TE Vfgh Erkenntnis 2004/10/13 B208/02

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Veröffentlicht am 13.10.2004
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art5
EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien
RAO §9

Leitsatz

Keine denkunmögliche oder willkürliche Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Rechtsanwalt wegen einer Verletzung von Berufspflichten bei Abwicklung eines Treuhandauftrages; ausreichende Wahrung des Parteiengehörs

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt in Wien. Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer Wien (im Folgenden: Disziplinarrat) vom 10. September 1999 wurde er schuldig erkannt:

"mit Schreiben vom 17. Februar 1999 entgegen seiner Verpflichtung als Treuhänder die vorbehaltlose Ausfolgung des in der Verwahrungsabteilung beim Oberlandesgericht Wien ... erliegenden Sparbuchbetrages mit einem Kontostand vom 30. Juni 1993 über ATS 1.800.231,99 an K. F. K. verweigert" zu haben.

Er habe hiedurch die Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes begangen und werde hiefür zu einer Geldbuße in der Höhe von ATS 30.000,- und zum Ersatz der anteiligen Kosten des Disziplinarverfahrens verurteilt.

Von einem weiteren Vorwurf wurde der Beschwerdeführer freigesprochen.

2. Gegen den verurteilenden Teil des Erkenntnisses erhob der Beschwerdeführer Berufung an die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im Folgenden: OBDK). Mit Erkenntnis vom 1. Oktober 2001 gab die OBDK der Berufung keine Folge.

2.1. Die OBDK stützte sich auf folgenden als erwiesen angenommenen Sachverhalt:

Die Käuferin erwarb eine Liegenschaft um einen Kaufpreis von ATS 2.500.000,-. Der Beschwerdeführer wurde von der Käuferin der Liegenschaft, nachdem sich bei der Abwicklung des Kaufvertrages Probleme ergaben, mit deren Vertretung beauftragt. Der Beschwerdeführer teilte dem Verkäufer die Übernahme der Vertretung der Käuferin mit und erklärte sich bereit, die Treuhandschaft hinsichtlich des Liegenschaftskaufpreises zu übernehmen. Die betreffende Bestimmung im schriftlichen Kaufvertrag lautete:

"Der treuhändige Erlag dieses Kaufpreises (ATS 2,500.000,--) durch die Käuferin hat bis spätestens 31.Januar 1993 zu erfolgen, widrigenfalls dem Verkäufer ein Rücktrittsrecht vom Vertrage zusteht. Der Treuhanderlag wird bei RA Dr. M. S.-W. auf ein Anderkonto erfolgen. Der Treuhänder wird unwiderruflich beauftragt, von diesem Treuhanddepot unverzüglich nach dessen Erlag sämtliche, ob der vertragsgegenständlichen Liegenschaft aushaftenden Geldpfandrechte ... zur Löschung zu bringen, und den Restbetrag abzüglich der Löschungskosten dem Verkäufer umgehend auf dessen bei der Bank ... bestehendes Konto zu überweisen."

Mit Zustimmung des Verkäufers erfolgte der Treuhanderlag nicht bei der im Vertrag genannten Treuhänderin sondern beim Beschwerdeführer, welcher auch die Lastenfreistellung vornahm. Weil die Käuferin dem Beschwerdeführer die Zustimmung zur Auszahlung des Restkaufpreises an den Verkäufer verweigerte, erlegte der Beschwerdeführer den Restkaufpreis in der Höhe von ATS 1,008.231,99 in Form eines Sparbuches bei der Verwahrungsabteilung des OLG Wien.

Nach Klage des Verkäufers wurden die von der Käuferin vorgebrachten Einwände gegen die Auszahlung des Kaufpreises vom Gericht verworfen und sie wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 17. September 1998 schuldig erkannt, dem Verkäufer den Erlagsbetrag von ATS 1,008.231,99 samt 12 % Zinsen seit 26. März 1993 zu bezahlen. Weiters wurde ausgesprochen, dass durch das Urteil die Zustimmung der Käuferin zur Ausfolgung des bei Gericht erlegten Sparbuches ersetzt wird.

