RS Vfgh 1988/3/11 B934/87

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Veröffentlicht am 11.03.1988
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Index

91 Post-und Fernmeldewesen
91/02 Post

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art13
MRK Art10
PostG Anlage 1 §§19 ff
PostG §20 Abs3 Z4
PostG §20 Abs4 Z2
Beschluß der Provisorischen Nationalversammlung vom 30.10.18. StGBl 3 Z2
ParteienG §1 Abs2

Leitsatz

PostG §19 ff der Anlage; postgebührenrechtliche Sonderregelungen für Zeitungen sachlich gerechtfertigt - keine Bedenken gegen den Ausschluß unentgeltlich verteilter Druckschriften von begünstigten Postzeitungsversand

Rechtssatz

Keine Gleichheitsbedenken gegen §§19 ff der Anlage 1 zum PostG.

Daß für den Postzeitungsversand vom Gesetzgeber besondere Bedingungen (§§19 ff der Anlage 1 zum PostG) aufgestellt wurden, erweist sich mit Rücksicht auf die gebührenrechtliche Sonderbehandlung dieser Postsendungen als notwendig. Daß Zeitungen postgebührenrechtlich eine besondere (begünstigende) Regelung erfahren haben, erklärt sich aus der Bedeutung, die der Postbeförderung für die Verteilung der Zeitungen an deren Abonnenten zukommt. Diese besondere Bedeutung der Postbeförderung für die Presse hat der Verfassungsgesetzgeber in Art13 letzter Satz StGG und in der Z2 des Beschlusses der Provisorischen Nationalversammlung vom 30.10.1918, StGBl. 3, ausdrücklich dadurch bestätigt, daß er administrative Postverbote für inländische Druckschriften ausschloß. Postgebührenrechtliche Sonderregelungen für Zeitungen sind angesichts dieses, vom Verfassungsgesetzgeber selbst bewirkten Schutzes der Herausgabe von Zeitungen und ihrer Verbreitung mit Hilfe der Post auch von der Sache her gerechtfertigt.

Um einen Mißbrauch der den Postzeitungsversand begünstigenden Postgebühren auszuschließen, mußte der Gesetzgeber geeignete Bedingungen und Voraussetzungen für die Zulassung einer Druckschrift zum Postzeitungsversand festlegen (§§19 ff der Anlage 1 zum PostG). Unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes ist nichts dagegen einzuwenden, daß nur jene Zeitungsherausgeber oder -verleger die für den Postzeitungsversand geltenden Postgebühren in Anspruch nehmen können, welche für ihre Zeitungen von deren Empfängern ein Entgelt verlangen, solange auch die Beförderung unentgeltlich verteilter Zeitungen - wenn auch unter Entrichtung anderer Postgebühren - möglich ist. Bei Zeitungen, für die vom Empfänger ein Entgelt verlangt wird, fließt nämlich aus wirtschaftlichen Gründen die dafür vom Herausgeber oder Verleger entrichtete Postgebühr in das von diesem geforderte Entgelt ein. Eine geringere Postgebühr bedeutet sohin eine Presseförderung, die nicht nur dem Herausgeber oder Verleger, sondern auch dem Abonnenten zugute kommt. Druckschriften, die dem Empfänger unentgeltlich überreicht werden, beruhen hingegen auf völlig anderen wirtschaftlichen Überlegungen. Ihre Finanzierung hängt nicht von Kaufentscheidungen ihrer Empfänger ab. Sie ist daher von gänzlich anderen Motiven veranlaßt, die es als gerechtfertigt erscheinen lassen, daß derartige unentgeltlich verteilte Druckschriften vom begünstigten Postzeitungsversand ausgeschlossen bleiben.

