TE Vfgh Erkenntnis 2004/10/6 B821/04

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.10.2004
beobachten
merken

Index

58 Berg- und Energierecht
58/02 Energierecht

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
VfGG §88
VfGG §17a

Spruch

Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit 2.340,- € bestimmten Prozesskosten binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit dem bekämpften Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen die Vorschreibung von Beiträgen gemäß §10 Abs1 der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Aufbringung und Gewährung von Beihilfen zur Abdeckung von Erlösminderungen, die infolge der Marktöffnung entstanden sind und im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb des Kraftwerkes Voitsberg 3 stehen, BGBl. II Nr. 354/2001 (in der Folge: Stranded Costs-Verordnung II), für den Zeitraum vom 19. Februar 1999 bis 30. September 2001 als unbegründet ab.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, die bei diesem am 29. Juni 2004 einlangte.

3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und sah von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II. Mit Erkenntnis vom 11. Juni 2004, V3/04, hatte der Verfassungsgerichtshof §10 Abs1 Stranded Costs-Verordnung II als gesetzwidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die aufgehobene Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Gemäß Art139 Abs6 B-VG wirkt die Aufhebung einer Verordnung auf den Anlassfall zurück. Es ist daher so vorzugehen, als ob die als gesetzwidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde liegenden Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Dem in Art139 Abs6 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Verordnungsprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Verordnungsprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (vgl. VfSlg. 10.616/1985, 10.736/1985, VfGH vom 13. März 1990, B1266/89 uva.).

Die nichtöffentliche Beratung im Verordnungsprüfungsverfahren V3/04 begann am 11. Juni 2004. Die vorliegende Beschwerde ist am 29. Juni 2004, somit erst nach diesem Zeitpunkt, beim Verfassungsgerichtshof eingelangt, war also zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung noch nicht anhängig. Der Fall steht einem Anlassfall somit nicht gleich.

2. Wie Art139 Abs6 zweiter Satz, zweiter Halbsatz, B-VG entnommen werden kann, kommt dem Verfassungsgerichtshof die Befugnis zu, die Anlassfallwirkung eines aufhebenden Erkenntnisses auch auf andere vor Aufhebung der Verordnung verwirklichte Sachverhalte zu erstrecken. Mit Erkenntnis vom 11. Juni 2004, V3/04, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass die aufgehobene Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist. Daher ist auch die vorliegende Beschwerde von der Anlassfallwirkung des hg. Erkenntnisses vom 11. Juni 2004 erfasst (vgl. für die Aufhebung eines Gesetzes VfGH vom 25. Februar 2003, B1867/02).

3. Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als gesetzwidrig aufgehobene Verordnungsbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass dadurch die Rechtssphäre der beschwerdeführenden Partei nachteilig beeinflusst wurde. Sie wurde somit wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt.

Der Bescheid war daher aufzuheben.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von 360,- € und eine Eingabegebühr von 180,- € enthalten.

Bei diesem Verfahrensergebnis konnte eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, entfallen.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:B821.2004

Dokumentnummer

JFT_09958994_04B00821_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten