TE Vfgh Erkenntnis 2004/9/28 B279/04

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Veröffentlicht am 28.09.2004
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
ASVG §343

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung des Einzelvertrages eines Arztes mit einem Sozialversicherungsträger; unsachliche und gleichheitswidrige Annahme einer verspäteten Vertragskündigung im Sinne der Bestimmungen des Gesamtvertrages

Spruch

Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerin für Gesundheit und Frauen) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit EUR 2160,-- bestimmten Prozesskosten binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Dr. H, Facharzt für Innere Medizin in Niederösterreich, hatte mit der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (im Folgenden kurz: SVA) mit Wirksamkeit vom 1. Mai 1991 einen Einzelvertrag geschlossen.

Mit Schreiben vom 10. April 2002 erklärte die SVA, diesen Einzelvertrag zum 30. Juni 2002 aus folgenden Gründen zu kündigen:

"a) Beharrliche und schwerwiegende Verletzung des Ökonomiegebotes seit Vertragsbeginn.

b) Vertragswidrige Rechnungslegung an den Versicherten Franz M über die am 4.9.2000 erbrachte Leistung einer Coloskopie bei gleichzeitiger Verrechnung dieser Leistung über Patientenschein.

c) Verstoß gegen die vertraglich vorgesehene Mitwirkungspflicht betreffend die Schlichtung von Streitigkeiten laut rechtskräftiger Entscheidung der Landesberufungskommission für Niederösterreich vom 12.11.1997, LBK 2/97.

d) Falschverrechnung der Position 3.14 'LDL-Cholesterin' (ohne Teilnahme an einem Ringversuch) in 187 Fällen.

e) Umgehung der Laborlimitierung in 56 Fällen."

Mit dem im Devolutionsweg (§347 Abs4 ASVG iVm §73 Abs2 AVG) ergangenen Bescheid der Bundesschiedskommission vom 7. Mai 2003, der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt am 20. Jänner 2004 zugestellt, wurde dem von Dr. H erhobenen Einspruch gegen die Kündigung seines Einzelvertrages Folge gegeben und die Kündigung für unwirksam erklärt.

Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

        "... Die Rechtsprechung der Bundesschiedskommission versteht

die für die Kündigung des Einzelvertrages geltend zu machenden Gründe

so, dass es sich um 'wichtige Gründe' handeln muss, die es dem

Versicherungsträger als nicht mehr zumutbar erscheinen lassen, das

Vertragsverhältnis aufrecht zu erhalten ... Die Kündigung eines

Arztvertrages hat für den Arzt in der Regel eine wesentlich einschneidendere Wirkung als die Beendigung eines Dienstverhältnisses für den Arbeitnehmer, weil ein gekündigter Arbeitnehmer im Allgemeinen doch die Möglichkeit habe, sofort oder in absehbarer Zeit eine gleichartige anderweitige Beschäftigung zu erlangen ...

        Aus dem Wesen des wichtigen Grundes folgt, dass eine

Erklärung auf Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses wegen eines

wichtigen Grundes unverzüglich erfolgen muss, dh unmittelbar nachdem

der zur Auflösung Berechtigte vom wichtigen Grund Kenntnis erlangt

hat; andernfalls wird der wichtige Grund 'verwirkt' ... Die

Unverzüglichkeit des Ausspruchs bildet einerseits das Pendant zur

Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung ... und soll andererseits dem

von der Auflösungserklärung Bedrohten möglichst rasch Gewissheit

verschaffen, ob das Dauerschuldverhältnis beendet wird ... Der

Grundsatz der Unverzüglichkeit schließt aber nicht eine gewisse Prüfungs- und Überlegungsfrist aus. In diesem Sinn hat die Bundesschiedskommission darauf hingewiesen, dass der Krankenversicherungsträger vor dem Ausspruch der Kündigung sehr genau prüfen muss, ob die Gründe, die in einem länger dauernden Verhalten liegen, als wichtige Gründe ausreichen werden ...

Im vorliegenden Fall hat die [SVA] in der mit Schreiben vom 10. April 2002 ausgesprochenen Kündigung fünf Kündigungsgründe angeführt, nämlich die beharrliche und schwerwiegende Verletzung des Ökonomiegebotes seit Vertragsbeginn, die vertragswidrige Rechnungslegung an den Versicherten Franz M über die am 4. September 2000 erbrachte Leistung einer Coloskopie bei gleichzeitiger Verrechnung dieser Leistung über Patientenschein, den Verstoß gegen die vertraglich vorgesehene Mitwirkungspflicht betreffend die Schlichtung von Streitigkeiten, die Falschverrechnung der Position 3.14 'LDL-Cholesterin' ohne Teilnahme am Ringversuch in 187 Fällen und die Umgehung der Laborlimitierung in 56 Fällen.

