TE Vfgh Erkenntnis 1990/6/15 G56/89

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Veröffentlicht am 15.06.1990
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Index

26 Gewerblicher Rechtsschutz
26/01 Wettbewerbsrecht

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung NahversorgungsG §3a NahversorgungsG §7

Leitsatz

Zulässigkeit eines Individualantrages auf Aufhebung des Verbots des Verkaufs unter dem Einstandspreis; Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers ohne weiteren Konkretisierungsakt; kein zumutbarer Umweg über Zuwiderhandeln gegen eine Verbotsnorm; Aufhebung der Verbotsregelung des §3a NahversorgungsG wegen unverhältnismäßigen Eingriffs in die Erwerbsausübungsfreiheit; öffentliches Interesse an Aufrechterhaltung der Nahversorgung durch Verhinderung der Verdrängung kleiner und mittlerer Unternehmen vom Markt zwar gegeben; nachteilige Auswirkungen der Norm beschränken unternehmerische Tätigkeit jedoch in ihrem Kern; keine Beschränkung des Verbotsbereichs auf unlauteres und wettbewerbswidriges Verhalten

Spruch

§3a des Bundesgesetzes zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen, BGBl. Nr. 392/1977, in der Fassung BGBl. Nr. 121/1980 und BGBl. Nr. 424/1988, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

Der Bund (Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten) ist schuldig, dem Antragsteller zuhanden seiner Vertreterin die mit 30.000 S bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit einem beim Verfassungsgerichtshof am 7. April 1989 eingelangten Schriftsatz begehrt der Antragsteller die Aufhebung des §3a des Bundesgesetzes zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen, BGBl. 392/1977 idF BGBl. 121/1980 und 424/1988 (in der Folge: NahVG), als verfassungswidrig.

Der Antragsteller bringt vor, er betreibe ein Handelsgewerbeunternehmen mittlerer Größe in Wien. Durch die angefochtene Bestimmung sei es ihm verwehrt, beim Verkauf von Waren einen Preis zu verlangen, der dem Einstandspreis entspricht bzw. darunterliegt. Dies bewirke einen unmittelbaren und aktuellen Eingriff in seine Vertragsfreiheit und damit in seine Rechtssphäre. Es stehe ihm auch kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung, die Frage der Verfassungsmäßigkeit der bekämpften Bestimmung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen: Das NahVG kenne ausschließlich eine Rechtsverwirklichung auf gerichtlichem Weg. Zur Untersagung von verbotenen Verhaltensweisen im Sinne des §3a NahVG sei gemäß §6 dieses Gesetzes das Kartellgericht beim OLG Wien zuständig; der Antragsteller sei aber nicht in der Lage, ein Verfahren vor dem Kartellgericht in Gang zu setzen, da §7 Abs2 NahVG den Personenkreis beschränke, der zur Antragstellung vor dem Kartellgericht berechtigt ist. Würde der Antragsteller dieses verfassungsgerichtlichen Verfahrens beim Kartellgericht einen Antrag stellen, so wäre dieser aus verfahrensrechtlichen Gründen zurückzuweisen, wobei §3a NahVG nicht präjudiziell wäre. Es gäbe daher für ihn nur den Weg, seine Waren im geschäftlichen Verkehr bewußt unter dem Einstandspreis zum Verkauf anzubieten oder zu verkaufen, eine Antragstellung einer der dazu befugten Körperschaften beim Kartellgericht abzuwarten und im darüber abgewickelten Verfahren seine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §3a NahVG vorzutragen. Allenfalls könne er diese Bedenken auch in einem von einem Konkurrenten angestrengten Wettbewerbsprozeß relevieren, doch müßte der Antragsteller auch dazu gezielt und bewußt dem Verbot des §3a NahVG zuwider handeln. Verfahren dieser Art zu provozieren sei dem Antragsteller jedoch zum einen deshalb nicht zumutbar, weil er gehalten wäre, eine Gesetzesverletzung zu begehen, die ausschließlich den Zweck verfolgt, ein an ihn adressiertes Urteil zu erreichen und zum anderen deshalb, weil auch die Verletzung des Verbots nach §3a NahVG ihm keine Sicherheit für die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens gegen ihn bieten würde. Schließlich sei auch das enorme Prozeßkostenrisiko eines UWG-Verfahrens zu bedenken.

Im einzelnen legt der Antragsteller dar, daß und weshalb seiner Auffassung nach die bekämpfte Bestimmung gegen die verfassungsgesetzlich gewährleistete Privatautonomie, die Erwerbsfreiheit und den Gleichheitsgrundsatz verstößt. Er meint, daß der Eingriff nicht geeignet sei, das angestrebte Ziel der Sicherung einer ausreichenden Nahversorgung durch den Schutz kleinerer und mittlerer Unternehmen vor Verdrängung zu erreichen; überdies sei der durch die bekämpfte Bestimmung bewirkte Grundrechtseingriff unverhältnismäßig und - da er unterschiedlich motivierte "Verlustverkäufe" gleich behandle - gleichheitswidrig.

2. Die Bundesregierung bestreitet in ihrer Äußerung - unter Hinweis darauf, daß in §7 Abs2 NahVG den dort genannten Institutionen die Möglichkeit eingeräumt ist, den Antragsteller im Falle des Verstoßes gegen §3a leg.cit. "auf Unterlassung in Anspruch" zu nehmen - die Antragslegitimation: Erst in einem solchen Verfahren könnte abgeklärt werden, ob das Verbot des §3a Abs1 NahVG dem Antragsteller gegenüber zum Tragen komme oder ob sein Verhalten nach §3 Abs2 leg.cit. zulässig sei. Die Wirkung des §3a NahVG sei daher zunächst noch keine aktuelle; jedenfalls könne aber in einem Verfahren nach dem NahVG die Frage der Verfassungsmäßigkeit aufgeworfen werden. Dementsprechend beantragt die Bundesregierung primär die Zurückweisung des Gesetzesprüfungsantrags.

Ungeachtet dessen befaßt sich die Bundesregierung in ihrer Äußerung auch meritorisch mit dem Antrag, wobei sie den Argumenten des Antragstellers entgegentritt und ihrerseits begehrt, §3a NahVG nicht als verfassungswidrig aufzuheben. Für den Fall der Aufhebung stellt die Bundesregierung den Antrag, für das Außerkrafttreten der Aufhebung eine Frist von einem Jahr zu bestimmen.

3. Auf Einladung des Verfassungsgerichtshofes gaben der Österreichische Arbeiterkammertag und die Bundeswirtschaftskammer Stellungnahmen zur Frage der Tauglichkeit der bekämpften Regelung zur Erreichung des Ziels der Sicherung einer ausreichenden Nahversorgung durch Schutz kleiner und mittlerer Unternehmungen vor Verdrängung ab. Der Österreichische Arbeiterkammertag hält im Lichte der bisherigen Erfahrungen §3a NahVG für nicht geeignet, diesen Zweck zu erreichen. Die Bundeswirtschaftskammer meint demgegenüber, daß sich insbesondere seit der Entscheidung des OGH vom 13. September 1988 (ÖBl. 1989, 122) die grundsätzliche Tauglichkeit der Bestimmung in Bezug auf die wettbewerbspolitisch beabsichtigten Ziele erwiesen habe.

II. Der bekämpfte §3a NahVG (dessen Abs1 idF BGBl. 424/1988 und dessen Abs2 idF BGBl. 121/1980 in Geltung steht) steht unter der Marginalrubrik "Verkauf unter dem Einstandspreis" und hat folgenden Wortlaut:

"§3a (1) Wer im geschäftlichen Verkehr Waren zum oder unter dem Einstandspreis zuzüglich der Umsatzsteuer und aller sonstiger Abgaben, die beim Verkauf anfallen, verkauft oder zum Verkauf anbietet, kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Einstandspreis ist der Preis, der sich nach Abzug aller Rabatte oder sonstiger Preisnachlässe ergibt, die vom Lieferanten im Zeitpunkt der Rechnungsstellung eingeräumt werden.

(2) Die Bestimmungen des Abs1 sind nicht anzuwenden, wenn die Preiserstellung nach den Grundsätzen einer ordentlichen kaufmännischen Gebarung gerechtfertigt ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn

' 1. der Verkauf nach den Vorschriften über Ausverkäufe und

ausverkaufsähnliche Veranstaltungen angekündigt oder durchgeführt wird oder

2. das Verderben der Ware droht oder

3. beschädigte oder veraltete Waren abverkauft werden; als veraltet sind hiebei vor allem Waren anzusehen, deren Handelswert durch die technische Entwicklung wesentlich verringert worden ist, oder

4. die Preiserstellung in Anpassung an die von Mitbewerbern offenbar zulässigerweise geforderten Preise oder in Befolgung von Rechtsvorschriften erfolgt ist."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Frage der Zulässigkeit des Antrags erwogen:

Die bekämpfte Bestimmung normiert u.a. ein Verbot, im geschäftlichen Verkehr Waren zum oder unter dem Einstandspreis zum Verkauf anzubieten oder zu verkaufen (Abs1), sofern nicht eine derartige Preisgestaltung nach den Grundsätzen einer ordentlichen kaufmännischen Gebarung gerechtfertigt ist (Abs2). Dieses Verbot trifft den Antragsteller als Handelsgewerbetreibenden in seiner Rechtssphäre, indem es ihn in seiner Vertragsfreiheit beschränkt (vlg. zB VfSlg. 10313/1984, 11558/1987, VfGH v. 5.10.1988, G197/87, 148/88).

Diese rechtliche Betroffenheit ist auch von aktueller Wirkung. Wenn die Bundesregierung meint, daß erst in einem außerstreitigen gerichtlichen Verfahren nach §7 NahVG die Frage geprüft wird, ob die Preisgestaltung tatsächlich verboten oder im Hinblick auf die Ausnahmebestimmung des Abs2 gerechtfertigt sei (und im Hinblick darauf die aktuelle Betroffenheit des Antragstellers durch die bekämpfte Vorschrift leugnet), so übersieht sie, daß sich die Vorschrift und ihre Ausnahme schon an den Handelsgewerbetreibenden selbst richten. Ihm ist eine bestimmte Preisgestaltung verboten, sofern nicht gemäß Abs2 Rechtfertigungsgründe vorliegen. Dieses Verbot bedarf keiner weiteren Konkretisierung; es wirkt bei jedem einzelnen Akt der unternehmerischen Preisgestaltung und schränkt die Vertragsfreiheit des Normunterworfenen ein. Die Pflicht des Antragstellers, bei der Preisbestimmung den Einstandspreis immer dann zu überschreiten, wenn Rechtfertigungsgründe gemäß Abs2 nicht vorliegen, hängt weder von einer vorhergehenden gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Entscheidung noch von einer speziellen Ankündigung oder Aufforderung ab.

Der Antragsteller ist auch mit seiner Auffassung im Recht, daß ihm kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung steht, die Frage der Verfassungsmäßigkeit der von ihm bekämpften Vorschrift an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Der Verfassungsgerichtshof hält an seiner Ansicht fest, daß es einem Normunterworfenen nicht zumutbar ist, eine verbotene Handlung zu setzen, um sich in einem gegen ihn eingeleiteten Verfahren mit der Behauptung zur Wehr zu setzen, daß die Verbotsnorm verfassungswidrig sei (und dies mit einer Bescheidbeschwerde an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen oder eine Antragstellung durch ein Gericht anzuregen). Schon in seiner Entscheidung vom 5. Oktober 1988, G197/87, 148/88, hat der Gerichtshof ausgesprochen, daß es einem Antragsteller nicht zumutbar sei, ein von ihm bekämpftes Verbot zu übertreten, weshalb er nicht auf den Weg eines Verwaltungsstrafverfahrens, aber auch nicht auf einen Wettbewerbsprozeß verwiesen werden könne, den er nur provozieren kann, indem er sich in einer gesetzlich verpönten Weise verhält.

Nichts anderes gilt auch im vorliegenden Fall: Sowohl ein Verfahren nach §7 NahVG als auch ein Wettbewerbsprozeß kann vom Antragsteller nur dadurch provoziert werden, daß er sich rechtswidrig verhält, in concreto: daß er dem Verbot des §3a NahVG zuwiderhandelt. Ein solches Zuwiderhandeln ist dem Antragsteller aber nicht zumutbar.

Der Antrag ist daher - und zwar wegen des untrennbaren Zusammenhanges der Abs1 und 2 zur Gänze - zulässig.

IV. In der Sache hat der Verfassungsgerichtshof erwogen:

1. Der Antragsteller hat das Bedenken, daß §3a NahVG gegen die verfassungsrechtlich gewährleistete Privatautonomie, gegen die Erwerbsfreiheit und gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt und trägt seine Bedenken wie folgt vor:

"Die angefochtene Bestimmung greift in mehrere Grundrechte des Antragstellers ein.

Das Verbot, selbst frei bestimmen zu können, zu welchen Preisen der Antragsteller seine Waren verkaufen will, greift in seine Privatautonomie ein. Die Privatautonomie sichert ihm die Freiheit zu, selbst darüber zu disponieren, ob, mit wem und zu welchen Bedingungen er Rechtsgeschäfte abschließen will (Vertragsfreiheit). Die Freiheit ist geschmälert, wenn ihm die Möglichkeit entzogen wird, über einen wesentlichen Teil des Vertragsinhalts, den Preis, den er für seine Waren am Markt verlangen will, zu entscheiden. Die Privatautonomie ist nicht nur einfachgesetzlich garantiert, sie ist zugleich auch Bestandteil der Grundrechtsordnung. Das ergibt sich 'aus dem systematischen Zusammenhang der Grundrechte des Wirtschaftslebens' (so Griller, Drittwirkung und Fiskalgeltung von Grundrechten, ZfV 1983, 115). Insbesondere das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums, auf Erwerbsfreiheit, auf freien Liegenschaftserwerb und auf freie Berufswahl bringen zum Ausdruck, daß dem einzelnen ein Freiraum zur Selbstgestaltung verfassungsrechtlich zugesichert ist. Die Privatautonomie ist daher ein subjektives verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht (vgl. weiters Mayer-Maly, Privatautonomie und Wirtschaftsverfassung, in Korinek-FS (1972) 152; Korinek, Die Beschränkung der Privatautonomie durch Wirtschaftsgesetze (Vortragsbericht), JBl. 1982, 29; Berger, Auswirkungen der Europäischen Menschenrechtskonvention auf das Österreichische Zivilrecht, JBl. 1985, 142 (152)).

Die Preisbindung des §3a NahVersG greift darüberhinaus in das spezielle Grundrecht der Erwerbsfreiheit ein. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes schützt dieses Grundrecht nicht allein den 'Antritt eines bestimmten Erwerbszweiges', sondern auch die 'Ausübung' des Erwerbszweiges (vgl. zuletzt VfGH 5.10.1988, G197/87). Die angefochtene Bestimmung regelt die Ausübung der Erwerbstätigkeit durch den Antragsteller, indem sie ihm eine bestimmte Vorgangsweise bei der Preiskalkulation vorgibt.

