RS Vfgh 1989/9/30 V195/88

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Veröffentlicht am 30.09.1989
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8230 Abwasser, Kanalisation

Norm

B-VG Art18 Abs2 / Verordnung Inhalt gesetzwidrig
B-VG Art89 Abs2
B-VG Art135 Abs4
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
KanalgebührenO der Gemeinde Fulpmes vom 13.02.1975
Tir LAO 1984 §154
Tir LAO 1984 §155
Tir LAO 1963 §156
Tir LAO 1963 §157

Leitsatz

Fiktion einer neuerlichen Verwirklichung des Abgabentatbestandes; Widerspruch einiger Bestimmungen der KanalgebührenO Fulpmes zu den gesetzlichen Vorschriften über die Abgabenverjährung

Rechtssatz

Art135 Abs4 B-VG legt fest, daß der Verwaltungsgerichtshof im Falle von Bedenken (ua.) gegen Verordnungen in gleicher Weise vorzugehen hat wie die in Art89 angeführten Gerichte und ihm demgemäß die in den Art89 und 139 Abs1 B-VG näher ausgeführten Anfechtungsbefugnisse zukommen. Art135 Abs4 stellt den Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang mit den (ordentlichen) Gerichten gleich (vgl. auch Mayer-Rill-Funk-Walter, Neuerungen im Verfassungsrecht, Wien 1976, S 84). Hiebei hat der Verfassungsgesetzgeber durch die Verwendung des Wortes "sinngemäß" den Umstand berücksichtigt, daß dem Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof kein (in Art89 Abs2 B-VG erwähnter) gerichtlicher Instanzenzug vorausgeht.

Der Verfassungsgerichtshof kann dem Verwaltungsgerichtshof nicht entgegentreten, wenn dieser davon ausgeht, er habe im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Vorstellungsbescheides nicht nur zu beurteilen, ob K H (überhaupt) Eigentümer der Liegenschaft sei, sondern auch, ob dieses Eigentumsverhältnis im Zeitpunkt des Entstehens der Abgabenschuld (bereits) gegeben war, zumal dann, wenn die Eigentümereigenschaft erst später eingetreten wäre, schon deshalb keine Gebührenpflicht des K H iSd §1 Abs3 dritter Satz KanalgebührenO der Gemeinde Fulpmes vom 13.02.1975 entstanden wäre. So gesehen ist es aber durchaus folgerichtig, wenn der Verwaltungsgerichtshof meint, er habe die den Zeitpunkt für das Entstehen der Gebührenpflicht festlegende Vorschrift des §1 Abs3 dritter Satz und die damit in einem untrennbaren Zusammenhang stehende Bestimmung des §6 Abs2 der bekämpften Verordnung anzuwenden.

§1 Abs3 dritter Satz und §6 Abs2 der KanalgebührenO der Gemeinde Fulpmes vom 13.02.1975 idF des Beschlusses des Gemeinderates vom 15.12.1977, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 09.01. bis 25.01.1978, werden als gesetzwidrig aufgehoben.

Mit der Bestimmung des §1 Abs3 dritter Satz KanalgebührenO der Gemeinde Fulpmes vom 13.02.1975 wurden (auch) verjährte Abgabenansprüche neu ins Leben gerufen, und zwar dadurch, daß ein (neuerliches) Entstehen des Abgabenanspruches mit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle zur KanalgebührenO festgelegt wurde. Dem steht nicht entgegen, daß der Wortlaut der genannten Vorschrift auch Fälle erfaßt, in denen bisher keine Abgabepflicht entstanden ist (also Verjährung nicht eintreten konnte). Die Auswirkung des §1 Abs3 dritter Satz wird durch die Vorschrift des §6 Abs2 der Novelle, wonach §1 Abs3 dritter Satz nur dann nicht anzuwenden ist, wenn aufgrund früherer Vorschriften die Gebühr bereits entrichtet worden ist, abgesichert. Das hat - wie der Verwaltungsgerichtshof zu Recht ausführt - zur Folge, daß die bekämpfte Regelung mit den gesetzlichen Vorschriften der Tir. LAO (ds. §§154, 155 Tir. LAO 34/1984 bzw. §§156, 157 Tir. LAO 7/1963) über die Abgabenverjährung nicht in Einklang steht.

Die bekämpfte Regelung ist daher als gesetzwidrig aufzuheben, weil sie - zusammenfassend ausgedrückt - durch Fiktion einer neuerlichen Verwirklichung des Abgabentatbestandes bewirkt, daß (auch) die vom Verwaltungsgerichtshof aufgezeigte Folge eintreten kann.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Verwaltungsgerichtshof, Gericht, VfGH / Präjudizialität, Kanalisation Abgaben, Verjährung, Finanzverfahren Verjährung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1989:V195.1988

Dokumentnummer

JFR_10109070_88V00195_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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