RS Vfgh 1989/10/6 G8/89

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Veröffentlicht am 06.10.1989
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Index

L9 Sozial- und Gesundheitsrecht
L9200 Altenheime, Pflegeheime, Sozialhilfe

Norm

B-VG Art116 Abs2
B-VG Art118 Abs2
B-VG Art116a
B-VG Art116a Abs3
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
Oö SozialhilfeG 1973 §25
Oö SozialhilfeG 1973 §26
Oö SozialhilfeG 1973 §27
Oö SozialhilfeG 1973 §55 Abs2
Oö SozialhilfeG 1973 §62
Oö SozialhilfeG 1973 §18a Abs1

Leitsatz

Abweisung des Antrages des Verwaltungsgerichtshofes auf Aufhebung des §62 Oö SozialhilfeG 1973; zu Recht vorgenommene Bezeichnung der von den Sozialhilfeverbänden als Träger von Privatrechten zu besorgenden Aufgaben als Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde; Abweisung des Antrages des Verwaltungsgerichtshofes auf Aufhebung des §26 Abs2 Oö SozialhilfeG 1973; kein maßgebender Einfluß des Bezirkshauptmannes als Obmann des Verbandsausschusses auf die Besorgung der Aufgaben des Gemeindeverbandes

Rechtssatz

Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iS des Art140 B-VG bzw. des Art139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, daß die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlaßfall bildet (zB VfSlg. 7999/1977, 9811/1983, 10296/1984).

Aus Art118 Abs2 letzter Satz B-VG ergibt sich das Verbot, Angelegenheiten, die nicht solche des eigenen Wirkungsbereiches sind, dennoch als solche zu benennen.

Das gilt schon im Hinblick auf den Wortlaut des Art116a Abs3 erster Halbsatz B-VG auch dann, wenn einzelne Aufgaben der Gemeinde einem Gemeindeverband zur Besorgung zugewiesen werden (vgl. etwa Gallent, Die Gemeindeverbände (vor und) nach Art116a B-VG, ÖGZ 1986, 14, und die dort zitierte weitere Literatur). Diese Bezeichnung ist auch sinnvoll; denn auch dann, wenn eine Angelegenheit von einem Gemeindeverband besorgt wird, ist es wesentlich, ob er im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde tätig wird oder nicht.

Den - als Gemeindeverbände iS des Art116a B-VG eingerichteten - Sozialhilfeverbänden obliegt nach dem klaren Wortlaut des Oö SozialhilfeG keinerlei hoheitliche Aufgabe; sie haben vielmehr als Träger von Privatrechten die von der Bezirkshauptmannschaft bescheidmäßig (§18a Abs1 Oö SozialhilfeG) angeordnete Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes selbst zu leisten bzw. dafür zu sorgen, daß sie geleistet wird (vgl. zum möglichen Auseinanderfallen der Rechtsnatur der beh Anordnung einer Maßnahme und deren Durchführung VfGH 19.06.1989 B1874/88, S 13), sowie die (ohne vorherige Erlassung eines Bescheides freiwillige) Hilfe in besonderen Lebenslagen und soziale Dienste zu gewähren.

Das gilt auch für die Stellung von Anträgen auf Rückersatz gemäß §55 Abs2 Oö SozialhilfeG.

Aus der Einleitung des Art118 Abs2 B-VG ergibt sich zweifelsfrei, daß die im Art116 Abs2 B-VG angeführten Angelegenheiten (nämlich die Privatwirtschaftsverwaltung der Gemeinde) zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zu zählen sind.

Die im §62 Oö SozialhilfeG angesprochenen Aufgaben der Gemeinde und Gemeindeverbände durften daher als Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches bezeichnet werden.

Dem Antrag auf Aufhebung des §62 Oö SozialhilfeG 1973 wird nicht Folge gegeben.

Der Wortlaut des Art116a Abs3 B-VG impliziert, daß es zulässig ist, wenn den verbandsangehörigen Gemeinde nicht der alleinige Einfluß auf die Tätigkeit des Gemeindeverbandes zukommt und daß daher kein Verstoß gegen Art116a B-VG vorliegt, wenn auch außenstehenden Personen oder Institutionen ein gewisser Einfluß eingeräumt wird; dieser darf nur nicht "maßgebend" sein. Im Hinblick auf Art7 B-VG muß dieser Einfluß sachlich gerechtfertigt werden können.

Erlaubt nun aber Art116a B-VG, daß auch Außenstehende an der Verbandswillensbildung mitwirken, dann ist es auch zulässig, wenn diese Außenstehenden nicht von den verbandsangehörigen Gemeinden in die Verbandsfunktion berufen werden, sondern die Bestellung etwa unmittelbar durch das Gesetz erfolgt.

Der durch die Regelung des §26 Abs2 Oö SozialhilfeG gegebene Einfluß des Bezirkshauptmannes auf die Besorgung der Aufgaben des Gemeindeverbandes ist nach dem Oö SozialhilfeG nicht "maßgebend" iS des Art116a Abs3 B-VG. So ist insbesondere beachtenswert, daß dem Bezirkshauptmann als Obmann des Verbandsausschusses weder in der Verbandsversammlung noch im Verbandsausschuß ein Stimmrecht zukommt (§25 Abs7 und §26 Abs7 Oö SozialhilfeG); diesen Organen kommt aber der wesentliche Einfluß auf die Verbandstätigkeit zu. §27 Abs3 Z1 (Vertretung des Sozialhilfeverbandes nach außen) und §27 Abs3 Z3 leg. cit. (Durchführung der Beschlüsse der Verbandsversammlung und des Verbandsausschusses) berufen den Obmann lediglich dazu, (individuelle und generelle) Beschlüsse anderer Verbandsorgane zu exekutieren. Auch hinsichtlich der Einberufung der Verbandsversammlung und des Verbandsausschusses (die an sich dem Obmann obliegt), ist den verbandsangehörigen Gemeinden ein maßgebender Einfluß gewahrt (§25 Abs6 und §26 Abs6 Oö SozialhilfeG). Der rechtliche Einfluß des Obmannes auf die Verbandswillensbildung ist mithin vergleichsweise gering, sein Einfluß auf die Gestion des Verbandes keineswegs "maßgebend".

Keine Verfassungswidrigkeit des §26 Abs2 Oö SozialhilfeG.

Entscheidungstexte

  • G 8/89
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 06.10.1989 G 8/89

Schlagworte

Gemeinderecht, Gemeindeverband, Wirkungsbereich eigener, Sozialhilfe, Privatwirtschaftsverwaltung, VfGH / Präjudizialität

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1989:G8.1989

Dokumentnummer

JFR_10108994_89G00008_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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