Als allgemeineres Grundrecht ist schließlich der Gleichheitssatz in Betracht zu ziehen. Das Gleichheitsgebot schützt den Antragsteller zum einen vor gesetzlichen Differenzierungen, für die es keine sachliche Rechtfertigung gibt, und zum anderen Regelungen, die ein an sich zulässiges Ziel mit völlig untauglichen Mitteln verfolgen (demnach vor gänzlich inadäquaten Mitteln). Es ist zwar davon auszugehen, daß dem Gesetzgeber bei der Wahl der eingesetzten Mittel ein 'rechtspolitischer Gestaltungsspielraum' zukommt. Das bedeutet aber nicht, daß die Mittelwahl am Gleichheitssatz überhaupt nicht gemessen werden könnte (vgl. zuletzt VfGH 16.6.1987, G141,142/86 = ZfVB 1988/1/370; vgl. weiters Korinek, Gedanken zur Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, in Melichar-FS (1983) 48, 52). . . .

Weder die verfassungsrechtliche Privatautonomie noch die Erwerbsausübungsfreiheit schützen den Grundrechtsträger 'absolut'. Beide Grundrechte stehen unter einem Gesetzesvorbehalt und lassen Eingriffe durch den Gesetzgeber zu. Allerdings muß der Gesetzgeber dabei bestimmte Eingriffsschranken beachten.

Der durch die Privatautonomie garantierte Freiraum dient - das ist der maßgebende Grundgedanke - der bestmöglichen Entfaltung des einzelnen. Die Vertragsfreiheit soll ermöglichen, den eigenen Lebensbereich nach eigenem Willen zu gestalten. Die gleiche Freiheit aller soll zu einem optimalen Interessenausgleich führen, dh zu inhaltlich angemessenen Lösungen (sogenannte Richtigkeitsgewähr der Vertragsfreiheit; vgl. Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäfts (1967) 62, 129). Ein solcher Interessenausgleich ist jedoch nur dann möglich, wenn zwischen den einzelnen Beteiligten zumindest annähernd 'Kräftegleichgewicht' herrscht. Eklatante Störungen des Kräftegleichgewichts berechtigen zum korrigierenden Eingriff (vgl. Griller, Drittwirkung und Fiskalgeltung von Grundrechten, ZfV 1983, 116).

Beschränkungen der Erwerbsfreiheit sind nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zulässig, wenn sie durch das öffentliche Interesse geboten, geeignet, zur Zielerreichung adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen sind. Regelungen, die die Ausübung eines Erwerbes einschränken, müssen 'bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe verhältnismäßig sein'. Dem Gesetzgeber steht hier allerdings ein größerer Gestaltungsspielraum zu als bei Regelungen, die den Zugang zu einem Beruf betreffen, weil der Eingriff in die verfassungsgesetzlich geschützte Sphäre nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes 'weniger gravierend' ist (so VfGH 5.10.1988, G197/87). Ein ähnlicher Maßstab gilt auch für die Gleichheitsprüfung.

Die angefochtene Bestimmung ist demnach nur dann verfassungsmäßig, wenn

-

die Preisbindung im öffentlichen Interesse liegt und der Herstellung eines Kräftegleichgewichts am Markt dient

-

ein geeignetes Mittel zur Erreichung des angestrebten Ziels

ist und

-

in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Ziel steht.

Vorweg sei zugestanden, daß die Ziele, die der Gesetzgeber mit der angefochtenen Bestimmung verfolgt, im öffentlichen Interesse liegen. Das kann weder für die Aufrechterhaltung eines leistungsgerechten Wettbewerbs durch den Schutz kleinerer Händler noch für die Sicherstellung der Nahversorgung bestritten werden. Weiters sei zugestanden, daß die Pflicht zum Verkauf über dem Einstandspreis in der Absicht normiert wurde, die kleineren Unternehmer gegenüber den Großunternehmen zu stärken und das bestehende Kräfteungleichgewicht zu ihren Gunsten zu verschieben.

Bestritten wird, daß die angefochtene Regelung ein geeignetes und verhältnismäßiges Mittel zur Herstellung eines leistungsgerechten Wettbewerbs, dh zur Herstellung eines Kräftegleichgewichts am Markt, ist. . . .

A. Die mangelnde Eignung

Die angefochtene Bestimmung beruht, wie sich aus den Materialien ergibt, auf folgendem Befund: Seit einigen Jahren war zu beobachten, daß Großunternehmer ihre kleineren und mittleren Konkurrenten vom Markt verdrängen ('Greißlersterben'). Eine der Praktiken, die die Großunternehmer dabei einsetzen, ist der 'Verlustverkauf'. Sie verkaufen unter dem Einstandspreis und unterbieten auf diese Weise alle anderen Mitbewerber, deren Finanzkraft ein solches Mit-Unterbieten nicht zuläßt. Sie tun dies so lange, bis die Konkurrenten verdrängt sind. Danach erhöhen sie den Preis.

Dieser Befund führt sodann zu folgender Überlegung: Der aggressive Preiskampf der Großunternehmer wird verhindert, wenn das Mittel, das dabei eingesetzt wird, verboten wird. Wenn kein Unternehmer unter dem Einstandspreis verkaufen darf, werden die kleineren und mittleren Unternehmer nicht mehr unter dem Druck der Billigpreise stehen.

Das Mittel, das der Gesetzgeber zur Bekämpfung des 'Greißlersterbens' wählt, scheint aber nur auf den ersten Blick zielführend. Tatsächlich ändert es an der Marktmacht der Großunternehmer wenig. Im Gegenteil, es behindert den Aktionsspielraum der kleineren und mittleren Unternehmer und bleibt für die Großunternehmer weitgehend wirkungslos. . . .

Der Gesetzgeber hat offensichtlich übersehen, daß es eine Unzahl von Situationen gibt, in denen es für kleinere und mittlere Unternehmer geradezu überlebensnotwendig ist, unter dem Einstandspreis verkaufen zu können. Damit sind keineswegs besonders außergewöhnliche Marktsituationen gemeint. Der Antragsteller, der ja zu jenem Unternehmerkreis gehört, der durch das Verbot geschützt werden sollte, kann auch in der täglichen Geschäftsabwicklung eine ganze Reihe von dringend nötigen Verkäufen nicht machen, wenn er sich an das Verbot hält.

. . . Daß der Antragsteller den Markt falsch einschätzt, gehört zu seinem täglichen Risiko. Ob seine Strategie erfolgreich ist, hängt von der konkreten Marktlage ab, vor allem davon, ob er eine Marktlücke richtig erkannt hat, ob er bei seiner Auswahl den Geschmack der Konsumenten getroffen hat, ob er die Ware zu einem günstigen Zeitpunkt bekommt, ob er sie zu einem Preis bekommt, den die Konsumenten zu zahlen bereit sind, und nicht zuletzt davon, wie viele Konkurrenten die gleiche Idee, aber vielleicht einen billigeren Lieferanten haben. Schlägt sich nur einer dieser Faktoren zu seinen Ungunsten nieder, bleibt er auf seinem Lager 'sitzen', wenn er an den Einstandspreis gebunden ist. Die einzige Möglichkeit, den drohenden ungeheuren Verlust wenigstens zu verringern, besteht eben im Verkauf unter dem Einstandspreis, im 'Verlustverkauf'. Das ist ihm jedoch verboten. Der Antragsteller mußte schon mehrfach Verluste hinnehmen, die ohne das Verbot kleiner gewesen wären.

