TE Vfgh Erkenntnis 1988/3/11 B934/87

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.03.1988
beobachten
merken

Index

91 Post-und Fernmeldewesen
91/02 Post

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art13
MRK Art10
PostG Anlage 1 §§19 ff
PostG §20 Abs3 Z4
PostG §20 Abs4 Z2
Beschluß der Provisorischen Nationalversammlung vom 30.10.18. StGBl 3 Z2
ParteienG §1 Abs2

Leitsatz

PostG §19 ff der Anlage; postgebührenrechtliche Sonderregelungen für Zeitungen sachlich gerechtfertigt - keine Bedenken gegen den Ausschluß unentgeltlich verteilter Druckschriften von begünstigten Postzeitungsversand

Spruch

Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

und dem VwGH zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Bf. durch den angefochtenen Bescheid in einem

sonstigen Recht verletzt worden ist.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Bescheid vom 24.4.1987, Z47 448-7/87, hat die Post- und Telegraphendirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland als Postbehörde I. Instanz den Antrag des Vereines ..., die Druckschrift "..." zum Postzeitungsversand zuzulassen, abgewiesen. Der Berufung des bf. Vereins gegen diesen Bescheid wurde vom Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr mit Bescheid vom 28. Juli 1987, Z22 910/III-11/87, keine Folge gegeben. Dieser mit der vorliegenden Beschwerde angefochtene Berufungsbescheid wurde von der bel. Beh. damit begründet, daß gem. §20 Abs3 Z4 der Anlage 1 zum Postgesetz Druckschriften, für die der Herausgeber oder Verleger von den Empfängern kein Entgelt verlangt, nicht zum Postzeitungsversand zuzulassen sind. Die Druckschrift "..." soll gemäß dem Antrag an Mitglieder der ... unentgeltlich, an Interessenten entgeltlich abgegeben werden.

Die bel. Beh. nahm als erwiesen an, daß der Großteil der Bezieher der Zeitschrift diese unentgeltlich erhalten würde und daher der Ausschlußgrund vom Postzeitungsversand gem. §20 Abs3 Z4 der Anlage 1 zum Postgesetz gegeben sei.

2. Die Beschwerde gegen den Berufungsbescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr rügt dessen Verstoß gegen den Gleichheitssatz gem. Art7 B-VG, gegen die Presse- und Zensurfreiheit gem. Art13 StGG sowie gegen das Grundrecht auf Freiheit zum Empfang von Nachrichten ohne Eingriffe öffentlicher Behörden (Art10 Abs1 MRK).

Zur Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes wird behauptet, daß die gesetzliche Unterscheidung von Druckschriften, "für die der Herausgeber oder Verleger vom Empfänger kein Entgelt verlangt" (§20 Abs3 der Anlage 1 zum Postgesetz) und die daher nicht zum Postzeitungsversand zuzulassen seien, und Zeitungen, für die ein Entgelt verlangt wird, sachlich nicht gerechtfertigt sei. Für die Post als Dienstleistungsunternehmen könne es vollkommen dahingestellt bleiben, ob der Empfänger an den Versender irgendein Entgelt bezahle oder nicht, da in jedem Fall die entsprechende vorgeschriebene Postgebühr vom Herausgeber bzw. Verleger zu entrichten sei.

Einen Widerspruch des Gesetzes zum Gleichheitssatz erblickt der bf. Verein ferner in der unterschiedlichen Behandlung des Postzeitungsversandes von Vereinen einerseits und politischen Parteien andererseits. Natürliche Personen, Vereine oder andere Körperschaften und Interessenverbände, "die sich vorwiegend mit Politik beschäftigen" oder mit der Berichterstattung darüber, würden gegenüber politischen Parteien durch die gesetzliche Regelung benachteiligt, weil deren Zeitungen gem. §20 Abs4 der Anlage 1 zum Postgesetz zum Postzeitungsversand auch dann zuzulassen seien, wenn dafür kein Entgelt verlangt wird. Gerügt wird sohin die sachwidrige Begünstigung politischer Parteien beim Postzeitungsversand gegenüber anderen Verlegern oder Herausgebern unentgeltlich abgegebener Zeitschriften.

Der bf. Verein sieht sich ferner in seinen Grundrechten auf Presse- und Zensurfreiheit und auf Freiheit zum Empfang von Nachrichten ohne Eingriffe öffentlicher Behörden (Art10 Abs1 MRK) verletzt, weil seine Zeitungen nicht zum Postzeitungsversand zugelassen wurden und weil ihm von der Postbehörde im Ermittlungsverfahren zugemutet wurde, die Empfänger der Zeitschrift im einzelnen namentlich offenzulegen.

3. Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die durch §20 Abs3 Z4 und Abs4 Z2 der Anlage 1 zum Postgesetz getroffenen Unterscheidungen als sachlich begründet bezeichnet und einen Eingriff in die Presse- und Zensurfreiheit durch die Nichtzulassung einer Druckschrift zum Postzeitungsversand mit Rücksicht auf die lediglich gebührenrechtliche Konsequenz dieser Nichtzulassung verneint. In der Einladung zur Vorlage von Zahlungsbelegen oder Abonnementbestellungen durch die Postbehörde I. Instanz erblickt sie keinen Eingriff in die Freiheit der Mitteilung von Nachrichten oder Ideen, "weil der von der Bf. angestrebte Postzeitungsversand die Aufhebung der Anonymität der Bezieher gegenüber der Post voraussetzt". Im übrigen wird von der bel. Beh. die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Wenn der bf. Verein meint, daß ihn der angefochtene Bescheid dadurch in seinen Rechten verletzt, daß er auf einer gleichheitswidrigen Rechtsgrundlage beruht, kann ihm der VfGH nicht folgen. Daß für den Postzeitungsversand vom Gesetzgeber besondere Bedingungen (§§19 ff. der Anlage 1 zum Postgesetz) aufgestellt wurden, erweist sich mit Rücksicht auf die gebührenrechtliche Sonderbehandlung dieser Postsendungen als notwendig. Daß Zeitungen postgebührenrechtlich eine besondere Regelung erfahren haben, erklärt sich aus der Bedeutung, die der Postbeförderung für die Verteilung der Zeitungen an deren Abonnenten zukommt. Diese besondere Bedeutung der Postbeförderung für die Presse hat der Verfassungsgesetzgeber in Art13 letzter Satz StGG und in der Z2 des Beschlusses der Provisorischen Nationalversammlung vom 30. Oktober 1918, StGBl. 3, ausdrücklich dadurch bestätigt, daß er administrative Postverbote für inländische Druckschriften ausschloß. Postgebührenrechtliche Sonderregelungen für Zeitungen sind angesichts dieses, vom Verfassungsgesetzgeber selbst bewirkten Schutzes der Herausgabe von Zeitungen und ihrer Verbreitung mit Hilfe der Post auch von der Sache her gerechtfertigt.

Um einen Mißbrauch derartiger, den Postzeitungsversand begünstigender Postgebühren auszuschließen, mußte der Gesetzgeber geeignete Bedingungen und Voraussetzungen für die Zulassung einer Druckschrift zum Postzeitungsversand festlegen. Der VfGH kann aus Anlaß des vorliegenden Falles nicht finden, daß diese Voraussetzungen und Bedingungen gleichheitswidrig sind. So ist unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes nichts dagegen einzuwenden, daß nur jene Zeitungsherausgeber oder -verleger die für den Postzeitungsversand geltenden Postgebühren in Anspruch nehmen können, welche für ihre Zeitungen von deren Empfängern ein Entgelt verlangen, solange auch die Beförderung unentgeltlich verteilter Zeitungen - wenn auch unter Entrichtung anderer Postgebühren - möglich ist. Bei Zeitungen, für die vom Empfänger ein Entgelt verlangt wird, fließt nämlich aus wirtschaftlichen Gründen die dafür vom Herausgeber oder Verleger entrichtete Postgebühr in das von diesem geforderte Entgelt ein. Eine geringere Postgebühr bedeutet sohin eine Presseförderung, die nicht nur dem Herausgeber oder Verleger, sondern auch dem Abonnenten zugute kommt. Druckschriften, die dem Empfänger unentgeltlich überreicht werden, beruhen hingegen auf völlig anderen wirtschaftlichen Überlegungen. Ihre Finanzierung hängt nicht von Kaufentscheidungen ihrer Empfänger ab. Sie ist daher von gänzlich anderen Motiven veranlaßt, die es als gerechtfertigt erscheinen lassen, daß derartige unentgeltlich verteilte Druckschriften vom begünstigten Postzeitungsversand ausgeschlossen bleiben.

