TE Vfgh Erkenntnis 2004/11/30 B1198/03

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Veröffentlicht am 30.11.2004
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Index

63 Allgemeines Dienst- und Besoldungsrecht
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979

Norm

B-VG Art18 Abs1
EMRK Art6 Abs1 / Strafrecht
EMRK Art10
BDG 1979 §43 Abs2, §91, §123
Post-BetriebsverfassungsG §65, §70

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen ein Mitglied des Personalausschusses der Post AG wegen begründeten Verdachts einer Verletzung der Verschwiegenheitspflicht durch Aussagen über Schließung von Postämtern in einem Zeitungsinterview

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er ist Mitglied des Personalausschusses der Bediensteten der Österreichischen Post AG für Salzburg und als solches vom Dienst freigestellt.

2.1. Mit Schreiben des Personalamtes Salzburg der Österreichischen Post AG vom 5. November 2002 wurde der Personalausschuss der Bediensteten der Österreichischen Post AG für Salzburg um Zustimmung zur disziplinarrechtlichen Verfolgung des nunmehrigen Beschwerdeführers gemäß §70 des Post-Betriebsverfassungsgesetzes (im Folgenden: Post-BetriebsverfassungsG) ersucht. Mit Schreiben vom 20. November 2002 wurde diese Zustimmung durch den Vorsitzenden des Personalausschusses unter Verweis auf einen diesbezüglichen Beschluss in einer Personalausschusssitzung am gleichen Tage erteilt.

2.2. Mit Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen vom 22. April 2003 wurde gegen den Beschwerdeführer ein Disziplinarverfahren wegen des Verdachtes, in Zeitungsinterviews unrichtige Aussagen über angeblich geplante Postämterschließungen getätigt und dadurch Dienstpflichtverletzungen iSd. §91 BDG begangen zu haben, eingeleitet. Begründend führte die Behörde dazu aus, dass der Beschwerdeführer in einem Interview gegenüber der Tageszeitung "Salzburger Kronenzeitung", Ausgabe vom 9. Oktober 2002, behauptet habe, in Wien lägen Listen für weitere gut zwanzig Ämter auf, die zugesperrt werden sollen. Trotz der Androhung rechtlicher Schritte im Falle des Unterlassens der Vorlage dieser Liste an den Leiter des "Geschäftsfeldes Filialnetz" habe der Beschwerdeführer seine Aussagen hinsichtlich der geplanten Zusperrpläne aufrecht erhalten, wie sich aus entsprechenden Artikeln der "Kronenzeitung" und der "Salzburger Nachrichten" vom 11. Oktober 2002 ergebe.

2.3. Diesen Bescheid bekämpfte der Beschwerdeführer mit Berufung vom 8. Mai 2003 an die Berufungskommission beim Bundeskanzleramt.

Darin machte er geltend, es bestehe keine dienstrechtliche Verantwortlichkeit für Äußerungen als Mitglied des Personalausschusses. Als Mitglied des Personalausschusses Post Salzburg sei er gemäß §65 Abs2 des Post-BetriebsverfassungsG bei der Ausübung seiner Tätigkeit an keine Weisungen gebunden, sondern lediglich der Personalvertreterversammlung verantwortlich. Eine "dienstrechtliche Verantwortung" sei nur dann möglich, wenn eine Äußerung oder Handlung nicht in Ausübung des Mandates erfolgte. Bereits aus der Disziplinaranzeige folge jedoch, dass der Beschwerdeführer seine Äußerungen in Ausübung seines Mandates getätigt habe; daran ändere auch eine - wie vorliegend: fehlerhafte - Zustimmung des Personalvertretungsorgans gemäß §70 Abs3 Post-BetriebsverfassungsG nichts: Wenn eine Äußerung in Ausübung des Mandats erfolgt sei, so sei sie dienstrechtlich "immun". Dies ergebe sich aus §70 Abs3 letzter Satz Post-BetriebsverfassungsG, wonach eine disziplinarrechtliche Verantwortung nicht in Betracht komme, wenn das Gericht auf Grund einer Klage feststelle, dass eine Äußerung oder Handlung in Ausübung des Mandates erfolgt sei.