Zu den Erlagsanträgen führte die OBDK aus:

        "Der ... Gerichtserlag erfolgte erst nach dem vom

Beschuldigten gestellten Erlagsantrag. Dieser Erlagsantrag ... hatte

das Ziel, 'den erlegten Betrag entweder an den Verkäufer oder an die Käuferin zur Auszahlung zu bringen, und zwar über einvernehmlichen Antrag beider Teile oder aufgrund eines rk. Urteiles'. In einem weiteren Erlagsantrag, diesmal gleichzeitig in einem mit dem tatsächlichen gerichtlichen Erlag überreichten Schriftsatz, beantragte der Beschuldigte als Erleger hingegen, 'den erlegten Betrag ihm als Treuhänder entweder gegen Vorlage eines von beiden Erlagsgegnern unterfertigten Antrages oder aufgrund eines rechtswirksamen Urteiles auszufolgen'."

Der Verkäufer beantragte am 6. November 1998, ihm das hinterlegte Sparbuch auszufolgen. Gegen den Beschluss erhob der Beschwerdeführer als Erleger Rekurs und beantragte die Abweisung des Ausfolgungsantrages, in eventu die Abänderung dahingehend, dass das erlegte Sparbuch lediglich abzüglich eines Betrages von ATS 100.000,-

an den Verkäufer ausgefolgt werde.

Aufgrund dieses Rekurses änderte das Gericht den vom Beschwerdeführer angefochtenen Ausfolgungsbeschluss dahin ab, dass der Ausfolgungsantrag des Verkäufers abgewiesen wurde.

Mit Schreiben vom 17. Februar 1999 stellte der Beschwerdeführer den Verkäufer sodann vor die Wahl,

"1. Sie stimmen der gesamten Ausfolgung an mich zu, und ich verpflichte mich, Ihnen abzüglich ÖS 100.000,- zuzüglich anteiliger Zinsen den Gesamtbetrag auszufolgen; oder

2. Sie bringen gemeinsam mit mir einen Antrag auf Ausfolgung ein, demzufolge ein Betrag von ÖS 908.231,99 samt anteiliger Zinsen Ihnen und ÖS 100.000,- samt anteiliger Zinsen mir ausgefolgt werden.

Ansonsten muss einer den anderen klagen. Entgegen Ihrer Ansicht, dass Frau C.-V. den Betrag von ÖS 100.000,- mir schuldet, verweise ich darauf, daß Ursache für den Aufwand der von Ihnen verlangte Kaufpreis war, von dem sich im nachhinein herausgestellt hat, daß er nicht dem Wert des Hauses entsprochen hat. Es müßte daher in einem Verfahren wegen Klage auf Zustimmung zur Ausfolgung nochmals der gesamte Sachverhalt geprüft werden.

Sollten auch Sie eine Einigung einem Verfahren vorziehen, bitte ich um Ihren Anruf."

Nach einem folgenden Telefonat zwischen dem Beschwerdeführer und dem Verkäufer, in welchem letzterer zustimmte, dass der Beschwerdeführer aus dem Erlagsgegenstand einen Betrag von ATS 72.894,85 ausgefolgt erhalte, erhielt der Beschwerdeführer den von ihm geforderten Betrag.

2.2. Ihre Entscheidung begründete die OBDK im Wesentlichen wie folgt:

"Wenn ein RA eine Treuhänderfunktion übernimmt, hat er nicht nur gemäß §9 RAO gegenüber seiner eigenen Partei, sondern auch gegenüber dem oder den Treugeber(n) Pflichten zur Ausführung des ihm anvertrauten Treuhandgeschäftes übernommen (Bkd 57/88, AnwBl. 1991, 882); diese Pflichten muss er mit Treue und Gewissenhaftigkeit erfüllen (Bkd 114/85, AnwBl. 1998, 90, VSlg. 14.622); die Judikatur spricht von 'stringent' (2 Bkd 7/92, AnwBl. 1994, 198) und

