. Oktober 2006 umschriebene Dienstpflichtverletzung und die Disziplinarstrafe der Entlassung bestätigt, hinsichtlich des Strafausspruches wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im Übrigen (Bestätigung des Schuldspruches) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Jahre 1964 geborene Beschwerdeführer stand im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides als Fachinspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und war zuletzt im Schalterdienst bei einer Betriebsstelle der österreichischen Post AG in Verwendung.

Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes Krems vom 3. Juli 2007 wurde der Beschwerdeführer des Vergehens der pornographischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs. 3 dritter und vierter Fall StGB und nach § 207a Abs. 1 Z. 3 fünfter Fall StGB schuldig erkannt und - unter Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB - zu einer gemäß § 43 Abs. 1 StGB auf drei Jahre bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten verurteilt.

Nach dem Schuldspruch dieses rechtskräftigen Strafurteiles wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe sich

"seit zumindest März 2004 bis April 2006

1. pornographische Darstellungen mit Unmündigen verschafft und solche besessen, indem er eine Vielzahl derartiger Dateien über Internet bezog und auf seiner Festplatte abspeicherte;

2. bildliche Darstellungen geschlechtlicher Handlungen an unmündigen Personen sowie unmündiger Personen an sich selbst und an anderen Personen, unbekannten Computernutzern zugänglich gemacht, indem er einige der unter Punkt 1.) genannten Dateien Internetbenutzern zum Herunterladen zur Verfügung stellte."

In dem sachgleichen, dieselbe Vorgangsweise des Beschwerdeführers betreffenden Disziplinarverfahren erkannte die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen den Beschwerdeführer nach durchgeführter mündlicher Verhandlung mit Disziplinarerkenntnis vom 4. Oktober 2006 für schuldig, er habe - über seine strafgerichtliche Verantwortlichkeit hinaus - gegen die Pflicht des Beamten, in seinem gesamten Verhalten darauf zu achten, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt (§ 43 Abs. 2 BDG 1979), verstoßen und sich dadurch einer Dienstpflichtverletzung iSd § 91 BDG 1979 schuldig gemacht. Wegen dieser Dienstpflichtverletzung wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 92 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt.

Mit Beschluss der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen vom gleichen Datum wurde der Beschwerdeführer gemäß § 112 Abs. 3 BDG 1979 vom Dienst suspendiert und gemäß § 112 Abs. 4 BDG 1979 die Kürzung des Monatsbezuges - unter Ausschluss der Haushaltszulage - auf zwei Drittel verfügt.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Disziplinarerkenntnis vom 19. Jänner 2007 hat die belangte Behörde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung den Berufungen des Beschwerdeführers gegen das Disziplinarerkenntnis und den Suspendierungsbeschluss der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen keine Folge gegeben und die erstinstanzlichen Bescheide bestätigt.

In der Begründung stützte die belangte Behörde diese Entscheidung - im Anschluss an eine zusammenfassende Wiedergabe des Verfahrensganges, der erstinstanzlichen Bescheide (worin auch ausgeführt wird, dass sich der Beschwerdeführer seit 1. Dezember 2004 wegen einer reaktiven Depression im Krankenstand befinde und auf Grund seines Antrages auf Versetzung in den Ruhestand gemäß § 14 BDG 1979 ein Ruhestandsversetzungsverfahren eingeleitet, aber noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sei) und der Berufungen sowie Darlegung der von ihr als im vorliegenden Fall relevant erachteten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auf folgende Erwägungen:

Soweit der Beschwerdeführer (der sich in den Berufungen unter anderem auf einen Befund eines Facharztes für Psychiatrie/Neurologie vom 30. August 2006 berief, wonach mit seiner Rückkehr in den "aktiven" Dienst nicht mehr zu rechnen sei) auf seine psychische Erkrankung, nämlich die reaktive Depression sowie seine Neigung zu zwanghaftem Sammeln verwiesen und implizit einen minderen Grad der Zurechnungsfähigkeit bzw. jedenfalls einen minderen Grad des Verschuldens hinsichtlich der ihm angelasteten Tathandlungen geltend gemacht habe, hielt ihm die belangte Behörde entgegen, dass die Disziplinarbehörde an den einem rechtskräftigen Strafurteil zugrunde liegenden Sachverhalt gebunden sei. Diese Bindung der Disziplinarbehörde erstrecke sich auch auf die Feststellungen zur subjektiven Tatseite und damit zur Frage eines schuldhaften Fehlverhaltens iSd § 91 BDG 1979. Dies gelte auch für die Frage der Schuldfähigkeit bzw. Verringerung der Zurechnungsfähigkeit und des Grades des Verschuldens des Beschwerdeführers, der entgegen seinen Ausführungen hinsichtlich des ihm angelasteten Sachverhalts wegen des Vergehens nach § 207a StGB vom Strafgericht rechtskräftig verurteilt worden sei, wobei das Strafgericht offensichtlich von der vollen Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers ausgegangen und sein Verhalten deshalb als gerichtlich strafbare Handlung gewertet habe. Es sei daher von einer vollen Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers hinsichtlich des ihm angelasteten Fehlverhaltens auszugehen gewesen, ein minderer Grad des Verschuldens sei ihm nicht zuzubilligen.

Zutreffenderweise sei das Verhalten des Beschuldigten von der erstinstanzlichen Disziplinarkommission als Dienstpflichtverletzung iSd § 43 Abs. 2 BDG 1979 gewertet worden, da das Vergehen nach § 207a StGB in Anbetracht des hohen Stellenwertes, der der körperlichen und sittlichen Integrität Minderjähriger zukommt, jedenfalls geeignet sei, das Vertrauen der Allgemeinheit in die Dienstverrichtung des Beschwerdeführers nachhaltig zu erschüttern. Es sei daher auch von der Notwendigkeit einer zusätzlichen disziplinären Bestrafung des Beschwerdeführers und somit von einem disziplinären Überhang iSd § 95 Abs.1 BDG 1979 auszugehen.

Entgegen der Rechtsmeinung des Beschwerdeführers sei sein Fehlverhalten, nämlich das von ihm begangene Delikt nach § 207a StGB in Ansehung der hohen Bedeutung, die dem Schutz der sexuellen Integrität Minderjähriger zukommt, derart gravierend, dass der konkreten dienstlichen Verwendung des Beschwerdeführers keine Bedeutung zukomme, sondern sein Fehlverhalten bei jedem Beamten als Dienstpflichtverletzung anzusehen sei. Für die Schwere der Dienstpflichtverletzung sei maßgeblich, in welchem objektiven Ausmaß gegen (Standes- oder) Amtspflichten verstoßen oder der Dienstbereich beeinträchtigt werde.

Bei der Art der Verfehlung des Beschwerdeführers könne somit nicht von einem Vergehen minderen Grades gesprochen werden. Das Fehlverhalten des Beschwerdeführers sei objektiv derart schwerwiegend, dass er für eine weitere Verwendung im öffentlichen Dienst untragbar geworden sei.

Die belangte Behörde sei sich durchaus bewusst, dass die Entlassung als schwerste Disziplinarstrafe gegen aktive Bedienstete - im Hinblick auf ihre Auswirkungen - nur dann verhängt werden soll, wenn keine andere Strafart der Schwere der als erwiesen angenommenen Dienstpflichtverletzungen entspricht. Naturgemäß komme ihr, zum Unterschied von anderen Strafmitteln, keine Erziehungsfunktion in Bezug auf die Beschuldigten zu, sie sei vielmehr als Instrument des im Beamten-Dienstrechtsgesetz enthaltenen so genannten "Untragbarkeitsgrundsatzes" zu sehen. Zweck dieser Strafe sei somit, dass sich die Dienstbehörde von einem untragbar gewordenen Bediensteten unter Auflösung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses trennen kann. Hierbei sei auf spezial- oder generalpräventive Erwägungen entgegen der Rechtsmeinung des Beschwerdeführers nicht Bedacht zu nehmen.

Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer mehrmals deliktisch gehandelt habe und daher nicht von einer einmaligen unbedachten Gelegenheitstat ("Augenblickstat") gesprochen werden könne. Auch eine dem Beschwerdeführer allenfalls zuzubilligende positive Zukunftsprognose vermöge den eingetretenen schweren Vertrauensverlust nicht aufzuheben, ebenso wenig ein allfälliges Wohlverhalten seit Begehung der ihm angelasteten Taten. Auch den vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Milderungsgründen zur Strafbemessung komme dabei keine ausschlaggebende Bedeutung mehr zu, ebenso wenig der Möglichkeit einer allfälligen Ruhestandsversetzung des Beschwerdeführers.

Von der in der Berufung gegen den Entlassungsbescheid beantragten mündlichen Verhandlung vor der Disziplinaroberkommission habe gemäß § 125a Abs. 2 bzw. Abs. 3 Z. 5 BDG 1979 abgesehen werden können.

Zur Begründung der Entscheidung über die Berufung gegen die verhängte Suspendierung führte die belangte Behörde weiters aus, dass das dem Beschwerdeführer angelastete Tatverhalten, welches als gravierender Vertrauensbruch iSd § 43 Abs. 2 BDG 1979 zu werten sei, jedenfalls geeignet sei, bei einer Belassung des Beschwerdeführers im Dienst das Ansehen des Dienstes, aber auch wesentliche dienstliche Interessen zu gefährden, da die Beschäftigung eines pädophilen Beamten dem Dienstgeber aber auch der Allgemeinheit nicht zugemutet werden könne. Dem stehe auch nicht die Erkrankung des Beschwerdeführers entgegen, auf Grund der seine Rückkehr in den aktiven Dienst als unwahrscheinlich anzusehen sei; gleiches gelte für den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Wegfall der Wiederholungsgefahr.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, nach Ablehnung durch den Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 27. Juni 2007, B 737/07, für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzte Beschwerde. Darin erachtet sich der Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt, dass "bei Nichtvorliegen einer Dienstpflichtverletzung kein Disziplinarverfahren durchzuführen", "bei Vorliegen der Voraussetzungen, nach § 95 Abs. 1 und 3 BDG 1979 bzw. § 115 BDG 1979 vorzugehen" sowie "lediglich bei Vorliegen der entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen die Disziplinarstrafe der Entlassung zulässig" sei. Der Ausspruch über die Suspendierung wird nicht bekämpft. Der Beschwerdeführer beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des BDG 1979 lauten:

"Allgemeine Dienstpflichten

§ 43. (1) Der Beamte ist verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.

(2) Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

...

Dienstpflichtverletzungen

§ 91. Der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, ist nach diesem ("Disziplinarrecht") zur Verantwortung zu ziehen.

§ 92. (1) Disziplinarstrafen sind

1.

der Verweis,

2.

die Geldbuße bis zur Höhe eines halben Monatsbezuges unter Ausschluss der Kinderzulage,

              3.              die Geldstrafe bis zur Höhe von fünf Monatsbezügen unter Ausschluss der Kinderzulage,

              4.              die Entlassung.

...

Strafbemessung

§ 93. (1) Das Maß für die Höhe der Strafe ist die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist jedoch darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.

...

Zusammentreffen von gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbaren Handlungen und Dienstpflichtverletzungen

§ 95. (1) Wurde der Beamte wegen einer gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt und erschöpft sich die Dienstpflichtverletzung in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes, so ist von der Verfolgung abzusehen, wenn anzunehmen ist, dass die Verhängung einer Disziplinarstrafe nicht erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten.

(2) Disziplinarbehörde ist an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils zu Grunde gelegte Tatsachenfeststellung eines Strafgerichtes (Straferkenntnis eines unabhängigen Verwaltungssenates) gebunden. Sie darf auch nicht eine Tatsache als erwiesen annehmen, die das Gericht (der unabhängige Verwaltungssenat) als nicht erweisbar angenommen hat.