Die Bindung an den Einstandspreis behindert kleinere und mittlere Unternehmer auch bei Liquiditätsproblemen. Solche Unternehmer können finanzielle Engpässe nicht über lange Strecken verkraften. Treten finanzielle Schwierigkeiten auf, . . . kann es vital sein, ob ein vorhandenes Lager mit 'Verlust' abgesetzt werden kann oder nicht. Auch ein 'Verlustverkauf' kann die benötigten Einnahmen bringen und die weitere Existenz des Unternehmers sichern.

Das Verbot macht die Marktposition der kleineren und mittleren Unternehmer zusätzlich 'schwächer' und verschlechtert das Kräfteungleichgewicht noch weiter. Diese Nachteile werden durch die Ausnahmebestimmung des §3a Abs2 NahVersG nicht beseitigt.

Nach §3a Abs2 NahVersG besteht die Pflicht zum Verkauf über den Einstandspreis nicht, wenn 'die Preiserstellung nach den Grundsätzen einer ordentlichen kaufmännischen Gebarung gerechtfertigt ist'. Unter welchen Voraussetzungen ein 'Verlustverkauf' nach den Grundsätzen einer ordentlichen kaufmännischen Gebarung gerechtfertigt ist, wird demonstrativ aufgezählt. Danach sind 'Verlustverkäufe' zulässig bei einem Ausverkauf (Z1), beim Verkauf verderblicher (Z2) oder beschädigter bzw. veralteter Waren (Z3) und in Anpassung an die von Mitbewerbern offenbar zulässigerweise geforderten Preise oder in Befolgung von Rechtsvorschriften (Z4). Damit wird den Unternehmern zwar ein gewisser Handlungsspielraum eröffnet, der Handlungsspielraum ist aber viel zu eng. Er deckt den Handlungsbedarf, der durch den Wettbewerb und die jeweilige Marktlage entsteht, bei weitem nicht ab. Die Ausnahmen des §3a Abs2 Z1 bis 3 NahVersG kommen dafür von vornherein nicht in Frage. In Betracht kommen ohnehin nur die Ausnahme in Z4 und die Generalklausel des Einleitungssatzes. Die Ausnahme des §3a Abs2 Z4 NahVersG entschärft die Härte des Verlustverkaufsverbots - um bei dem oben angeführten Beispiel zu bleiben - nur in einem einzigen Fall: dann nämlich, wenn die Absatzschwierigkeiten darauf zurückzuführen sind, daß das gleiche Produkt auch von anderen Unternehmern zu einem niedrigeren Preis angeboten wird. Diesfalls dürfte auch der Antragsteller unter dem Einstandspreis verkaufen - allerdings bloß dann, wenn die anderen Unternehmer den billigeren Preis 'offenbar zulässigerweise' fordern. Darin liegt eine weitere Hürde, die nicht zu unterschätzen ist. Denn woher soll der Antragsteller wissen, ob der billigere Anbieter das Verbot des 'Verlustverkaufs' beachtet oder nicht? Zu welchen Lieferbedingungen man einkauft, gehört zu den best gehüteten Geschäftsgeheimnissen.

Davon abgesehen sind Absatzschwierigkeiten lediglich zu einem kleinen Prozentsatz auf das billigere Angebot der gleichen Ware durch einen anderen Unternehmer zurückzuführen. Sind 'Verlustverkäufe' aus anderen Gründen notwendig, hängt die Zulässigkeit des Billigverkaufs nach der Generalklausel davon ab, ob die Preiserstellung nach den 'Grundsätzen einer ordentlichen kaufmännischen Gebarung' gerechtfertigt ist. Die in §3a Abs2 NahVersG genannten Beispielsfälle legen indes nahe, daß der Gesetzgeber dabei nicht an Fehleinschätzungen des Unternehmers gedacht hat. Der Gesetzgeber hat dort vielmehr besondere Fälle herausgegriffen, in denen die (objektive) Beschaffenheit der Ware (Verderblichkeit, Beschädigung) oder die spezielle Konkurrenzsituation (anderer Billiganbieter) die Bindung an den Einstandspreis unzumutbar macht, weil ein weiteres Zuwarten die Wettbewerbssituation nicht verbessern kann. Bloße unternehmerische Fehlentscheidungen sind damit nicht vergleichbar. Was zu Beginn des Jahres eine Fehleinschätzung des Geschmacks der Konsumenten war, kann im Herbst des Jahres ein 'Nachfrage-Hit' sein. Dazu kommt, daß das Verbot des §3a Abs1 NahVersG weitgehend beseitigt wäre, wären die Unternehmer in solchen Fällen nicht an den Einstandspreis gebunden. Aus der Sicht des Gesetzgebers - die die Antragsteller freilich schon vom Ansatz her nicht teilen - muß die Generalklausel eng ausgelegt werden. Sie erlaubt dem Antragsteller in den vorhin geschilderten Fällen daher nicht, seine Waren unter dem Einstandspreis zu verkaufen. Daß die kleineren Unternehmer nicht die finanzielle Kraft haben, ihre Fehleinschätzung 'auszusitzen', hat der Gesetzgeber nicht bedacht.

Auch die prozessuale Seite des Verbots des §3a NahVersG birgt für kleinere und mittlere Unternehmer Nachteile. Es kommt häufig vor, daß ihnen ihre Lieferanten für einzelne Produkte günstigere Konditionen einräumen als den Großunternehmern. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der kleinere Unternehmer den Kaufpreis der Ware sofort entrichtet, während sich der Großunternehmer eine Zahlungsfrist von mehreren Monaten ausbedingt. Erfährt der Großunternehmer, daß derselbe Lieferant einem anderen günstiger verkauft, gerät der Lieferant unter enormen wirtschaftlichen Druck. Die kleineren Unternehmer erhalten die günstigeren Konditionen deshalb nur unter der Bedingung absoluter Vertraulichkeit. Die prozessuale Ausgestaltung der Verfahren nach dem UWG oder dem NahVersG jedoch eröffnet dem Großunternehmer einen Weg, sich jederzeit die erwünschten Infomationen über die Lieferbedingungen seiner kleineren Mitkonkurrenten zu holen. Er braucht in den entsprechenden Verfahren bloß einigermaßen glaubwürdig behaupten, der kleinere Unternehmer verkaufe unter dem Einstandspreis. Dann wird ein Verfahren nach dem UWG eingeleitet, und der kleinere Unternehmer ist gezwungen, seine Einkaufsbedingungen offenzulegen, wenn er sich nicht wegen Verletzung des kaufmännischen Wohlverhaltens verurteilen lassen will. Der Großunternehmer erhält Einsicht in alle seine Geschäftsunterlagen, erfährt, wer seine Lieferanten sind und welchen Preis er für die Ware gezahlt hat. Stellt sich heraus, daß der Lieferant dem kleineren Unternehmer günstigere Konditionen gewährt hat, wird der Großunternehmer vom Lieferanten die Herstellung 'gleicher' Bedingungen verlangen. Das heißt entweder, daß auch er die günstigeren Konditionen erhält, oder daß der kleinere Unternehmer die günstigeren Konditionen nicht mehr erhält.

In der Hand der Großunternehmer ist das generelle Verlustverkaufsverbot somit ein Instrument zur Ausschaltung geschickter 'kleinerer' Mitkonkurrenten, und zwar ein Instrument, das die kleineren Mitkonkurrenten umgekehrt nicht im selben Maß ausnützen können. . . .

