RS Vfgh 1990/12/3 V204/90, V205/90, V206/90, V207/90, V208/90, V209/90, V232/90, V233/90, V234/90, V

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Veröffentlicht am 03.12.1990
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Index

55 Wirtschaftslenkung
55/01 Wirtschaftslenkung

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Allg
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art139 Abs4
B-VG Art140 Abs4
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
Milchpreisverordnungen des BM für Handel. Gewerbe und Industrie vom 30.07.85. 26.09.86. 23.11.87
Richtpreisverordnungen des Milchwirtschaftsfonds vom 30.09.88. 08.02.89. 16.03.89. 04.01.90. 21.12.89. 06.02.90
MOG §3 Abs1
MOG §14 Abs4
PreisG 1976 §1a
PreisG 1976 §2
PreisG 1976 §8 Abs2
VfGG §57 Abs1 zweiter Satz

Leitsatz

Teilweise Zurückweisung von Anträgen auf Aufhebung von Milchpreisverordnungen des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie wegen entschiedener Sache und mangels Präjudizialität; Zurückweisung von Anträgen auf Aufhebung von Richtpreisverordnungen des Milchwirtschaftsfonds mangels Darlegung der Bedenken im einzelnen; Abweisung von Anträgen auf Aufhebung diverser Milchpreisverordnungen des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie; gesetzmäßige Kalkulation der Milchpreise im Hinblick auf die Kosten, die für wirtschaftlich nicht günstig strukturierte Betriebe gegeben sind

Rechtssatz

Teilweise Zurückweisung von Anträgen auf Aufhebung von Milchpreisverordnungen des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie wegen entschiedener Sache.

Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis VfSlg. 8277/1978, S. 197, ausgeführt, mit der in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes seien die mit ihr aufgehobenen Gesetzesvorschriften für die Vergangenheit unangreifbar geworden; hieran habe die B-VG-Novelle BGBl. 302/1975 nichts geändert; es komme daher die Einleitung eines weiteren, bereits aufgehobene Gesetzesbestimmungen betreffenden Gesetzesprüfungsverfahrens nicht in Betracht.

Diese Erwägungen gelten auch für den Fall, daß nicht die Aufhebung einer rechtswidrigen generellen Norm erfolgt ist, sondern ein Ausspruch nach Art140 Abs4 B-VG (oder wie hier: nach Art139 Abs4 B-VG).

Teilweise Zurückweisung von Anträgen auf Aufhebung von Milchpreisverordnungen des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie mangels Präjudizialität.

Es betreffen - wie in den Fällen der Erkenntnisse VfSlg. 10313/1984 und 10820/1986 - nur die jeweiligen §1 und §2 der angefochtenen Verordnungen die Erzeugerpreise und die Abrechnung von Milch und Milchrahm mit den Erzeugern.

Es ist daher ausgeschlossen, daß das antragstellende Landesgericht die übrigen Bestimmungen der angefochtenen Verordnungen bei seiner Entscheidung über die bei ihm geltend gemachten Amtshaftungsansprüche anzuwenden hat (gegen die nicht die Erzeugerpreise betreffenden Vorschriften wurden vom Gericht im übrigen auch keine Bedenken vorgebracht), weshalb die Anträge diesbezüglich unzulässig sind (zur Prozeßvoraussetzung der Präjudizialität bei Anträgen von Gerichten nach Art139 und 140 B-VG vgl. etwa VfSlg. 10701/1985).

Der Beginn des Zeitraumes, für den der Kläger beim antragstellenden Gericht den Ersatz jenes Verlustes begehrt, den er als Milcherzeuger wegen der - seiner Auffassung nach gesetzwidrig - zu niedrig festgesetzten Milchpreise erlitten habe, fällt (erst) in den zeitlichen Geltungsbereich der Milchpreisverordnung vom 30.07.84. Die - allfällige - Rechtswidrigkeit jener Vorschriften, deren zeitliche Geltung vor dem Oktober 1984 endete (das sind die in den Verordnungen vom 30.04.82, 01.07.83 und 16.12.83 festgelegten Milchpreise), kann daher keine Grundlage für die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche bilden.