'strikt'.... Der RA, der bei einem solchen Kaufvertrag als Treuhänder

- somit als Beauftragter von mindestens zwei Parteien ... von

mitunter gegensätzlichen Interessen - tätig wird, hat mit besonderer Sorgfalt darauf zu achten, dass keinem der beteiligten Treugeber speziell aus dem Treuhandvertrag und dessen Abwicklung Nachteile erwachsen (Bkd 4/81, AnwBl. 1984,18). Ein Treuhänder, der die ihm übertragenen Pflichten nicht pünktlich oder nicht präzise entsprechend dem Treuhandauftrag erfüllt, verletzt selbst dann Berufspflichten, wenn mit diesem treuwidrigen Verhalten kein vermögensrechtlicher Nachteil für einen der Treugeber verbunden ist (8 Bkd 1/96, AnwBl. 1996/699, Bkd 114/85, AnwBl. 1988/90; 2 Bkd 6/98, AnwBl. 1999, 499, u.a). ...

Berücksichtigt man, dass der Beschuldigte den von ihm ersuchten 'Abzug' von ATS 100.000,-- vornehmlich zu seinem eigenen Nutzen - nämlich um diesen Betrag sofort als angesprochene Kosten vereinnahmen zu können - betrieb, ist seine Verletzung des Treuhandauftrages noch krasser, als wenn sie ausschließlich im Interesse eines von mehreren Treugebern geschehen wäre.

Besonders verwerflich ist es, wenn der Anwalt als Treuhänder - aber nicht als Vertreter seines Klienten, der einer von zwei Treugebern ist - den anderen Treugeber dazu bewegen will, den von ihm (Treuhänder) bei Gericht erlegten und nun zur freien Verfügung des Verkäufers (Treugebers) stehenden Treuhandbetrag dennoch zu seinen Handen auszuzahlen, damit er selbst seine Kostenforderung gegen die ehemalige Klientin, die ebenfalls Treugeberin ist, aus diesem Fremdgeldeingang befriedigen kann, dies obwohl §19 a (1) RAO nach Beendigung des Vollmachtsverhältnisses nicht mehr anwendbar ist (EvBl. 1969/430); Lohsing-Braun, Österr. Anwaltsrecht2, 270).

Im vorliegenden Fall ersetzte das Urteil im Prozess zwischen Verkäufer und Käuferin (ohne Mitwirkung des Beschuldigten) ausdrücklich die dem Treuhandauftrag (auch) der Käuferin entsprechende Zustimmungserklärung; die Käuferin konnte daher auf die Verwendung der nach Lastenfreistellung verfügbaren und dem Verkäufer laut Treuhandauftrag vom Beschuldigten umgehend auszuzahlenden Hypochera keinen Einfluss nehmen. Der Beschuldigte durfte den Verkäufer als verbleibenden Treugeber nicht veranlassen, den Restkaufpreis zu einem Teil von S 100.000,-- - anstatt einer Eigenzuwendung direkt durch das Erlagsgericht oder indirekt über den Beschuldigten als (allein) verfügungsberechtigtem Erleger - wie in concreto ihm (dem Beschuldigten) zu verschaffen. Darin liegt ein einseitiges Abgehen von dem ihm erteilten Treuhandmandat vor, zu dem er nicht berechtigt war. Die Verletzung seiner Treuhandpflicht wiegt umso schwerer, weil sie zu seinem Vorteil, also aus eigennützigen Motiven geschah.

Die Schuldberufung erweist sich daher als insgesamt unbegründet."

3. Gegen das als Bescheid zu wertende Erkenntnis der OBDK richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit des Eigentums und des Grundsatzes "audiatur et altera pars" geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.

4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Beschwerdeführer replizierte.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Der Beschwerdeführer bringt ob der Verfassungsmäßigkeit der den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften keine Bedenken vor. Auch beim Verfassungs-gerichtshof sind solche aus Anlass des vorliegenden Beschwerdefalles nicht entstanden. Der Beschwerdeführer wurde daher nicht in Rechten wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung verletzt.

2.1. Der Beschwerdeführer erachtet sich zunächst im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums, nämlich seines Honoraranspruches, der im konkreten Fall durch den Kaufvertrag verbrieft sei, verletzt und führt diesbezüglich im Wesentlichen Folgendes aus:

Die belangte Behörde habe ignoriert, dass nicht der gesamte Restkaufpreis, sondern nur der nach Abzug der Löschungskosten (welche selbstverständlich anwaltliches Honorar inkludieren würden) verbleibende Restbetrag dem Verkäufer auszufolgen gewesen sei. Die Berechtigung, die Löschungskosten vom Restkaufpreis abzuziehen, habe objektiv gemäß Vertrag bestanden. Durch seine Vorgehensweise habe der Beschwerdeführer die ihm aus dem Vertrag auferlegte Verpflichtung zur Ausfolgung des Restkaufpreises nach Abzug der Löschungskosten nicht verletzt.

Das angefochtene Erkenntnis sei nur aufgrund der Verwechslung zwischen den im angefochtenen Erkenntnis zitierten Begriffen "Restbetrag abzüglich Löschungskosten" und "Restkaufpreis nach Lastenfreistellung" zu erklären.

2.2. In der von der OBDK erstatteten Gegenschrift führt diese zur behaupteten Verletzung des Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums aus:

Der Beschwerdeführer könne sich auf kein Mandatsverhältnis berufen, welches Rechtsgrundlage für Honoraransprüche gegen den Verkäufer hätte sein können. Zu beachten sei, dass die Käuferin gerichtlich verurteilt wurde, dem Verkäufer den nach Pfandrechtslöschungen verbleibenden Restbetrag von ATS 1.008.231,99 s. A. zu bezahlen. Eine Kürzung dieses Betrages durch (weitere) Löschungskosten wie z.B. Anwaltshonorar sei von dieser Gerichtsentscheidung nicht gedeckt. Wie aus dem Verhalten des Beschwerdeführers im Zeitpunkt des Gerichtserlages geschlossen werden kann, sei dieser damals ebenfalls davon ausgegangen, dass er keine Anwaltshonorarforderungen gegenüber dem Verkäufer habe.

Im Übrigen würden die Umstände des Falles nichts an dem ursprünglich vertraglich verbrieften Recht des Verkäufers, nach Löschung der Vorpfandrechte den gesamten Restbetrag sofort ausgefolgt zu erhalten, ändern.

Der Beschwerdeführer könne sich somit auf keine Rechtsgrundlage für einen gegen den Verkäufer bestehenden Honoraranspruch berufen. Sofern die Klientin des Beschwerdeführers ihrerseits einen Geld- oder Kostenersatzanspruch gegenüber dem Verkäufer habe, sei dies ein Anspruch der Klientin nicht aber des Beschwerdeführers; daraus folge, dass der Beschwerdeführer - als Rechtsvertreter seiner Klientin - nicht in seinem eigenen Recht auf Freiheit des Eigentums verletzt sein könne, wenn die OBDK - wie hier geschehen - entschieden habe.

3.1. Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde außerdem vor, den Grundsatz des beiderseitigen rechtlichen Gehörs verletzt zu haben, wodurch er im Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und im Recht auf ein faires Verfahren verletzt worden sei.

Die belangte Behörde habe sich mit dem Berufungsvorbringen überhaupt nicht auseinandergesetzt. Hätte sie sich mit diesem Vorbringen befasst, wäre sie im Zusammenhang mit den Ausführungen über die Unterscheidung zwischen "Restbetrag abzüglich Löschungskosten" und "Restkaufpreis nach Lastenfreistellung" zweifelsfrei zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt, dass die aufgrund des Kaufvertrages vom Beschwerdeführer übernommene Treuhandschaft den Abzug der Löschungskosten rechtfertige, sodass für eine disziplinäre Behandlung des Beschwerdeführers kein Raum bleibe und er freizusprechen sei.

Die belangte Behörde irre auch darüber, dass der bei Gericht erliegende Betrag "zur freien Verfügung des Verkäufers" stand. Die von der belangten Behörde zitierte Zustimmungserklärung des Erlagsgerichtes beziehe sich ausschließlich auf die Höhe des Kaufpreises, nicht aber auf die Löschungskosten.

Die Verweigerung des rechtlichen Gehörs durch die belangte Behörde verletze den Grundsatz des fairen Verfahrens. Außerdem sei der Behörde durch das massive Verkennen der Rechtslage, dem Unterlassen der entsprechenden Ermittlungs-tätigkeit sowie dem Ignorieren des Vorbringens des Beschwerde-führers willkürliches Verhalten vorzuwerfen.