Unter dem Gesichtspunkt der Unverzüglichkeit der Kündigung ist in diesem Zusammenhang auf folgende zeitliche Abläufe hinzuweisen:

a) Zur beharrlichen und schwerwiegenden Verletzung des Ökonomiegebots:

Die in der Kündigung geltend gemachten Fälle stammen aus dem Zeitraum vom IV. Quartal 1995 bis zum II. Quartal 1998, somit zumindest vier Jahre vor der vorliegenden Kündigung (und zumindest zwei Jahre vor der ersten Kündigung).

b) Vertragswidrige Rechnungslegung an den Versicherten Franz

M über eine am 4. September 2000 erbrachte Leistung:

Das Leistungsdatum liegt fast eineinhalb Jahre vor der dem gegenständlichen Verfahren zugrunde liegenden Kündigung, abgesehen davon, dass die [SVA] selbst in ihrer Äußerung vom 7.10.2002 das Gewicht dieses Kündigungsgrundes relativiert hat.

c) Verstoß gegen die vertraglich vorgesehene Mitwirkungspflicht betreffend die Schlichtung von Streitigkeiten:

Dieser Verstoß wurde bereits mit rechtskräftiger Entscheidung der Landesberufungskommission für Niederösterreich vom 12.11.1997, LBK 2/97, festgestellt. Der zugrunde liegende Sachverhalt (Ablehnung des Schlichtungsverfahrens) ist mit Frühjahr 1996 begrenzt und liegt daher rund sechs Jahre vor der dem gegenständlichen Verfahren zugrunde liegenden Kündigung.

d) Falschverrechnung der Position 3.14 'LDL-Cholesterin':

Die im Anhang zur Kündigung aufgelisteten Fälle stammen aus dem Zeitraum 1. Quartal 1996 bis 4. Quartal 2000, die jüngsten damit mehr als 15 Monate vor der Kündigung.

e) Umgehung der Laborlimitierung:

Die Fälle stammen aus dem Zeitraum 4. Quartal 1995 bis

2. Quartal 1998 und liegen daher zumindest fast vier Jahre vor der Kündigung.

... Gemäß §33 Abs6 des Gesamtvertrags müssen von den Parteien des Einzelvertrags Einwendungen gegen die Honorarabrechnung bei sonstigem Ausschluss binnen sechs Monaten erhoben werden. Für die [SVA] beginnt diese Frist mit Einlangen der Honorarabrechnung zu laufen. Es ist davon auszugehen, dass die für die Geltendmachung eines Kündigungsgrunds zu fordernde Unverzüglichkeit jedenfalls dann nicht gewahrt ist, wenn die Sechsmonatsfrist des §33 Abs6 des Gesamtvertrags verstrichen ist. Anderes könnte nur gelten, wenn es sich um Verstöße bei der Abrechnung handelt, die aus der Abrechnung selbst nicht erkennbar sind (zB betrügerische Verschleierungen, die erst später aufgedeckt werden). Es liegt am Krankenversicherungsträger, der eine Kündigung auf länger als sechs Monate zurückliegende Fehlverrechnungen stützt, dass er begründet, dass die Kündigung ungeachtet des länger zurückliegenden Sachverhaltes unverzüglich erhoben wurde.

Ein solches Vorbringen wurde von der [SVA] - auch nach Aufforderung in der mündlichen Verhandlung vom 7.5.2003 - nicht erstattet. Sie hat wohl vorgebracht, dass [Dr. H] die vorgesehene Kooperation verweigert habe. Tatsächlich wurden die Umstände, mit denen die Kündigung begründet wurde, doch im Einzelnen konkretisiert, ohne dass ein Hinweis darauf bestünde, dass [Dr. H] zwischenzeitig die erforderliche Mitwirkung nachgeholt hätte. Die [SVA] war also offensichtlich auch ohne diese Mitwirkung des [Dr. H] in der Lage[,] den Sachverhalt entsprechend zu erheben. In einem solchen Fall vermag aber eine mangelnde Mitwirkung nicht die langen Zeiträume, die von den vorgeworfenen Fehlverrechnungen bis zur Kündigung verstrichen sind, zu rechtfertigen. Zur Wahrung der Unverzüglichkeit ist aus dem Vorbringen der [SVA] jedenfalls nichts abzuleiten.