Zurückweisung von Anträgen auf Aufhebung von Richtpreisverordnungen des Milchwirtschaftsfonds mangels Darlegung der Bedenken im einzelnen.

Richtpreise nach §3 MarktordnungsG sind in keiner Weise mit den nach dem PreisG 1976 festgesetzten Preisen vergleichbar; insbesondere gilt für Richtpreise nicht, daß sie nach dem volkswirtschaftlich gerechtfertigten Preis auszurichten sind, auch gelten für ihre Festlegung nicht die im Preisgesetz 1976 und im Landwirtschaftsgesetz vorgesehenen Verfahrensbestimmungen.

Das antragstellende Landesgericht bringt gegen die Gesetzmäßigkeit der Richtpreisverordnungen keine aus deren gesetzlicher Grundlage abgeleitete Bedenken vor, sondern überträgt völlig unbesehen die vom Obersten Gerichtshof in der vom Landesgericht zitierten Entscheidung aus dem Preisgesetz gegen die Gesetzmäßigkeit der Milchpreisverordnungen abgeleiteten Bedenken auf die Richtpreisverordnungen.

Eine Preisbestimmung für ein bestimmtes Produkt nach §2 PreisG 1976 hat sich grundsätzlich an den für das bestimmte Produkt auflaufenden Kosten (deren Berücksichtigung und Berechnungsmethoden entgegen der Auffassung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten im einzelnen nicht Gegenstand dieses Verfahrens sind), aber auch an einem auf dieses Produkt bezughabenden, volkswirtschaftlich gerechtfertigten Gewinn (ausschließlich diese Frage ist Gegenstand der Anfechtung, der Verfassungsgerichtshof hat lediglich zu prüfen, ob die behauptete Gesetzwidrigkeit vorliegt, vgl. zB VfSlg. 9089/1981) zu orientieren.

(Zur Verhältnismäßigkeit staatlicher Eingriffe in diesem Bereich siehe zB VfGH E v 15.06.90, G56/89 sowie die Judikatur des OGH und des VwGH, zB VwSlg. 10419 A/1981).

Abweisung von Anträgen auf Aufhebung diverser Milchpreisverordnungen des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 30.07.85, 26.09.86, 23.11.87.

Der Verfassungsgerichtshof kann im Ergebnis die Auffassung des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien nicht teilen, daß die angefochtenen Verordnungsbestimmungen (schon) deswegen nicht in Einklang mit §2 PreisG 1976 stünden, weil "im Zuge der Verfahren zur Feststellung der jeweiligen Milchpreise seitens Preiskommission ein Unternehmergewinn nicht in das Kalkulationsmodell aufgenommen wurde".

Der Verordnungsgeber ist bei Festsetzung der hier in Rede stehenden Milchpreise von Kosten ausgegangen, die für wirtschaftlich nicht günstig strukturierte Betriebe gegeben sind, was bei besser strukturierten und rationeller geführten Betrieben einen entsprechenden Gewinn zur Folge hat. Es mag durchaus sein, daß dieser Gewinn nicht gerade hoch kalkuliert war. In diesem Zusammenhang darf aber nicht unberücksichtigt bleiben, daß ein "volkswirtschaftlich gerechtfertigter" Preis (im Sinne des zitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes VwSlg. 10491A/1981) hier keinen Gewinn im üblichen Ausmaß enthalten muß, weil die Milchmarktregelung dem Erzeuger die Abnahme des Produktes garantiert und insofern das unternehmerische Risiko wesentlich reduziert ist.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Sachentscheidung Wirkung, res iudicata, Rechtskraft, VfGH / Formerfordernisse, Preisrecht, PreisbestimmungsG, Marktordnung, Erwerbsausübungsfreiheit, volkswirtschaftlich gerechtfertigter Preis, Milchpreis, VfGH / Präjudizialität, Geltungsbereich (zeitlicher) einer Verordnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:V204.1990

Dokumentnummer

JFR_10098797_90V00204_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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