Darüber hinaus brachte der Beschwerdeführer in dieser Berufung vor, dass Normen verfassungskonform zu interpretieren und die inkriminierten Äußerungen dem Art10 EMRK zu unterstellen seien. Es handle sich dabei um Werturteile, die iSd. Art10 Abs1 EMRK uneingeschränkt zulässig seien. Wenn für derartige Äußerungen die Erbringung eines Wahrheitsbeweises gefordert werde, so verstoße das gegen Art10 EMRK. Die in der Disziplinaranzeige relevierten Äußerungen seien auf Grund verlässlicher Informationen verbreitet worden. Auch deshalb sei die Einleitung eines Disziplinarverfahrens verfehlt und dieses daher einzustellen.

2.4. Mit dem hier in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 4. Juli 2003 wies die Berufungskommission beim Bundeskanzleramt diese Berufung ab. Begründend führt die Behörde dazu ua. aus:

"Für die Einleitung des Verfahrens reicht es aus, wenn genügende Verdachtsgründe gegen den Beamten vorliegen, welche die Annahme einer Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Ein Verdacht besteht, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen gegeben erscheinen lassen. Die Disziplinarkommission muss bei Fällung eines Einleitungsbeschlusses noch nicht volle Klarheit darüber haben, ob ein bestimmter Beamter eine Dienstpflichtverletzung begangen hat; dies ist erst in dem der Einleitung des Verfahrens nachfolgenden Ermittlungsverfahren aufzuklären. Ebenso wenig muss im Einleitungsbeschluss das dem Beamten zur Last gelegte Verhalten bereits abschließend rechtlich gewürdigt werden. Es genügt grundsätzlich, im Einleitungsbeschluss das dem Beschuldigten zur Last gelegte Verhalten, das als Dienstpflichtverletzung erachtet wird, in groben Umrissen zu umschreiben und darzulegen, warum sich nach dem geschilderten Verhalten der Verdacht einer Dienstpflichtverletzung ergibt, wobei der Disziplinarbehörde ein nicht geringer Beurteilungsspielraum ('Subsumtionsspielraum') bei prognostischer Sicht der Dinge zuzugestehen ist. [...] Die Beschränkung der gebotenen Prüfung von Einstellungsgründen nach §118 Abs1 Z1 oder 2 BDG 1979 gilt insbesondere auch für den Einstellungsgrund nach §118 Abs1 Z1 zweiter Fall leg. cit., sodass nur das offenkundige Vorliegen eines Strafausschließungsgrundes der Fassung des Einleitungsbeschlusses entgegensteht [...].

Ein Verdacht besteht, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen rechtfertigen. Im vorliegenden Fall ergeben sich solche aus der Disziplinaranzeige, in der dem BW im Wesentlichen vorgeworfen wird, durch unrichtige Äußerungen gegenüber Medien betreffend angeblich bevorstehende Postamtsschließungen im Bundesland Salzburg (entsprechende Artikel erschienen am 9. und am 11. Oktober 2002 in der Salzburger Kronenzeitung) gegen die im §43 Abs1 BDG 1979 normierte Treuepflicht verstoßen zu haben, wobei diese unwahren Äußerungen darüber hinaus auch geeignet waren, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben zu beeinträchtigen (§43 Abs2 BDG 1979). Aufgrund der in der Disziplinaranzeige dargelegten Verdachtsmomente war es möglich, ein bestimmtes Verhalten des BW hinsichtlich des Tatortes, des Tatzeitraumes sowie seinem Inhalt nach in groben Umrissen zu bestimmen.

Im Rahmen der nach dem Vorgesagten [...] durchzuführenden Grobprüfung reichen die für den Einleitungsbeschluss relevanten Tatsachen hier aus, um den Verdacht einer schuldhaften Dienstpflichtverletzung nach §91 BDG 1979 zu rechtfertigen.