Es ist nicht gleichheitswidrig, wenn gemäß §20 Abs4 Z2 der Anlage 1 zum PostG die von einer politischen Partei (oder von einer ihrer Organisationen) herausgegebenen Zeitungen unabhängig von ihrer entgeltlichen Abgabe vom Gesetzgeber zum Postzeitungsversand zuzulassen sind, sofern diese Zeitungen "vorwiegend der Berichterstattung über Angelegenheiten der Politik" dienen. Gemäß der Verfassungsbestimmung des §1 Abs2 ParteienG, BGBl. 404/1975, gehört zu den Aufgaben der politischen Parteien "die Mitwirkung an der politischen Willensbildung". Daß die politischen Parteien im Hinblick auf ihre Aufgaben für das Gemeinwesen eine Sonderstellung einnehmen, läßt sich aus dieser Verfassungsbestimmung unschwer erkennen. Allerdings darf daraus nicht schlechtweg die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer allgemeinen Bevorzugung politischer Parteien vor allen anderen Gruppen und Verbänden im öffentlichen Leben durch den Gesetzgeber abgeleitet werden. Gerade für die vom Verfassungsgesetzgeber mit "Mitwirkung an der politischen Willensbildung" umschriebene Funktion politischer Parteien ist es aber von grundlegender Bedeutung, daß diese ihr politisches Gedankengut jedermann mitzuteilen in der Lage sind. Wenn daher auch die von politischen Parteien unentgeltlich abgegebenen Druckschriften unter die Begünstigung des Postzeitungsversandes fallen, so erweist sich diese Begünstigung im Hinblick auf die Verfassungsbestimmung des §1 Abs2 ParteienG im Rahmen des dem einfachen Gesetzgeber zustehenden Gestaltungsspielraumes als sachlich gerechtfertigt und nicht gleichheitswidrig.

Es ist ferner nicht zu übersehen, daß sich jede Vereinigung unter den Bedingungen des ParteienG (auch) als politische Partei konstituieren kann und dann die Begünstigung des §20 Abs4 Z2 der Anlage 1 zum PostG in Anspruch nehmen kann.

Keine Bedenken gegen §§19 ff der Anlage 1 zum PostG, die für den Postzeitungsversand besondere Bedingungen vorsehen.

Nichtzulassung der unentgeltlich verbreiteten Druckschrift eines Vereines zum Postzeitungsversand gemäß §20 Abs3 Z4 der Anlage 1 zum PostG.

Die vom beschwerdeführenden Verein gerügte Verletzung der Presse- und Zensurfreiheit gemäß Art13 StGG wird durch die Nichtzulassung zum Postzeitungsversand nicht bewirkt. Der beschwerdeführende Verein wird durch die angefochtene Nichtzulassung weder gehindert, Presseprodukte herauszugeben und zu verlegen, noch diese zu vertreiben. Auch die Beförderung seiner Zeitung per Post ist ihm - wenn auch nicht zu den für den Postzeitungsversand geltenden Bedingungen - eröffnet.

Die im Ermittlungsverfahren erfolgte "Einladung" der Behöde an den beschwerdeführenden Verein zur Vorlage von Zahlungsbelegen und Abonnementbestellungen berührt weder das Zensurverbot noch die Freiheit zum Empfang von Nachrichten gemäß Art10 Abs1 MRK, ganz abgesehen davon, daß das Grundrecht auf Empfang von Nachrichten im gegebenen Zusammenhang nicht vom beschwerdeführenden Verein, sondern von möglichen Empfängern der Zeitschrift geltend zu machen wäre. Die Nichtzulassung zum Postzeitungsversand bildet jedenfalls auch kein "administratives Postverbot", wie es durch Art13 letzter Satz StGG und durch Z2 des Beschlusses der Provisorischen Nationalversammlung vom 30.10.1918, StGBl. 3, für inländische Druckschriften ausgeschlossen wurde.

Ein verfassungsges geschütztes "Recht, an Interessenten, die den Schutz der Anonymität genießen, die Zeitung zu versenden", wie es der beschwerdeführende Verein behauptet, ist weder aus Art10 MRK noch aus einer anderen verfassungsgesetzlichen Bestimmung abzuleiten. Der Verfassungsgerichtshof hat bereits im E v 15.06.87, B332/86, festgestellt, daß selbst eine gesetzliche Vorschrift, welche die Öffnung eines Briefes zwecks Feststellung seines Empfängers zuläßt, verfassungsrechtlich unbedenklich ist. Dies muß umso mehr gelten, wenn eine Zeitung zum Postzeitungsversand zugelassen werden soll, weil deren Postzustellung nur bei Kenntnis der Abonnenten der Zeitung durch die Post möglich ist.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Post- und Fernmelderecht, Meinungsäußerungsfreiheit, Pressefreiheit, Partei politische

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:B934.1987

Dokumentnummer

JFR_10119689_87B00934_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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