RS Vfgh 1989/6/16 G176/88

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Veröffentlicht am 16.06.1989
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Index

L7 Wirtschaftsrecht
L7050 Schischule

Norm

B-VG Art18 Abs1
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung / Gesetz
MRK Art11
ABGB §§825 ff
ABGB §§830 ff
Vlbg SchischulG §4
Vlbg SchischulG §5
Vlbg SchischulG §7
Vlbg SchischulG §8
Vlbg SchischulG §9
ABGB §1175

Leitsatz

Keine iS des Art18 B-VG hinreichende Determinierung des Vbg. SchischulG für die Rechtsbeziehungen der Inhaber einer Schischulbewilligung, die gemeinsam die Leitung der für ein bestimmtes Schischulgebiet eingerichteten Schischule bilden

Rechtssatz

Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmungen der §§4, 5, 7, 9; hingegen keine Präjudizialität des §8 und §9 Abs2 und 4 Vbg. SchischulG.

Der "Vorstand" der Schischule gemäß dem Vbg. SchischulG ist nicht bloß das Organ einer größeren Vereinigung oder Vermögensmasse, sondern die Summe der Teilhaber des Unternehmens, seine Mitglieder also die Gesellschafter der wie immer gearteten Vereinigung selbst.

Welche Rechtsstellung dem Beschwerdeführer als Teilhaber des Unternehmens Schischule zukommt, hängt vor allem vom Inhalt jener Bestimmungen ab, die seine Rechte und Pflichten als Mitglieder des Vorstandes regeln. Das sind sämtliche Vorschriften über die Organisation der Schischule und die Bestimmungen über die Betriebsordnung (§§7 und 9 Vbg. SchischulG). Die Beurteilung der Beschwerde hängt aber auch von den Voraussetzungen für die Erteilung einer Schischulbewilligung ab (§5 Abs1 lite und Abs6 leg.cit.), wobei es für das Verständnis dieser Bestimmungen wesentlich ist, daß in jedem Schischulgebiet nur eine Schischule geführt werden darf (§4 Abs2 leg.cit.). Hingegen kommen die Bestimmungen über die Bestellung und die Aufgaben des Leiters der Schischule (§8 leg.cit.) und über die Wahl eines Ausschusses bei größeren Schischulen (§9 Abs2 leg.cit.) ebensowenig in Betracht wie jene über die Untersagung des Betriebes (§9 Abs4 leg.cit.).

§4 Abs2 erster Satz, §5 Abs1 lite, §5 Abs6, §7 sowie

§9 Abs1 und 3 des Gesetzes über das Schischulwesen (SchischulG),

LGBl. für Vorarlberg Nr. 39/1984, werden als verfassungswidrig aufgehoben.

Gerade wegen der Möglichkeit, auch ohne den Willen der bisherigen Teilhaber Mitglied des Vorstandes (einer Schischule, bestehend aus den Inhabern einer Schischulbewilligung) zu werden, vermißt der Gerichtshof gesetzliche Bestimmungen über die Gestaltung der wechselseitigen Verhältnisse der Mitglieder. Käme die Aufnahme eines neuen Mitgliedes nur im Falle der Einigung über die wechselseitigen Verhältnisse in Betracht, würden sich jedenfalls Bedenken aus Art18 B-VG erübrigen, weil dann die Verhältnisse privatautonom gestaltet wären.

Eine privatautonome Gestaltung wechselseitiger Rechtsbeziehungen setzt aber die Einigung voraus. Wird eine solche Einigung vom Gesetz nicht gefordert, müßte es selbst ein vollständiges Organisationsrecht zur Verfügung stellen, das mangels abweichender Vereinbarung die wechselseitigen Verhältnisse bestimmen würde.