Es ist aber auch nicht gleichheitswidrig, wenn gem. §20 Abs4 Z2 des Anhanges 1 zum Postgesetz die von einer politischen Partei (oder von einer ihrer Organisationen) herausgegebenen Zeitungen unabhängig von ihrer entgeltlichen Abgabe vom Gesetzgeber zum Postzeitungsversand zuzulassen sind, sofern diese Zeitungen "vorwiegend der Berichterstattung über Angelegenheiten der Politik" dienen. Gemäß der Verfassungsbestimmung des §1 Abs2 Parteiengesetz, BGBl. 404/1975, gehört zu den Aufgaben der politischen Parteien "die Mitwirkung an der politischen Willensbildung". Daß die politischen Parteien im Hinblick auf ihre Aufgaben für das Gemeinwesen eine Sonderstellung einnehmen, läßt sich aus dieser Verfassungsbestimmung unschwer erkennen. Allerdings darf daraus nicht schlechtweg die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer allgemeinen Bevorzugung politischer Parteien vor allen anderen Gruppen und Verbänden im öffentlichen Leben durch den Gesetzgeber abgeleitet werden. Gerade für die vom Verfassungsgesetzgeber mit "Mitwirkung an der politischen Willensbildung" umschriebene Funktion politischer Parteien ist es aber von grundlegender Bedeutung, daß diese ihr politisches Gedankengut jedermann mitzuteilen in der Lage sind. Wenn daher auch die von politischen Parteien unentgeltlich abgegebenen Druckschriften unter die Begünstigung des Postzeitungsversandes fallen, so erweist sich diese Begünstigung im Hinblick auf die Verfassungsbestimmung des §1 Abs2 Parteiengesetz im Rahmen des dem einfachen Gesetzgeber zustehenden Gestaltungsspielraumes als sachlich gerechtfertigt und nicht gleichheitswidrig.

Es ist ferner nicht zu übersehen, daß sich jede Vereinigung unter den Bedingungen des Parteiengesetzes (auch) als politische Partei konstituieren kann und dann die Begünstigung des §20 Abs4 Z2 des Anhanges 1 zum Postgesetz in Anspruch nehmen kann.

2. Die vom bf. Verein gerügte Verletzung der Presseund Zensurfreiheit gem. Art13 StGG wird durch die Nichtzulassung zum Postzeitungsversand nicht bewirkt. Der bf. Verein wird durch die angefochtene Nichtzulassung weder gehindert, Presseprodukte herauszugeben und zu verlegen, noch diese zu vertreiben. Auch die Beförderung seiner Zeitung per Post ist ihm - wenn auch nicht zu den für den Postzeitungsversand geltenden Bedingungen - eröffnet.

Die im Ermittlungsverfahren erfolgte "Einladung" der Behörde an den bf. Verein zur Vorlage von Zahlungsbelegen und Abonnementbestellungen berührt weder das Zensurverbot noch die Freiheit zum Empfang von Nachrichten gem. Art10 Abs1 MRK, ganz abgesehen davon, daß das Grundrecht auf Empfang von Nachrichten im gegebenen Zusammenhang nicht vom bf. Verein, sondern von möglichen Empfängern der Zeitschrift geltend zu machen wäre. Die Nichtzulassung zum Postzeitungsversand bildet jedenfalls auch kein "administratives Postverbot", wie es durch Art13 letzter Satz StGG und durch Z2 des Beschlusses der Provisorischen Nationalversammlung vom 30. Oktober 1918, StGBl. 3, für inländische Druckschriften ausgeschlossen wurde.

Ein verfassungsgesetzlich geschütztes "Recht, an Interessenten, die den Schutz der Anonymität genießen, die Zeitung zu versenden", wie es der bf. Verein behauptet, ist weder aus Art10 MRK noch aus einer anderen verfassungsgesetzlichen Bestimmung abzuleiten. Der VfGH hat bereits in seinem Erkenntnis VfSlg. 11358/1987, festgestellt, daß selbst eine gesetzliche Vorschrift, welche die Öffnung eines Briefes zwecks Feststellung seines Empfängers zuläßt, verfassungsrechtlich unbedenklich ist. Dies muß umso mehr gelten, wenn eine Zeitung zum Postzeitungsversand zugelassen werden soll, weil deren Postzustellung nur bei Kenntnis der Abonnenten der Zeitung durch die Post möglich ist.

Soweit der bf. Verein für sich den Status einer politischen Partei in Anspruch nimmt, ist er darauf zu verweisen, daß eine politische Partei auf dem in §1 Abs3 und 4 Parteiengesetz vorgesehenen Weg (VfSlg. 9648/1983) entsteht. Da sich der bf. Verein als Verein nach dem Vereinsgesetz 1951 und nicht nach dem Parteiengesetz konstituierte, ist er keine politische Partei im Rechtssinne.

3. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte des Bf. hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Bf. in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen und gem. Art144 Abs3 B-VG antragsgemäß dem VwGH abzutreten.

Diese Entscheidung konnte gem. §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Post- und Fernmelderecht, Meinungsäußerungsfreiheit, Pressefreiheit, Partei politische

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:B934.1987

Dokumentnummer

JFT_10119689_87B00934_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten