TE Vfgh Erkenntnis 2004/11/29 B1455/03

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Veröffentlicht am 29.11.2004
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

ABGB §879
Tir GVG 1996 §5 Abs1 litc

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Rechtsgeschäftes aufgrund der vertretbaren Annahme des Vorliegens eines als nichtiges Umgehungsgeschäft zu wertenden Schenkungsvertrages

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Schenkungsvertrag vom 11. November 2002 wurden der Beschwerdeführerin von ihrem Ehegatten Liegenschaften im Gesamtausmaß von 37.198 m2 übergeben. Der Vorsitzende der bei der Bezirkshauptmannschaft I eingerichteten Bezirks-Grundverkehrskommission stellte mit Bescheid vom 12. März 2003 fest, dass der Rechtserwerb gemäß §5 Abs1 litc Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996, LGBl für Tirol 1996/61 idF der LG LGBl für Tirol 1997/59 und 1999/75 (im Folgenden: TGVG 1996) keiner grundverkehrsbehördlichen Genehmigung bedürfe.

2. Gegen diese Entscheidung erhob der Landesgrundverkehrsreferent Berufung und führte aus, der Geschenkgeber habe die von ihm im Jahr 1992 erworbenen Liegenschaften seiner Gattin nur deshalb im Wege der Gesamtübergabe übergeben, um auflagengemäße Pflichten iSd Genehmigungsbescheides vom 23. März 1992 "für die Zukunft abzuschütteln" und sich so einer verwaltungsstrafrechtlichen Verfolgung zu entziehen. Es handle sich um ein nichtiges Schein- oder Umgehungsgeschäft, das nicht Gegenstand eines grundverkehrsrechtlichen Verfahrens sein könne.

3. Mit Bescheid der Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 24. September 2003 wurde der Berufung des Landesgrundverkehrsreferenten Folge gegeben und der angefochtene Bescheid des Vorsitzenden der Bezirks-Grundverkehrskommission wegen Unzuständigkeit ersatzlos behoben.

Dies im Wesentlichen mit folgender Begründung: Außer Streit stehe, dass es sich bei den übergebenen Grundstücken um land- und forstwirtschaftliche Grundstücke im Sinne des §2 Abs1 TGVG 1996 handle und die Geschenknehmerin dem Personenkreis des §2 Abs5 leg cit (Ausländer) nicht angehöre. Voraussetzung für die meritorische Erledigung einer Grundverkehrsangelegenheit sei das Vorliegen eines Rechtsgeschäftes betreffend ein den Bestimmungen des Grundverkehrsgesetzes unterliegendes Grundstück; im Falle der Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes sei die Grundverkehrsbehörde zur Entscheidung über den gestellten Antrag unzuständig. Die hier gemäß §38 AVG zu beurteilende Vorfrage, ob der "zur Genehmigung vorgelegte Rechtsvorgang" als tauglicher Grund des angefochtenen Rechtserwerbes anzusehen ist, sei zu verneinen, weil es sich tatsächlich um ein rechtswidriges Umgehungsgeschäft iSd §879 Abs1 ABGB handle. Außer Streit stehe, dass der Geschenkgeber die Liegenschaften mit Kaufvertrag vom 21. Jänner 1992 erworben habe. Mit Bescheid vom 23. März 1992 habe die Grundverkehrsbehörde dem Rechtserwerb die Zustimmung unter Auflagen - insbesondere der Selbstbewirtschaftung und Haltung von drei rauhfutterverwertenden Großvieheinheiten - erteilt, die der Geschenkgeber bis dato ungeachtet mehrfach bewilligter Fristverlängerungen (zuletzt bis zum 1. September 2000) nicht erfüllt habe; ein Ansuchen um Aufhebung der Auflage sei abgewiesen und wegen Nichterfüllung seien Verwaltungsstrafen verhängt worden. Unter Berücksichtigung dieses Sachverhalts und aufgrund der Tatsache, dass sich keine wesentlichen Änderungen - weder im persönlichen Bereich noch in der Bewirtschaftung der erworbenen Grundflächen - ergeben hätten, schließe sich die Landes-Grundverkehrskommission der Ansicht des Landesgrundverkehrsreferenten an und erblicke im Schenkungsvertrag ein nichtiges Umgehungsgeschäft. Der Zweck dieses Rechtserwerbes könne somit nur in der Umgehung der vorgeschriebenen Auflagen erblickt werden, wofür auch spreche, dass der Begünstigten aus dem Rechtserwerb keine Vorteile entstünden; sie dürfe die Liegenschaften weder belasten noch veräußern, bei einer Scheidung würden sie an den Geschenkgeber zurückfallen.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Freiheit des Liegenschaftsverkehrs behauptet sowie die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

5. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie den bekämpften Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des TGVG 1996 lauten:

"Genehmigungspflicht

§4. (1) Der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde bedürfen Rechtsgeschäfte, die den Erwerb eines der folgenden Rechte an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken zum Gegenstand haben:

a) den Erwerb des Eigentums;

...