(3) Wird von der Verfolgung nicht abgesehen, dann ist, wenn sich eine strafgerichtliche oder verwaltungsbehördliche Verurteilung auf denselben Sachverhalt bezieht, eine Strafe nur auszusprechen, wenn und soweit dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten.

...

Verhandlung in Abwesenheit des Beschuldigten und Absehen von

der mündlichen Verhandlung

§ 125a. (1) ...

(2) Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinarsenat kann ungeachtet eines Parteienantrages Abstand genommen werden, wenn der Sachverhalt infolge Bindung an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils eines Strafgerichtes oder eines Straferkenntnisses eines unabhängigen Verwaltungssenates zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung hinreichend geklärt ist.

(3) Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der Disziplinaroberkommission kann ungeachtet eines Parteienantrages Abstand genommen werden, wenn

1.

die Berufung zurückzuweisen ist,

2.

die Angelegenheit an die erste Instanz zu verweisen ist,

3.

ausschließlich über eine Berufung gegen die Auferlegung eines Kostenersatzes zu entscheiden ist,

              4.              sich die Berufung ausschließlich gegen die Strafbemessung richtet oder

              5.              der Sachverhalt nach der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt erscheint."

              2.              Im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. November 2007, Zl. 2005/09/0115, wurde von dem in der früheren Judikatur entwickelten "Untragbarkeitsgrundsatz" abgegangen und betont, dass § 93 Abs. 1 erster Satz BDG 1979 die Schwere der Dienstpflichtverletzung als "Maß für die Höhe der Strafe" festlegt. Dieser Maßstab richtet sich nach dem Ausmaß der Schuld im Sinne der "Strafbemessungsschuld" des Strafrechtes. Für die Strafbemessung ist danach sowohl das objektive Gewicht der Tat maßgebend wie auch der Grad des Verschuldens (vgl. die ErläutRV zur Vorgängerbestimmung des § 93 BDG 1979 im BDG 1977, 500 BlgNR 14. GP 83). Das objektive Gewicht der Tat (der "Unrechtsgehalt") wird dabei in jedem konkreten Einzelfall - in Ermangelung eines typisierten Straftatbestandskatalogs im Sinne etwa des StGB - wesentlich durch die objektive Schwere der in jedem Einzelfall konkret festzustellenden Rechtsgutbeeinträchtigung bestimmt. Es ist ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass bei Beurteilung der Schwere einer Dienstpflichtverletzung gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 als gravierend ins Gewicht fällt, wenn ein Beamter durch die ihm vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen gerade jene Werte verletzt, deren Schutz ihm in seiner Stellung oblag (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. November 2001, Zl. 2000/09/0021). An dieser Auffassung hat sich auch durch das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. November 2007, Zl. 2005/09/0115, nichts Grundsätzliches geändert. Hinsichtlich des Grades des Verschuldens ist nach dem gemäß § 93 Abs. 1 dritter Satz BDG 1979 zu berücksichtigenden § 32 StGB darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und inwieweit sie auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen nahe liegen können.

