TE Vfgh Erkenntnis 2008/6/21 WII-1/08

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Veröffentlicht am 21.06.2008
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Index

L0 Verfassungs- und Organisationsrecht
L0350 Gemeindewahl

Norm

B-VG Art141 Abs1 litc
Krnt Allgemeine GemeindeO 1998 §31
Krnt Gemeinderats- und BürgermeisterwahlO 2002 §39
VfGG §71 Abs1

Leitsatz

Stattgabe des Antrags eines Gemeinderates auf Mandatsverlust einesGemeinderatsmitglieds wegen Verlustes der Wählbarkeit infolgeVerlegung des Hauptwohnsitzes in eine andere Gemeinde;Verlustigerklärung des Mandats

Spruch

Dem Antrag des Gemeinderates der Gemeinde Fresach wird stattgegeben. M S wird seines Mandates als Mitglied des Gemeinderates der Gemeinde Fresach für verlustig erklärt.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. M S wurde am 9. März 2003 als Gemeinderat der Gemeinde

Fresach angelobt und übt seit diesem Zeitpunkt sein Mandat als Gemeinderat der genannten Gemeinde aus.

1.2. In der Niederschrift über die Sitzung des Gemeinderates der Gemeinde Fresach am 21. Dezember 2007 ist zu Tagesordnungspunkt 15 "Antrag an den Verfassungsgerichtshof auf Mandatsverlust eines Mitgliedes des Gemeinderates zufolge Verlust der Wählbarkeit - Beschlussfassung gem. §31 Abs1 und 2 der K-AGO in Verbindung mit §39 der GR- und Bürgermeisterwahlordnung" wörtlich das Folgende festgehalten:

"Herr Gemeinderat M S hat mit 11. September 2007 seinen

ordentlichen Wohnsitz in Fresach, ... abgemeldet und diesen nach

Villach verlegt.

Nach §39 Abs1 der Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlordnung ist die Voraussetzung für die Wählbarkeit einer Person in den Gemeinderat einer Kärntner Gemeinde (neben anderen Erfordernissen), dass die betreffende Person in der in Betracht kommenden Gemeinde den Hauptwohnsitz im Sinne des Art6 Abs3 B-VG hat. Der §31 Abs1 lit[gemeint wohl: b] der K-AGO i.d.dzt.g.F. nennt als Mandatsverlustgrund ausdrücklich den Wegfall der Wählbarkeit.

Herr M S hat mit der Verlegung des Hauptwohnsitzes in ein anderes Gemeindegebiet seine Wählbarkeit in Fresach verloren.

Nachdem Herr S nicht von sich aus diesen Umstand zum Anlass nahm[,] auf sein Gemeinderatsmandat zu verzichten, hat der Gemeinderat nach §31 Abs2 der K-AGO 1993 [Wv 1998] i.d.dzt.g.F. beim Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Mandatsverlust zu stellen.

Der Vorsitzende, Herr Bürgermeister Ing. W B[,] bringt daher

den Antrag, dass Herr... Gemeinderat M S zufolge Verlustes der

Wählbarkeit seines Gemeinderatsmandates gem. §31 Abs1 der K-AGO i. d.dzt.g.F. für verlustig erklärt und beim Verfassungsgerichtshof der Antrag auf Mandatsverlust beantragt wird, zur Abstimmung. Dem Antrag wird einstimmig stattgegeben."

2.1. Mit einer an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Eingabe brachte der Gemeinderat der Gemeinde Fresach den Antrag ein, "der hohe Verfassungsgerichtshof möge den Verlust des Gemeinderatsmandates des Herrn M S als Gemeinderat der Gemeinde Fresach gem. Art141, Abs1 litc B-VG mit Wirkung des Erkenntnisses erkennen." Dieser Antrag wurde in der Folge - nachdem der Verfassungsgerichtshof gemäß §18 VfGG 1953 (im Hinblick auf §71 Abs1 letzter Satz VfGG 1953, wonach ein solcher Antrag vom Vorsitzenden des antragsberechtigten Vertretungskörpers namens dieses Vertretungskörpers einzubringen ist) einen Verbesserungsauftrag erteilt hatte - vom Bürgermeister der Gemeinde Fresach im Namen des Gemeinderates der Gemeinde Fresach neuerlich beim Verfassungsgerichtshof eingebracht.

2.2. Mit einem an M S gerichteten, durch Hinterlegung beim Postamt 9507 Villach rechtswirksam zugestellten Schreiben des Verfassungsgerichtshofes vom 25. Jänner 2008 wurde dem Antragsgegner der genannte Antrag des Gemeinderates der Gemeinde Fresach mit dem Bemerken übermittelt, dass es dem Antragsgegner frei stehe, binnen drei Wochen eine schriftliche Gegenäußerung zu erstatten. Dieser machte davon jedoch keinen Gebrauch.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

        1.1. Gemäß Art141 Abs1 erster Satz litc B-VG erkennt der

Verfassungsgerichtshof "auf Antrag eines allgemeinen

Vertretungskörpers auf Mandatsverlust eines seiner Mitglieder". Ein

solcher Antrag "kann ... auf einen gesetzlich vorgesehenen Grund für

den Verlust der Mitgliedschaft in einem allgemeinen Vertretungskörper

... gegründet werden" (Art141 Abs1 zweiter Satz B-VG).

1.2. Gemäß §71 Abs1 erster Satz VfGG 1953 können die allgemeinen Vertretungskörper (somit auch ein Gemeinderat) "jederzeit beim Verfassungsgerichtshof den Antrag stellen, ein Mitglied des Vertretungskörpers aus einem gesetzlich vorgesehenen Grund seines Mandates für verlustig zu erklären."