3.2. Zur behaupteten Verletzungen im Grundsatz auf beiderseitiges rechtliches Gehör führt die OBDK in ihrer Gegenschrift aus, dass es sich um kein verfassungesetzlich gewährleistetes Recht handle. Eine Verletzung dieses Grundsatzes sei aber vor allem deswegen nicht gegeben, weil dem Beschwerdeführer die Möglichkeit gegeben worden sei, seine Einwendungen zu erheben.

Für den Fall, dass das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers zu Unrecht übergangen worden wäre, würde allenfalls eine behördliche Willkür als Unterfall der Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrechts vorliegen. Die Nichtberücksichtigung einer Einwendung sei aber keinesfalls eine Verletzung des Grundsatzes des beiderseitigen rechtlichen Gehörs. Im Übrigen könne der in der Beschwerde als verletzt erachtete Grundsatz nicht der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes unterliegen, da sich der Gerichtshof nur mit der geltend gemachten Verletzung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten befassen kann und das beiderseitige Gehör von der Behörde gewahrt wurde.

4.1. Zur behaupteten Verletzung des verfassungs-gesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums:

Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides würde dieser das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur verletzen, wenn die belangte Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewandt hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. z. B. VfSlg. 15.001/1997, 16.113/2001, 16.701/2002).

Ein derart gravierender Vollzugsfehler ist der belangten Behörde nicht anzulasten. Es kann der OBDK nicht entgegengetreten werden, wenn sie, gestützt auf das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 17. September 1998, davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer zur vorbehaltlosen Auszahlung des Betrages verpflichtet war. Der Beschwerdeführer ist somit durch den angefochtenen Bescheid nicht in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

4.2. Zur behaupteten Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und des Rechtes auf ein faires Verfahren:

Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewandten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat. Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (z.B. VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

Keiner dieser Mängel liegt jedoch vor.

Wie in Punkt II.3.1 dargelegt, behauptet die Beschwerde im Wesentlichen Fehler des Ermittlungsverfahrens, die nach Auffassung des Beschwerdeführers zu einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung geführt hätten. Der Beschwerdeführer spricht damit jedoch nur Fragen der richtigen Anwendung des einfachen Gesetzes an.

Dem Beschwerdeführer wurde im Verfahren vor den Disziplinarbehörden ausreichend Gelegenheit geboten, seinen Standpunkt darzulegen (es fand sowohl eine mündliche Verhandlung vor dem Disziplinarrat am 10. September 1999 als auch vor der OBDK am 1. Oktober 2001 statt). Aus den Verwaltungsakten ergibt sich, dass der Beschwerdeführer diese Gelegenheiten auch wahrgenommen hat. Er hat insbesondere schon in der Berufung die belangte Behörde mit jenen Argumenten, die er nunmehr in der Beschwerde vorbringt konfrontiert. Die OBDK hat sich mit seinem Vorbringen auch in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise auseinandergesetzt, sodass ihr insgesamt nicht der Vorwurf gemacht werden kann, leichtfertig entschieden zu haben. Dass das Ergebnis aus seinem Blickwinkel unbefriedigend sein mag, indiziert nicht willkürliches Verhalten der belangten Behörde (vgl. VfSlg. 13.165/1992, 13.385/1993, 13.937/1994).

Der Beschwerdeführer wurde durch den angefochtenen Bescheid weder im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz noch im Recht auf ein faires Verfahren verletzt.

5. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in einem von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden ist.

Ob das Gesetz richtig angewandt wurde, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn, wie hier, die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes gemäß Art133 Z4 B-VG nicht zulässig ist (z.B. VfSlg. 6877/1972, 8309/1978, 8317/1978, 9456/1982, 10.565/1985, 11.754/1988, 13.419/1993, 16.008/2000, 16.009/2000).

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Rechtsanwälte, Disziplinarrecht, Ermittlungsverfahren, Parteiengehör, fair trial

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:B208.2002

Dokumentnummer

JFT_09958987_02B00208_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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