Für die Strafbemessung im engeren Sinn ist weiters zu prüfen, inwieweit eine Disziplinarstrafe erforderlich ist, um den Täter von der weiteren Begehung von Dienstpflichtverletzungen abzuhalten; ferner sind die Erschwerungs- und Milderungsgründe iS der §§ 33 ff StGB zu berücksichtigen, die nicht die Tatbegehungsschuld betreffen, also im Zeitpunkt der Tatausübung noch nicht vorhanden waren, wie etwa die seither verstrichene Zeit, Schadenswiedergutmachung oder das reumütige Geständnis. Wiegt die Dienstpflichtverletzung besonders schwer - insbesondere unter Berücksichtigung des objektiven Unrechtsgehalts der Tat - so kann von der Verhängung einer hohen (der höchsten) Disziplinarstrafe allerdings nur abgesehen werden, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe erheblich überwiegen oder wenn keine spezialpräventiven Gründe die Verhängung einer Strafe in diesem Ausmaß gebieten. Soweit es um eine Entlassung geht, ist die spezialpräventive Erforderlichkeit einer solchen (der disziplinarrechtlichen Tatschuld angemessenen) schweren Disziplinarstrafe nicht erst dann anzunehmen, wenn sich die Aussichten auf ein künftiges Unterbleiben von Dienstpflichtverletzungen - bei Beschränkung auf eine mildere Strafe - in einer vagen Hoffnung erschöpfen, und wird umgekehrt nicht nur bei besonderer Gewähr dafür zu verneinen sein. Abzustellen ist auf einen dazwischen liegenden Maßstab einer begründeten Wahrscheinlichkeit. Dabei ist freilich eine Entlassung schon nach der ersten schweren Dienstpflichtverletzung nicht ausgeschlossen, wenn auf Grund ihrer Eigenart und der Persönlichkeit des Täters die Wahrscheinlichkeit besteht, dass dieser im Falle einer geringeren Sanktion weitere Dienstpflichtverletzungen begehen werde.

Ist nach einer gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verurteilung ein Schuldspruch zu fällen, ist gemäß § 95 Abs. 3 BDG 1979 zu prüfen, ob und inwieweit es - zusätzlich zu den vom Gericht oder der Verwaltungsbehörde verhängten Sanktionen - einer Disziplinarstrafe bedarf, um den Beschwerdeführer von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten (vgl. dazu im Einzelnen das schon erwähnte Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. November 2007, Zl. 2005/09/0115, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Die Verhängung einer Disziplinarstrafe zusätzlich zu einer gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Strafe ist daher nur zulässig, wenn und soweit dies aus spezialpräventiven Gründen erforderlich ist, oder anders gewendet: Wenn und soweit die gerichtliche oder verwaltungsbehördliche Strafe für sich alleine nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit erwarten lassen, dass der Beamte keine weiteren Dienstpflichtverletzungen begehen wird. Diese Überlegungen gelten insbesondere auch, soweit es um die schwerste Disziplinarstrafe der Entlassung geht: Liegt eine strafgerichtliche oder verwaltungsbehördliche Verurteilung vor, die sich auf denselben Sachverhalt bezieht, so ist auch für die Disziplinarstrafe der Entlassung gemäß § 95 Abs. 3 BDG 1979 zu begründen, dass und aus welchen Gründen es ihrer Verhängung bedarf, um den Beamten - mit ausreichender Wahrscheinlichkeit - von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. An die nur teilweise - nämlich in Bezug auf weitere gerichtlich strafbare Handlungen - auf die gleiche Gefahr bezogene Prognose des Strafgerichts ist die Disziplinarbehörde dabei freilich, anders als hinsichtlich der Tatsachenfeststellungen des Strafgerichts, nicht gebunden, geht es im Disziplinarverfahren doch um die Gefahr der Verletzung der spezifisch die öffentlichrechtlich Bediensteten treffenden aus dem Dienstrecht erfließenden Dienstpflichten.

              3.              Unter Anwendung dieser Grundsätze bedeutet dies für den konkreten Beschwerdefall:

Vorauszuschicken ist, dass sich die Beschwerde nach ihrem gesamten Inhalt nicht gegen die Suspendierung richtet.

Soweit sich die Beschwerde zur Frage der Entlassung gegen die Bindung an die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung im Umfang der vom Beschwerdeführer behaupteten Zurechnungsunfähigkeit richtet, verkennt sie, dass die Zurechnungsfähigkeit Voraussetzung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit ist. Wie bereits die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat, umfasst die Bindungswirkung strafgerichtlicher Verurteilungen auch die Feststellungen zum "inneren Tatbestand" (Schuldform) und zur "Zurechnungsfähigkeit", soweit sie dem Spruch zugrundegelegt wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. April 2000, Zl. 97/09/0199).

