TE Vwgh Erkenntnis 2008/12/16 2008/18/0739

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Veröffentlicht am 16.12.2008
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Index

24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrPolG 2005 §2 Abs4 Z11;
FrPolG 2005 §60 Abs2;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
StGB §70;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des E H, geboren am 16. Oktober 1979, vertreten durch Mag. Robert Igaly-Igalffy, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 34, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 8. Oktober 2008, Zl. E1/98761/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 8. Oktober 2008 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei laut seinen unbestätigten Angaben am 3. August 2002 unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich gelangt und habe am 7. August 2002 beim Bundesasylamt einen Asylantrag gestellt, der mit erstinstanzlichem Bescheid vom 19. November 2002 abgewiesen worden sei. Während des diesbezüglichen Berufungsverfahrens habe er am 20. Februar 2003 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und am 4. März 2003 einen von seiner Ehegattin abgeleiteten Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Österreich, § 49 Abs. 1 FrG 1997" gestellt, worauf er von der Erstbehörde (der Bundespolizeidirektion Wien) einen diesbezüglichen, für ein Jahr gültigen Aufenthaltstitel erhaben habe, welcher auf Grund von zweifachen Verlängerungsanträgen jeweils für ein Jahr verlängert worden sei.

Im Zuge einer am 21. Juni 2006 mit der österreichischen Ehegattin durchgeführten Vernehmung habe diese angegeben, dass sie mit dem Beschwerdeführer eine Scheinehe gegen Erhalt von EUR 8.000,-- eingegangen und nie vereinbart gewesen wäre, dass sie gemeinsam wohnen sollten. Auch wäre zu keiner Zeit eine Ehegemeinschaft geführt worden und sollte die Ehe lediglich für die Dauer von zwei Jahren geschlossen werden. Die Erstbehörde habe daraufhin bei der Staatsanwaltschaft Wien die Erhebung einer Nichtigkeitsklage angeregt und zugleich gegen den Beschwerdeführer das Aufenthaltsverbotsverfahren eingeleitet. Während dieses Verfahrens sei der Beschwerdeführer am 8. November 2006 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4, § 129 Z. 1, § 130 vierter Fall und § 12 zweite Alternative StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, wovon ein Teil von achtzehn Monaten bedingt nachgesehen worden sei, verurteilt worden. Der Beschwerdeführer habe im Zusammenwirken mit drei Mittätern in der Absicht, sich dadurch eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, unbekannte Täter dadurch, dass sie ihnen einen Lohn versprochen und einen LKW zur Verbringung der Beute zur Verfügung gestellt hätten, dazu bestimmt, fremde bewegliche Sachen, und zwar überwiegend Buntmetalle (Kupfer), in einem insgesamt EUR 3.000,-- übersteigenden Wert durch Einbruch in Lagerplätze bzw. Einsteigen in Gebäude zu stehlen. Konkret seien im Juni 2006 durch Einbruch in einen Waggon der ÖBB eine nicht mehr festzustellende Menge Buntmetall, ebenso im Juni 2006 durch Einbruch in einen in W abgestellten Container der ÖBB grüne Kupferteile im Wert von ca. EUR 700,-- sowie in der Nacht vom 21. auf den 22. Juni 2006 aus einem Gebäude der ÖBB in W eine Kabeltrommel im Wert von ca. EUR 1.000,-- gestohlen worden. Bei drei weiteren Einbrüchen, welche in der Zeit vom 16. bis 19. Juni 2006 in T bzw. im Juni 2006 in W und am 28. Juni 2006 in M verübt worden seien, sei es lediglich beim Versuch geblieben, weil in einem Fall eine Alarmanlage losgegangen sei, die Täter von einem Unbekannten mit einer Taschenlampe gestört worden seien und der Beschwerdeführer sowie ein Mittäter einen verdeckten Ermittler zur Tatbegehung zu bestimmen versucht hätten.