Auch sonst sind keine Umstände hervorgekommen, die aus dem Grunde des §118 Abs1 BDG 1979 einer Einleitung des Disziplinarverfahrens entgegenstehen.

...

Aus dem Wortlaut des §70 Abs1 PBVG folgt für den vorliegenden Fall zunächst ausschließlich, dass der BW als Mitglied eines Personalvertretungsorganes, das in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis steht, wegen Äußerungen oder Handlungen nur mit Zustimmung des Organs, dem er angehört, dienstrechtlich zur Verantwortung gezogen werden darf. Diese gesetzlich geforderte Voraussetzung liegt im Hinblick auf die schriftlich vorliegende Zustimmungserklärung, welche auf einen Beschluss in der Personalausschusssitzung vom 20. November 2002 zurückgeht, vor.

...

Eine dienstrechtliche Verantwortlichkeit für Äußerungen oder Handlungen in Ausübung des Mandates kommt schon nach §65 Abs2 zweiter Satz PBVG nicht in Betracht. Aufgabe des nach §70 PBVG zustimmungsberechtigten Organs ist es daher ausschließlich, zu prüfen, ob die inkriminierten Äußerungen oder Handlungen in Ausübung des Mandates erfolgt sind oder nicht. Im zweitgenannten Fall ergibt sich aus der Anordnung des §70 Abs3 erster Satz PBVG, dass die Zustimmung zu erteilen ist. Im erstgenannten Fall ist die Handlung dienstrechtlich nicht zu ahnden, weshalb bereits das Personalvertretungsorgan verpflichtend die Zustimmung zur disziplinarrechtlichen Verfolgung zu versagen hat.

...

Es erhebt sich daher die Frage, ob die Disziplinarbehörde ungeachtet einer Zustimmung des Personalvertretungsorganes gemäß §70 PBVG eigenständig zu prüfen hat, ob ein Fall des §65 Abs2 zweiter Satz PBVG vorliegt und der Beamte deshalb (ungeachtet der Zustimmung des Personalvertretungsorganes) disziplinär nicht zur Verantwortung gezogen werden darf. Diese Frage ist - auch unter Beachtung des Umstandes, dass die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehenden Beamten, auch wenn sie Belegschaftsvertreter sind, darüber hinaus auch grundsätzlich der disziplinarrechtlichen Verantwortung unterliegen - zu bejahen. §70 Abs3 zweiter Satz PBVG regelt lediglich den Rechtsschutz des Dienstgebers für den Fall, dass ein Personalvertretungsorgan zu Unrecht (in der unrichtigen Annahme, die Handlung sei in Ausübung des Mandates erfolgt) die Zustimmung versagt. Diesfalls kann sich der Dienstgeber mit Klage an das Gericht gegen das Personalvertretungsorgan wenden. Eine gleichartige Vorschrift, die etwa dem Beamten eine Klagsmöglichkeit gegen zu Unrecht erteilte Zustimmungen zur disziplinarrechtlichen Verfolgung einräumt, besteht nicht.

...

Träger der Aufgabe, im Rahmen der Generalklausel des §7 PBVG die Interessen der Arbeitnehmer zu fördern, sind die Organe der Arbeitnehmerschaft (Personalvertretungsorgane), hier also aus dem Grunde des §9 Abs1 Z3 PBVG der Personalausschuss, nicht aber dessen einzelne Mitglieder. Daraus wiederum folgt, dass das Mitglied eines Personalvertretungsorgans bei Abgabe von Äußerungen in der Öffentlichkeit nur dann im Rahmen seines Mandates handelt, wenn es nach den Bestimmungen der §§44 bis 46 PBVG in der jeweiligen Angelegenheit zur Vertretung des Personalvertretungsorganes nach außen befugt ist. Dies ist gemäß §46 erster Satz PBVG zunächst der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der Stellvertreter. Der BW war nach der Aktenlage im Zeitpunkt der Abgabe seiner Äußerungen jedoch nicht Vorsitzender. Ebenso wenig ergeben sich aus der Aktenlage offenkundige Hinweise für einen (sonst) in den §§44 bis 46 PBVG geregelten Fall einer Befugnis des BW zur Vertretung des Personalausschusses in Ansehung der Abgabe der hier gegenständlichen öffentlichen Äußerungen.

Der Umstand, dass eine solche Befugnis nach dem derzeitigen Verfahrensstand dennoch nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, steht der Fassung des Einleitungsbeschlusses nicht entgegen. Vielmehr wird im Zuge der im Disziplinarverfahren gebotenen 'Feinprüfung' auch das Vorliegen von Ausschließungsgründen und damit die Frage zu prüfen sein, ob ungeachtet dessen, dass nach der bisherigen Aktenlage Hinweise darauf fehlen, der BW allenfalls dennoch als befugter Außenvertreter des Personalausschusses gehandelt hat."

2.5. Gegen diesen Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, mit der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm, nämlich des §43 Abs2 BDG, geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.

2.6. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den Beschwerdeausführungen entgegentritt und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des BDG lauten:

"Berufungskommission

§41a. (1) Beim Bundeskanzleramt ist eine Berufungskommission einzurichten, die aus dem Vorsitzenden, den erforderlichen Stellvertretern und weiteren Mitgliedern besteht.

...

(6) (Verfassungsbestimmung) Die Berufungskommission entscheidet über Berufungen gegen in erster Instanz ergangene Bescheide in Angelegenheiten der §§38, 40, 41 Abs2, 123 Abs2 und 124 Abs2."

"Allgemeine Dienstpflichten

§43. (1) Der Beamte ist verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen

(2) Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt

..."

"Dienstpflichtverletzungen

§91. Der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, ist nach diesem Abschnitt zur Verantwortung zu ziehen."

"Zuständigkeit

§97. Zuständig sind

1...

2. die Disziplinarkommission zur Erlassung von Disziplinarerkenntnissen und zur Entscheidung über Suspendierungen hinsichtlich der Beamten des Ressorts, in dem sie eingerichtet ist.

3. ..."

"Einstellung des Disziplinarverfahrens

§118. (1) Das Disziplinarverfahren ist mit Bescheid einzustellen, wenn

1. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen,

2. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Dienstpflichtverletzung darstellt,

3. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen, oder

4. die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und über dies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von der Verletzung der Dienstpflichten abzuhalten oder der Verletzung von Dienstpflichten durch andere Beamte entgegenzuwirken.

(2) ..."

"Einleitung

§123. (1) Der Senatsvorsitzende hat nach Einlangen der Disziplinaranzeige den Disziplinarsenat zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob ein Disziplinarverfahren durchzuführen ist. Notwendige Ermittlungen sind von der Dienstbehörde im Auftrag des Senatsvorsitzenden durchzuführen.

(2) Hat die Disziplinarkommission die Durchführung eines Disziplinarverfahrens beschlossen, so ist dieser Beschluss dem beschuldigten Beamten, dem Disziplinaranwalt und der Dienstbehörde zuzustellen. Gegen den Beschluß, ein Disziplinarverfahren einzuleiten, nicht einzuleiten oder einzustellen (§118), ist die Berufung an die Berufungskommission zulässig.

..."

1.2. Die relevanten Bestimmungen des Post-Betriebsverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 326/1996 idF BGBl. I Nr. 98/2001, lauten:

"Grundsätze der Mandatsausübung, Verschwiegenheitspflicht

§65. (1)...

(2) Die Mitglieder der Personalvertretungsorgane sind bei Ausübung ihrer Tätigkeit an keinerlei Weisungen gebunden. Die Mitglieder des Vertrauenspersonenausschusses sind nur der Betriebsversammlung, die Mitglieder des Personalausschusses und des Zentralausschusses der Personalvertreterversammlung verantwortlich.

(3) ..."