... Da die [SVA] der Verpflichtung zur unverzüglichen Geltendmachung der Kündigungsgründe nicht nachgekommen ist, ist dem Einspruch des [Dr. H] gegen die mit Schreiben der [SVA] vom 10. April 2002 ausgesprochene Kündigung des Einzelvertrags zum 30. Juni 2002 Folge zu geben; die Kündigung wird für unwirksam erklärt."

2. Gegen diesen - keinem weiteren Rechtszug unterliegenden (§346 Abs7 ASVG) - Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde der SVA, worin die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, ohne eine Gegenschrift zu erstatten.

Dr. H hat als Beteiligter eine schriftliche Äußerung erstattet, worin der angefochtene Bescheid verteidigt und die kostenpflichtige Beschwerdeabweisung beantragt wird.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Wie sich aus §193 GSVG ergibt, gelten auch für die Beziehungen der SVA zu den Ärzten im Wesentlichen die Bestimmungen des Sechsten Teiles des ASVG (§§338-351j).

§343 ASVG lautet auszugsweise samt Überschrift:

"Aufnahme der Ärzte in den Vertrag und Auflösung des

Vertragsverhältnisses

§343. (1)-(3) ...

(4) Das Vertragsverhältnis kann unbeschadet der Bestimmungen der Abs2 und 3 von beiden Teilen unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist zum Ende eines Kalendervierteljahres gekündigt werden. Kündigt der Träger der Krankenversicherung, so hat er dies schriftlich zu begründen. Der gekündigte Arzt oder die gekündigte Vertrags-Gruppenpraxis kann innerhalb von zwei Wochen die Kündigung bei der Landesschiedskommission mit Einspruch anfechten. Die Landesschiedskommission hat innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen des Einspruches über diesen zu entscheiden. Der Einspruch hat bis zum Tag der Entscheidung der Landesschiedskommission aufschiebende Wirkung. Die Landesschiedskommission kann die Kündigung für unwirksam erklären, wenn sie für den Arzt oder für einen persönlich haftenden Gesellschafter der Vertrags-Gruppenpraxis eine soziale Härte bedeutet und nicht eine so beharrliche oder eine so schwerwiegende Verletzung des Vertrages oder der ärztlichen Berufspflichten im Zusammenhang mit dem Vertrag vorliegt, daß die Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses für den Träger der Krankenversicherung nicht zumutbar ist. Eine Vertrags-Gruppenpraxis kann die Kündigung des Einzelvertrages abwenden, wenn sie innerhalb von acht Wochen ab Rechtskraft der Kündigung jenen persönlich haftenden Gesellschafter, der ausschließlich den jeweiligen Kündigungsgrund gesetzt hat, aus der Vertrags-Gruppenpraxis ausschließt. Eine vom gekündigten Arzt (von der gekündigten Gruppenpraxis) eingebrachte Berufung an die Bundesschiedskommission hat ohne Zustimmung des Krankenversicherungsträgers keine aufschiebende Wirkung."

Über die Wirksamkeit einer gemäß §343 Abs4 ASVG ausgesprochenen Kündigung entscheidet gemäß §345a Abs2 Z2 ASVG die Landesschiedskommission. Gegen die Entscheidungen der Landesschiedskommission kann Berufung an die Bundesschiedskommission erhoben werden (§§345a Abs3, 346 Abs1 ASVG).

2. Eine Verletzung des durch Art7 Abs1 B-VG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 11.682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift irrig einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 mwN; VfSlg. 10.338/1985, 11.213/1987).

3. Die beschwerdeführende Partei wendet sich gegen die Beurteilung der Kündigung des Kassenvertrages durch die belangte Behörde als verspätet; dies im Ergebnis zu Recht:

3.1. Unbestritten ist, dass Kündigungsgründe vom Krankenversicherungsträger - bei sonstigem Untergang seines Kündigungsrechtes - "unverzüglich" geltend zu machen sind (vgl. auch Mosler, in: Strasser [Hrsg.], Arzt und gesetzliche Krankenversicherung. Eine rechtsdogmatische Untersuchung zum Vertragspartnerrecht [1995] 293 ff).