Ausnahmen von der Genehmigungspflicht

§5. (1) In folgenden Fällen bedarf es nicht der Genehmigung nach §4:

a) - b) ...

c) beim Rechtserwerb zwischen Ehegatten, zwischen Blutsverwandten in gerader Linie und bis zum dritten Grad der Seitenlinie oder zwischen Verschwägerten in gerader Linie, wenn der Übergeber alle seine land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücke oder alle seine Miteigentumsanteile an solchen Grundstücken ungeteilt auf eine Person überträgt, sowie beim damit im Zusammenhang stehenden Erwerb einer Dienstbarkeit der Wohnung für den Übergeber oder dessen Ehegatten oder Kinder;

...

§35

Feststellungsklage bei Schein- und Umgehungsgeschäften

(1) Der Landesgrundverkehrsreferent kann bei dem nach §81 der Jurisdiktionsnorm zuständigen Gericht Klage auf Feststellung erheben, dass ein Rechtsgeschäft nichtig ist, insbesondere weil es ein Schein- oder Umgehungsgeschäft ist.

(2) Die Erhebung einer Klage nach Abs1 ist auf Antrag des Landesgrundverkehrsreferenten im Grundbuch anzumerken. Die Anmerkung hat zur Folge, dass die gerichtliche Entscheidung auch gegen Personen ihre volle Wirksamkeit äußert, die erst nach dem Zeitpunkt des Einlangens des Antrages auf Anmerkung beim Grundbuchsgericht bücherliche Rechte erlangt haben.

(3) Wird der Klage stattgegeben, so hat das Grundbuchsgericht eine bereits durchgeführte Eintragung des betreffenden Rechtes zu löschen und den früheren Grundbuchsstand wiederherzustellen. §34 ist anzuwenden. Der Landesgrundverkehrsreferent hat dem Grundbuchsgericht die Entscheidung des Gerichtes über die Feststellung der Nichtigkeit eines Rechtsgeschäftes unverzüglich mitzuteilen."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1. Die Beschwerdeführerin wirft der belangten Behörde zunächst eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz vor. Die belangte Behörde habe §5 Abs1 litc TGVG 1996 denkunmöglich ausgelegt und Willkür geübt, da sie von einem Umgehungsgeschäft ausgehe. Das TGVG 1996 schränke die Bewilligungsfreiheit solcher Rechtsgeschäfte nicht dadurch ein, dass irgendwelche Zwecke für die Bewilligungsfreiheit verlangt würden, sondern stelle ausschließlich auf die Ehegatteneigenschaft ab. Ein Scheingeschäft könne sohin nur dann vorliegen, wenn es zu dem Zweck abgeschlossen würde, das Erfordernis der Ehegatteneigenschaft zu umgehen. Sowohl die von der Behörde als Begründung für das Vorliegen eines Scheingeschäftes herangezogenen Tatsachen, dass die Geschenknehmerin keine Zahlungsverpflichtung treffe als auch die Verhängung eines Belastungs- und Veräußerungsverbots über die Liegenschaften sei durchaus üblich und lasse nicht auf ein Schein- oder Umgehungsgeschäft schließen. Die belangte Behörde habe den Gleichheitsgrundsatz auch dadurch verletzt, dass sie jegliche Ermittlungstätigkeit in einem entscheidungsrelevanten Punkt unterlassen habe, da sie sich bei ihrer Vorfragenbeurteilung weitgehend auf Mutmaßungen des Landesgrundverkehrsreferenten gestützt und selbst keinerlei Ermittlungen angestellt habe. Seit dem Urteil des EuGH 23.9.2003, Rs C-452/01, Ospelt, seien das strenge Erfordernis der Residenzpflicht und der Selbstbewirtschaftung gemeinschaftsrechtswidrig; dies hätte die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung der zivilrechtlichen Vorfrage zugrunde legen und erkennen müssen, dass die vom Landesgrundverkehrsreferenten geäußerte Ansicht im Lichte des Gemeinschaftsrechts schlichtweg unhaltbar sei.

