RS Vfgh 1990/2/27 B483/89

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 27.02.1990
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Index

90 Straßenverkehrsrecht, Kraftfahrrecht
90/01 Straßenverkehrsordnung 1960
90/02 Kraftfahrgesetz 1967

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb StGG Art5 KFG 1967 §§57. 58 StVO 1960 §5 Abs3 StVO 1960 §58 Abs1

Leitsatz

Verletzung im Eigentumsrecht durch Abnahme der Kennzeichentafeln und des Zulassungsscheins eines Motorrads; ungeeignete Maßnahmen zur Hintanhaltung der Gefährdung der Verkehrssicherheit

Rechtssatz

Entfernung der Kennzeichentafeln und Abnahme des Zulassungsscheines eines Motorrades als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anfechtbar.

Zurückweisung der Beschwerde hinsichtlich der behaupteten Verhaftung des Beschwerdeführers mangels Erweislichkeit der angefochtenen Amtshandlung.

Die am Motorrad angebrachten Kennzeichentafeln und der Zulassungsschein sind Urkunden, welche die Benützung des im Eigentum des Beschwerdeführers stehenden Fahrzeuges auf öffentlichen Straßen rechtlich ermöglichen. Durch die Abnahme der Kennzeichentafeln und des Zulassungsscheines wurde dem Eigentümer der für diese Sache wesentliche Gebrauch als Fahrzeug unmöglich gemacht. Es liegt somit ein Eingriff in das Eigentum des Beschwerdeführers vor (vgl. hiezu die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, zB VfSlg. 6402/1971, 7091/1973, 7931/1976, 8294/1978, 8414/1978 und 8569/1979).

Die belangte Behörde geht offenkundig - durchaus zutreffend - davon aus, daß die Verkehrssicherheit durch eine weitere Verwendung des Motorrades des Beschwerdeführers aufgrund des unbestrittenermaßen einwandfreien Zustandes dieses Fahrzeuges nicht gefährdet gewesen wäre.

Es besteht keine gesetzliche Vorschrift, welche die Organe der öffentlichen Sicherheit ermächtigt, zu keinem anderen Zweck als dem der Klärung eines Sachverhaltes, Maßnahmen wie die Abnahme von Kennzeichentafeln oder des Zulassungsscheines zu setzen.

Die Abnahme von Kennzeichentafeln und Zulassungsschein kann nach den Vorschriften des KFG und der StVO grundsätzlich nur dann erfolgen, wenn die Verkehrssicherheit entweder aufgrund des Zustandes des Fahrzeuges oder des Lenkers gefährdet erscheint.

Es mag durchaus zutreffen, daß der Beschwerdeführer im Verlauf der verbalen Auseinandersetzung mit dem Beamten immer mehr in Erregung geraten ist und der Beamte vertretbarerweise zur Auffassung gelangen konnte, der Beschwerdeführer sei nicht mehr in der Lage, sein Fahrzeug zu beherrschen.

Der Beamte hätte jedoch den - seiner Auffassung nach die Verkehrssicherheit gefährdenden - Beschwerdeführer ohne weiteres bei dem betriebsbereiten, mit Kennzeichentafeln nach wie vor versehenen Motorrad zurückgelassen, während er Werkzeug zum Abmontieren der Kennzeichentafeln holen wollte, ohne etwa dem Beschwerdeführer die Fahrzeugschlüssel abzunehmen. Angesichts des Umstandes, daß die vom Gendarmeriebeamten gesetzten Maßnahmen nach Lage des Falles völlig ungeeignet waren, eine Gefährdung der Verkehrssicherheit durch den Beschwerdeführer hintanzuhalten, ist es denkunmöglich, sich zu ihrer Rechtfertigung auf §58 Abs1 iVm §5 Abs3 StVO zu berufen.

Der Beschwerdeführer ist daher durch die Abnahme der Kennzeichentafeln und des Zulassungsscheines seines Motorrades im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Ausübung unmittelb Befehls- und Zwangsgewalt, Kraftfahrrecht, Zulassung, Kennzeichen, Überprüfung, Straßenpolizei, Fahruntauglichkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:B483.1989

Dokumentnummer

JFR_10099773_89B00483_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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