Damit ist bereits das zweite Eignungsproblem angesprochen, nämlich die Wirkungslosigkeit des Verbots auf der Seite der Großunternehmer. Die Befürchtung, daß die Großunternehmer ihre Nachfragemacht dazu benutzen werden, bei den Lieferanten billigere Einstandspreise durchzusetzen, wurde im übrigen auch im Nationalrat geäußert (vgl. die Wortmeldung des Abg. Schmidtmeier in der 69. Sitzung des NR am 6.7.1988 StenProtNR 17. GP, 8051 ff).

Die Befürchtung entspricht den Gegebenheiten am Markt. Dort wirkt sich die überlegene Marktposition der 'großen' Unternehmer angeblich mitunter so aus: Sie kaufen bei einem Lieferanten mehrere, verschiedene Waren und vereinbaren dafür einen bestimmten Gesamtpreis, der 'regulär' ist. 'Regulär' bedeutet, daß dieser Preis auch von jedem anderen Konkurrenten zu entrichten wäre. Der (reguläre) Gesamtpreis wird nun auf die verschiedenen Waren aufgeteilt. Einigen Waren wird ein besonders niedriger Kaufpreis zugeordnet, für die anderen Waren wird ein entsprechend höherer Preis notiert. Das bedeutet: Die Gesamtsumme ist 'korrekt', wie sich die Gesamtsumme hingegen verteilt, wird vom Großunternehmer vorgegeben. Mit einer derart 'aufgeteilten' Rechnung kann der Großunternehmer am Markt nur Gewinne machen. Er kann seine 'Billigprodukte' ohne Gefahr zum niedrigen Preis anbieten; er kann ja belegen, daß sein Einstandspreis so niedrig ist. Er kann aber auch die 'überzahlten' Produkte zu einem niedrigeren Preis anbieten. Eben weil diese Produkte dem Lieferanten gegenüber 'überzahlt' sind, wird es am Markt andere Unternehmer geben, die das Produkt zu einem niedrigeren Preis verkaufen. In einem solchen Fall ist er nach der Ausnahmeregelung des §3a Abs2 Z4 NahVersG nicht an den Einstandspreis gebunden.

B. Die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffs

Der vom Gesetzgeber verfügte Eingriff in die Vertragsfreiheit der Klein- und Mittelunternehmer ist außerdem nicht verhältnismäßig.

Dem Gesetzgeber ging es darum, aggressive Preiskämpfe der Großunternehmer gegen ihre kleineren Konkurrenten zu unterbinden, um einerseits einen leistungsgerechten Wettbewerb und andererseits die Nahversorgung der Konsumenten sicherzustellen. Er hat zu diesem Zweck eine bestimmte Verhaltensweise im Wettbewerb - den 'Verlustverkauf' - grundsätzlich verboten. Dieses Verbot ist nicht allein an die Unternehmer adressiert, die diese Praxis zum Schaden der kleineren Konkurrenten eingesetzt haben. Es ist vielmehr an alle Unternehmer gerichtet, insbesondere auch an die kleineren und mittleren Unternehmer selbst. Ein 'Verlustverkauf' durch einen kleineren Unternehmer ist aber etwas anderes als ein 'Verlustverkauf' durch einen Großunternehmer. Ein Großunternehmer setzt diese Verhaltensweise rücksichtslos gegen seine Mitkonkurrenten ein und hat die Finanzkraft, den Preis so lange niedrig zu halten, bis er seinen Konkurrenten verdrängt hat. Für den kleineren Unternehmer hingegen dient der 'Verlustverkauf' nicht dazu, einen Konkurrenten auszuschalten; schon seine wesentlich geringere Finanzkraft würde das nicht erlauben. Für den kleineren Unternehmer vergrößert der 'Verlustverkauf' die eigenen Überlebenschancen am Markt. Kurzfristige 'Verlustverkäufe' können ihm neue Marktanteile bringen, ohne daß andere Unternehmer damit in den Konkurs getrieben würden. Und das Unterbieten des Einstandspreises kann erforderlich sein, um eine finanzielle Krisensituation zu bewältigen bzw. unternehmerische Fehleinschätzungen zu korrigieren. Das wurde vorhin näher ausgeführt.

Trotzdem behandelt der Gesetzgeber beide Arten von 'Verlustverkäufen' gleich. Er verbietet die einen genau so wie die anderen. Zur Erreichung seines Ziels - Unterbindung einer mißbräuchlichen Anwendung des 'Verlustverkaufs' durch Großunternehmer - ist ein derart umfassendes Verbot überhaupt nicht erforderlich. Es trifft nicht nur Sachverhalte, in denen es dabei zum Mißbrauch von Marktmacht kommt. Es trifft ebenso Sachverhalte, in denen der 'Verlustverkauf' keineswegs mißbräuchlich eingesetzt wird, sondern den Wettbewerb fördert. Der Gesetzgeber hat daher eine überschießende, sachlich nicht begründbare Regelung getroffen (vgl. im übrigen schon die Kritik an der Stammfassung des NahVersG bei Schuhmacher, 'Quo vadis', österreichisches Wettbewerbsrecht, ÖJZ 1978, 314)."

Zusammenfassend gelangt der Antragsteller zu folgendem Ergebnis seiner Überlegungen:

"Die angefochtenen Bestimmungen des §3a NahVersG sind verfassungswidrig. Sie verletzen den Antragsteller in seiner Privatautonomie, in seinem Recht auf freie Erwerbsausübung und im Gleichheitsrecht.

1. Das Verbot des 'Verlustverkaufs' ist nicht geeignet, das Kräfteungleichgewicht zwischen Großunternehmern und kleineren und mittleren Unternehmern zu vermindern. Es nimmt den kleineren und mittleren Unternehmern dringend notwendige Handlungsmöglichkeiten, ohne daß die Marktmacht der Großunternehmer verkleinert würde.

2. Das generelle Verbot des 'Verlustverkaufs' geht über das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel hinaus. Angestrebt war nur ein Verbot des verdrängenden 'Verlustverkaufs', also der mißbräuchliche Einsatz. Das Verbot bezieht sich aber auch auf andere 'Verlustverkäufe', vor allem auch auf jene, die einen möglichst großen Wettbewerb gerade gewährleisten. Damit hat der Gesetzgeber seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum überschritten und eine exzessive Regelung getroffen."

2. Die Bundesregierung hält dem Antrag zunächst entgegen, daß eine verfassungskonforme Interpretation des Abs2 des §3a NahVG geeignet sei, ein verfassungswidriges Ergebnis zu vermeiden und führt dazu aus:

"Der Antragsteller übersieht zunächst, daß ein Gesetzestext im Zweifel so auszulegen ist, daß er mit den höherrangigen Normen der Verfassung vereinbar ist. Ist also eine verfassungskonforme Interpretation des Gesetzestextes möglich, so gebührt ihr der Vorzug vor einer anderen, ebenfalls möglichen.

§3a des Nahversorgungsgesetzes verlangt aber, wie sich aus dem ersten Satz seines zweiten Absatzes ergibt, vom Unternehmer nichts weiter, als daß er sich bei der Preiserstellung nach den Grundsätzen einer ordentlichen kaufmännischen Gebarung richtet; daß diese Grundsätze in der Regel nicht zu Verlustverkäufen führen dürfen, liegt auf der Hand.

Die im Gesetz enthaltene Aufzählung möglicher Ausnahmefälle ist bloß eine demonstrative (arg. 'insbesondere') und deckt somit den vom Gesetzgeber eingeräumten Spielraum keineswegs erschöpfend ab. Im Gegensatz zur Ansicht des Antragstellers wird dem Unternehmer dadurch ein sehr weiter Handlungsspielraum eröffnet, wobei lediglich die mißbräuchliche Anwendung ausgeschlossen werden soll."

Zur Frage der Verletzung des Grundrechts der Erwerbsfreiheit (Art6 StGG) führt die Bundesregierung aus:

"Nach der neueren Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind durch einfaches Bundesgesetz getroffene Einschränkungen des Grundrechtes der Erwerbsfreiheit dann zulässig, wenn sie durch das öffentliche Interesse geboten, geeignet, zur Zielerreichung adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen sind.

Der Gesetzgeber verfolgt - wie dem Bericht des Handelsausschusses (262 BlgNR 15. GP), zu entnehmen ist - mit der Setzung restriktiver Normen in Bezug auf den Verkauf und das Feilbieten von Waren zum oder unter dem Einstandspreis mehrere Zwecke:

Zunächst erfolgt die Regelung unter dem Gesichtspunkt des Schutzes vor unlauterem Wettbewerb (Lockvogelwerbung, irreführende Niedrigpreiswerbung), weiters unter dem Gesichtspunkt des Konsumentenschutzes (Erhaltung eines ausreichenden Verteilungsnetzes, der Markttransparenz und des Schutzes vor verschleiernden Preismanipulationen) und schließlich unter dem Gesichtspunkt der Sicherung eines leistungsgerechten Wettbewerbes (Schutz der kleineren leistungsfähigen, aber nicht marktstarken Händler). Die drei angeführten Zielsetzungen stehen untereinander im engen Zusammenhang, da die Unterbindung unseriöser Geschäftspraktiken im Zusammenhang mit der Preisgestaltung als im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse gelegen betrachtet werden muß.

Es kann jedenfalls festgehalten werden, daß die Regelung geeignet ist, die erwähnten Mißstände (insbesondere Irreführung des Konsumenten, Störung der Markttransparenz) zu bekämpfen. In diesem Sinne wird auch im Bericht des Handelsausschusses, 694 BlgNR

17. GP, betreffend die Ausdehnung des vorher auf bestimmte Warengruppen eingeschränkten Verbotes des Verkaufes zum oder unter dem Einstandspreis auf alle Waren ausgeführt, daß 'sich das mit der Novelle BGBl. Nr. 121/1980 mit einem sachlich sehr eingeschränkten Geltungsbereich eingeführte Verbot jedenfalls insofern bewährt hat, als bei den meisten betroffenen Warengruppen doch eine merkbare Beruhigung hinsichtlich 'agressiver' Preiskampfmethoden eingetreten ist.'

Was die Angemessenheit der Maßnahmen betrifft, so ergibt sich deren Rechtfertigung daraus, daß die Unternehmer im Interesse der Aufrechterhaltung durchschaubarer und lauterer Wettbewerbsverhältnisse geringfügige Eingriffe (das Anbieten und Verkaufen von Waren unter dem Einstandspreis kann sich ohnedies nur auf eine verhältnismäßig kleine Gruppe innerhalb des Warenangebotes beziehen, da der Unternehmer insgesamt nicht auf Verlust wirtschaften kann) bei der Preiskalkulation in Kauf nehmen müssen. Das Verbot wird außerdem durch die weitreichenden Ausnahmemöglichkeiten relativiert."

Schließlich verneint die Bundesregierung auch eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes,

"da die angefochtene Regelung bei richtigem Verständnis und unter Berücksichtigung der rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers nicht als unsachlich betrachtet werden kann.

Sollte die behauptete Verletzung des Gleichheitssatzes darin gesehen werden, daß das Gesetz nicht zwischen 'Großunternehmern' und 'Kleinunternehmern' unterscheidet, so ist dazu zu sagen, daß durch die angefochtene Gesetzesbestimmung eine Verhaltensweise im geschäftlichen Verkehr, gleichgültig, von wem diese gesetzt wird, im Interesse der oben angeführten Zielsetzungen unterbunden werden soll. Gerade dadurch, daß Normadressaten der in Prüfung stehenden Regelung alle Unternehmen sind, die die gesetzlich normierten Tatbestandsmerkmale erfüllen, erscheint das Gleichheitsgebot gewahrt und die mit einer unterschiedlichen Behandlung von Unternehmen verschiedener Unternehmsensgröße verbundene Gefahr einer unsachlichen Diskriminierung hintangehalten."

3.a) Der Österreichische Arbeiterkammertag gab im Verfahren eine Stellungnahme ab, in der er u.a. folgendes ausführt:

"Das generelle Verbot, Waren unter dem Einstandspreis zu verkaufen, ist tatsächlich - wie der Antragsteller ausführt - nicht geeignet, das Kräfteungleichgewicht zwischen Großunternehmen, kleinen und mittleren Unternehmen des Einzelhandels zu mindern. Die Möglichkeit des Großunternehmens, aufgrund des größeren Umsatzes auch billiger einzukaufen (Mengenrabatte), wird durch das NVG nicht berührt und soll auch gar nicht eingeschränkt werden. Dieses Verbot bewirkt - ökonomisch gesehen - lediglich ein an die Großformen des Einzelhandels gerichtetes Verbot, mittels punktueller, das heißt, nur einzelne Waren des Gesamtsortiments betreffender Billigstangebote (Lockpreise) zu werben.

Für den mittelständischen Einzelhandel erwächst durch Verkäufe unter dem Einstandspreis, die von den Großformen des Einzelhandels getätigt werden, kein wesentlicher Nachteil; dies ist auch daraus ersichtlich, daß alle Klagen, welche vor Inkrafttreten dieses Verbotes gemäß UWG versuchten Untereinstandspreisverkäufe als ruinösen, das heißt, sittenwidrigen Preiswettbewerb zu untersagen, von den Gerichten abgewiesen wurden. Gerade im Bereich des Einzelhandels mit Lebensmitteln und sonstigen Gütern des täglichen Bedarfs (zB Waschmittel), wo Verkäufe unter dem Einstandspreis besonders häufig waren, hat eine Strukturbereinigung bereits stattgefunden und es hat sich auch ein neues Verhältnis zwischen den Großformen des Lebensmitteleinzelhandels und den kleinen und mittleren Einzelhändlern (räumliche Nachbarschaften zwischen Kettenläden und Billigangeboten und spezialisierten Delikatessen- oder Gemüsehändlern) herausgebildet. In jenen Bereichen des Einzelhandels, in denen eine Strukturbereinigung noch nicht stattgefunden hat, kann dieses Verbot die unumgängliche Strukturbereingigung ohnedies nicht verhindern, sondern allenfalls verzögern.

Vor allem ist hervorzuheben, daß die Regelung des §3 a NVG den Verkauf mit Verlust keineswegs verhindert, da vom Einstandspreis ausgegangen wird, also die allfälligen sonstigen variablen Kosten wie auch - insbesondere - der Deckungsbeitrag zu den Fixkosten vernachlässigt werden. Selbst das analoge US-Gesetz (Robinson-Patman-Act aus 1936) vermag dies nicht, obwohl er von den Gestehungskosten ausgeht, weil sich Diskussion und Judikatur darauf geeinigt haben, darunter die durchschnittlichen variablen Kosten zu verstehen, was keine angemessene Spanne für einen Kostendeckungsbeitrag berücksichtigt."

