RS Vfgh 1993/10/12 B389/93

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Veröffentlicht am 12.10.1993
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
RAO §2
NotariatsO §5 Abs1
ZPO §29 Abs1

Leitsatz

Keine Verletzung im Gleichheitsrecht und im Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit durch die Abweisung eines Antrags auf Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte mangels Erfüllung der Eintragungsvoraussetzung der praktischen Verwendung bei einem Rechtsanwalt in der erforderlichen Dauer; keine Gleichrangigkeit der Tätigkeit bei einem Notar aufgrund dessen spezielleren Aufgabengebietes trotz der notariellen Vertretungsbefugnis vor Gericht; keine Gleichheitswidrigkeit der Festlegung der praktischen Verwendungsdauer bei einem Rechtsanwalt; keine Überschreitung des rechtspolitischen Entscheidungsspielraums des Gesetzgebers

Rechtssatz

Die Festlegung der Dauer einer praktischen Verwendung, die jemand vor der Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte nachzuweisen hat, fällt in den rechtspolitischen Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers, der der nachprüfenden Kontrolle des Verfassungsgerichtshofes auf ihre Übereinstimmung mit der Bundesverfassung, insbesondere auch mit dem Gleichheitsgebot, unterliegt (vgl. E v 03.03.92, G315/91, ua., S 19).

Der Verfassungsgerichtshof kann - jedenfalls aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles - nicht finden, daß der Gesetzgeber die ihm durch die Bundesverfassung, insbesondere die durch Art7 Abs1 B-VG und Art2 StGG sowie durch Art6 StGG gezogenen Grenzen überschritten hat, wenn er anordnet, daß von den insgesamt geforderten - auch vom Beschwerdeführer nicht beanstandeten - fünf Jahren der praktischen Verwendung mindestens drei Jahre bei einem Rechtsanwalt zu verbringen sind. Dies auch dann nicht, wenn §2 Abs2 RAO jener Sinn zukommt, den ihm die belangte Behörde beimißt, daß nämlich unter einem Rechtsanwalt im Sinne dieser Gesetzesstelle nur ein in die Liste der Rechtsanwälte eingetragener Rechtsanwalt zu verstehen ist, nicht jedoch auch ein Notar, dem die dargestellten Befugnisse der Vertretung vor Gericht zustehen bzw. zugestanden sind. Denn die solcherart getroffene Lösung stellt in unbedenklicher Weise darauf ab, daß eine optimale Berufsausbildung jedenfalls eine praktische Verwendung im angestrebten Beruf selbst erfordert, eröffnet aber auch die Möglichkeit der Berücksichtigung einer praktischen Verwendung in benachbarten Berufssparten.

Das Tätigkeitsfeld des Notars ist infolge seiner besonderen Aufgaben in der Praxis viel spezieller als das eines Rechtsanwaltes.

Bei der Vertretungsbefugnis der Notare handelt es sich ungeachtet des §5 Abs1 NotariatsO und des §29 Abs1 ZPO (wonach die Notare berechtigt sind, Parteien in Zivilprozessen, auch wenn Anwaltspflicht besteht, zu vertreten, sofern am Amtssitz des Gerichtes nicht wenigstens zwei Rechtsanwälte ihren Kanzleisitz haben) um eine eingeschränkte: Sie kann nur in ganz bestimmten Fällen zum Tragen kommen und ist örtlich und sachlich beschränkt, weil sie in streitigen bezirksgerichtlichen Zivilverfahren nur vor einem einzigen Bezirksgericht in Frage kommt.

Aus den gleichen Gründen ist der von der Beschwerde gezogene Vergleich mit der Verwendung bei der Finanzprokuratur verfehlt (vgl. auch VfSlg. 12670/1991).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Erwerbsausübungsfreiheit, Rechtsanwälte, Berufsrecht Rechtsanwälte, Notare, Rechtsanwälte Ausbildung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1993:B389.1993

Dokumentnummer

JFR_10068988_93B00389_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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