RS Vfgh 1987/12/3 B125/86

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Veröffentlicht am 03.12.1987
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Index

50 Gewerberecht
50/01 Gewerbeordnung 1973

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art144 Abs1
Vlbg SperrstundenV, LGBl 23/1957
Verordnung des Landeshauptmannes von Vorarlberg, LGBl 66/1976, über die Ermächtigung der BH zur Ausübung des Aufsichtsrechtes des Bundes über die Gemeinden
MRK 1. ZP Art1
Bundes-GemeindeaufsichtsG §3 Abs1
GewO 1973 §198 Abs3
GewO 1973 §375 Abs1 Z70

Leitsatz

"Für die Landesregierung" von der Bezirkshauptmannschaft (BH) abgewiesener Antrag auf Offenhalten eines Gastgewerbebetriebes über die gesetzliche Sperrstunde hinaus; nach §1 der Vbg. DelegationsV Zuständigkeit der BH, über Vorstellungen (Art119a Abs5 B-VG) in Bundesvollziehungsangelegenheiten "im Namen des Landeshauptmannes" zu entscheiden - Übertragung der Zustündigkeit der BH gegeben, jedoch offenbarer Schreibfehler; keine Bedenken gegen §3 Abs1 Bundes-GemeindeaufsichtsG - keine sog. formalgesetzliche Delegation; vertretbare Annahme, die Erfordernisse der "Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis" für die Erlassung der DelegationsV seien gegeben; keine Sachlichkeitsbedenken gegen die Sperrstunden regelung der §§1 bis 3 SperrstundenV bzw. der Ausnahmeregelung des §198 Abs3 GewO; keine Willkür; keine Verletzung im Eigentumsrecht und in der Erwerbsausübungsfreiheit

Rechtssatz

Im Briefkopf des angefochtenen Bescheides scheint die "BH Bregenz" auf. Der Bescheid ist mit der Klausel "Für die Vorarlberger Landesregierung - Der Bezirkshauptmann" gefertigt. Offenkundig handelt es sich insofern hiebei um ein Schreibversehen, als es richtig lauten sollte: "Für den Landeshauptmann von Vorarlberg ...". Dies ergibt sich schon daraus, daß im Spruch des Bescheides zur Zuständigkeit auf §7 des Bundes-GemeindeaufsichtsG, BGBl. 1967/123, und §1 der Verordnung des Landeshauptmannes von Vorarlberg, LGBl. 1976/66, über die Ermächtigung der BH zur Ausübung des Aufsichtsrechtes des Bundes über die Gemeinden, (DelegationsV) Bezug genommen wird.

§7 des Bundes-GemeindeaufsichtsG regelt das Vorstellungsverfahren (in Angelegenheiten aus dem Bereich der Bundesvollziehung im eigenen Wirkungsbereich - §1 Abs3 leg.cit.).

Gestützt auf §3 Abs1 leg.cit. erließ der Landeshauptmann die oben erwähnte DelegationsV.

Durch den hier maßgeblichen §1 Abs1 der Verordnung wurden die Vorarlberger BH ua. ermächtigt, über Vorstellungen (Art119a Abs5 B-VG) in Bundesvollziehungsangelegenheiten "im Namen des Landeshauptmannes" zu entscheiden; dies ist schon nach dem Wortlaut des Gesetzes und der darauf gegründeten Verordnung so zu verstehen, daß in diesen Angelegenheiten den BH die Zuständigkeit zur Durchführung des Verfahrens und zur Entscheidung übertragen wurde; nicht etwa kann der Regelung der Inhalt beigemessen werden, die BH hätten lediglich als bürokratischer Hilfsapparat des Landeshauptmannes tätig zu werden. Wenn der Wortlaut der Normen allenfalls Zweifel offen lassen sollte, so verbietet eine verfassungskonforme Interpretation die Annahme, die Vorarlberger BH wären nur verpflichtet, als Hilfsapparat des Landeshauptmannes einzuschreiten (s. das BVG über die Ämter der Landesregierung, BGBl. 1925/289, insbesondere §3; vgl. hiezu zB VfSlg. 5184/1965, S 897; VfGH 14.10.1987 B267/86; VwGH 11.5.1982 Zl 81/05/0095).

Die BH Bregenz hat hier also aufgrund eigener Kompetenz über die Vorstellung des Beschwerdeführers entschieden; ihr ist der angefochtene Bescheid zuzurechnen; sie ist im verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren die belangte Behörde.