Für den Fall, dass ein solcher Beschluss von einem dieser Vertretungskörper gefasst wird, hat dessen Vorsitzender den Antrag namens des Vertretungskörpers beim Verfassungsgerichtshof einzubringen (§71 Abs1 letzter Satz leg.cit.).

1.3. §31 Kärntner Allgemeine Gemeindeordnung - K-AGO, LGBl. 66/1998 (WV), lautet wie folgt:

"Mandatsverlust

(1) Ein Mitglied des Gemeinderates ist seines Mandates für verlustig zu erklären, wenn es

a) das vorgeschriebene Gelöbnis (§21 Abs3, 5 und 6) verweigert;

b) nach erfolgter Wahl nach der Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlordnung die Wählbarkeit verliert oder wenn nachträglich ein Grund bekannt wird, der seine Wählbarkeit gehindert hätte;

c) durch zwei Monate den Eintritt in den Gemeinderat schuldhaft verzögert hat oder es während eines ununterbrochenen Zeitraumes von zwei Monaten den Sitzungen des Gemeinderates oder der Ausschüsse, deren Mitglied es ist, ohne triftigen Grund ferngeblieben ist.

(2) Der Gemeinderat hat den Antrag auf Mandatsverlust an den Verfassungsgerichtshof zu stellen, wenn er einen der Fälle des Abs1 für gegeben erachtet.

(3) Abs1 und 2 gelten in gleicher Weise für Ersatzmitglieder des Gemeinderates."

1.4. §39 der Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlordnung 2002 - K-GBWO, LGBl. 32 (WV), lautet wie folgt:

"Wählbarkeit

(1) Wählbar in den Gemeinderat sind alle österreichischen Staatsbürger und alle Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die vor dem 1. Jänner des Jahres der Wahl das 18. Lebensjahr vollendet haben, vom Wahlrecht nicht ausgeschlossen sind und in der Gemeinde den Hauptwohnsitz im Sinne des Art6 Abs3 B-VG haben. Der §17 Abs2 gilt sinngemäß. Staatsangehörige anderer Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sind in den Gemeinderat nur wählbar, wenn sie nach dem Recht ihres Herkunftsmitgliedsstaates nicht infolge einer strafrechtlichen Entscheidung des passiven Wahlrechtes verlustig gegangen sind.

(2) Wählbar als Bürgermeister sind - ausgenommen im Falle einer Verschiebung der Wahl des Bürgermeisters (§48) oder einer Nachwahl (§85) - Listenführer im Wahlvorschlag einer wahlwerbenden Partei für den Gemeinderat (§41 Abs4). Voraussetzung für die Wählbarkeit als Bürgermeister ist die österreichische Staatsbürgerschaft.

(3) Ist für die Wahl des Bürgermeisters eine Stichwahl erforderlich (§84), richtet sich die Wählbarkeit für das Amt des Bürgermeisters nach §84 Abs2."

1.5. Der Antrag des Gemeinderates der Gemeinde Fresach ist - ungeachtet seiner Bezugnahme auf §31 Abs1 litc K-AGO - zweifelsfrei darauf gerichtet, dass der Verfassungsgerichtshof das Mitglied des Gemeinderates M S aus dem in §31 Abs1 litb leg.cit. normierten Grunde des Verlustes seiner Wählbarkeit seines Mandates für verlustig erklärt.

2. Dem - zulässigen - Antrag ist aus den nachstehenden Erwägungen stattzugeben:

2.1.1. Gemäß §31 Abs1 litb K-AGO ist ein Mitglied des Gemeinderates seines Mandates u.a. dann für verlustig zu erklären, wenn es nach erfolgter Wahl gemäß der K-GBWO die Wählbarkeit verliert. Zu Folge §31 Abs2 K-AGO hat der Gemeinderat den Antrag auf Mandatsverlust an den Verfassungsgerichtshof zu stellen, wenn er einen der Fälle des Abs1 für gegeben erachtet.

2.1.2. Wählbar in den Gemeinderat sind nach §39 Abs1 erster Satz K-GBWO alle österreichischen Staatsbürger und alle Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die vor dem 1. Jänner des Jahres der Wahl das 18. Lebensjahr vollendet haben, vom Wahlrecht nicht ausgeschlossen sind und in der Gemeinde den Hauptwohnsitz iSd Art6 Abs3 B-VG haben.

2.2. Der im vorliegenden Antrag ins Treffen geführte Umstand, M S habe seinen "ordentlichen Wohnsitz" in Fresach, ..., aufgelassen und diesen nach Villach verlegt, entspricht den Tatsachen (der Genannte selbst äußerte sich - wie schon festgehalten - im verfassungsgerichtlichen Verfahren nicht): Laut einer mit dem Antrag vorgelegten Bestätigung der Meldung aus dem zentralen Melderegister vom 14. Jänner 2008 hat der bisher mit Hauptwohnsitz in der Gemeinde Fresach gemeldete M S seinen Hauptwohnsitz mit 11. September 2007 nach 9500 Villach, ..., verlegt.

Somit ist davon auszugehen, dass M S mit der Verlegung seines Hauptwohnsitzes von der Gemeinde 9712 Fresach (...) nach 9500 Villach (...) den in §39 Abs1 erster Satz K-GBWO iVm §31 Abs1 litb K-AGO vorgesehenen Grund für den Verlust seines Mandates als Mitglied des Gemeinderates der Gemeinde Fresach setzte (vgl. auch VfSlg. 15.950/2000), weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Gemeinderecht, Gemeinderat, Wahlen, VfGH / Mandatsverlust, Wohnsitz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2008:WII1.2008

Zuletzt aktualisiert am

18.08.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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