Während des erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotsverfahrens sei durch den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers eine von der Ehegattin des Beschwerdeführers stammende eidesstättige Erklärung vorgelegt worden, worin diese angegeben habe, dass sämtliche von ihr vor der Polizei getätigten Angaben in Bezug auf ihre Ehe nicht der Wahrheit entsprochen hätten, weil sie bewusst dem Beschwerdeführer hätte schaden wollen. Es entspräche vielmehr der Wahrheit, dass sie mit diesem in aufrechter Ehe zusammengelebt hätte.

Die Staatsanwaltschaft habe die Ehenichtigkeitsklage gemäß § 23 Ehegesetz vom 25. August 2006 beim Bezirksgericht Donaustadt mit 14. März 2007 unter Anspruchsverzicht zurückgezogen.

In dem (bei diesem Gericht) anhängigen Scheidungsverfahren habe die Ehegattin des Beschwerdeführers ebenso deponiert, dass sie bewusst falsche Angaben bei der Polizei getätigt hätte, um dem Beschwerdeführer zu schaden, und sei die Scheidungsklage von ihr zurückgezogen worden.

Die Ehegattin des Beschwerdeführers sei am 11. März 2008 vom Bezirksgericht Josefstadt wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage vor einer Verwaltungsbehörde gemäß § 289 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil sie am 21. Juni 2006 vor der Erstbehörde als Zeugin bei ihrer Vernehmung falsch ausgesagt habe, indem sie angegeben habe, die am 20. Februar 2003 mit dem Beschwerdeführer geschlossene Ehe wäre von ihr und ihrem Gatten als Scheinehe eingegangen worden.

Nach Hinweis auf § 87 und § 2 Abs. 4 Z. 12 FPG führte die belangte Behörde weiter begründend aus, dass der Beschwerdeführer kein begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG sei, weil er nicht Ehegatte einer Österreicherin sei, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen habe. So sei nicht ersichtlich, dass seine Ehefrau im Einklang mit den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hätte.

Das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers, der im Zusammenwirken mit mehreren Mittätern in der Absicht, sich eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, mehrere Mittäter dazu bestimmt habe, mehrere Einbruchsdiebstähle zu begehen, stelle unzweifelhaft eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, wodurch die öffentliche Ordnung und Sicherheit maßgeblich gefährdet würde. Zudem sei ein Grundinteresse der Gesellschaft, nämlich jenes auf Schutz fremden Vermögens, entscheidend berührt worden.

Wenngleich die Erstbehörde durchaus nachvollziehbar vom Vorliegen einer so genannten Aufenthalts- bzw. Scheinehe ausgegangen sei, sei nicht mit ausreichender Sicherheit mehr davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG erfüllt habe.

Auf Grund seines bisherigen, zum größten Teil rechtmäßigen inländischen Aufenthaltes und der familiären bzw. nicht besonders stark ausgeprägten beruflichen Bindungen im Bundesgebiet sei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privatleben auszugehen. Das der genannten Verurteilung zugrundeliegende Verhalten laufe den öffentlichen Interessen besonders grob zuwider und stelle eine gravierende Verletzung der öffentlichen Ordnung unter dem Aspekt der Verhinderung von strafbaren Handlungen, die gegen fremdes Vermögen gerichtet seien, dar, sodass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten sei. Auch liege das der Verurteilung zugrundeliegende Verhalten noch bei weitem nicht so lange zurück, dass auf Grund des seither verstrichenen Zeitraumes eine entscheidungswesentliche Reduzierung der von ihm ausgehenden Gefahr angenommen werden könnte.

Bei der Interessenabwägung nach § 66 Abs. 1 und 2 FPG fielen der langjährige rechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und die nunmehr anzunehmende familiäre Bindung zu seiner Ehegattin sowie der Umstand, dass sein Bruder sowie weitere Familienangehörige wie Tanten, Onkeln, Cousinen und Cousins in Österreich wohnten, ins Gewicht. Der Beschwerdeführer sei zuletzt im Zeitraum von Mitte Februar bis Mitte Juli 2008 als Arbeiter beschäftigt gewesen und sei seither Arbeitslosengeldbezieher. Davor sei er ca. eineinhalb Monate und davor sieben Monate als Arbeiter beschäftigt gewesen. Im Zeitraum vom 2. April 2005 bis 7. Jänner 2007 sei er nicht im Arbeitsmarkt integriert gewesen.