"Dienstrechtliche Verantwortung

§70. (1) Mitglieder von Personalvertretungsorganen sowie von Wahlausschüssen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehen, dürfen wegen Äußerungen oder Handlungen nur mit Zustimmung des Organs, dem sie angehören, dienstrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.

(2) ...

(3) Kommt das Personalvertretungsorgan zu dem Ergebnis, dass die Äußerungen oder Handlungen nicht in Ausübung des Mandates erfolgt sind, so hat es die Zustimmung zu erteilen. Erteilt das Personalvertretungsorgan die Zustimmung nicht, hat das Gericht auf Grund einer Klage festzustellen, ob die Äußerungen oder Handlungen nicht in Ausübung des Mandates erfolgt sind."

2.1. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den bekämpften Bescheid betreffend die Einleitung eines Disziplinarverfahrens in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art83 Abs2 B-VG verletzt, und zwar im Wesentlichen deshalb, weil

"die belangte Behörde [...] eine Strafbefugnis für sich in Anspruch [genommen habe], für die es offenkundig an einer Anspruchsgrundlage mangelt. Denn tatsächlich sind Äußerungen und Handlungen von Mitgliedern von Personalvertretungsorganen in ihrer Funktion als solche immun. Dass eine derartige Äußerung verfahrensgegenständlich ist, folgt nicht nur offenkundig aus dem Inhalt meiner Äußerung; dies folgt insb. auch aus der verfahrensgegenständlichen Disziplinaranzeige."

Dazu genügt es, auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hinzuweisen, aus der sich ergibt, dass die Entscheidung einer Disziplinarkommission gemäß §123 Abs1 BDG über die Einleitung eines Disziplinarverfahrens keine Ausübung einer Strafbefugnis darstellt (vgl. zB VfSlg. 16.716/2002 mwH).

2.2. Weiters vermeint der Beschwerdeführer durch den bekämpften Bescheid wegen Anwendung des §43 Abs2 BDG 1979 in seinen Rechten verletzt worden zu sein, weil diese Bestimmung mangels ausreichender Determinierung im Sinne des Art18 B-VG verfassungswidrig sei. Gerade Straftatbestände müssten aber so bestimmt sein, dass der Rechtsunterworfene das Unrecht seines Handelns eindeutig vorhersehen kann.

Wie sich jedoch insbesondere aus dem Erkenntnis VfSlg. 13.978/1994 ergibt, hegt der Verfassungsgerichtshof gegen die vom Beschwerdeführer kritisierte Bestimmung keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

2.3. Die Rechtsauffassung der belangten Behörde, der zu Folge es für den Einleitungsbeschluss ausreicht, dass ausreichende Verdachtsmomente bestehen, der Beamte habe ein disziplinär zu ahndendes Verhalten gesetzt und dass die Frage, ob er - im Besonderen in Hinblick auf seine Stellung als Mitglied des Personalausschusses - tatsächlich disziplinär zu bestrafen ist, erst im darauf folgenden Disziplinarverfahren eindeutig zu klären ist, ist nicht unvertretbar (vgl. VfSlg. 15.287/1998, 16.269/2001).

2.4. Der Beschwerdeführer wurde somit aus den in der Beschwerde vorgetragenen Erwägungen weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt.

Das Beschwerdeverfahren hat auch nicht ergeben, dass dies aus anderen, in der Beschwerde nicht dargelegten Gründen der Fall gewesen wäre.

2.5. Ob der Entscheidung auch darüber hinaus eine in jeder Hinsicht richtige Gesetzesanwendung zu Grunde liegt, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch nicht in dem - hier vorliegenden - Fall, dass eine Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nicht in Betracht kommt (vgl. VfSlg. 14.806/1997).

2.6. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Dienstrecht, Amtsverschwiegenheit, Disziplinarrecht, Meinungsäußerungsfreiheit, Personalvertretung, Determinierungsgebot

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:B1198.2003

Dokumentnummer

JFT_09958870_03B01198_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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