Der Verfassungsgerichtshof hat gegen §3 Abs1 des Bundes-GemeindeaufsichtsG keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Diese Bestimmung enthält keine sogenannte formalgesetzliche Delegation. Sie unterscheidet sich insofern wesentlich von einer ähnlichen Bestimmung im PreisregelungsG 1957, die wegen Widerspruchs zu Art18 Abs2 B-VG mit Erk. VfSlg. 5184/1965 aufgehoben wurde, als das Bundes-GemeindeaufsichtsG das Verhalten des Verordnungsgebers durch die Wortfolge "sofern dies im Interesse der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis gelegen ist" auf ausreichende Weise vorausbestimmt (siehe VfGH 17.6.1986 B19/86; in diesem Erk. wurde der dem §3 Abs1 Bundes-GemeindeaufsichtsG gleichartige §92 Abs2 des Vbg. GemeindeG als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen; vgl. auch VfSlg. 5695/1968; VfGH 14.10.1987 B267/86).

Keine Gesetzwidrigkeit der Verordnung des Landeshauptmannes von Vorarlberg, LGBl. 1976/66, über die Ermächtigung der BH zur Ausübung des Aufsichtsrechtes des Bundes über die Gemeinden.

Der Verfassungsgerichtshof kann - nach Einsichtnahme in den die DelegationsV betreffenden Akt des Landeshauptmannes Zl I b-11, aus dem sich ergibt, daß sich keine der im Zuge eines ausführlichen Begutachtungsverfahren befaßten Stellen gegen die Erlassung der Verordnung ausgesprochen hat - dem Verordnungsgeber nicht entgegentreten, wenn er die erwähnten Voraussetzungen des §3 Abs1 Bundes-GemeindeaufsichtsG für eine Übertragung der Aufgaben an die BH als gegeben ansah. Eine Dezentralisierung gerade der Erledigung von Vorstellungen entspricht in der Regel den Anforderungen des §3 Abs1 leg.cit. (Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis), so allein schon deshalb, weil die lokale staatliche Behörde meist bessere Kenntnisse über die tatsächlichen Gegebenheiten und Erfordernisse in der Gemeinde hat. Ein gewisser Kontakt zwischen den Gemeindeorganen und der Aufsichtsbehörde ist bei einer Durchschnittsbetrachtung einer sachgerechten Entscheidung nur förderlich.

Die Vbg. SperrstundenV 1957 idF der Novelle 1969 erging in Durchführung des §54a Abs2 der GewO 1859 idF der Novelle 1957, BGBl. 178. Die Überleitung der SperrstundenV in das Regime der GewO 1973 erfolgte durch deren §375 Abs1 Z70. Aus dieser Bestimmung ergibt sich einerseits, daß die §§1 bis 3 der SperrstundenV derzeit auf der Stufe eines (einfachen) BG stehen und andererseits, daß §4 der SperrstundenV (der die Gemeinden dazu ermächtigt, unter bestimmten Voraussetzungen von der sonst geltenden Sperrstundenregelung Ausnahmen vorzusehen) nicht übergeleitet wurde, da für die Erteilung von Ausnahmebewilligungen durch §198 Abs3 GewO 1973 eine Regelung getroffen wird. Die Gewährung von Ausnahmebewilligungen richtet sich also heute nach §198 Abs3 GewO 1973.

Keine Gleichheitsbedenken gegen Regelungskomplex der Vbg. SperrstundenV iZm §198 Abs3 GewO 1973; kein Verstoß des §198 Abs3 leg.cit. gegen Art1 des (1.) ZP zur MRK.

Der Verfassungsgerichtshof kann nicht finden, daß dieser Regelungskomplex - auch unter den derzeitigen tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten - sachwidrig wäre. Schon bei Bedachtnahme auf soziale Aspekte für die im Gastgewerbe tätigen Dienstnehmer und auf das Ruhebedürfnis der Anrainer ist die prinzipielle Sperrstunde von 24 Uhr sachlich gerechtfertigt, zumal beim Zutreffen der im §198 Abs3 GewO 1973 enthaltenen Voraussetzungen ohnedies (zwingend) eine spätere Sperrstunde festzusetzen ist.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Gemeinderecht, Vorstellung, Aufsichtsrecht, Behördenzuständigkeit, Gewerberecht, Ladenschluß

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:B125.1986

Dokumentnummer

JFR_10128797_86B00125_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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