Einer allfälligen aus dem bisherigen Aufenthalt des Beschwerdeführers ableitbaren Integration komme insofern kein entscheidendes Gewicht zu, als die für jegliche Integration erforderliche soziale Komponente durch sein strafbares Verhalten erheblich beeinträchtigt werde. Von daher gesehen hätten die privaten und familiären bzw. nicht stark ausgeprägten beruflichen Interessen des Beschwerdeführers gegenüber den genannten - hoch zu veranschlagenden - öffentlichen Interessen in den Hintergrund zu treten.

Angesichts des dargestellten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers, welches eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die genannten öffentlichen Interessen darstelle, und im Hinblick auf die Art und Schwere der ihm zur Last liegenden Straftaten habe von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden können.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde stellt nicht in Abrede, dass die Ehegattin des Beschwerdeführers von ihrem (gemeinschaftsrechtlichen) Recht auf Freizügigkeit keinen Gebrauch gemacht hat. Im Hinblick darauf begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass er kein begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG sei, keinen Bedenken.

2. Gegen den Beschwerdeführer als Ehegatten einer österreichischen Staatsbürgerin ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 FPG nur zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist, wobei dieses persönliche Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Bei der Beurteilung der Frage, ob gegen einen Fremden gemäß § 86 Abs. 1 FPG ein Aufenthaltsverbot erlassen werden darf, kann auf den Katalog des § 60 Abs. 2 leg. cit. als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 2007, Zl. 2007/18/0730, mwN).

Nach den im angefochtenen Bescheid getroffenen, insoweit unbestrittenen Feststellungen hat der Beschwerdeführer im Zusammenwirken mit anderen in der Absicht, sich dadurch eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, somit gewerbsmäßig (vgl. § 70 StGB), weitere Täter durch Versprechen eines Lohnes und Bereitstellung eines LKW zur Verbringung der Beute dazu bestimmt, wiederholt Einbruchsdiebstähle zu verüben.

In Anbetracht dieses Fehlverhaltens des Beschwerdeführers kann die Auffassung der belangten Behörde, dass sein weiterer Aufenthalt eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstelle, wodurch die öffentliche Ordnung und Sicherheit maßgeblich gefährdet werde, und ein Grundinteresse der Gesellschaft, nämlich jenes am Schutz fremden Vermögens, entscheidend berührt werde, sodass der Tatbestand des § 87 iVm § 86 Abs. 1 (erster und zweiter Satz) FPG erfüllt sei, nicht beanstandet werden. Entgegen der Beschwerdeansicht kann hiebei auch keine Rede davon sein, dass die belangte Behörde das Aufenthaltsverbot allein mit der strafrechtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers begründet habe.

3. Bei der Interessenabwägung nach § 66 Abs. 1 und 2 FPG hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit 3. August 2002, seine Bindungen zu seiner österreichischen Ehegattin und seinen hier aufhältigen Verwandten und auch seine beruflichen Interessen berücksichtigt und zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG angenommen. Diesen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an seinem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht jedoch die oben beschriebene, sich aus dem gravierenden Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers ergebende massive Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber, hat er doch andere zu zahlreichen Einbruchsdiebstählen angestiftet, wobei er gewerbsmäßig vorging.

Im Hinblick darauf ist die Ansicht der belangten Behörde, dass die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers das gegenläufige öffentliche Interesse an der Beendigung seines Aufenthaltes im Bundesgebiet jedenfalls nicht überwögen und die Erlassung des Aufenthaltsverbotes daher gemäß § 66 Abs. 1 und 2 FPG zulässig sei, nicht zu beanstanden, und zwar auch dann, wenn man - im Sinn des Beschwerdevorbringens - noch berücksichtigte, dass der Beschwerdeführer Vater eines fast vier Monate alten Sohnes sei und sich im Bundesgebiet seit einigen Jahren auch sein Bruder und seine Schwägerin berechtigt aufhielten.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 16. Dezember 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008180739.X00

Im RIS seit

12.01.2009

Zuletzt aktualisiert am

09.04.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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