Die Vorschrift habe bisher nur dazu geführt, daß sog. "Lockangebote" inkriminiert wurden; sie diene daher in der Praxis nicht zum Schutz vor ruinösem Wettbewerb, da es zu einem solchen nur käme, wenn alle oder zumindest die meisten Waren zu Verlustpreisen angeboten würden.

Hinsichtlich des Ziels der Verhinderung der sog. "Oberkreuz-Subventionierung", bei der ein Anbieter mehrerer Waren die Gewinne, die er bei einigen von ihnen erzielt, zum Teil dafür verwendet, andere von ihnen zu Preisen unter Kosten anzubieten, meint der ÖAKT, daß ein solches Ziel gerade bei größeren Unternehmungen durch das Gesetz nicht erreicht werde, da diese einen größeren Gestaltungsspielraum zur Subventionierung von Waren bei formaler NahVG-Konformität hätten. Die Gestaltungsmöglichkeiten des Einstandspreises seien beim Großunternehmer viel größer als beim kleinen oder mittleren Händler.

Weiters führt der ÖAKT aus:

"Der Antragsteller meint . . . §3 a NVG werde zu Verfahren zur Erkundung von Konditionen etc mißbraucht. Nach Ansicht des Österreichischen Arbeiterkammertages ist durch die Entscheidung des Kartellobergerichtes Oktober 2/89 dieser Mißbrauch für den Bereich des NVG beseitigt, jedoch wird gerade dadurch das Gesetz nicht durchführbar, weil aus der Weigerung, den Einstandspreis bekanntzugeben, kein plausibler Schluß darauf gezogen werden kann, daß ein nach §3 a NVG zu untersagender Verkauf vorliegt oder nicht vorliegt.

Es ist zutreffend, daß der kleine und mittelständische Unternehmer auf Verlustverkäufe (zB wegen Fehleinschätzungen des Käuferverhaltens) nicht so leicht verzichten kann wie ein Großunternehmer, das heißt, die Strategie, Verluste hinzunehmen, um noch größere Verluste zu vermeiden, ist für ihn wichtiger als für die Großunternehmen. Insbesondere ist dabei auf die Notwendigkeit zu verweisen, auf dem Markt präsent zu sein (bei Strafe des Ausscheidens) und auf das hohe Gewicht der Lagerkosten (im Vergleich zu den Großunternehmen, die ihre Bestände rascher umschlagen, ihr Sortiment leichter bereingigen können und infolge größerer Lagerkapazitäten raumsparender lagern können, zum Teil sogar ihre Verkaufsfläche als Lager nützen). Zutreffend ist auch, daß der Nachweis der Zulässigkeit eines Verlustverkaufes über die demonstrative Aufzählung des §3 a Abs2 NVG hinaus nur sehr schwierig zu führen ist."

Eine Analyse der bisherigen Verfahren zeige, daß das Verbot nach §3a NahVG bisher bloß in Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Großformen des Einzelhandels eine Rolle gespielt, aber sein eigentliches Ziel nicht erreicht habe:

"Das Verbot des §3 a NVG ist nach Auffassung des Österreichischen Arbeiterkammertages wirtschaftspolitisch ein 'Placebo'; das heißt, es soll dem durch den Strukturwandel beunruhigten kleinen und mittelständischen Einzelhandel ein Gefühl der Sicherheit gegeben werden. Das vorgegebene Ziel, die wirtschaftliche Position des mittelständischen Einzelhandels zu stärken, vermag es allerdings nicht zu erreichen, sondern bewirkt etwas völlig anderes: Es stärkt die Position der etablierten Großformen des Einzelhandels gegenüber neu auf den Markt tretenden Großunternehmen, indem es den Einsatz von Billigstangeboten zu Werbezwecken verbietet. Darüber hinaus wird dieser Wettbewerb nicht zuletzt auch über die Erschließung neuer Standorte, die Eröffnung neuer Filialien geführt und dient einer zufriedenstellenden Nahversorgung besser als die - ohnehin nur befristet mögliche - Erhaltung ineffizienter Klein- und Mittelbetriebe."

b) Die Bundeswirtschaftskammer legt in ihrer Stellungnahme zunächst die unterschiedlichen Normzwecke der bekämpften Regelung dar und führt dazu aus:

"Verlustverkäufe stehen seit Jahren in den meisten westeuropäischen Ländern verstärkt im Mittelpunkt wettbewerbspolitischer Aktivitäten. Ein Regelungsbedürfnis ergibt sich aus dem Vordringen von Großbetriebsformen des Einzelhandels, der damit verbundenen Herausbildung ihrer Nachfragemacht und der Tatsache, daß besonders auf dem Markenartikelsektor mit weitgehend substituierbaren Konsumgütern der Preis zum wichtigsten Wettbewerbsparameter geworden ist. . . .

Verkäufe unter dem Einstandspreis können in vielfacher Hinsicht zu einer Verzerrung und Verfälschung des Leistungswettbewerbes führen:

a) Mit derartigen Verlustverkäufen können örtliche Mitbewerber zum Ausscheiden aus dem Markt gezwungen werden. Diese Mitbewerber unterliegen im Wettbewerb nicht infolge ihrer geringeren Leistungsfähigkeit, sondern aufgrund der Tatsache, daß sie über keine Marktmacht verfügen. Als Folge dieser Verdrängung durch marktstarke Mitbewerber kann die Bildung örtlicher Monopolstellungen gefördert werden und können empfindliche Lücken im Güterverteilungsnetz entstehen. Nur finanzstarke Unternehmen mit großem Warensortiment und großem Absatzgebiet sind in der Lage, Waren zu Verlustpreisen zu veräußern, ohne ihren wirtschaftlichen Bestand zu gefährden.

b) Reell und nach wirtschaftlichen Grundsätzen kalkulierende Mitbewerber werden in den Augen der Verbraucher dadurch diskreditiert, daß die Preiswürdigkeit ihres Angebots zu Unrecht in Frage gestellt wird. Sie werden zumindest indirekt dem Vorwurf ausgesetzt, bei der Berechnung ihrer Verkaufspreise überhöhte Spannen anzuwenden.

c) In den meisten Fällen werden bekannte Markenartikel, deren marktübliches Preisgefüge den Konsumenten vertraut ist, zum Gegenstand eines Verlustverkaufes gemacht. Damit wird der good will und das Markenimage dieser Artikel empfindlich beeinträchtigt.

Von diesen Folgen für Mitbewerber abgesehen, ist der Verkauf von Waren zu Verlustpreisen auf Dauer aber auch zum Nachteil der Konsumenten:

d) Nur selten wird der Käufer in der Lage sein, das gesamte Angebot von Mitbewerbern in preislicher Hinsicht zu vergleichen. Damit hat der Verkäufer die Möglichkeit, die Aufmerksamkeit der Konsumenten auf bestimmte Waren zu lenken, deren Preisgünstigkeit er besonders herausstellt und die sich ihrer Art nach, weil sie mit einer bekannten Marke versehen sind, besonders für eine Lockvogelwerbung eignen. Ein echter Leistungsvergleich wird den Käufern durch derartige Differenzierungen des Angebots erschwert.

e) Für die Verbraucher können sich aus Verlustverkäufen deswegen keine bleibenden Vorteile ergeben, weil die mit solchen Preisunterbietungen verbundenen Verluste durch Kompensationspreise, die in der Regel ebenfalls Waren des täglichen Bedarfs betreffen, ausgeglichen werden müssen."