Ein ausreichender Regelungskomplex fehlt hier. Wird die Ausgestaltung der "Details" (nämlich die Festsetzung der Eintrittsvoraussetzungen und die Regelung der Geschäftsführung, des Betriebes und der Haftung) der Vereinbarung überlassen und kommt eine solche nicht zustande, so fehlt es an einer Norm, anhand der ein privatrechtlicher Streit entschieden werden könnte. Der Gesetzgeber darf weder dem Gericht noch der Behörde überlassen, den Maßstab, nach welchem ein Privatrechtsstreit zu entscheiden ist, nach Belieben zu wählen. Die Anwendung der Regeln für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts auf Zwangsgemeinschaften kommt schon nach deren eigenem Geltungsbereich nicht in Betracht und wäre wegen des nicht mehr kalkulierbaren Risikos unsachlich, sodaß auch eine analoge Anwendung ausgeschlossen ist. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts für Rechtsgemeinschaften, die ohne vertragliche Grundlage zustandekommen (§§825 ff. ABGB; §§830 ff. ABGB) passen auf die Organisation der Schischule als eines werbenden Unternehmens nicht. Die Bedenken aus Art18 B-VG können nicht dadurch beseitigt werden, daß man annimmt, der erste oder die ersten Inhaber einer Schischulbewilligung würden durch die von ihnen festgelegte Betriebsordnung die Verfassung festlegen, der sich alle weiteren Inhaber einer Bewilligung unterwerfen müssen. Ein Verstoß gegen Art18 B-VG kann nicht dadurch vermieden werden, daß die mangelhaft determinierte Entscheidung einem außerhalb der Behördenorganisation stehenden Dritten überlassen wird.

Mit der behaupteten Freiwilligkeit der Vereinigung ließe sich das Fehlen zureichender Bestimmungen auch dann nicht rechtfertigen, wenn man in Betracht zöge, daß niemand zum Eintritt in die Gemeinschaft gezwungen wird: Um einen freiwilligen, das Risiko der Einigung vielleicht rechtfertigenden Zusammenschluß handelt es sich schon deshalb nicht, weil der Zwang, neue Partner zu akzeptieren, mit einer freien Vereinigung nach Art11 MRK nicht vereinbar wäre. Der durch die Materialien nahegelegte Rekurs auf die Privatautonomie der "Partner des zivilrechtlichen Rechtsverhältnisses" müßte schon daran scheitern, daß von einer privaten Vereinigung angesichts der Pflicht, neue Bewilligungsinhaber gegen den eigenen Willen anzunehmen, nicht die Rede sein kann.

Nähme man an, daß die bisherigen Mitglieder einen neuen Bewilligungsinhaber nicht gegen ihren Willen akzeptieren müssen, sondern die Erteilung einer weiteren Bewilligung ihrer Zustimmung bedarf (sodaß dabei auch die Betriebsordnung an die neuen Verhältnisse angepaßt werden könnte) - ein Ergebnis, für das allenfalls §5 Abs6 Vbg. SchischulG ins Treffen zu führen wäre, ohne daß ihm §9 Abs1 litc leg.cit. unbedingt entgegenstünde -, so könnte sich ein Bewerber am Betrieb einer Schischule in einem bestimmten Gebiet in der Tat nur beteiligen, wenn er sich den Wünschen der bisherigen Inhaber einer Schischulbewilligung fügen würde. Die Möglichkeit, eine zulässige Erwerbstätigkeit auszuüben, wäre dann ohne ausreichende sachliche Rechtfertigung vom Willen der bisherigen Inhaber abhängig, was in bezug auf das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht der Erwerbsfreiheit ähnlich zu beurteilen wäre wie die Beschränkungen des Tiroler und des Steiermärkischen SchischulG (vgl. G154/87 vom 12.03.1988 und G173/88 vom 30.11.1988).

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Präjudizialität, Schischulen, Zivilrecht, Gesellschaftsrecht, Determinierungsgebot, Erwerbsausübungsfreiheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1989:G176.1988

Dokumentnummer

JFR_10109384_88G00176_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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