TE Vfgh Erkenntnis 2004/11/29 B973/03

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Veröffentlicht am 29.11.2004
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Index

L3 Finanzrecht
L3715 Anliegerbeitrag, Kanalabgabe

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Innsbruck ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters die mit € 2.142,00 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Bescheid vom 18. März 1999 erteilte der Stadtmagistrat Innsbruck dem Beschwerdeführer die Baubewilligung für diverse bauliche Änderungen auf seinem Grundstück.

Sodann schrieb der Stadtmagistrat Innsbruck dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 22. März 2002 unter Berufung ua auf die Vorschrift über die Erhebung von Kanalanschlussgebühren der Stadtgemeinde Innsbruck vom 7. Juli 1960 zuletzt geändert mit Gemeinderatsbeschluss vom 16. Dezember 1974 (im Folgenden: KanalanschlussgebührenV) eine Kanalanschlussgebühr (Ergänzungsgebühr) in der Höhe von ATS 7.854,- bzw € 570,77 (inkl 10 % USt) vor. Der dagegen erhobenen Berufung wurde letztlich (mit Berufungsvorentscheidung des Stadtmagistrats der Stadt Innsbruck vom 3. Februar 2003 wurde die Kanalanschlussgebühr mit dem Betrag von € 590,36 neu festgesetzt) mit Bescheid der Berufungskommission in Abgabensachen der Stadt Innsbruck vom 3. Juli 2003 keine Folge gegeben und es wurde die Abgabe von Amts wegen mit dem Betrag von @ 590,36 neu festgesetzt.

2. Gegen diesen Bescheid der Berufungskommission in Abgabensachen der Stadt Innsbruck richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums durch die Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm (Rechtswidrigkeit der KanalanschlussgebührenV) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

3. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, auf die Erstattung einer Gegenschrift jedoch verzichtet.

4. Mit Erkenntnis vom 13. Oktober 2004, V40/04, hob der Verfassungsgerichtshof die Wortfolge "in der jeweils geltenden Fassung" in §3 der KanalanschlussgebührenV sowie die Wortfolgen "bei Bauten, welche nach dem 26.6.1969 baubehördlich bewilligt wurden, mit dem Eintritt der Rechtskraft des Bewilligungsbescheides; in allen übrigen Fällen", "dem Eintritt" sowie "Rechtskraft des Bewilligungsbescheides zur" in §4 der KanalanschlussgebührenV als gesetzwidrig auf. Die Wortfolge "Die Gebührenpflicht entsteht mit der Herstellung des Kanalanschlusses." in §4 der zitierten Verordnung wurde hingegen nicht als gesetzwidrig aufgehoben.

II. 1. Gemäß Art139 Abs6 B-VG wirkt die Aufhebung einer Verordnung auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als gesetzwidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde liegenden Tatbestands nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Dem in Art139 Abs6 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Verordnungsprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Verordnungsprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (vgl VfSlg 10.616/1985, 10.736/1985, 10.954/1986).

Die nichtöffentliche Beratung im Verordnungsprüfungsverfahren fand am 13. Oktober 2004 statt. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 16. Juli 2003 eingelangt, war also zum Zeitpunkt der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der hier zugrunde liegende Fall ist somit einem Anlassfall gleichzuhalten.

Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als gesetzwidrig aufgehobene Verordnung an. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass dadurch die Rechtssphäre des Beschwerdeführers nachteilig beeinflusst wurde. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind nicht nur jene Bestimmungen präjudiziell, die von der belangten Behörde tatsächlich angewendet wurden, sondern auch jene welche die Behörde - objektiv betrachtet - anzuwenden gehabt hätte (VfSlg 10.617/1985, 11.752/1988, 16.452/2002); das ist hier jedenfalls hinsichtlich der aufgehobenen Wortfolgen in §3 der Verordnung der Fall. Der Beschwerdeführer wurde somit wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt.

Der Bescheid ist daher aufzuheben.

2. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG abgesehen.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 327,- sowie der Ersatz der entrichteten Gebühr gemäß §17a VfGG von € 180,-

enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall, VfGH / Präjudizialität

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:B973.2003

Dokumentnummer

JFT_09958871_03B00973_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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