RS Vfgh 1990/6/15 B1562/88

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Veröffentlicht am 15.06.1990
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Index

37 Geld-, Währungs-und Kreditrecht
37/02 Kreditwesen

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität StGG Art5 StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung HypothekenbankG §1 HypothekenbankG §5 KWG §1 Abs2 Z8 KWG §36 Abs4 Z1 SparkassenG §13 Abs4

Leitsatz

Versagung der Bewilligung für die Satzungsänderung einer Sparkasse zur Aufnahme des Hypothekenbankgeschäfts; denkmögliche Annahme des Ausschlusses der Sparkassen vom Betrieb solcher Geschäfte; sachliche Rechtfertigung der Beschränkung der Konzession nach dem Hypothekenbankgesetz auf Aktiengesellschaften; keine Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit; öffentliches Interesse an der Einschränkung der Erwerbsausübungsfreiheit aufgrund der Tätigkeit der Banken in einem volkswirtschaftlichen Schlüsselbereich und der besonderen Schutzbedürftigkeit der Einleger gegeben

Rechtssatz

Versagung der Bewilligung für die Satzungsänderung einer Sparkasse zur Aufnahme des Hypothekenbankgeschäfts.

Es erscheint dem Verfassungsgerichtshof zumindest denkmöglich, die aufgrund des Hypothekenbankgesetzes geltende Rechtslage dahin zu verstehen, daß sie den Betrieb des Hypothekenbankgeschäfts durch eine Sparkasse und somit auch eine dementsprechende Satzungsänderung ausschließt. Dies zumindest dann, wenn es sich wie bei der beschwerdeführenden Sparkasse um keine Aktiengesellschaft handelt und sie in ihren Bankgeschäften nicht auf die in §5 Hypothekenbankgesetz aufgezählten Geschäfte beschränkt ist.

Unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes ist es nicht zu beanstanden, daß eine Konzession nach dem Hypothekenbankgesetz gemäß §1 Abs1 dieses Gesetzes Aktiengesellschaften vorbehalten ist.

Der Gleichheitssatz verbietet dem Gesetzgeber nicht, Aktiengesellschaften im Rahmen seiner rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit angesichts der besonderen Anforderungen, welche an die sich im Realkredit und im Emissionsgeschäft betätigenden Banken zu stellen sind, vor allen anderen Rechtsformen deshalb zu bevorzugen, "weil bei dieser Rechtsform die Organisationsstruktur und die Haftkapitalaufbringungsmöglichkeiten am besten durchgebildet sind" (so die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu §8 a KWG, 934 BlgNR, 16. GP.).

Den Banken sollten gemäß Art4 der Verordnung über die Einführung des Hypothekenbankgesetzes und des Gesetzes über die Pfandbriefe und verwandten Schuldverschreibungen öffentlich-rechtlicher Kreditanstalten im Lande Österreich vom 11. November 1938, DRGBl I S. 1574, früher eingeräumte Befugnisse zur Ausübung des Hypothekenbankgeschäfts belassen werden.

Die sachliche Rechtfertigung dieser Privilegierung "alter" Hypothekenbanken gegenüber "neuen", die das Recht zur Ausübung des Hypothekenbankgeschäfts erst auf Grund des §1 Abs1 Hypothekenbankgesetz erwerben, liegt im Schutz des Vertrauens auf seinerzeit rechtmäßig erworbene Rechtspositionen, die der Gesetzgeber ohne Verstoß gegen den Gleichheitssatz auch dann belassen kann, wenn er für neu zu verleihende Hypothekenbankkonzessionen erschwerte Voraussetzungen schafft.

Wie die sowohl zur Begründung der Genehmigungspflicht für das Hypothekenbankgeschäft als auch zur Begründung des Ausschlusses anderer als Aktienbanken vom Betrieb des Hypothekenbankgeschäfts seinerzeit bei Erlassung des reichsdeutschen Hypothekenbankgesetzes angestellten Überlegungen (vgl. diese in der "Begründung zu dem Entwurfe eines Hypothekenbankgesetzes", Reichstagsdrucksache,

10. Legislaturperiode, I. Session Nr. 106, wiedergegeben bei Dannenbaum, Deutsche Hypothekenbanken, 2. Auflage, 1928, Seite 403 und 404) zeigen, sollte "hiedurch ... einer übermäßigen Vermehrung der Hypothekenbanken, die schließlich zu ungesunden Verhältnissen führen müßte, am sichersten vorgebeugt" werden.

Im Bereich des Kreditwesenrechts sind ganz allgemein beträchtliche Beschränkungen der Erwerbsausübungsfreiheit im öffentlichen Interesse gelegen und daher verfassungsrechtlich zulässig (s Ev 22.06.89, B688/88).

Die öffentlichen Interessen sprechen in vermehrtem Ausmaß für eine Begrenzung der Hypothekenbanken sowohl ihrer Zahl als auch ihrer Art nach.

Schon aus strukturellen Gründen scheidet der Betrieb des Hypothekenbankgeschäfts durch Sparkassen daher aus.

§1 Abs1 Hypothekenbankgesetz ist im vorliegenden Fall nur insoweit anzuwenden und daher präjudiziell, als durch diese Vorschrift das Hypothekenbankgeschäft auf Aktiengesellschaften beschränkt wird, nicht hingegen hinsichtlich der sonstigen Voraussetzungen für die Inangriffnahme derartiger Geschäfte, insbesondere nicht hinsichtlich der sonstigen Voraussetzungen für die Erteilung einer Konzession nach dieser Gesetzesbestimmung. Der Verfassungsgerichtshof konnte es sohin in diesem Verfahren dahingestellt sein lassen, ob und wieweit die Vorschriften des KWG auch zusätzliche inhaltliche Bestimmungsgründe für die Vergabe von Hypothekenbankkonzessionen nach §1 Abs1 Hypothekenbankgesetz enthalten.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Kreditwesen, Bankwesen, Sparkassen, Rechte wohlerworbene, Erwerbsausübungsfreiheit, öffentliches Interesse, VfGH / Präjudizialität

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:B1562.1988

Dokumentnummer

JFR_10099385_88B01562_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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