3.2. Die belangte Behörde begründet das Verfehlen dieses Tatbestandsmerkmals durch die beschwerdeführende Partei in zwei Schritten: In einem ersten prüft sie (Seiten 9/10 des Bescheides), in welchem Quartal welchen Jahres das behauptete Fehlverhalten des Arztes geschehen ist, und vertritt sodann die Auffassung, dass "die für die Geltendmachung eines Kündigungsgrundes zu fordernde Unverzüglichkeit jedenfalls dann nicht gewahrt ist, wenn die Sechsmonatsfrist des §33 Abs6 des Gesamtvertrags verstrichen ist". Dabei handelt es sich um die Frist zur Erhebung von Einwendungen gegen die Honorarabrechnung eines Vertragsarztes. Es liege am Krankenversicherungsträger - so die belangte Behörde weiter - zu begründen, dass die Kündigung ungeachtet des länger zurückliegenden Sachverhaltes unverzüglich erhoben worden ist.

3.2.1. Die belangte Behörde übersieht zunächst, dass die Präklusivfrist des §33 Abs6 des Gesamtvertrages nur der alsbaldigen Klarstellung dient, ob eine Abrechnung strittig ist oder nicht (vgl. Grillberger, in: Strasser, aaO 379 f). Dieser Frist liegt nicht die Annahme zugrunde, dass dem Krankenversicherungsträger Fehlverrechnungen von Ärzten bereits aus der Abrechnung im Detail bekannt sind. Dies wird - bedenkt man die große Zahl der zu Quartalsende gleichzeitig erstellten Abrechnungen - gerade im Falle von zu einer Kündigung des Gesamtvertrages berechtigenden Malversationen regelmäßig nicht der Fall sein. Die Frist, innerhalb welcher eine Vertragskündigung ausgesprochen werden muss, um "unverzüglich" zu sein, kann unter Sachlichkeitsgesichtspunkten aber nicht vor Kenntnis (allenfalls auch der verschuldeten Unkenntnis) vom Kündigungsgrund beginnen. Schon insoweit hat die belangte Behörde der anzuwendenden Rechtslage einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt.

3.2.2. Die Maßgeblichkeit der Frist des §33 Abs6 des Gesamtvertrages für den Kündigungsausspruch würde aber selbst bei voller rechtzeitiger Kenntnis des Krankenversicherungsträgers von unterlaufenen schuldhaften Unregelmäßigkeiten dazu führen, dass diese dann, wenn sich ihr Gewicht als Kündigungsgrund etwa erst aus der Wiederholung durch mehrere Quartale ergibt, häufig nicht mehr zum Ausspruch einer Kündigung berechtigen würden: Der Ausspruch der Kündigung innerhalb der Frist des §33 Abs6 des Gesamtvertrages würde in einem solchen Fall auf keinen zureichend gewichtigen Grund gestützt werden können, und bei einem Zuwarten durch mehrere Quartale könnte ein Fehlverhalten aus früheren Quartalen wegen Verfristung als Kündigungsgrund nicht mehr geltend gemacht werden. Diese Frist eignet sich daher typischerweise nicht als Maßstab für das Tatbestandsmoment "unverzüglich"; ihre Heranziehung ist daher als unsachlich zu werten.

3.2.3. Schließlich hat die belangte Behörde aber auch verkannt, dass es nicht am Versicherungsträger liegt, die Unverzüglichkeit der Kündigung "zu begründen". Es ist vielmehr Sache des gekündigten Arztes, den in der behaupteten Verspätung der Kündigung gelegenen impliziten Verzicht des Versicherungsträgers auf die Geltendmachung des Fehlverhaltens als Kündigungsgrund einzuwenden und entsprechend darzutun (zur diesbezüglichen Behauptungslast eines entlassenen Arbeitnehmers vgl. OGH 12. September 1990, 9 Ob A181/90; 13. Oktober 1999, 9 Ob A156/99b).

4. Die belangte Behörde hat daher die Rechtslage nicht nur mehrfach grob verkannt, sondern ihr zum Teil auch einen dem Gleichheitssatz widersprechenden Inhalt unterstellt.

Die beschwerdeführende Partei ist somit durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid war daher aufzuheben.

5. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von EUR 360,-- enthalten.

6. Dies konnte ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden (§19 Abs4 erster Satz VfGG).

Schlagworte

Sozialversicherung, Ärzte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:B279.2004

Dokumentnummer

JFT_09959072_04B00279_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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