Diese Überlegungen hätten in mehreren europäischen Staaten mit vergleichbarer marktwirtschaftlicher Ordnung zu gesetzlichen Bestimmungen zur Unterbindung von Verkäufen unter dem Einstandspreis geführt:

"Das französische Gesetz Nr. 63/628 verbot bereits 1963 den Wiederverkauf unveränderter Produkte zu einem unter dem effektiven Einkaufspreis zuzüglich der beim Wiederverkauf anfallenden Umsatzsteuern liegenden Preis. Dieses Verbot ist 1986 durch die Verordnung Nr. 86-1243 betreffend Preis- und Wettbewerbsfreiheit mit einer kleinen Präzisierung aufrechterhalten worden.

Belgien hatte ein ausdrückliches Verbot des Verkaufs unter dem Einstandspreis in Artikel 22 seines Wettbewerbsgesetzes aus dem Jahr 1971 aufgenommen. Mit Gesetz vom 26.7.1985 wurde diese Regelung durch die Möglichkeit ergänzt, mit Verordnung für bestimmte Produkte untere Handelsspannen festzulegen, bei deren Unterschreitung ebenfalls ein Verlustverkauf anzunehmen ist. Eine entsprechende Regelung gilt in Luxemburg (GRUR Int 1988, 768).

Der britische Resale Prices Act 1964 hatte Verlustpreise als 'loss leaders' immerhin indirekt erfaßt: Verlustverkäufe, aus denen kein unmittelbarer Gewinn gezogen werden soll, sondern die nur anderen Werbezwecken des Anbieters dienen, berechtigen zur sonst verbotenen Lieferverweigerung.

In der Bundesrepublik Deutschland kam es 1984 zu einer Ergänzung der 'Gemeinsamen Erklärung' von Spitzenverbänden der gewerblichen Wirtschaft. Danach ist die 'Behinderung von Wettbewerbern dadurch, daß Waren an den Letztverbraucher systematisch ohne sachlich gerechtfertigten Grund unter dem Einstandspreis angeboten werden' zu vermeiden (vgl. KREUZER, Wettbewerb um jeden Preis? in Wettbewerb in Recht und Praxis 1985, 467).

Das am 1.3.1988 in Kraft getretene Schweizer UWG enthält in seinem Artikel 3 litf einen entsprechenden Tatbestand als unlautere Werbe- und Verkaufsmethode (vgl. ZÄCH-GIGER, Wichtigste Neuerungen des revidierten schweizerischen UWG, in ÖZW 1989, 33)."

Im Bericht des Handelsausschusses zur NahVG-Novelle 1988 sei festgestellt worden,

"daß das mit der NVG-Novelle 1980 eingeführte Verbot sich jedenfalls insoferne bewährt habe, als bei den meisten der damals betroffenen Warengruppen doch eine merkbare Beruhigung hinsichtlich 'aggressiver' Preiskampfmethoden eingetreten sei und es nirgendwo eine negative Beeinflussung des Preiswettbewerbes zur Folge gehabt habe.

Die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft muß diesen Feststellungen aufgrund ihrer Beobachtungen des Marktgeschehens beitreten. Insbesondere seit dem Einsetzen von Antragstellungen vor dem Kartellgericht und seit der mit E. des OGH vom 13.9.1988 'Bier-Verkaufsförderung' (RdW 1988, 424 = MR 1988, 164 = WBl 1989, 23 = ÖBl 1989, 122) erfolgten Klarstellung, daß Verstöße gegen §3 a NVG auch als Wettbewerbsverstöße nach §1 UWG vor den Handelsgerichten verfolgt werden können, hat sich die grundsätzliche Tauglichkeit der hier in Rede stehenden Bestimmung in bezug auf die wettbewerbspolitisch beabsichtigten Ziele erwiesen."

Zu den Auswirkungen der Anwendung des §3a NahVG teilt die Bundeskammer mit, daß vor dem Kartellgericht bisher 46 einschlägige Verfahren anhängig gemacht wurden und führt weiters aus:

". . . Verlustpreise (werden) von Großbetriebsformen vielfach gerade für solche Nebenartikel angewendet, die im Rahmen des kleinen und mittelständischen Fachhandels jeweils den hauptsächlichen Umsatzträger darstellen. Es kann in diesem Zusammenhang etwa auf das Angebot von Schallplatten durch Fotoartikel- Filialisten oder von Schülerbedarfsartikeln durch Großbetriebe des Lebensmittelhandels verwiesen werden. . . . Gerade Fälle dieser Art widerlegen die Antragsbehauptung, daß der mit §3 a NVG gebotene Rechtsbehelf nur von Großunternehmungen untereinander genutzt werden könne. Wenn auch kleine Handelsbetriebe in den bisherigen Verfahren nicht namentlich in Erscheinung traten, so besteht doch die Tatsache, daß die betreffenden Untersagungsansprüche der antragsbefugten Verbände im überwiegenden wettbewerblichen Interesse kleiner und mittelständischer (Fach-)Handelsbetriebe geltend gemacht werden."

Daher meint die Bundeswirtschaftskammer,

"daß die grundsätzliche Tauglichkeit dieser Regelung zur Erreichung all der erwähnten Normzwecke nicht ernstlich bestritten werden kann."

4.a) Das durch die angefochtene Regelung normierte Verbot, im geschäftlichen Verkehr Waren zum oder unter dem Einstandspreis zum Verkauf anzubieten oder zu verkaufen, sofern nicht eine derartige Preisgestaltung nach den Grundsätzen einer ordentlichen kaufmännischen Gebarung gerechtfertigt ist, greift in den Schutzbereich des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Erwerbsfreiheit ein. Dieses Grundrecht steht unter Gesetzesvorbehalt. Da der Gesetzesvorbehalt aber nicht zu jedweder Einschränkung der verfassungsrechtlich gewährleisteten Freiheit ermächtigt, ist zu prüfen, ob sich die angefochtene Regelung zu Recht auf den Gesetzesvorbehalt in Art6 StGG zu stützen vermag.

Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, daß der Gesetzgeber dem Art6 StGG zufolge ermächtigt ist, die Ausübung der Berufe dergestalt zu regeln, daß sie unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt und unter bestimmten Umständen verboten ist, sofern er dabei den Wesensgehalt des Grundrechts nicht verletzt und auch sonst der Verfassung entspricht. Eine gesetzliche Regelung, die die Erwerbsfreiheit beschränkt, ist daher nur zulässig, wenn sie durch das öffentliche Interesse geboten, geeignet, zur Zielerreichung adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen ist.

Auch gesetzliche Regelungen, die die Berufsausübung (bloß) beschränken, sind auf ihre Übereinstimmung mit der verfassungsgesetzlich verbürgten Erwerbsausübungsfreiheit zu prüfen und müssen dementsprechend durch ein öffentliches Interesse bestimmt und auch sonst sachlich gerechtfertigt sein. Das bedeutet, daß Ausübungsregeln bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe verhältnismäßig sein müssen. Es steht jedoch dem Gesetzgeber bei Regelung der Berufsausübung ein größerer rechtspolitischer Gestaltungsspielraum offen als bei Regelungen, die den Zugang zu einem Beruf (den Erwerbsantritt) beschränken, weil und insoweit durch solche die Ausübung einer Erwerbstätigkeit regelnden Vorschriften der Eingriff in die verfassungsgesetzlich geschützte Rechtssphäre weniger gravierend ist, als durch Vorschriften, die den Zugang zum Beruf überhaupt behindern (vgl. etwa VfSlg.

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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