1.2. Durch die dargelegte denkunmögliche Anwendung des §5 Abs1 litc TGVG 1996 sei außerdem das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Freiheit des Liegenschaftserwerbs verletzt.

2.1. Ungeachtet der Frage, ob der angefochtene Bescheid, der - von der Unzuständigkeit der Grundverkehrsbehörde ausgehend - den erstinstanzlichen Feststellungsbescheid ersatzlos behebt, überhaupt eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums bewirken könnte, könnte eine Verletzung dieses Grundrechtes im Hinblick auf die (auch von der Beschwerde nicht bestrittene) verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides nur dann vorliegen, wenn die belangte Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte; ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl VfSlg 14.966/1997).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl dazu VfSlg 6780/1972 und die dort angeführte Vorjudikatur; VfSlg 12.227/1989, 15.367/1998, 15.771/2000) gilt der erste Satz des Art5 StGG auch für Eigentumsbeschränkungen. Der Gesetzgeber kann aber angesichts des in Art1 1. ZPEMRK enthaltenen Gesetzesvorbehalts Eigentumsbeschränkungen verfügen, sofern er dadurch nicht den Wesensgehalt des Grundrechtes auf Unversehrtheit des Eigentums berührt oder in anderer Weise gegen einen auch ihn bindenden Verfassungsgrundsatz verstößt (vgl VfSlg 9189/1981, 10.981/1986 und 15.577/1999), soweit die Eigentumsbeschränkung im öffentlichen Interesse liegt (vgl etwa VfSlg 9911/1983, 14.535/1996, 15.577/1999 sowie VfGH 1.12.2003, G298/02 ua) und nicht unverhältnismäßig ist (s zB VfSlg 13.659/1993, 14.500/1996, 15.367/1998 und 15.753/2000).

Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (zB VfSlg 14.966/1997) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde den angewandten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei der Erlassung des Bescheides Willkür geübt hätte. Bei der Unbedenklichkeit der angewandten Rechtsgrundlagen könnte eine Verletzung der in Rede stehenden Grundrechte somit nur vorliegen, wenn die belangte Behörde die angewandten Rechtsvorschriften denkunmöglich angewandt oder Willkür geübt hätte.

Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde insbesondere dann vorgeworfen werden, wenn der angefochtene Bescheid wegen des gehäuften Verkennens der Rechtslage im besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (VfSlg 9726/1983, 16.747/2002), was auch bei Unterlassung jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere iVm einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes zutrifft (zB VfSlg 8.808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung, VfSlg 11.213/1987, 12.985/1992, 15.278/1998, 16.067/2001).

Der bekämpfte Bescheid leidet nicht an einem solchen Mangel, da der belangten Behörde bei ihrer Vorfragenbeurteilung jedenfalls kein in die Verfassungssphäre reichender Fehler unterlaufen ist. Sie hat aufgrund eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und des auf dessen Grundlage ermittelten - für sich unbestritten gebliebenen - Sachverhaltes den aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstandenden Schluss gezogen, der Schenkungsvertrag sei iSd §879 ABGB als nichtiges Rechtsgeschäft zu werten. Diese Vorfragenbeurteilung ist im Einzelnen - insbesondere auch unter Stützung auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung - begründet. Unter Bedachtnahme auf die konkreten Gegebenheiten kann dem aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht mit gutem Grund entgegengetreten werden. Der bekämpfte Bescheid ist somit sowohl hinsichtlich der Sachverhaltsfeststellungen, der daraus gezogenen Schlüsse und der rechtlichen Würdigung unbedenklich; hiezu genügt es, im Einzelnen auf die unter I.3. wiedergegebenen Gründe des bekämpften Bescheides zu verweisen.

Wenn aber die belangte Behörde davon ausgehen durfte, dass ein nichtiges Umgehungsgeschäft vorliegt, bleibt kein Raum für Feststellungen welcher Art auch immer in Bezug auf die im Jahre 1992 vorgeschriebenen Auflagen (die die Beschwerde für gemeinschaftsrechtswidrig hält).

Die Beschwerdeführerin wurde somit weder im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, noch in den anderen geltend gemachten Rechten verletzt.

3. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die Beschwerdeführerin in einem von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wäre.

4. Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl zB VfSlg 15.278/1998, 16.358/2001).

5. Die Beschwerde war deshalb als unbegründet abzuweisen.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, und Z2 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Grundverkehr, Rechtsgeschäft nichtiges

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:B1455.2003

Dokumentnummer

JFT_09958871_03B01455_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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