Ebenso ist der belangten Behörde beizupflichten, dass das vom Beschwerdeführer begangene Delikt nach § 207a StGB in Ansehung der hohen Bedeutung, die dem Schutz der körperlichen und sexuellen Integrität Minderjähriger zukommt, nicht als ein Vergehen minderen Grades, sondern als derart schwerwiegend anzusehen ist, dass es geeignet ist, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben eines Beamten zu erschüttern, sodass daher ein - erheblicher - "disziplinärer Überhang" vorlag und die zusätzliche disziplinäre Bestrafung notwendig sei. In diesem Sinne wurde auch in der jüngeren Rechtsprechung der deutschen Disziplinargerichte schon der (bloße) Besitz kinderpornographischer Darstellungen als schweres Dienstvergehen gewertet, das zur Entfernung aus dem Dienst oder zur Degradierung führen kann (vgl. dazu u.a. Beschluss des dt. BVerfG vom 18. Jänner 2008, Zl. 2 BvR 313/07).

Die belangte Behörde hat aber in keiner Weise beurteilt, ob und inwieweit gegen den Beschwerdeführer angesichts der gegen ihn bereits vom Landesgericht Krems ausgesprochenen Strafe eine Disziplinarstrafe auszusprechen und ob die Disziplinarstrafe der Entlassung zu verhängen war, um den Beschwerdeführer von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten (§ 95 Abs. 3 BDG 1979; vgl. auch dazu das bereits genannte hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. November 2007, Zl. 2005/09/0115, auf welches insoferne gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Bei der dabei anzustellenden Prognose wird die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers nach einer Beurteilung seiner - auch in der Dienstpflichtverletzung zum Ausdruck gebrachten - Persönlichkeit - ebenso unter Berücksichtigung seiner aktuellen gesundheitlichen Situation - zu beurteilen haben.

Der Beschwerdeführer macht auch geltend, die beantragte Berufungsverhandlung sei zu Unrecht unterblieben. Die belangte Behörde hat sich in dieser Hinsicht auf § 125a Abs. 2 bzw. Abs. 3 Z. 5 BDG 1979 gestützt.

Dazu ist darauf hinzuweisen, dass es unter den im § 125a Abs. 2 und 3 BDG 1979 geregelten Voraussetzungen im Ermessen der Behörde liegt, von der Durchführung einer Verhandlung abzusehen. Von diesem Ermessen ist auf eine dem Sinn des Gesetzes entsprechende Weise Gebrauch zu machen, was unter Umständen eine nähere Begründung erfordern oder dem Absehen von der Durchführung einer Verhandlung entgegenstehen kann (vgl. auch dazu das oben zitierte hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates).

Ob es im Sinn des Gesetzes sein kann, etwa bei der Prüfung der Frage der spezialpräventiven Notwendigkeit einer Entlassung des Beschwerdeführers (auch unter Berücksichtigung seiner aktuellen gesundheitlichen Situation) von einer Berufungsverhandlung abzusehen und ob die zwingenden Voraussetzungen dafür überhaupt gegeben wären, wird die belangte Behörde - je nach dem, zu welchen Überlegungen sie in Bezug auf die für die Strafbemessung noch zu klärenden Fragen im Einzelnen gelangen sollte - im fortgesetzten Verfahren zu beurteilen haben.

              4.              Der angefochtene Bescheid war daher in seinem Strafausspruch (hinsichtlich der Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung) gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben und die Beschwerde im Übrigen (hinsichtlich des Schuldspruches bezüglich der Verhängung der Disziplinarstrafe) gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 16. Oktober 2008

Schlagworte

Ermessen besondere RechtsgebieteErmessen VwRallg8Besondere Rechtsgebiete DienstrechtIndividuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4Begründung von Ermessensentscheidungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007090137.X00

Im RIS seit

05.12.2008

Zuletzt aktualisiert am

03.03.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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